Paul-Arthur Hennecke - Kanzelgruß - Sollte Gott wirklich gesagt haben...? Predigt zur Konfirmation 2 am 7.5.2006 in Grasleben über 1.Mose 3,1-6+12-13 Liebe Gäste von nah und fern! Liebe Eltern und Großeltern! Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden! Ich habe -wie schon am letzten Sonntag- auch heute wieder zwei kleine Karikaturen mitgebracht - und sie hinten in die Gesangbücher gesteckt, auf den Liederblättern mit abgedruckt - oder wie eben hier vorne zusätzlich verteilt. Auf dem unteren Bild ist ein einfacher Apfel zu sehen, aus dem ein Wurm heraus gekrochen kommt; und meine Frage dazu lautet: In welchen biblischen Geschichten spielt ein Apfel (oder auch ein Apfelbaum) eine Rolle...? Allen, denen jetzt spontan eine entsprechende Bibelstelle eingefallen sein sollte, gebe ich den dringenden Rat: Benutzt die Bibel nicht als Ersatz für den Regenschirm, sondern lest auch mal darin. Es gibt nämlich keine Bibelstelle, in der ein Apfelbaum oder auch ein einzelner Apfel vorkommt. Die Geschichte von Schneewittchen, die von der bösen Königin mit einem vergifteten Apfel umgebracht werden soll, stammt aus Grimms Märchen.
Predigt zur Konfirmation 2 am 7.5.2006 in Grasleben Seite 2 Derjenige, der selbst am Tag vor dem Weltuntergang noch ein Apfelbäumchen pflanzen wollte, war Martin Luther; und der hat die Bibel zwar ins Deutsche übersetzt, - kommt aber selbst nicht in der Bibel vor. Und ansonsten gibt es nur drei Stellen in der Bibel, an denen vom Aug-Apfel die Rede ist (und den kann man ja schlecht essen...) Alle, die bei der Frage nach einer biblischen Apfel- Geschichte an die Sündenfall-Erzählung gedacht haben, muss ich ebenso enttäuschen. Denn im biblischen Text ist nicht von einem Apfelbaum die Rede; sondern da heißt es im 1.Buch Mose Kapitel 3: 01 Die Schlange war listiger als alle anderen Tiere, die Gott, der Herr, gemacht hatte. Eines Tages nun fragte die Schlange die Frau: Hat Gott wirklich gesagt: Ihr dürft die Früchte von den Bäumen im Garten nicht essen? 02 Natürlich dürfen wir sie essen, antwortete die Frau, 03 nur von dem Baum in der Mitte des Gartens nicht. Gott hat gesagt: 'Esst nicht von seinen Früchten, ja - berührt sie nicht einmal, sonst müßt ihr sterben!' 04 Unsinn! Ihr werdet nicht sterben, widersprach die Schlange,
Predigt zur Konfirmation 2 am 7.5.2006 in Grasleben Seite 3 05 aber Gott weiß: Sobald ihr davon esst, werden eure Augen geöffnet - ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist. 06 Die Frau schaute den Baum an. Er sah schön aus! Seine Früchte wirkten verlockend, und klug würde sie davon werden! Sie pflückte eine Frucht, biss hinein und reichte sie ihrem Mann, und auch er aß davon. Um was geht es in dieser Geschichte...? Nun, es geht hier -wie in den ersten elf Kapiteln der Bibel insgesamt- nicht um die Tat von konkreten Menschen oder um konkrete geschichtliche Ereignisse... Sondern Adam und Eva sind gleichsam die menschlichen Prototypen; und entsprechend geht es hier um typisch menschliche Verhaltensweisen. Die ganze Sache ist leicht nachvollziehbar: Gott hat klare Regelungen getroffen, - und die werden von Adam und Eva auch ohne jede Einschränkung akzeptiert; - solange jedenfalls, bis die Schlange diese Regelungen in Frage stellt: Sollte Gott wirklich gesagt haben... - so beginnt sie das Gespräch und weiß doch eigentlich ganz genau, was Gott Gott gesagt hat... Aber auch Eva weiß eigentlich ganz genau, was Gott
Predigt zur Konfirmation 2 am 7.5.2006 in Grasleben Seite 4 über den Baum der Erkenntnis von Gut und Böse gesagt hat. Und doch lässt sie sich von der Schlange dazu verleiten, gegen Gottes ausdrückliches Verbot zu handeln und von diesem Baum der Erkenntnis von Gut und Böse zu essen. Wir kennen das aus eigener Erfahrung: da werden Grenzen, die wir den Kindern gesteckt haben, über lange Zeit hinweg akzeptiert; und dann plötzlich proben die Kinder den Aufstand gegen Eltern und Großeltern, die Erzieherinnen im Kindergarten, die Lehrer in der Schule oder auch den Pfarrer oder andere kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Und nicht selten stellt sich dabei heraus, dass es andere waren, die zum Aufstand angestachelt haben: 'Das merken deine Eltern doch gar nicht!' heißt es da zum Beispiel; oder: 'Andere machen es doch auch.' oder: 'Du musst es ja nicht erzählen...' Irgendwann aber kommt es dann doch ans Licht. Und dann kommt unweigerlich die Frage: 'Warum hast du das nur gemacht...?' Diese Frage stellt Gott auch dem Adam. Aber der sagt nun nicht etwa: 'Tut mir leid, lieber Gott, ich habe da Mist gemacht und nicht richtig überlegt...'; sondern Adam hat sofort einen Schuldigen bei der Hand:
Predigt zur Konfirmation 2 am 7.5.2006 in Grasleben Seite 5 12 Die Frau, die du mir gegeben hast, reichte mir eine Frucht - deswegen habe ich davon gegessen! 13 Warum hast du das getan? wandte der Herr sich an die Frau. Die Schlange hat mich dazu verführt! verteidigte sie sich. Auch das kennen wir: dass keiner verantwortlich sein will und jeder versucht, die Schuld auf den anderen abzuschieben. 'Der hatte die Idee...' heißt es dann, oder: 'Die hat das gesagt...'; oder auch: 'Aber der andere hat angefangen...' und 'Das machen doch (fast) alle so...' Aber mal ehrlich: wird etwas, von dem man eigentlich genau weiß, dass es falsch ist, dadurch richtig, dass ein anderer damit angefangen hat...? Oder dadurch, dass es andere auch machen...? Sobald ihr davon esst, werden eure Augen geöffnet - ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist. - so verspricht es die Schlange; und das erscheint auf den ersten Blick ganz unverfänglich. Was könnte daran schlecht sein...? Schließlich versuchen wir -als Eltern und Großeltern, als Erzieherinnen oder Lehrer, als Ausbilder oder kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter- kurz: wir Erwachsenen
Predigt zur Konfirmation 2 am 7.5.2006 in Grasleben Seite 6 versuchen doch nichts anderes als eben dies: den Kindern und Jugendlichen beizubringen, was gut und was schlecht ist... Nun, wenn es nur darum ginge, zu wissen, was gut und was böse ist, dann wäre diese ganze Geschichte von Adam und Eva und der Schlange irgendwie unlogisch. Aber es geht nicht nur um ein bestimmtes Wissen oder um die Fähigkeit, gut und böse zu unterscheiden; sondern es geht letztlich darum, dass Adam und Eva selbst festlegen wollen, was erlaubt und was verboten ist, - und das heißt: sie wollen für sich selbst ein Recht in Anspruch nehmen, das nur Gott zusteht... Sollte Gott wirklich gesagt haben... - so begann die Schlange damals das Gespräch... Heute fragt sie sicher anders (aber nicht weniger listig): Glaubst du wirklich, was da in der Bibel steht...? oder: Wie passt das denn mit dieser oder jener Erfahrung zusammen...? - Und überhaupt: wo sind denn die Beweise für das, was der Pastor da erzählt...? Oder die Schlange zeigt auf diesen oder jenen regelmäßigen Kirchgänger und spöttelt dann: Schau sie dir doch an, diese Schein-Heiligen... - Kaum sind sie aus der Kirche, da ziehen sie über ihre Mitmenschen her... Und am Montag kannst du sie von
Predigt zur Konfirmation 2 am 7.5.2006 in Grasleben Seite 7 anderen schon nicht mehr unterscheiden... Oder da stellt die Schlange die Frage, was einem der Glaube denn einbringt: Geht es denen, die sich weder um Gott noch um ihrer Mitmenschen kümmern, nicht letztlich besser, - zumindest aber nicht schlechter als denen, die sich für andere aufopfern...? Oder: Warum soll ich denn zum Gottesdienst gehen; ich fühle mich Gott viel näher, wenn ich im Wald unterwegs bin... - Und dann auch noch die blöde Kirchensteuer: weshalb soll ich denn für meinen Glauben bezahlen...? (Bei dieser Frage bleibt allerdings völlig außer Acht, dass man ja nicht für seinen eigenen Glauben bezahlt, sondern dafür, dass auch andere etwas von Gott und seiner Liebe zu allen Menschen erfahren... Wer aus der Kirche austritt, um Kirchensteuern zu sparen, kann zwar auch weiterhin an Gott glauben; aber er verhält sich reichlich egoistisch und unsolidarisches Verhalten ist wenig christlich... ). Oder die Schlange von heute versucht, uns zu beruhigen: So schlecht bist du doch gar nicht, - verglichen mit dem, was andere schon alles verbockt haben... Oder die Schlange fängt an, die Bibel neu zu schreiben, - weil das, was da jetzt steht, angeblich nicht mehr zeitgemäß ist und weil man das alles angeblich nicht so streng sehen darf. Und da werden dann vor allem die 10 Gebote mehr und mehr aufgeweicht:
Predigt zur Konfirmation 2 am 7.5.2006 in Grasleben Seite 8 der Feiertag, der doch Gott geweiht sein soll, wird zum Ruhetag, an dem man endlich einmal ausschläft und dann faulenzt (oder an dem man alles das macht, was angeblich so unendlich wichtig ist, dass es keinen Aufschub duldet)... das Verbot zu töten wird durch alle möglichen und unmöglichen Notwehr-Bestimmungen aufgeweicht; es gibt zwar kaum einen, der es gut findet, wenn er belogen wird, - aber trotzdem halten die meisten Menschen eine sogenannte Not-Lüge für erlaubt; und das Verbot zu stehlen scheint ebenfalls schon lange außer Kraft gesetzt zu sein, - denn da wird in der Schule nicht nur fleißig abgeschrieben, - sondern da werden auch ganz munter Computer- Spiele und Musik-CDs kopiert (und die Entwickler dieser Programme bzw. die Komponisten und Interpreten um den Lohn für ihre Arbeit betrogen...) Mit eurer Konfirmation werdet ihr -zumindest was den religiösen Bereich angeht- volljährig, - das heißt: ihr seid nun selbst verantwortlich für das, was ihr glaubt und tut (oder auch nicht tut, obwohl ihr es eigentlich tun solltet...). Ich wünsche euch, dass ihr dabei klüger seid als Adam und Eva. Ich wünsche euch, dass ihr stets zu unterscheiden wisst zwischen gut und böse (ohne selbst festlegen zu wollen, was erlaubt und was verboten ist). Ich wünsche euch, dass ihr euch nicht irgendetwas
Predigt zur Konfirmation 2 am 7.5.2006 in Grasleben Seite 9 einreden lasst, - sondern dass ihr sehr genau hinhört auf das, was Gott uns sagt, und dass ihr immer wieder selbst nachlest, was wirklich in der Bibel steht (damit ihr nicht versucht, von Apfelbäumen zu ernten, wo gar keine stehen)... Ich wünsche euch, dass ihr nicht versucht, die Verantwortung für euer Tun auf andere abzuschieben, - sondern dass ihr zu dem steht, was ihr tut, - und dass ihr, wenn ihr etwas falsch gemacht habt, den Mut findet, eure Fehler zuzugeben und zu korrigieren - und dass ihr Gott und eure Mitmenschen um Vergebung zu bitten... Und ich wünsche euch, dass ihr merkt, wenn jemand mit gespaltener Zunge redet, - und dass nicht auf schöne Versprechen hereinfallt, sondern euch immer wieder auf Gottes Willen besinnt und dann entsprechend redet und handelt. Amen.