Fossilien als Zeitmarker der Erdgeschichte und Wegweiser im Untergrund

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Transkript:

Fossilien als Zeitmarker der Erdgeschichte und Wegweiser im Untergrund Gerhard W. Mandl, Geologische Bundesanstalt Wien Home/Kontakt: www.geologie.ac.at, gerhard.mandl@geologie.ac.at Kaum jemand kann sich der Faszination entziehen, die Fossilien auf uns ausüben. Der Gedanke, dass sie die Überreste von Lebewesen darstellen, die vor langer Zeit die Erde bevölkerten, beflügelt unsere Fantasie. Nicht zuletzt ist es Hollywood s Jurassic Park zu verdanken, dass praktisch jedes Kind Tyrannosaurus rex und all die anderen Dinosaurier beim Namen kennt, genauso wie Mammut, Säbelzahntiger und Co ( Ice Age ). Die Leidenschaft für das Sammeln schöner, sonderbarer oder auch wertvoller Dinge ist der zündende Funke jeder Sammlung, sei es in der Wohnzimmervitrine oder in den großen Museen. Mit dem Stichwort Museum kommen wir aber zu einem weiteren Aspekt des Fossiliensammelns, der nur Wenigen geläufig ist zum wissenschaftlichen Wert. Im öffentlichen Bewusstsein sind Paläontologen, also Menschen die sich beruflich mit Fossilien beschäftigen, ein kleiner Kreis von Spezialisten, die eine so genannte Orchideen-Wissenschaft betreiben, also etwas, das für unser tägliches Leben keine Bedeutung hat (Abb. 1). Abb. 1: Beispiele von bei Sammlern beliebten Fossilien 1=Ammonit (ausgestorbenetintenfisch-verwandte), wichtige Leitfossil-Gruppe 2=Trilobit (ausgestorbene Gliederfüßer, Assel-Verwandte), wichtige Leitfossil-Gruppe 3=Crinoide (Seelilie), unbedeutend als Leitfossil, in Massen vorkommend gesteinsbildend 4=Anthozoa (Koralle), unbedeutend als Leitfossil, in Massen vorkommend gesteinsbildend Gmundner Geo-Studien 4 (ISBN 3-9500193-6-7) Erkudok Institut/K-Hof Gmunden 65

Wir wollen daher Fossilien heute einmal unter einem anderen Blickwinkel betrachten: Sie liegen im Allgemeinen nicht einfach so in der Landschaft herum, sondern sie stecken meist in festem Gestein, aus dem sie erst mehr oder minder mühsam herauspräpariert werden müssen. Dieses Gestein war zu Lebzeiten der Fossilien nichts anderes als der lockere Sand und Schlamm am Boden ihres Lebensraumes, sei es am Festland oder im Meer. Unablässig greifen Wind und Wetter die Oberfläche der Erde an, Wasser dringt in jede Felsritze, Frost und Tauen lockern das Gestein bis es zu Tal stürzt. Wildbäche und Flüsse transportieren die Geröllmassen, zerkleinern und zerreiben sie dabei zu Kies, Sand und Schlamm, der in den Flussbetten oder in Seen angesammelt wird, in der Hauptmasse aber irgendwann im Meer landet. Zusätzlich zu den Gesteinspartikeln die vom Festland stammen produziert das Meer selbst ebenfalls Sedimente, oder genauer gesagt, seine Bewohner. Muscheln, Schnecken und Korallen und was sonst noch alles hier lebt, besitzen harte Schalen, Gehäuse und Skelette aus kalkhaltigem Material. Gefressen und als unverdaulicher Rest wieder ausgeschieden, von der Brandung zerrieben oder nach dem natürlichen Ende einfach in seine Bestandteile zerfallen, bildet dieses organische Material den Grundstoff für kalkige Sediment in den Meeren. Unter günstigen Umständen bleiben die Reste der Lebewesen mehr oder minder unversehrt erhalten im lockeren Sediment eingebettet und können gemeinsam mit diesem zu Stein und so zu einem Fossil werden. Immer wieder wird frisches Sediment nachgeliefert und darüber geschichtet. Die zuunterst liegenden Schichten sind also vor längerer Zeit abgelagert worden, die zuoberst liegenden erst kürzlich. Diese Feststellung klingt banal, ist aber die Grundlage für einen eigenen Forschungsbereich in den Erdwissenschaften, für die Stratigraphie (= Schichtenkunde). Der Begründer der Stratigraphie war kein Theoretiker im Elfenbeinturm, sondern ein ausgesprochener Praktiker, und seine Beweggründe waren nicht überraschend geschäftlicher Natur. Der englische Ingenieur William Smith war Ende des 18. Jahrhunderts mit dem Bau von Wasserstraßen und Kanälen beschäftigt, auf denen Kohle aus den Bergbaugebieten kostengünstig in die entstehenden Industriezentren und als Heizmaterial in die großen Städte transportiert werden konnte. Bei diesen Tiefbauprojekten fiel ihm auf, dass die verschiedenen Gesteinsschichten immer wieder die gleichen, für sie charakteristischen Fossilien enthielten und dass die Gesteine immer in der gleichen Abfolge übereinander lagen. So konnte er einerseits ähnlich aussehende Gesteine mit Hilfe der enthaltenen Fossilien unterscheiden. Andererseits konnte er anhand des oberflächlich zutage tretenden Gesteins voraussagen, welche Gesteine (mit welchen bautechnischen Eigenschaften) in welcher Tiefe darunter zu erwarten waren ein entscheidender Wettbewerbsvorteil in der Planung und Ausführung seiner Bauprojekte. Aus diesen Kenntnissen und ausgedehnten Reisen durch das ganze Land erwuchs im Laufe von über 20 Jahren schließlich sein Lebenswerk die weltweit erste geologische Karte, die 1815 in London gedruckt wurde. Diese Landkarte von England, Schottland und Wales stellt flächendeckend mit verschiedenen Farben die verschiedenen Gesteine dar, die an jedem Punkt des Landes an der Erdoberfläche oder unter der Bodenbedeckung vorhanden ist. Auch legte er Verzeichnisse der übereinander folgenden Gesteinschichten, ihrer Dicke und der enthaltenen Fossilien an. Auch unsere heutigen geologischen Karten liefern, wenngleich auch wesentlich detaillierter, diese grundlegenden Informationen. Nun zum zweiten Stichwort unseres Themenkreises, zur Zeit. Zeit kann man haben, sich nehmen, Zeit schreitet voran, verstreicht, vergeht, läuft ab, und zwar immer in derselben Richtung, von der Vergangenheit in die Zukunft. Zeit wird für uns nur erfahrbar anhand von Veränderung, Bewegung, durch die Aufeinanderfolge von Ereignissen. 66 Gmundner Geo-Studien 4 (ISBN 3-9500193-6-7) Erkudok Institut/K-Hof Gmunden

Zeit kann man auch messen. Wir tun dies heute mit unseren Uhren und unterteilen den Ablauf eines Tages in 24 Stunden zu je 60 Minuten und diese wiederum in 60 Sekunden. Dies ist eigentlich eine willkürlich, historisch entstandene Vereinbarung, auf die man sich geeinigt hat. Man könnte den Tag beispielsweise auch in 10 Dezimalstunden zu je 100 Minuten und 100 Sekunden unterteilen, womit man auch einfacher rechnen könnte. Der Tag hingegen (= 1 Hell/Dunkelwechsel infolge der Drehung der Erde um ihre Achse) und das Jahr (= 1 Umlauf der Erde um die Sonne) sind von der Natur vorgegebene Zeiteinheiten, die wir nicht willkürlich verändern können. Wenn wir nun versuchen, die Geschichte der Erde zeitlich zu unterteilen, betrachten wir Zeiträume, die weit hinter menschliche Zeitmessung, Geschichtsschreibung und Kalender zurückreichen. Aus diesen Zeiten sind uns einzig die Gesteine überliefert, nur sie können uns die gesuchte Information liefern. Wir müssen also nach Veränderungen in den Gesteinen suchen, die als Zeitmaß dienen können. Solche Veränderungen haben wir zuvor schon gemeinsam mit William Smith kennen gelernt: über dem Gestein A folgt das jüngere Gestein B und dann das Gestein C. Jedes repräsentiert einen bestimmten Zeitabschnitt aus der Erdgeschichte. Und genau das haben die frühen Erdwissenschafter im 19. Jahrhundert gemacht, sie benannten Zeitabschnitte direkt nach auffälligen und weit verbreiteten Gesteinen. Buntsandstein, Muschelkalk und Keuper sind in Deutschland Beispiele solcher Zeitbegriffe. Diese Drei wurden später unter dem Überbegriff Trias zusammengefasst. All diese Begriffe sind, wie bei der Zeitrechnung die Namen der Monate und Wochentage, willkürliche Vereinbarungen; ihre Grundlage die Gesteine sind aber von der Natur vorgegeben. Leider ist die Aufeinanderfolge verschiedener Gesteine nicht weltweit die gleiche. Aus der Zeitepoche Trias stammen beispielsweise viele Gesteine unserer Nördlichen Kalkalpen, die Gesteine Buntsandstein, Muschelkalk und Keuper werden wir dort aber bestenfalls ganz untergeordnet finden. Auch war die Zeitunterteilung nach Gesteinen viel zu grob, da manche Gesteine über sehr lange Zeiträume hinweg gebildet wurden. Hier können uns die Fossilien weiterhelfen: Sedimentgesteine sind oft geschichtet, also in eine Aufeinanderfolge gleichartiger Gesteinslagen unterteilt. Die Unterscheidung Smith s von Gesteinen anhand der enthaltenen Fossilien ließ sich noch weiter verfeinern; in den einzelnen Gesteinslagen sind zwar ähnliche, aber doch unterscheidbare Fossilien zu finden, die eine feinere Unterteilung ermöglichen. Auch können die Überreste von im Meer schwimmenden Lebewesen in ganz unterschiedlichen Sedimentgesteinen zu Fossilien werden und somit wesentlich großräumigere, wenn nicht gar weltweite Verbreitung besitzen. Beide Tatsachen zusammen bilden die Grundlage der Biostratigraphie, der Schichtenkunde mithilfe von versteinerten Lebewesen. Ein Beispiel soll die Vorgangsweise veranschaulichen, siehe dazu auch die Abbildung 2: Ausgangspunkt ist ein so genannter Aufschluss, eine Stelle, wo das Gestein an der Erdoberfläche zugänglich ist, also eine natürliche Felswand oder ein Steinbruch. Auch sollten möglichst viele übereinander liegende Schichten dieses Gesteins sichtbar sein und im günstigsten Falle auch noch ein Stück des nächsten, darüber oder darunter liegenden Gesteins. Hat man so eine Stelle gefunden, wird Schicht für Schicht die Dicke der Gesteinslagen gemessen und die darin enthaltenen Fossilien gesammelt. Aufgezeichnet gibt das eine schematische Schichtsäule und eine grafische Darstellung, welche Fossilien in welcher Schicht gefunden wurden. Die meisten Fossilien kommen in mehreren aufeinander folgenden Schichten vor. Gmundner Geo-Studien 4 (ISBN 3-9500193-6-7) Erkudok Institut/K-Hof Gmunden 67

Dann wählt man jene Formen als so genannte Leitfossilien aus, deren Vorkommen möglichst lückenlos aneinander gereicht werden können und so das ganze Schichtenpaket umfassen. In der bereits genannten Trias-Zeit haben sich die Ammoniten als geeignete Leitfossilien erwiesen, da sie sehr viele unterschiedliche Arten hervor gebracht haben. Eine Abfolge von Gesteinsschichten mit diesem Leitfossil repräsentiert einen genau definierten Zeitabschnitt in der Erdgeschichte, den man benennen kann ( Ammonitenzone xy ) und an anderer Stelle im Gestein wieder finden kann. Abb. 2: Grundprinzip der zeitlichen Unterteilung der Erdgeschichte mit Fossilien (=Biostratigraphie). Kleinste Zeiteinheit ist die Bio-Zone, hier die jeweilige Lebensdauer einer Ammonitenart. Achtung: Die einzelnen Zonen besitzen nicht zwangsläufig den gleichen Zeitumfang, gemessen in realen Jahr(million)en. 68 Gmundner Geo-Studien 4 (ISBN 3-9500193-6-7) Erkudok Institut/K-Hof Gmunden

Durch Aneinanderreihung solcher Schichtsäulen aus vielen Regionen der Erde entstand in den vergangenen 150 Jahren allmählich ein weltweit verwendbarer geologischer Kalender, dessen natürliche Basis die Gesteine, vor allem aber die darin enthaltenen Fossilien bilden. Man stellte auch fest, dass gelegentlich viele Fossilgruppen gleichzeitig ausstarben und dann neue erschienen. Solche Zeitpunkte benutzte man, um die einzelnen Fossilienzonen in Gruppen zusammen zu fassen. Die schon mehrfach genannte Trias-Zeit hat den Rang einer Periode, sie wird weiter unterteilt in sechs Epochen, diese ihrerseits in insgesamt 14 Stufen und diese schließlich in die kleinste Einheit, in die Fossilien-Zonen. Die Tabelle der Abbildung 3 gibt einen Eindruck von der Unterteilung der Trias-Zeit und ihrer Gesteine in den Kalkalpen. Abb. 3: Ausschnitt aus der Stratigraphischen Tabelle von Österreich: Beispiel für die Erdgeschichtliche Zeittabelle (Ausschnitt Trias-Zeit) in Relation zu Gesteinen der Nördlichen Kalkalpen. Achte auch auf die punktuellen absoluten Zeitangaben in Jahrmillionen und vergleiche die Zeit-Begriffe mit jenen auf Abb. 2. Einen Nachteil hatten diese Zeittabellen aber anfangs noch niemand konnte sagen, wie viel Zeit gemessen in Jahren, oder besser Jahrmillionen, in diesen geologischen Zeitabschnitten tatsächlich enthalten war. Hier hilft uns heute die moderne Physik mit ihren Messmethoden weiter. Gmundner Geo-Studien 4 (ISBN 3-9500193-6-7) Erkudok Institut/K-Hof Gmunden 69

Im Gestein sind in ganz geringen Spuren auch jene chemischen Elemente enthalten, die natürliche radioaktive Strahlung abgeben und dabei zu anderen, leichteren Elementen zerfallen. Da dieser Zerfall mit einer konstanten, für das Element typischen Geschwindigkeit erfolgt, kann man dieses Phänomen für die Zeitmessung benutzen. Man verwendet dazu hauptsächlich magmatische Gesteine, also solche, die aus einer Gesteinsschmelze entstanden sind. Dabei werden in den bei Abkühlung entstehenden Mineralkörnern diese Elemente im Kristallgitter eingeschlossen, die radioaktive Uhr beginnt zu laufen. Das Element zerfällt weiterhin mit konstanter Geschwindigkeit in seine Tochterelemente, die aber jetzt ebenfalls im Mineralkorn gefangen bleiben. Wenn man das Mengenverhältnis des noch vorhandenen Ausgangselementes zu seinem Tochterelement misst, kann man daraus die seit der Mineralbildung vergangene Zeit berechnen. Mit Hilfe von vulkanischen Gesteinen, die zwischen den Fossilien führenden Sedimentgesteinen gelegentlich zu finden sind, konnte die biostratigraphische Zeittabelle an einzelnen Stellen mit tatsächlichen absoluten Zeitangaben versehen werden. Da diese Methode von vielen Faktoren etwas beeinflusst werden kann, sind die Zeitangaben zwangsläufig mit Ungenauigkeiten verbunden; man findet daher in den Tabellen immer wieder etwas unterschiedliche Jahreszahlen. Nichtsdestotrotz gibt uns diese radiometrische Altersdatierung einen Eindruck von der tatsächlich verstrichenen Zeit im Laufe der Erdgeschichte. Die ältesten, auf der Erde bisher gefundenen Gesteine sind etwa 3,8 Milliarden Jahre alt, die Bildung der ersten Erdkruste wird auf 4,7 Milliarden Jahre geschätzt. Die ältesten Fossilien in den Alpen stammen aus dem Ordovizium, einem Zeitabschnitt der etwa von 500 bis 440 Millionen Jahre vor heute gedauert hat. Die Gesteine der Kalkalpen und ihre Fossilien umfassen die Zeitspanne von etwa 260 bis 45 Millionen Jahre vor heute. Das Eiszeitalter begann vor 2.6 Millionen Jahren und dessen jüngste Vereisung die Würm-Eiszeit endete vor ca. 20.000 Jahren. Trotz der heutigen technisch-physikalischen Methoden bleibt aber die biostratigraphische Zeitskala unerreicht im Detailliertheitsgrad der zeitlichen Unterteilung der Erdgeschichte. Sie gehört zum Handwerkzeug jedes Erdwissenschafters und ist auch in der täglichen praktischen Arbeit des Geologen unverzichtbar. Zum praktischen Nutzen von Fossilien ist noch etwas hinzuzufügen: die geologische Zeitskala baut im Wesentlichen auf Makrofossilien als Zonenleitfossilien auf also auf solchen, die groß genug sind um sie in die Hand zu nehmen und mit freiem Auge zu betrachten. Diese haben den Nachteil, dass sie nicht häufig und an beliebiger Stelle im Gestein zu finden sind. In Sedimentgesteinen finden sich aber auch winzig kleine, so genannte Mikrofossilien, und dies oft in großer Zahl und gleichmäßig im Gestein verteilt. Wenn man ein Stück Sedimentgestein an beliebiger Stelle aufsammelt, hat man durchaus Chancen, sein relatives Alter mit Mikrofossilien bestimmen zu können. Diese Mikrofossilien, sind meist deutlich kleiner als ein Millimeter; sie sind entweder kleine Teile größerer Organismen oder Überreste einzelliger Tiere oder Pflanzen siehe Abb. 4. Ihre zeitliche Verbreitung im Gestein wurde und wird genauso wie bei den Makrofossilien in Jahrzehnte langer Kleinarbeit in unzähligen Gesteinsvorkommen weltweit katalogisiert und mit der geologischen Zeitskala korreliert. 70 Gmundner Geo-Studien 4 (ISBN 3-9500193-6-7) Erkudok Institut/K-Hof Gmunden

Abb. 4: Mikroskopisch kleine Fossilien, Überreste von großen und kleine Meerestieren und Pflanzen : Nicht maßstäblich. Durchschnittliche(r) tatsächliche(r) größte(r) Länge (Durchmesser) in ( mm) 1= Fischzähnchen (1mm) 2= zahnförmige Hautschuppen von Haien (0,3mm) 3= Greifzange eines Wurmes (1mm) 4= Stachel eines Seeigels (3mm) 5= Greifzange eines Seeigels (0,3mm) 6= Kalkeinlagerungen in der Haut von Seegurken (0,2mm) 7= Skelettelemente eines Kieselschwammes (1mm) 8= Klappe eines Muschelkrebses (0,5mm) 9= Kieferelemente des Conodontentieres (ausgestorben) (0,2mm) 10= Gehäuse von Foraminiferen (Einzeller) (0,3mm) 11= Gehäuse von Radiolarien (Einzeller) (0,1mm) 12= Coccosphären, einzellige planktonische Algen (0,02mm) Die treibende Kraft für derart aufwendige Untersuchungen war wieder einmal wirtschaftlicher Natur, nämlich die Suche nach Erdöl. Bohrungen fördern im Allgemeinen nur kleine Gesteinsbruchstücke, so genannte Cuttings zutage. Große Bohrkerne sind technisch aufwendig zu gewinnen und behindern den Bohrfortschritt. Cuttings werden hingegen mit der zirkulierenden Bohrspülung ununterbrochen zur Oberfläche transportiert und liefern mit kurzer Zeitverzögerung die Information, welches Gestein der Bohrkopf im Moment durchdringt. Die bis zu fingernagelgroßen Gesteinsbruchstücke sind groß genug, um darin Mikrofossilien zu finden, das Gestein zu identifizieren und in der Zeitskala einzuordnen, siehe Abb.5. So lässt sich voraussagen, ob und in welcher Tiefe man das potentiell Erdöl, Thermalwasser oder andere Rohstoffe führende Gestein antreffen wird. Ein Beispiel dazu werden wir im anschließenden Workshop anhand einer Bohrung nach Thermalwasser gemeinsam durcharbeiten. Gmundner Geo-Studien 4 (ISBN 3-9500193-6-7) Erkudok Institut/K-Hof Gmunden 71

Abb. 5: Gesteinssplitter ( Cuttings ) aus einer Bohrung / fertig präparierter Gesteins-Dünnschliff / Mikroskop-Aufnahme (rechts) davon mit Querschnitten von Gehäusen fossiler Einzeller (Foraminiferen der jüngeren Trias-Zeit). Bei Tiefbauprojekten interessieren mehr die technischen Eigenschaften der Gesteine, ihre Härte, ihre Bearbeitbarkeit, ihre Klüftigkeit und Wasserführung alles Eigenschaften, die für den Baufortschritt und die Kosten, aber auch für die Sicherheit der Arbeiter von Bedeutung sind. Damit sind wir wieder beim Begründer der Stratigraphie, beim Kanalbauer William Smith an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert angelangt. Seiner Fantasie, Kreativität, technischen Erfahrung und Geschäftstüchtigkeit ist der Brückenschlag vom schöngeistigen Zeitvertreib Fossilien sammelnder Naturliebhaber zu einem wirtschaftlich relevanten Wissenschaftszweig gelungen. Aber nicht nur diese ökonomische Verwertbarkeit des erdgeschichtlichen Wissens hat Bedeutung. Nicht unterschätzen sollte man die gesellschaftlichen und kulturellen Aspekte dieses Wissens, das uns die Geschichte der Erde und des Lebens vor Augen führt, die Entstehung unserer heutigen Umwelt zeigt und auch die Möglichkeiten für ihre weitere Entwicklung erahnen lässt. Das Studium der Erdgeschichte ist auch ein Studium des Systems Planet Erde. Hunderte Millionen Jahre standen der Natur für Experimente zur Verfügung, deren Ergebnisse wir aus den Gesteinen abzulesen versuchen. Diese helfen uns, die auch heute wirksamen Systemzusammenhänge im komplexen Netzwerk Atmosphäre Hydrosphäre Biosphäre Lithosphäre zu verstehen. Die Erdwissenschaften beschäftigen sich mit den Grundlagen unserer Existenz, mit Luft, Wasser, organischen und anorganischen Rohstoffen aller Art Alles ist Geologie. 72 Gmundner Geo-Studien 4 (ISBN 3-9500193-6-7) Erkudok Institut/K-Hof Gmunden