Begriff der Rechtsdienstleistung. Begriff der Rechtsdienstleistung. Kasko: Das Abtretungsverbot. Bestimmtheit der Abtretung.



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Transkript:

Schadenrecht Rechtsanwalt Joachim Otting www.rechtundraeder.de www.jurtoolbox.de Begriff der Rechtsdienstleistung 2 I RDG : Rechtsdienstleistung ist jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert Schematische Rechtsanwendung also nicht! Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit 5 Abs. 1RDG Erlaubt sind Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören. Ob eine Nebenleistung vorliegt, ist nach ihrem Inhalt, Umfang und sachlichem Zusammenhang mit der Haupttätigkeit unter Berücksichtigung der Rechtskenntnisse zu beurteilen, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind. Begriff der Rechtsdienstleistung 2 Abs. 2 RDG : Rechtsdienstleistung ist, unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1, die Einziehung fremder oder zum Zweck der Einziehung abgetretener Forderungen, wenn die Forderungseinziehung als eigenständiges Geschäft betrieben wird (Inkassodienstleistung). Bestimmtheit der Abtretung Eine Abtretung der Schadenersatzansprüche in Höhe der Sachverständigenkosten ist wegen nicht ausreichender Bestimmtheit unwirksam (BGH, Urt. vom 7.6.2011 VI ZR 260/10) Also der Ansprüche auf Erstattung der Sachverständigenkosten (wie auch aller anderen Positionen) Kasko: Das Abtretungsverbot 3 Abs. 4 AKB / E.2.14.4 AKB 2008 macht eine Abtretung von Kaskoansprüchen vor deren Feststellung von der Genehmigung des Versicherers abhängig. Ratio Legis: Zeugenstellung des Anspruchstellers soll nicht durch Abtretung ermogelt werden können. 1

Hinweis: Grenzen des Reparaturschadens bei Kasko Bei Kasko gibt es keine Reparaturgrenze. Es gibt nur eine Grenze, wieweit der Versicherer die Kosten tragen muss. Wird umfassend in Fachwerkstatt repariert, ist die Obergrenze WBW minus SB ohne Berücksichtigung des RW A.2.6.1 in Verbindung mit A.2.7.1.a der GDV Musterbedingungen (siehe auch A.2.6.5) Haftpflicht Alle weiteren Folien zu den beziehen sich auf den Haftpflichtfall Wiederbeschaffungswert minus Restwert kleiner als Reparaturkosten plus Minderwert = Totalschaden??? Das kommt darauf an. Wenn der Geschädigte das Fahrzeug abschafft, ja. Wenn er es behält, dann ist vieles möglich. Ein Maß ist: Schaden unterhalb oder oberhalb Wiederbeschaffungswert? Marktstrategisch eine der wichtigsten Fragen. Denn da greifen die Versicherungen nicht steuernd ein. Sie wollen die Reparatur ja nicht und bearbeiten stattdessen die Baustelle möglichst hoher Restwert. Außerdem wird das Durchschnittsauto immer älter. Der Markt für solche Reparaturen wächst! Versicherungen wollen solche Schäden in die Totalschadenabrechnung drücken und erfinden ganz aktuell immer neue Einwände. Wegen der aktuellen Attacken soll das Thema hier komplett aufgearbeitet werden, um Antworten geben zu können. Motiv: WBW 10.000, RW 4.000, Zahlung 6.000. Wenn für 12.800 repariert wird, ist das mehr als das Doppelte! Zur Terminologie des BGH: Wiederbeschaffungswert minus Restwert = Wiederbeschaffungsaufwand Reparaturkosten plus Wertminderung (ggf. minus Neu-für-Alt-Abzug) = Wiederherstellungsaufwand 2

Die erste Folie also noch mal in der BGH -Terminologie: Wenn der Wiederherstellungsaufwand den Wiederbeschaffungsaufwand übersteigt, liegt vordergründig ein wirtschaftlicher Totalschaden vor. Kernfrage: Weitergenutzt oder abgeschafft? Wenn der Geschädigte das Fahrzeug abschafft, hat er gewählt. Dann darf der Versicherer ohne Rücksicht auf willkürliche Grenzen (wie etwa die überkommene 70 % - Grenze) auf Basis des Wiederbeschaffungsaufwandes abrechnen (BGH Urteil vom 7.6.2005, VI ZR 192/04) Die unter - 100 - % - Variante ( uhu ): Wenn der Geschädigte das Fahrzeug aber weiter nutzt, ist der Variantenreichtum groß. WBW 10.000 RepKosten 9.800 Restwert 4.000 Der Geschädigte repariert nur so viel, dass die Verkehrssicherheit wieder hergestellt ist und nutzt das Fahrzeug weiter BGH, Urteil vom 29.04.03, VI ZR 393/02 Der Geschädigte kann zum Ausgleich des durch den Unfall verursachten Fahrzeugschadens die vom Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswertes ohne Abzug des Restwerts verlangen, wenn er das Fahrzeug tatsächlich reparieren lässt und weiter nutzt. Die Qualität der Reparatur spielt jedenfalls so lange keine Rolle, als die geschätzten Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigen BGH, Urteil vom 29.04.03, VI ZR 393/02, tragender Grund: Wird der Pkw vom Geschädigten tatsächlich repariert und weiter genutzt, so stellt sich der Restwert lediglich als hypothetischer Rechnungsposten dar, den der Geschädigte nicht realisiert und der sich daher in der Schadenbilanz nicht niederschlagen darf. 3

Variante: Gleiche Zahlen, aber der Fahrzeugschaden beeinträchtigt die Verkehrssicherheit nicht (z.b. Streifschaden) Der Geschädigte repariert gar nicht, nutzt das Fahrzeug aber weiter BGH, Urteil vom 23.5.2006, VI ZR 192/05: Der Geschädigte kann zum Ausgleich des durch den Unfall verursachten Fahrzeugschadens, der den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigt, die vom Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswertes ohne Abzug des Restwerts verlangen, wenn er das Fahrzeug gegebenenfalls unrepariert mindestens sechs Monate weiter nutzt. BGH, Urteil vom 23.5.2006, VI ZR 192/05, aus den Gründen: dass im Regelfall ein Zeitraum von sechs Monaten erforderlich, aber auch ausreichend ist. Bei einer so langen Weiternutzung wird nämlich im allgemeinen ein ernsthaftes Interesse an der Weiternutzung, das einem Abzug des Restwertes entgegensteht, nicht verneint werden können. BGH, Urteil vom 23.5.2006, VI ZR 192/05, weiter aus den Gründen: Andererseits ist zu berücksichtigen, dass eine längere Frist für die Möglichkeit einer Abrechnung mit Abzug des Restwerts den Schädiger und seinen Versicherer begünstigen bzw. zur Verzögerung der Abrechnung veranlassen könnte und von daher dem Geschädigten nicht zumutbar wäre. Achtung: Wenn der Geschädigte den über dem Wiederbeschaffungsaufwand, aber unter dem Wiederbeschaffungswert liegenden Schaden vollständig reparieren lässt, gibt es anschließend keine Haltefrist. Er darf ggf. unmittelbar nach der Reparatur verkaufen So BGH VI ZR 77/06 vom 5.12.2006 Gutachten über 130 Prozent, Rechnung unter 100 Prozent Gutachten lag über 130 Prozent, unter anderem durch Einsatz gebrauchter Teile lag die Rechnung für die vom Gerichtsgutachter als umfassend beurteilte Reparatur unter 100 Prozent. Versicherer zahlte die Reparaturkosten, vertrat aber im Revisionsverfahren die Auffassung, es hätte nur der Wiederbeschaffungsaufwand sein müssen (wegen einer Aufrechnung) 4

Gutachten über 130 Prozent, Rechnung unter 100 Prozent BGH, Urteil vom 14.12.2010 VI ZR 231/09 In einem solchen Fall stehen dem Geschädigten die Reparaturkosten zu und nicht nur der Wiederbeschaffungsaufwand Die 130 % - Variante: Beispiel: WBW 10.000 RW 4.000 Repkosten 12.500 Wertminderung 650 Grundsatz: Summe aus Reparaturkosten plus evtl. merkantiler Minderwert nicht größer als 130 % vom WBW, Geschädigter behält das Fahrzeug und repariert es im Rahmen der gutachterlichen Feststellungen Basisentscheidung: BGH, Urteil vom 15.10.91, VI ZR 314/90: Der hohe Stellenwert des Integritätsinteresses rechtfertigt es, daß der Geschädigte für die Reparatur des ihm vertrauten Fahrzeugs Kosten aufwendet, die einschließlich des etwaigen Minderwertes den Wiederbeschaffungswert bis zu einer regelmäßig auf 130 % zu bemessenden Opfergrenze übersteigen. Nur für privat genutzte PKW, oder auch für gewerblich genutzte Fahrzeuge wie Taxi, LKW etc.? Auch für Lkw & Co.: BGH, Urteil vom 8.12.98 VI ZR 66/98, So auch OLG Hamm, DAR 00, 406 Prognoserisiko: BGH, Urteil vom 15.10.91, VI ZR 314/90: Wählt der Geschädigte den Weg der Schadensbehebung mit dem vermeintlich geringeren Aufwand, so geht ein von ihm nicht verschuldetes Werkstatt- oder Prognoserisiko zu Lasten des Schädigers BGH, Urteil vom 15.10.91, VI ZR 67/91: Liegen die (voraussichtlichen) Kosten der Reparatur 5

Keine Aufspaltung BGH, Urteil vom 15.10.91, VI ZR 67/91: Liegen die (voraussichtlichen) Kosten der Reparatur eines Kraftfahrzeugs mehr als 30 % über dem Wiederbeschaffungswert, so ist die Instandsetzung in aller Regel wirtschaftlich unvernünftig. Lässt der Geschädigte sein Fahrzeug dennoch reparieren, so können die Kosten nicht in einen vom Schädiger auszugleichenden wirtschaftlich vernünftigen Teil (bis zu 130 % des Wiederbeschaffungswertes) und einen Fortsetzung: und einen vom Geschädigten selbst zu tragenden wirtschaftlich unvernünftigen Teil aufgespalten werden. In einem solchen Fall kann der Geschädigte vom Schädiger nur die Wiederbeschaffungskosten verlangen. Wiederbeschaffungskosten ist Synonym zum heute vom BGH verwandten Begriff Wiederbeschaffungsaufwand Umfang der Reparatur bei 130%: Verbreitete Formel der OLGe bisher: vollständig und fachgerecht Der BGH hat formuliert, dass die Reparatur in einem Umfang, wie ihn der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat, durchgeführt werden muss (Urteil vom 15.2.05, Az. VI ZR 70/04) Diese Formulierung wird je nach Interessenlage unterschiedlich ausgelegt. Die Einen sagen, es müsse sklavisch nach Gutachten repariert werden. Die Anderen sagen, es müsse lediglich jede vom Sachverständigen dargestellte Schadenzone am Ende vollständig und fachgerecht saniert sein. Präzisierende Rechtsprechung dazu gibt es soweit ersichtlich noch nicht. Meine Meinung: die ergebnisorientierte Variante Obwohl es im Ergebnis kein 130er Fall ist, deutet auch BGH, Urt. v. 14.12.2010 VI ZR 231/09 darauf hin, dass das Gutachten nicht das Maß aller Dinge ist Aber Vorsicht, uhu s sind nicht unbedingt auf ühu s zu übertragen Wenn das handwerkliche Ergebnis am Ende stimmt, spricht wohl auch nichts dagegen, die Kosten mittels gebrauchter Ersatzteile zu drücken OLG Düsseldorf, VersR 02, 629; OLG Oldenburg, NZV 2000, 469; AG Hagen, Urt. v. 18.3.99, 10 C 41/99 Zwingend aber schon im Gutachten so vorsehen, siehe vorherige Folie 6

Einschub neu für alt Theoretisch ist der Schadenersatz ohnehin auf Gebrauchtteile beschränkt Hinterher muss es sein wie vorher Schon der neu für alt Abzug beweist, dass theoretisch nur der Anspruch auf Gebraucht besteht. Denn sonst könnte es den Abzug nicht geben. Einschub neu für alt Allerdings wird der Abzug nicht immer gemacht. Nur theoretische Vorteile, die sich wirtschaftlich nicht auswirken, dürfen nämlich nicht abgeschöpft werden. Faustregel: Immer dann, wenn der Geschädigte durch die Erneuerung von Teilen eine spürbare und zeitnahe eigene Investition erspart Einschub neu für alt Beispiel 1: Reifen hatte noch 1,7 mm Profil, wurden beim Unfall aufgeschlitzt. Nun neue Reifen. Geschädigter hätte in Kürze neue Reifen kaufen müssen. Muss er nun nicht mehr. Spürbare eigene Ersparnis, also neu für alt Abzug berechtigt. Einschub neu für alt Beispiel 2: Auspuff wäre in drei Wochen wegen Rostes abgefallen, fällt nun wegen des Auffahrunfalls drei Wochen früher runter. Neuer Auspuff. Geschädigter hätte in Kürze neuen Auspuff kaufen müssen. Muss er nun nicht mehr. Spürbare zeitnahe Ausgabe erspart: neu für alt Abzug berechtigt. Einschub neu für alt Beispiel 3: Der beschädigte Kofferraumdeckel hätte ohne den Unfall nie erneuert werden müssen. Also weder eine spürbare noch eine zeitnahe, sondern überhaupt keine Ersparnis. Der Vorteil ist nur theoretisch. Ebenso bei zwar altem, aber intaktem Lack Gutachten über, tatsächliche Reparatur unter 130 %. Was nun? Meine Meinung: Jedenfalls, wenn Unterschreitung auf objektiven Differenzen beruht (z. B. Gutachten kalkuliert mit Preisen der Niederlassung Berlin, repariert wird aber in Werkstatt der gleichen Marke im Umland), geht das in Ordnung. Wenn das aber nur ein subjektiver Pauschalpreis ist, damit es geht, ist das mindestens kritisch. 7

Das aktuelle Urteil BGH VI ZR 79/10 vom 08.02.2011 belegt diese Unterscheidung zwischen objektiv und subjektiv : Es ist nicht möglich, die eigentlich überschrittene Grenze durch einen Beliebigkeitsrabatt zu unterschreiten Auch insoweit: Obwohl es im Ergebnis kein 130er Fall ist, deutet auch BGH, Urt. v. 14.12.2010 VI ZR 231/09 darauf hin, dass das Gutachten nicht das Maß aller Dinge ist Aber Vorsicht, uhu s sind nicht unbedingt auf ühu s zu übertragen Positive Urteile mit Tenor, es komme auf die Rechnung an, nicht auf die Prognose: OLG Düsseldorf, VersR 02, 629; OLG Dresden, DAR 01, 303 OLG Frankfurt, DAR 03, 68; Achtung, alle älter als BGH VI ZR 70/04 LG Koblenz, Urt. v. 4.7.2007-12 S 65/07: Abweichung vom Gutachten unzulässig 130 Prozent - Fragen Neues Urteil OLG München vom 13.11.2009-10 U 3258/08: Gutachten über, Reparaturrechnung unter 130 % durch abweichenden Reparaturweg ist durchgegangen wegen hervorragender Arbeit des Karosseriespenglers. Gebrauchter Scheinwerfer mit fachgerecht geklebtem Gehäuse verwendet Urteil m.e. falsch, aber ggf. hilfreich 130 Prozent - Fragen Das Urteil hat noch weitere Facetten: Bei Besichtigung durch den Versicherer waren Reparaturrückstände zu bemängeln. Das allerdings waren Nachbesserungsfragen, und das hindert nicht den Anspruch Der Versicherer wandte bei neunjährigem Mercedes C ein: Wertminderung fehlt AG München, Urteil vom 20.5.2009, Az. 345 C 4756/09: 131, 7 % sind nicht 130 % Das AG Duisburg, Urteil vom 17.10.2007, Az. 35 C 5894/06, sieht das anders: 133 % liege noch im Rahmen In beiden Urteilen ging es bereits um die Prognose, nicht um das Prognoserisiko. 8

Umstieg von ursprünglich fiktiver Abrechnung auf spätere 130 % - Reparatur möglich? Ja: BGH Urteil vom 17.10.06, Az. VI ZR 249/05. Die Grenze ist die Verjährung. BGH Urteil vom 17.10.06, Az. VI ZR 249/05, siehe vorherige Folie Tragender Grund: Es handelt sich nicht um zwei verschiedene Ansprüche, zwischen denen man abschließend wählen muss. Es bleibt der gleiche Anspruch in lediglich einer anderen Abrechnungsmodalität. 130-6 130-6 Wie lange behalten? Bisherige Sicht: der Geschädigte darf nicht die Opfergrenze in Anspruch nehmen und danach veräußern. BGH Entscheidung zur Haltefrist bei Werkstattreparatur: Urteil vom 22.04.08,VI ZR 237/07 Sechs Monate! 130-6 BGH hat entschieden: Integritätsspitze ist sofort fällig VI ZB 22/08 VI ZB 71/08 130-6 Denn es geht um das Behalten wollen Einen Willen kann man nur beweisen, indem man ihn in die Tat umsetzt Wenn der Wille dann nach sechs Monaten beweisen ist, ist die Forderung von Anfang an fällig Mindestens also Verzinsung 9

130-6 Mindestens also Verzinsung Auch Prozesskosten Wenn Werkstatt vom Werkunternehmerpfandrecht Gebrauch macht, auch Nutzungsausfallentschädigung 130-6 Vergleich vor dem AG Fürstenwalde, Az. 15 C 35/08: Versicherung hat 3.500 EURO Nutzungsausfallentschädigung bezahlt, um Urteil über 5.000 EURO abzuwenden 21 Jahre alter Golf II, Integritätsspitze war 599 EURO, Geschädigte Hartz IV, Werkstatt hat Auto nach Reparatur nicht herausgegeben 130-6 Vorzeitige, aber erzwungene Abschaffung schadet nicht (Beispiele in BGH VI ZB 22/08) Beispiel ist AG Köln, Urteil vom 27.08.2008-269 C 166/08, als ein wenig werthaltiges Auto fünf Monate nach dem Unfall wegen eines kapitalen Motorschadens abgeschafft wurde. Da hat der Geschädigte das Auto zwar keine sechs Monate mehr benutzt, aber eben so lange, bis es nicht mehr ging. 130-6 Weitere nur scheinbar offene Frage: Beginnen die sechs Monate mit dem Unfalltag oder mit der Reparatur? M.E. ist das vom BGH beantwortet: Die Sechsmonatsfrist ist erstmals in einem Urteil ohne Reparatur formuliert. Deshalb kann es gar nicht auf das Reparaturende ankommen. Stichtag muss des Unfalldatum sein 130-6 VI ZR 237/07: sechs Monate nach dem Unfall Außerdem enthält auch VI ZB 22/08 (sinngemäß ebenso VI ZB 71/08) mehrfach die Formulierung sechs Monate nach dem Unfall weiter genutzt, Damit ist die Frage beantwortet 249 BGB: Fiktive Abrechnung 1. Wer zum Schadenersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. 2. Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadenersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist. 10

Fiktive Abrechnung Mehrwertsteuer Die Regelung aus 249 Abs. 2 Satz 2 BGB gilt im Ergebnis nur für nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Geschädigte. Das sind Private, aber auch manche Unternehmer wie z.b. Versicherungsvertreter und Ärzte. Fiktive Abrechnung Das Prinzip, beim Totalschaden ohne Ersatzbeschaffung den im Wiederbeschaffungswert enthaltenen Mehrwertsteueranteil per Schätzung zu ermitteln, hat der BGH mit Urteil vom 9.5.06, VI ZR 225/05 bestätigt (Vier Jahre alter Golf, wird überwiegend differenzbesteuert gehandelt, 2 % Abzug) Fiktive Abrechnung Aber bei Ersatzbeschaffung BGH Urteil vom 1.3.05, VI ZR 91/04: Erwirbt der Geschädigte ein Ersatzfahrzeug zu einem Preis, der dem in einem Sachverständigengutachten ausgewiesenen (Brutto)-Wiederbeschaffungswert des unfallbeschädigten Kraftfahrzeugs entspricht oder diesen übersteigt, kann er im Wege konkreter Schadensabrechnung die Kosten der Ersatzbeschaffung bis zur Höhe des (Brutto) - Wiederbeschaffungswertes des unfallbeschädigten Kraftfahrzeuges unter Abzug des Restwertes ersetzt verlangen Fiktive Abrechnung Fortsetzung VI ZR 91/04: Auf die Frage, ob und in welcher Höhe in dem im Gutachten ausgewiesenen (Brutto)- Wiederbeschaffungswert Umsatzsteuer enthalten ist, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Fiktive Abrechnung Aus den Urteilsgründen VI ZR 91/04 : Lediglich bei der fiktiven Schadensabrechnung nach der Beschädigung von Sachen soll sich nach der Absicht des Gesetzgebers deren Umfang mindern, indem die fiktive Umsatzsteuer als zu ersetzender Schadenposten wegfällt Und weiter: Im vorliegenden Fall geht es jedoch nicht um den Ersatz fiktiver Umsatzsteuer, sondern um den Ersatz des tatsächlich für die Ersatzbeschaffung aufgewendeten Betrages, allerdings begrenzt auf den Wiederbeschaffungswert des unfallbeschädigten Fahrzeugs. Fiktive Abrechnung Unreparierte Inzahlungnahme eines Nicht- Totalschadens: Meine bisherige nun falsche Auffassung war: Wenn der Geschädigte ein Ersatzfahrzeug kauft, dessen Preis den Bruttoreparaturkostenbetrag aus dem Gutachten übersteigt (wird dabei wohl immer der Fall sein), ist das zitierte BGH-Urteil VI ZR 91/04 m. E. ebenso anwendbar. Denn Instandsetzung und Wiederbeschaffung sind gleichwertige Formen der Wiederherstellung 11

Fiktive Abrechnung Mein bisheriger nun falscher Baustein war: Falsch ist, dass Sie die Reparaturkosten netto ansetzen. Wenn der Geschädigte den Bruttoschadenbetrag in eine Restitution investiert, ist das keine fiktive Abrechnung, BGH VI ZR 91/04. Grundlage der zitierten Entscheidung war zwar ein Totalschadenfall und damit die Wiederbeschaffungswertfrage. Jedoch sind nach ständiger Rechtsprechung des BGH die Wiederbeschaffung einerseits und die Instandsetzung andererseits gleichwertige Alternativen der Wiederherstellung (zuletzt BGH VI ZR 109/03). Daher ist die VI ZR 91/04 ohne weiteres auf den hier zu entscheidenden Fall anzuwenden. Das heißt: Dass die Reparatur fiktiv bleibt, tut nichts zur Sache. Es geht nämlich nicht um die Reparatur oder um die Wiederherstellung des Fahrzeugs, sondern um die Wiederherstellung des Zustandes. Ganz konkret hat der Geschädigte den Schaden durch eine der Reparatur gleichwertige (Urteilszitat siehe oben) Ersatzbeschaffung beseitigt. Fiktive Abrechnung Jetzt aber BGH Urteil vom 22.9.2009 VI ZR 312/08 Wählt der Geschädigte den Weg der Ersatzbeschaffung, obwohl nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot nur ein Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten besteht, steht ihm jedenfalls dann kein Anspruch auf Ersatz von Umsatzsteuer zu, wenn bei der Ersatzbeschaffung keine Umsatzsteuer angefallen ist Konkret aber anders Gibt der Geschädigte einen unreparierten Wagen in Zahlung, bei dem ein Reparaturschaden entstanden ist (Reparaturkosten plus Minderwert kleiner als WBA) und kauft er ein regelbesteuertes Auto, muss der Versicherer die MwSt auf die im Gutachten ausgewiesenen Reparaturkosten erstatten (LG Arnsberg, Urt. vom 30.3.2010-5 S 114/09 www.nrwe.de; AG Bielefeld, Urt. v. 12.01.2011 4 C 316/10) ) Fiktive Abrechnung Um die Klassiker der Kürzungen rund um die fiktive Abrechnung bearbeiten zu können, muss man sich Folgendes klarmachen: Der Geschädigte bekommt fiktiv alles das, was er für eine tatsächliche Reparatur hätte bezahlen müssen. Nur bei der MwSt ist es anders, weil das Gesetz das so vorsieht Fiktive Abrechnung Das bedeutet: Wir bewegen uns bei den klassischen Streitthemen Stundenverrechnungssätze, Verbringungskosten, UPE Aufschläge überwiegend im Bereich der Tatsachenaufklärung und nur nachrangig im rechtlichen Bereich. Das wird oft übersehen, der verlorene Prozess ist die Folge. Fiktive Abrechnung Der heftigste und am intensivsten geführte Streit tobt ganz aktuell rund um die Stundenverrechnungssätze. Wer glaubte, dass mit der Porsche Entscheidung des BGH hierzu Ruhe einkehrt, hat das Beharrungsvermögen und den Ideenreichtum der Versicherungen unterschätzt. 12

Fiktive Abrechnung Die Porsche Entscheidung BGH, Urteil vom 29.3.03, VI ZR 398/02: Der Geschädigte, der fiktive Reparaturkosten abrechnet, darf der Schadensberechnung die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen. Der abstrakte Mittelwert der Stundenverrechnungssätze aller repräsentativen Marken- und freien Fachwerkstätten einer Region repräsentiert als statistisch ermittelte Rechengröße nicht den zur Wiederherstellung erforderlichen Betrag. Fiktive Abrechnung Aus den Gründen des Porsche Urteils: Zudem würde die Realisierung einer Reparatur zu den von den Beklagten vorgetragenen Preisen die Entfaltung erheblicher eigener Initiative durch den Geschädigten erfordern, wozu dieser nicht verpflichtet ist (vergleichbar insoweit die Senatsurteile und zur Bestimmung des Restwertes bei Inzahlunggabe des Fahrzeugs BGHZ 143, 189, 194). In der Regel wäre erforderlich, Erkundigungen hinsichtlich der Werkstatterfahrung für die Reparatur der entsprechenden Fahrzeugmarke einzuziehen und entsprechende Preisangebote einzuholen. Neu: VW-Entscheidung Urteil vom 20.10.2009 VI ZR 53/09 Der BGH hat klargestellt, dass für die fiktive Abrechnung grundsätzlich weiterhin der Stundenverrechnungssatz der Markenwerkstatt am Ort des Geschädigten die Basis ist. VW - Entscheidung a) Der Geschädigte darf seiner (fiktiven) Schadensberechnung grundsätzlich die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (Bestätigung des Senatsurteils BGHZ 155, 1 ff.) VW - Entscheidung b) Will der Schädiger den Geschädigten unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht im Sinne des 254 Abs. 2 BGB auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen "freien Fachwerkstatt" verweisen, muss der Schädiger darlegen und ggf. beweisen, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht. VW-Entscheidung Also kann die Versicherung auch auf eine andere auch markenfreie Werkstatt verweisen, wenn die gleichwertig ist. Die Beweislast für die Gleichwertigkeit liegt bei der Versicherung Gleiche Marke, auch autorisierte Werkstatt ist per se gleichwertig 13

VW-Entscheidung Solange das Fahrzeug des Geschädigten aber noch in der Garantiezeit ist, ist das unzumutbar ( in der Regel drei Jahre ) Unzumutbar kann das auch sein, wenn der Geschädigte nachweist, dass er sein auch älteres- Auto bisher ausschließlich in der Markenwerkstatt betreuen ließ VW-Entscheidung Auch für ein mehr als 10 Jahre altes Auto mit mehr als 180.000 km Laufleistung trägt die bisherige Werkstattloyalität die Unzumutbarkeit des Verweises außerhalb der Markenkette (BGH, Urteil vom 22.6.2010 - VI ZR 302/08) Zur VW-Entscheidung Keine Versicherungssonderpreise Laut AG Bonn, Urteil vom 11.2.2010-16 C 27/09 und AG Trier, Urteil vom 29.12.2009 8 C 217/09 kommt es dabei nur auf die Markenloyalität zur Besitzzeit des Geschädigten an. Hat er das Fahrzeug gebraucht erworben, ist die davor liegende Wartungs- und Reparaturhistorie nicht von Belang BGH Urteil vom 22.6.2010 VI ZR 337/09 Der Verweis auf eine andere Werkstatt ist unzumutbar, wenn sie wegen Versicherungssonderpreisen billiger ist VW-Entscheidung Was ist, wenn Versicherer nachweislich die Werkstatt benennt, die für die Marke am Ort auch arbeitet, weil die gar keine eigene Karosserieabteilung hat? Dann wird man die technische Gleichwertigkeit kaum bestreiten können. Dann kommt es nur noch auf die sonstigen Zumutbarkeitsfragen an VW-Entscheidung LG Mannheim, Urteil vom 22.10.2010-1 S 163/09 Wenn der von der Versicherung benannte ZKF - zertifizierte Karosseriebetrieb regelmäßig im Unterauftrag für Markenwerkstätten tätig ist und Originalersatzteile verwendet, ist er technisch gleichwertig. 14

VW - Entscheidung AG Hagen, Urteil vom 7.10.2010-10 C 133/10 Arbeitet eine Karosseriewerkstatt umfangreich als Subunternehmer für Markenbetriebe und ist das durch eine Referenzliste nachgewiesen, ist die Gleichwertigkeit anzunehmen Im Grundsatz vom BGH akzeptiert Soweit die Revision meint, dadurch sei nicht der Nachweis geführt, dass diese Werkstätten über eine ausreichende Ausstattung und auch Erfahrung mit der Automarke Mercedes-Benz verfügten, steht dem die unangegriffene Feststellung des Berufungsgerichts entgegen, dass es für die Behebung der am Fahrzeug der Klägerin entstandenen Bagatellschäden besonderer Erfahrungen mit dieser Automarke nicht bedurfte. Urteil vom 13.07.2010 VI ZR 259/09 Eurogarant-Entscheidung BMW 5er, acht Jahre alt, ca. 140.000 km Also ein vom Versicherer gut ausgewählter Fall, denn solche Autos sind statistisch betrachtet überwiegend keine Markenwerkstatt-Patienten mehr BGH Urteil vom 23.02.2010 VI ZR 91/09 schafft nun Klarheit Eurogarant-Kriterien genügten Der Vortrag des Versicherers zur Gleichwertigkeit beschränkte sich auf die Informationen, die drei im Prüfbericht genannten Werkstätten seien Mitglied im Zentralverband Karosserie und Fahrzeugtechnik, sie seien zertifizierte Meisterbetriebe für Karosserie- und Lackierarbeiten, deren Qualitätsstandard regelmäßig vom TÜV oder von der DEKRA kontrolliert werde. Es fänden ausschließlich Originalersatzteile Verwendung und die Kunden erhielten mindestens drei Jahre Garantie. Das hatte dem BGH genügt. VW-Entscheidung AG HH-Wandsbek, Urt. vom 22.03.2010 716 C 450/09: Hierbei sind an die Darlegungslast des Schädigers hohe Anforderungen zu stellen. Er muss dem Geschädigten im Einzelnen die Ausstattung der Werkstatt, die Herkunft der Ersatzteile, die Qualifikation der Mitarbeiter, ggf. vorhandene Qualifikationszertifikate sowie die gewährten Garantien über die ohnehin gesetzlich vorgeschriebenen Gewährleistungsstandards hinaus im Einzelnen mitteilen. Andernfalls ist es für den Geschädigten unmöglich, konkret zu überprüfen, ob die behauptete Gleichwertigkeit mit einer markengebundenen Fachwerkstatt gegeben ist. (nach der BGH-Eurogarant Entscheidung veraltet?) Zur VW-Entscheidung Versicherer weist lapidar auf andere Werkstatt hin und lädt erst im Prozess nach. Welcher Zeitpunkt ist maßgeblich? LG Krefeld, Urt. v.18.3.2010-3 S 30/09 lässt Nachkarten im Prozess nicht zu und schützt die Disposition, ebenso AG Alzey, Urt. v. 31.07.2010-21 C 38/10. 15

Fiktive Abrechnung UPE Aufschläge: Auch hier kann die Porsche Entscheidung (in Verbindung mit der VW-Entscheidung) zur Leitlinie gemacht werden: Wenn die Markenwerkstätten der jeweiligen Marke in der Region des Geschädigten UPE Aufschläge berechnen (Tatsachenfrage!), müsste der Geschädigte die bei einer Reparatur bezahlen. Also stehen sie ihm auch fiktiv zu Fiktive Abrechnung Verbringungskosten: Auch hier kann die Porsche Entscheidung zur Leitlinie gemacht werden: Wenn die Markenwerkstätten der jeweiligen Marke in der Region des Geschädigten Verbringungskosten berechnen (Tatsachenfrage!), müsste der Geschädigte die bei einer Reparatur bezahlen. Also stehen sie ihm auch fiktiv zu Fiktive Abrechnung LG Köln, Urt. v. 31.5.06, 13 S 4/06: Zu dem von der Beklagten zu ersetzenden Schaden gehören auch die Aufschläge für die UPE und die fiktiven Verbringungskosten. Denn der Kläger ist nach den vorstehenden Ausführungen berechtigt, die bei einer fiktiven Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt anfallenden Reparaturkosten zu verlangen. Dass im Falle einer dortigen fiktiven Reparatur auch Aufschläge für UPE und die Verbringungskosten in geltend gemachter Höhe anfallen, hat der Sachverständige T. in seinem Gutachten vom festgestellt Fiktive Abrechnung Treffsicher auch AG Stuttgart, Urteil vom 29.07.05, 41 C 8388/04, SVR 05, 386 mit Anmerkung RA Günther Klein, Böblingen: Ist aufgrund des vom Geschädigten eingeholten Sachverständigengutachtens davon auszugehen, dass üblicherweise Ersatzteilpreisaufschläge anfallen, kann der Geschädigte auf der Grundlage dieses Gutachtens die betreffenden Ersatzteilpreisaufschläge erstattet verlangen, ohne dass diese Preisaufschläge tatsächlich angefallen sind. Fortsetzung: Fiktive Abrechnung Der Kläger muss sich nicht auf die abstrakte Möglichkeit einer Reparatur in irgendeiner Fachwerkstatt verweisen lassen, bei der möglicherweise keine Ersatzteilpreisaufschläge anfallen, nachdem er Anspruch auf Erstattung der Reparaturkosten hat, die in einer markengebundenen Fachwerkstatt berechnet werden. Fiktive Abrechnung Anmerkung Klein: So ist es auch verfehlt zu sagen, bei dem Gericht werde der UPE Aufschlag zugesprochen, bei jenem Gericht aber nicht. Bei ein und demselben Gericht kann das Urteil so oder so ausfallen. Es ist eine Frage des Tatsachenstoffes, und so ist beim Anspruchsteller wie bei der beklagten Versicherung Sachverhaltsarbeit gefragt. Die Unzahl abweichender Urteile ist also entweder falsch, oder es wurde vom Kläger nicht der Tatsachenstoff vorgetragen 16

Kasko: Sachverständigenverfahren Bei Streit über die Höhe des Schadens Sachverständigenverfahren nach 14 AKB alt bzw. A.2.17 AKB 2008 Wenn der Streit de facto eine Rechtsfrage betrifft (ist durchsichtiger Kunststoff Glas gleichzusetzen? Gehört Chromleiste zum Glasschaden?) ist das aber keine Sache für das Sachverständigenverfahren, sondern für das Gericht Sachverständigenverfahren Wer eröffnet, benennt seinen SV gegenüber dem Anderen Der Andere muss innerhalb 14 Tagen seinen SV benennen Versäumt er die Frist, darf der Angreifer auch den zweiten SV benennen Sachverständigenverfahren Die beiden SV (Ausschussmitglieder) wählen Obmann Faktisch ist das keine Wahl, sondern eine Einigung auf eine Person Gelingt das nicht, bestimmt das für den Schadensort zuständige Amtsgericht den Obmann Problem Auslandsschaden Sachverständigenverfahren Einer der SV wird Protokollführer Die Sachverständigen als Ausschussmitglieder versuchen, einen gemeinsamen Standpunkt zu finden Gelingt das, ist das verbindlich Dagegen ist keine Klage möglich Sachverständigenverfahren Gelingt das nicht, gibt jeder seine abschließende Stellungnahme ab. Das kann auch der Verweis auf das bisherige Gutachten sein Gelingt das nicht, entscheidet der Obmann innerhalb des Rahmens verbindlich Deshalb muss der Obmann in der Sache bis dahin neutral gewesen sein Sachverständigenverfahren Nur, wenn dessen Entscheidung den vorherigen Rahmen sprengt oder nicht nachvollziehbar ist (das ist was anderes als nicht gefällt!), ist der Weg zum Gericht frei Auch, wenn die Ausschussmitglieder unerträglich lange brauchen, ist der Weg zum Gericht frei 17

Sachverständigenverfahren Die Kosten des Sachverständigenverfahrens werden nach dem Verhältnis von Obsiegen und verlieren verteilt (wie bei Zivilprozess) Jeder hat aber seinen Auftraggeber, der Obmann beide, als Schuldner Von Rechtschutzversicherung regelmäßig nicht gedeckt Merkantiler Minderwert Merkantiler Minderwert ist kommerzialisierter Aberglaube, aber wirtschaftliche Realität (RA Dr. Kurt Reinking) Merkantiler Minderwert BGH Urt. v. 23.11.2004, VI ZR 357/03 hat mit dem überalterten Dauerbrenner Schluss gemacht, bei einem Fahrzeugalter ab fünf Jahren und / oder einer Laufleistung ab 100.000 km sei die Wertminderung quasi per Definition zu Ende Merkantiler Minderwert Sachverhalt: 16 Jahre alter Mercedes 200 D Laufleistung ca. 164.000 km Wiederbeschaffungswert 2.100,-- Pflegezustand gut Schadenhöhe wird leider nicht mitgeteilt, kann aber nicht höher als 2.730,-- gewesen sein Merkantiler Minderwert Um das Rätsel vorab zu lösen: Die Halterin hat keine Wertminderung mehr zugesprochen bekommen Jedoch hat der BGH den Fall zum Anlass genommen, das gesamte Thema der Wertminderung erstmals seit BGH VI ZR 16/79, VersR 80, 46 umfassend zu beleuchten Merkantiler Minderwert Erster Einwand der Versicherung: Merkantile Wertminderung gehöre wegen der heutigen Reparaturqualität gänzlich abgeschafft. Ihre Meinung? 18

Merkantiler Minderwert Die Antwort des BGH: Der Ausgangspunkt dieser Rechtsprechung, daß auf dem Gebrauchtwagenmarkt Unfallfahrzeuge einen geringeren Preis erzielen, als unfallfreie, weil verborgene technische Mängel nicht auszuschließen sind und das Risiko höherer Schadenanfälligkeit infolge nicht fachgerechter Reparatur besteht, trifft trotz aller Fortschritte der Reparaturtechnik nach wie vor zu, zumal die technische Entwicklung im Fahrzeugbau insoweit auch höhere Anforderungen stellt Merkantiler Minderwert Zweiter Einwand der Versicherung: Schon 1961 und 1979 habe der BGH doch eine von den jeweiligen Berufungsgerichten gesetzte 100.000 Km Grenze akzeptiert Ihre Meinung? Merkantiler Minderwert Die Antwort des BGH: In einer späteren Entscheidung vom 18. September 1979 VI ZR 16/79 hat der Senat zwar erwogen, bei Personenkraftwagen könne im allgemeinen eine Fahrleistung von 100.000 km als obere Grenze für den Ersatz eines merkantilen Minderwertes angesetzt werden. Diese Einschätzung stützte sich jedoch unter Berücksichtigung der damaligen Verhältnisse auf dem Gebrauchtwagenmarkt auf die Überlegung, daß solche Pkw im allgemeinen nur noch einen derartig geringen Handelswert hätten, daß ein meßbarer Minderwert nach Behebung der Unfallschäden nicht mehr eintrete. Merkantiler Minderwert Fortsetzung: Die Beurteilung war mithin nicht allein auf die Laufleistung des Fahrzeugs bezogen, sondern maßgeblich auf deren Bedeutung für seine Bewertung auf dem Gebrauchtwagenmarkt. Diese Bedeutung kann sich im Laufe der Zeit mit der technischen Entwicklung und der zunehmenden Langlebigkeit der Fahrzeuge (z.b. infolge längerer Haltbarkeit von Motoren, vollverzinkter Karosserien etc.) ändern. Merkantiler Minderwert Die Pointe des Falles: Das Berufungsgericht hat berücksichtigt, daß sich das Fahrzeug der Klägerin zwar in einem guten Pflegezustand befand, aber eine Laufleistung von 164.000 km auswies und 16 Jahre alt war, wodurch sich der Wiederbeschaffungswert auf (nur) 2.100 reduzierte. Bei dieser Sachlage ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, daß sich das Berufungsgericht im Rahmen des ihm nach 287 ZPO zustehenden Ermessens die tatrichterliche Überzeugung gebildet hat, bei einem solchen Marktpreis werde sich ein Unfallschaden, der zudem erkennbar nur nicht tragende Teile des Kraftfahrzeuges betroffen habe, nicht mehr wertbildend auswirken. Merkantiler Minderwert Merkantiler Minderwert auch für LKW und Busse? Ja, BGH VersR 80, 46 19

Merkantiler Minderwert Merkantiler Minderwert auch für Motorräder? Ja, LG Ulm, VersR 84, 1178 Das gerne verwendete Gegenargument, Motorräder würden regelmäßig durch den Austausch ganzer Komponenten instand gesetzt ( Wiederholung des Herstellungsvorganges ), verkennt, dass es nicht um technischen Minderwert geht. Merkantiler Minderwert Richtige Berechnungsmethode Diese Frage ist ein heiliger Glaubenskrieg der Sachverständigen ohne jede Relevanz Köstlich: AG Köln, Urteil vom 22.2.1991, 266 C 498/90 (der berühmte Richter Eugen Menken) Meine Meinung analog BGH: Maßstab ist der Markt, nicht der Taschenrechner Merkantiler Minderwert Kammergericht, Urteil vom 2.9.2010-22 U 146/09, bei einem neun Jahre alten Porsche mit mehr als 170.000 km WMbejaht OLG Oldenburg, Urteil vom 01.03.2007 8 U 246/06 bei einem dreieinhalb Jahre alten Audi A 6 mit 195.648 km WM bejaht Merkantiler Minderwert LG Berlin Urteil vom 25.6.2009 41 S 15/09 bei einem elf Jahre alten Pkw mit einer Laufleistung von 180.000 km WM bejaht LG Berlin Urteil vom 12.11.2009 15 O 302/08 für ein Taxi mit 140.000 km WM bejaht Merkantiler Minderwert AG Hamburg Urteil vom 22.02.2007-51b C 134/06 bei einem gewerblich genutzten Transporter mit einer Laufleistung von 157.000 km WM bejaht Das neuerdings oft gehörte Versichererargument, an gewerblichen genutzten Fahrzeugen entstehe per se keine Wertminderung, ist absurd Merkantiler Minderwert AG Arnsberg Urteil vom 20.01.2010-3 C 339/09 für eine sechs Jahre alte C Klasse mit 176.483 km WM bejaht AG Hannover betont mit Urteil vom 14.12.2007-9 S 60/07, dass auch für Kleinwagen eine Grenze von 100.000 km nicht mehr zeitgemäß ist. 20