19 Halbleiterbauelemente ohne pn-übergang (homogene Halbleiterbauelemente) Die speziellen Eigenschaften halbleitender Werkstoffe können in homogen dotierten Bauteilen (Bauelemente ohne pn-übergang) genutzt werden. Solche homogenen Halbleiter kommen je nach Anwendungsziel sowohl mit einkristalliner als auch polykristalliner Form zum Einsatz. Genutzt werden z.b. folgende besondere Merkmale: - Starke Abhängigkeit der Leitfähigkeit von Temperatur und Strahlungseinwirkungen, - Hohe Trägerbeweglichkeit und hohe Ladungsträgergeschwindigkeit im elektrischen Feld. Die erste Eigenschaft wird ausgenutzt, um temperaturempfindliche, lichtempfindliche und strahlungsempfindliche Bauelemente herzustellen, z.b. Thermistoren (temperaturabhängige Widerstände) und Fotowiderstände. Die zweite Eigenschaft wird bei den sog. galvanomagnetischen Bauelementen Feldplatte und Hallgenerator genutzt. 19.1 Heißleiter (NTC-Widerstände) Ausgangsmaterial für die Herstellung von Heißleitern sind Metalloxide (wie Fe 2 O 3, Zn 2 TiO 4, MgCr 2 O 4 ). Die Metalloxide werden in Pulverform mit Bindemitteln vermischt, in die gewünschte Form gepresst und bei hoher Temperatur zu keramischen Widerstandskörpern gesintert (polykristalline Mischoxidkeramik). Der temperaturabhängige Widerstand eines Heißleiters lässt sich beschreiben mit der Gleichung R (T) 1 1 B = R T TN N e mit B = Materialkonstante (15 K < B < 6 K) R N = Nennwiderstand bei der Nenntemperatur ϑ N bzw. T N. R N wird üblicherweise angegeben als R 2 für ϑ N = 2 C (T N = 293,15 K) oder als R 25 für ϑ N = 25 C (T N = 298,15 K). Abbildung 19-1 Widerstand eines Heißleiters 1 5 R/Ω 1 4 R 25 =2,5kΩ 1 1 1 2 ϑ/ C Durch Differenzieren der o.g. Gleichung erhält man den (temperaturabhängigen) Temperaturkoeffizient des Heißleiters zu dr 1 B α = = dt R 2 T Der Temperaturkoeffizient eines Heißleiters ist negativ (NTC = Negative Temperature Coefficient) und beträgt ca. -1 %/K bis -6 %/K (zum Vergleich: ca. +,4 %/K bei Metallen). Ursache der Widerstandsänderung ist eine starke Temperaturabhängigkeit der Ladungsträgerbeweglichkeit (nicht die Temperaturabhängigkeit der Ladungsträgerkonzentration). 1 3 1 2 326
Heißleiter kommen zum Einsatz als (a) Messheißleiter (Widerstandsthermometer) (b) Kompensationsheißleiter (Kompensation des positiven Temperaturkoeffizienten eines anderen Schaltungsteils) (c) Anlassheißleiter (Einschaltverzögerung z.b. von Relais oder Einschaltstrombegrenzung z.b. von Glühlampen, Elektromotoren oder Transformatoren) Den Anwendungen nach (a) und (b) liegt Fremderwärmung des Heißleiters zu Grunde. Bei den Anwendungen nach (c) wird die Eigenerwärmung und die thermische Zeitkonstante des Heißleiters genutzt. Die Abbildung 19-2 zeigt Strom-Spannungs-Kennlinien eines Anlassheißleiters für jeweils konstante Heißleitertemperatur (dynamischer Betrieb) sowie eine Kennlinie für (quasi-)stationären Betrieb bei einer Umgebungstemperatur von 25 C. Wegen der vom jeweiligen Arbeitspunkt abhängigen Eigenerwärmung ist die Kennlinie für stationären Betrieb stark nicht-linear. Weiterhin ist in Abbildung 19-2 die Widerstandsgerade eines gemäß Abbildung 19-3 (a) in Reihe geschalteten Relais eingezeichnet. Beim Einschalten nimmt der Heißleiter zunächst den auf der Kaltkennlinie liegenden "flüchtigen" Arbeitspunkt A f ein. Entsprechend dem zeitlichen Verlauf der Eigenerwärmung geht der Heißleiter anschließend in den stationären Arbeitspunkt A über. Die für den Übergang benötigte Zeit führt zu einer Anzugsverzögerung des Relais. Abbildung 19-2 Strom-Spannungskennlinien eines Anlass-Heißleiters R 25 = 25 Ω B = 3 R th = 2,5 K/mW 15 C 4 8 12 U/V Abbildung 19-3 Relais mit Anzugsverzögerung durch Anlassheißleiter (a) Schaltung S Relais 3 I/mA 2 1 2 C A 2 I/mA Kennlinie für stationären Betrieb Relais 1 C A f 75 C dynamische Kennlinien 5 C U B (b) Stromverlauf A 25 C Kaltkennlinie U S 1 I an HL A f U S = 12V R Rel = 6 Ω; I an = 12 ma R 25 = 25 Ω (HL) Einschalten 1 2 3 t/s Relais zieht an 327
19.2 Kaltleiter (PTC-Widerstände) Keramische Kaltleiter bestehen aus polykristalliner Titanatkeramik (z.b. Bariumtitanat BaTiO 3 oder Strontiumtitanat SrTiO 3, mit Metallsalzen dotiert und bei hoher Temperatur gesintert). Die keramischen Kaltleiter besitzen in einem kleinen Temperaturbereich einen hohen positiven Temperaturkoeffizienten (z.b. 5 %/K bis 7 %/K im Vergleich zu ca.,4 %/K bei Metallen) (PTC = Positive Temperature Coefficient). Der steile Widerstandsanstieg beruht auf dem Zusammenwirken von halbleitenden und ferroelektrischen Eigenschaften der Titanatkeramik. An den Grenzen der Einzelkristalle bilden sich Sperrschichten, deren Potentialschwellen bzw. Energieschwellen von der Dielektrizitätskonstante des umgebenden Materials abhängen (W G 1/ε r ). Bei Überschreiten der Curietemperatur sinkt die Dielektrizitätskonstante stark ab, wodurch der steile Widerstandsanstieg des Kaltleiters verursacht wird. R/Ω Abbildung 19-4 Widerstand eines Kaltleiters 1 5 R E ϑ A = Anfangstemperatur ϑ E = Endtemperatur R min = Mindestwiderstand R A = 2 R min = Anfangswiderstand R E = Endwiderstand 1 4 1 3 1 2 5 1 15 2 Anwendung finden Kaltleiter insbesondere als ϑ A ϑ ϑ/ C E (a) Temperaturfühler (b) Füllstandsfühler für Flüssigkeiten (c) reversibles Sicherungselement (Überlastschutz) (d) selbstregelnde Heizelemente (e) Entmagnetisierung von Ablenkspulen (Erzeugung eines abnehmenden Wechselstromes aus einer konstanten Wechselspannung) R A R min Abbildung 19-5 Füllstandskontrolle mit keramischem Kaltleiter (a) Schaltung (b) Kennlinien und Arbeitspunkte U B KL Luft I/mA 6 4 1 umgekehrte Glühlampenkennlinie 15V/6 ma Öl Öl Lampe 2 2 ruhende Luft U B = 2V 1 2 3 U/V 328
Die Abbildung 19-5 (a) zeigt die Anwendung eines keramischen Kaltleiters zur Füllstandskontrolle eines Ölbehälters. In der Abbildung 19-5 (b) sind die I-U-Kennlinien des Kaltleiters für (quasi-)stationären Betrieb bei gleicher Umgebungstemperatur in Öl und ruhender Luft eingezeichnet. Wegen der unterschiedlichen Wärmeableitung in Öl und Luft wird der Bereich des stark steigenden Kaltleiterwiderstandes in Luft bei niedrigeren Strömen (d.h. bei niedrigeren Verlustleistungen) erreicht als in Öl. In der Abbildung ist zusätzlich die Kennlinie des Quellenzweipols aus Spannungsquelle und Kontrolllampe eingezeichnet. Bei vollem Ölbehälter stellt sich der Arbeitspunkt 1 (Lampenstrom groß, Lampe leuchtet), bei niedrigerem Füllstand der Arbeitspunkt 2 (Lampenstrom niedrig, Lampe dunkel) ein. 19.3 Varistoren (VDR) Varistoren sind aus Silizium-Karbidpulver oder Metalloxiden (z.b. Zinkoxid), Dotierungsstoffen und Bindemitteln gesinterte nichtlineare Widerstände, deren Widerstand bei Überschreiten einer bestimmten Spannung durchbruchartig abnimmt (VDR = Voltage Dependent Resistor). I/A 1, Abbildung 19-6 Kennlinie eines Varistors,5-2 -,5 2 U/V -1, Die Wirkung der Varistoren beruht auf Potentialbarrieren an den Korngrenzen benachbarter Pulverkörner. Der Stromfluss über diese Korngrenzen ist gering, bis eine materialspezifische Ansprechspannung überschritten wird. Varistoren werden vorzugsweise zur Spannungsbegrenzung (Begrenzung von Spannungsspitzen) eingesetzt. Es sind Varistoren mit unterschiedlichen Ansprechspannungen erhältlich (im Bereich 5 bis 6 V). Im Gegensatz zu Z-Dioden wird die beim Durchbruch entstehende Verlustleistung nicht an einer Sperrschicht von geringer räumlicher Ausdehnung sondern über das gesamte Volumen verteilt umgesetzt. Daher können Varistoren eine im Vergleich zu Z-Dioden erheblich größere Energie aufnehmen. Die Ansprechzeiten (<25 ns) sind vergleichbar mit denen von Z-Dioden. 19.4 Fotowiderstand (LDR) Fotowiderstände werden in Abschnitt 18.1 behandelt. 329
19.5 Feldplatte (MDR) Feldplatten sind magnetisch steuerbare Widerstände (MDR = Magnetic Field Dependent Resistor). In der Feldplatte werden die Ladungsträger durch eine magnetische Feldkraft ( Lorentz-Kraft ) abgelenkt, wodurch sich eine Verlängerung der Strombahn und damit eine Vergrößerung des elektrischen Widerstandes ergibt. Diese Wirkung ist besonders ausgeprägt bei Verbindungshalbleitern mit einer großen Ladungsträgerbeweglichkeit, z.b. in Indiumantimonid. Um den Effekt noch deutlich zu steigern, baut man in einen Indiumantimonidkristall quer zur geraden Stromrichtung gut leitende Nickelantimonidnadeln ein. Ohne Magnetfeld verlaufen die Strombahnen geradlinig und parallel. Bei Einwirkung eines Magnetfeldes ergeben sich erheblich längere Zick-Zack-Bahnen. Die Steuerung des Widerstandes durch ein Magnetfeld erfolgt praktisch trägheitslos, so dass Feldplatten bis zu Frequenzen von einigen Megahertz einsetzbar sind. Beim Einsatz von Feldplatten ist ihre nicht zu vernachlässigende Temperaturabhängigkeit zu beachten. Abbildung 19-7 Funktion und Kennlinien einer Feldplatte (a) Strombahnen in der Feldplatte (b) Kennlinien I B = 4 I FP /ma 3,1T,5T,7T B = 1T 2 I B 1 Feldplatten kommen z.b. in Verbindung mit Magneten für die Messung kleiner Wege zum Einsatz. Zur Kompensation der Temperatureinflüsse können dann zwei Feldplatten in einer Brückenschaltung verwendet werden. 5 1 15 U FP /V 19.6 Hallgenerator Ein Hallgenerator besteht aus einem viereckigen Halbleiterplättchen mit je einem elektrischen Anschluss an den vier Seiten des Plättchens. Über zwei einander gegenüber liegende Anschlüsse lässt man einen Strom I 1 durch das Plättchen fließen. Ein Magnetfeld der Dichte B, welches das Halbleiterplättchen senkrecht zu dessen Fläche durchdringt, lenkt die bewegten Ladungsträger quer zu ihrer Bewegungsrichtung ab ( Lorentzkraft ). Als Konsequenz entsteht an den beiden verbleibenden Anschlüssen eine dem fließenden Strom und der magnetischen Flussdichte proportionale Spannung ( Hallspannung ; U 2 ~ I 1 B). 33
Abbildung 19-8 Wirkungsweise des Hallgenerators (n-halbleiter-plättchen) (a) ohne Magnetfeld U 2 = (b) mit Magnetfeld U 2 > Die ablenkende Lorentzkraft ist umso größer, je größer die Geschwindigkeit der Ladungsträger ist. Aus diesem Grunde werden n-leitende Halbleiter mit einer hohen Elektronenbeweglichkeit eingesetzt (z.b. Indiumarsenid). I 1 = 6 ma 15 U 2 /mv Abbildung 19-9 1 Kennlinien eines Hallgenerators 3 ma B 5 15 ma Einsatzgebiete von Hallgeneratoren sind - Messung von Magnetfeldern, - Messung von großen Strömen, - Kompensationswandler, - Multiplikation von zwei Größen (Hallmultiplikator) z.b. zur Messung elektrischer Leistungen. 19.7 Dehnungsmessstreifen Dehnungsmeßstreifen sind Dünnschichtwiderstände, deren Widerstand von der mechanischen Dehnung abhängt. Anwendung finden Dehnungsmeßstreifen z.b. im Maschinenbau zur Messung von Dehnung bzw. Torsion von mechanisch beanspruchten Teilen. In der Regel wird die Widerstandsschicht mäanderförmig (oder kreisförmig, spiralförmig, etc.) auf einer nichtleitenden Trägerfolie aufgebracht und mit dieser Trägerfolie auf das zu vermessende Maschinenteil aufgeklebt. Die relative Widerstandsänderung des Dehnungsmessstreifens ist proportional zur relativen Längenänderung: R R = k 1 L L Bei Dehnungsmeßstreifen aus metallischen Schichten beträgt die Proportionalitätskonstante k 1 2.,1,2,3 B/T 331
Bei Dehnungsmeßstreifen aus Halbleitern ändert sich unter dem Einfluss mechanischer Beanspruchungen das Kristallgitter und damit die Bandstruktur. Auf diese Weise ändert sich der spezifische Widerstand des Halbleitermaterials und k 1 kann Werte in der Größenordnung von 1 bis 2 annehmen. Abbildung 19-1 Verschiedene Dehnmessstreifen 19.8 Übungsaufgaben zu homogenen Halbleitern Aufgabe 19-1: Verlustleistung von Varistoren Warum kann ein Varistor deutlich mehr Verlustwärme aufnehmen als eine Z-Diode mit vergleichbarer Masse? Aufgabe 19-2: Feldplatte - Hallsonde Bei Feldplatten und Hallsonden macht man Gebrauch davon, dass bewegte Ladungsträger in einem magnetischen Feld von ihrer Bahn abgelenkt werden. Warum werden Feldplatten und Hallsonden aus Halbleitern und nicht aus metallischen Leitern hergestellt? Aufgabe 19-3: Berechnung Hallgenerator Stelle für einen Hallgenerator mit einer Kennlinie laut Abbildung 19-9 die Gleichung für die Ausgangsspannung U 2 als Funktion von Strom I 1 und Flussdichte B auf [U 2 = f(i 1,B)]. Aufgabe 19-4: Multiplikation mit Hallgenerator Welcher Schaltungsaufbau ist erforderlich, um mit einem Hallgenerator eine Gleichstromleistung P = U I zu messen. 332