Universität Regensburg Lehrstuhl für Kirchenrecht Prof. Dr. Sabine Demel

Ähnliche Dokumente
Warum die Zulassung einer zweiten Ehe glaubwürdiger ist

(K)ein Widerspruch? Kirchenrecht. Unauflöslichkeit der Ehe und Zulassung zu einer Zweitehe

Vorwort. Abkürzungsverzeichnis Literaturübersicht. Einleitende Anmerkungen zu den gesetzlichen Grundlagen des katholischen Eherechts 1

Katholisches Kirchenrecht

Wiederverheiratete Geschiedene. Für einen offenen Umgang mit Geschiedenen und Wiederverheirateten in der Kirche. Seite 3

Das Sakrament der Ehe. das Kanonische Eherecht

Die Ehe ist unauflöslich!

Das Eherecht in der katholischen Kirche und in Österreich im Vergleich

Das System der Konkordatsehe in Italien

Richtlinien über persönliche Anforderungen. an Diakone und Laien im pastoralen Dienst. im Hinblick auf Ehe und Familie. 28.

ich will Hochzeitsplaner der Erzdiözese Freiburg

Inhaltsverzeichnis. Vorwort von Bischof Josef Stimpfle 12. Einleitung Die Sakramente der katholischen Kirche 21

Die Sakramente der Kirche

Grundfragen der christlichen Sexual- und Beziehungsethik

Univ.-Prof. Dr. Klaus Lüdicke. Grundfragen des Kirchenrechts und der Kirchenverfassung

DER BISCHOF DES BISTUMS GÖRLITZ Wolfgang Ipolt. Die Berufung und Sendung der Familie in Kirche und Welt von heute. Hirtenwort zur Bischofssynode

Kirchlich heiraten Hinweise und Hilfen zur Vorbereitung

EHE: ABC FÜR DIE EHEVORBEREITUNG

Frauen und kirchliches Amt

Codex Iuris Canonici CIC 1983

Zelebrant: Wollen Sie Ihre Frau/Ihren Mann lieben und achten und ihr/ihm die Treue halten alle Tage ihres/seines Lebens?

TRAUUNGSRITUS BEFRAGUNG NACH DER BEREITSCHAFT ZUR CHRISTLICHEN EHE. 12. Der Zelebrant fragt zuerst den Bräutigam:

Trauordnung. Vom 29. Mai 1956 (ABl S. A 37)

Kirchengesetz über die Ordnung der Trauung in der Evangelischen Kirche von Westfalen

FAQ. Wir möchten kirchlich heiraten. Was müssen wir tun und veranlassen?

Die konfessionsverbindende Ehe als Lehr- und LernprozeB

Der Traugottesdienst

ja ich will Die kirchliche Trauung Erzdiözese Freiburg

Zeichen des Heils - Die Sakramente verstehen II BnP am

Das Grundproblem im Umgang mit nach

Wer ist der Spender des Ehesakraments?

V. TRAUVERSPRECHEN. Gott ist Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.

Grundprinzipien des Miteinanders in der Kirche (Basis für das erste gewählte Modul)

Barmherzigkeit als Brücke zwischen kirchlicher Norm und Lebenswirklichkeit?

Inhalt. Vorwort 5 Inhalt 7 Abkürzungen 14

Kooperation, Fusion und Union katholischer Kirchengemeinden und Kirchenstiftungen aus rechtlicher Perspektive

Demel, S., Der Empfang des Ehesakramentes bewusster Glaubensakt oder automatische Folge der Taufe? Zum Konzept einer Stufung des Ehesakramentes, in: I

Die Ehescheidung zwischen weltlichem Recht und kirchlicher Doktrin

Thema: Grundrechte in der Kirche Grundlagen und Probleme in der kirchlichen Gesetzgebung

Die Ehe auf Lebenszeit. Schriften zum Familien- und Erbrecht. Christopher Marx. Ein unverbindlicher Programmsatz? Stämpfli Verlag.

Kommentar zum österreichischen Eherecht

Für Sie bedeutet dies, dass Sie zwischen zwei verschiedenen Möglichkeiten wählen müssen:

Partizipative Kirche!? Kirchenrechtlicher Blick

Handreichung. Wir trauen uns. über Grenzen hinweg. Konfessionsverschiedene Ehen Religionsverschiedene Ehen

Jürgen Olschewski DAS RECHT AUF SAKRAMENTENEMPFANG

AM GRÖSSTEN IST DIE LIEBE

Inhaltsiibersicht. Erstes Buch. Allgemeine Bestimmungen. Die Kirchengesetze. Die Gewohnheit. 3. Kapitel. Die Zeitberechnung. 4. Kapitel.

Informationen. zu Ehenichtigkeit und Eheauflösung

Ehevorbereitung und Trauung

Leitbild der kath. Kindertagesstätte St. Martin, Ruppertsberg

Herausgeber: Bischöfliches Offizialat Rottenburg Postfach Rottenburg am Neckar

Schweizerisches Zivilgesetzbuch

Ordnung über den Dienst, die Begleitung und die Fortbildung von Ehrenamtlichen in der Evangelischen Kirche in Österreich (Ehrenamtsordnung)

von der Kirche verstoßen?

Feierlicher Einzug mit Orgel oder anderer festlicher Musik. Eröffnungslied (möglich) z.b. Gotteslob (GL) 474 Nun jauchzt dem Herren alle Welt"

Auswertung des vatikanischen Fragebogens in der Fassung der Reformbewegungen Laieninitiative und Plattform Wir-sind-Kirche

Im Folgenden beantworten wir Ihnen mögliche Fragen im Zusammenhang der Trauung/ Segnung:

21. Sonntag im Jahreskreis - LJ B 23. August 2015 Lektionar II/B, 329: Jos 24,1 2a b; Eph 5,21 32; Joh 6,60 69

Schwerpunkt: Trennende Ehehindernisse

Das Recht fließe wie Wasser

MORALTHEOLOGIE I VORAUSSETZUNGEN UND GRUNDLAGEN

ARBEITSBEREICH KIRCHENRECHT UND KIRCHLICHE RECHTSGESCHICHTE

Amtseinführung eines Pfarrers

Kirchengesetz zur Regelung der evangelischen Seelsorge in der Bundeswehr

15. Evangelische Landessynode

Teil 1. Ist die ÖT aus Ihrer Sicht eine gute Idee?

JOSEFSFREUNDE. Die Gebetsgemeinschaft am. Zisterzienserkloster Neuzelle. Statuten in der Fassung vom

MUSIK. PREDIGT (ich)

QUARTETT DER KONFESSIONEN

Einander anvertraut Mit Gottes Segen Informationen zur evangelischen und katholischen Trauung

St. Gallus Tettnang - Fastenpredigt Heil. Heilung. Versöhnung. durch die Sakramente Das Sakrament der Ehe

Ausweglos? Vom Umgang der Kirche mit Geschiedenen - Wiederverheirateten

Kirchengesetz über diakonische Arbeit in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (Diakoniegesetz)

Amtseinführung von Pfarrmoderator und PfarrkuratorIn nach can CIC

VO Familienrecht SS 2016

Die Scheidung und die Verteilung elterlicher Sorge. im polnischen und deutschen Recht. Eine rechtsvergleichende Analyse unter dogmatischen,

Kirchengesetz zur Regelung der Evangelischen Seelsorge im Bundesgrenzschutz

O Seligkeit, getauft zu sein

Fragebogen zur Vorbereitung der Bischofssynode 2015

Konziliare Kirchenbilder

Abkûrzungsverzeichnis 13. Einleitung 17. A. Grundlagen des deutschen und ägyptischen Internationalen Eherechts 21

Bibelglaube. nach persönlichem oder der Gurus Geschmack

Diakonie. Leitbild. Schleswig-Holstein. Diakonisches Werk. Schleswig-Holstein. Landesverband der Inneren Mission e.v.

Inhaltsverzeichnis. 1 Einleitung : Die unterschiedliche Rechtsquellen für das. Scheidungsrecht in beiden Staaten

Predigt zu Philipper 4, 4-7

Erfahrungsaustausch Familienrecht

Kirchengesetz zum Schutz des Seelsorgegeheimnisses (Seelsorgegeheimnisgesetz SeelGG)

Thomas Ruster Heidi Ruster Bis dass der Tod euch scheidet?

Erzbischof Dr. Ludwig Schick. O Seligkeit, getauft zu sein

Vertrag zwischen der

Deine Freundin Ina ist katholisch. Sie ist schon 22 und hat bereits eine Berufsausbildung als Friseurin hinter sich.

Schulinternes Curriculum Katholische Religionslehre Qualifikationsphase Unterrichtsvorhaben in Q1: Wer ist Jesus? Eine Einführung in die Christologie

Kirchengesetz zur Regelung der Evangelischen Seelsorge im Bundesgrenzschutz 1 (Bundesgrenzschutzseelsorgegesetz der EKD BGSSG.EKD)

Osternachtsgottesdienst mit Abendmahl

Vorgesehene Ämter und Gremien im Verfassungsrecht der Kirche

Transkript:

Universität Regensburg Lehrstuhl für Kirchenrecht Prof. Dr. Sabine Demel

1 Kirchenrecht im Dienst des Seelenheils als Grundlage einer Neuregelung Rechtsverständnis Rechtsordnung Rechtsanwendung... und das Heil der Seelen vor Augen, das in der Kirche immer das oberste Gesetz sein muss (c.1752 CIC/1983)

1 Kirchenrecht im Dienst des Seelenheils als Grundlage einer Neuregelung Recht und Gesetz als Grundlage des Heils der Seelen Recht und Gerechtigkeit ohne Barmherzigkeit ist Grausamkeit. Barmherzigkeit ohne Recht ist Anarchie und Willkür. Heil der Seelen als eigentliches Ziel von Recht und Gesetz diesseits-irdische und jenseits-himmlische Friedens- und Freiheitsordnung

1 Kirchenrecht im Dienst des Seelenheils als Grundlage einer Neuregelung Seelenheil des/ der Einzelnen darf nicht gegen das Seelenheil der Gemeinschaft ausgespielt werden. Einbindung der Maxime in das rechtliche Versetzungsverfahren von Pfarrern (cc. 1748-1752): 1752): Bei Versetzungssachen sind die Vorschriften des can.1747 anzuwenden, unter Wahrung der kanonischen Billigkeit und das Heil der Seelen vor Augen, das in der Kirche immer das oberste Gesetz sein muss (c.1752 CIC/1983)

1 Theologisch-rechtliche Anfragen zur Nichtzulassung zur Kommunion Beachtung des Gesetzes + übergesetzliche Rechtsinstitute tit t (kanonische Billigkeit, Dispens, Epikie) Nicht der Buchstabe des Gesetzes sondern die theologische Wahrheit ist verpflichtend! bei Bedarf: Gesetzeskorrektur zur wahren Gerechtigkeit hin

1 Kirchenrecht im Dienst des Seelenheils als Grundlage einer Neuregelung übergesetzliche Rechtsprinzipien Dispens kanonische Billigkeit Epikie geweihter Amtsträger und einzelner Gläubiger auf Antrag Aufhebung der Verpflichtungskraft eines Gesetzes für eine spezifische Einzelperson AmtsträgerIn Berücksichtigung der örtlichen, zeitlichen und persönlichen Umstände der Einzelperson bei der Rechtsanwendung Gläubige Anforderung an die Einzelperson zu einem Handeln nach bestem Wissen und Gewissen

Kann vielleicht die Kirche alle Ehen auflösen, aber sie weiß es noch nicht? Die kirchliche Auflösung einiger Ehen ist Zulassung zur zweiten Ehe! Unauflöslichkeit als Wesenseigenschaft der Ehe Auflösung von Ehen innerhalb festgelegter Grenzen als as kirchenamtliches Zugeständnis zu einer zweiten Ehe

Kirchenrechtliche Grunddaten (1) Unauflöslichkeit jeder Ehe gemäß c.1056 Die Wesenseigenschaften der Ehe sind die Einheit it und die Unauflöslichkeit, die in der christlichen Ehe im Hinblick auf das Sakrament eine besondere Festigkeit erlangen. (1) Unauflöslichkeit jeder Ehe (2) Unauflöslichkeit = Sakramentalität

(2) Auflösbarkeit nichtsakramentaler und geschlechtlich nichtvollzogener Ehen (c.1141) Die [sc. unter Getauften] gültige und [sc. geschlechtlich] vollzogene Ehe kann durch keine menschliche Gewalt und aus keinem Grunde, außer durch den Tod, aufgelöst werden. Unauflöslichkeit nur bei sakramentalen und geschlechtlich vollzogenen Ehen Eheauflösungsverfahren: (1) nichtvollzogene Ehen (vgl. cc. 1061; 1142) (2) nichtsakramentale Ehen (vgl. cc. 1143-1150) absolute Unauflöslichkeit der Ehe # Folge der Wesenseigenschaften = Folge kirchenamtlicher Setzung

(3)Rechtsvollmacht der Kirche über die Sakramente gemäß c.841 Da die Sakramente für die ganze Kirche dieselben sind und zu dem von Gott anvertrauten Gut gehören, hat allein die höchste kirchliche Autorität zu beurteilen oder festzulegen, was zu ihrer Gültigkeit erforderlich ist; dieselbe bzw. eine andere nach Maßgabe des can. 838, 3 und 4 zuständige Autorität hat zu entscheiden, was für die Erlaubtheit zur Feier, zur Spendung und zum Empfang der Sakramente und was zu der bei ihrer Feier einzuhaltenden Ordnung gehört. alleinige Zuständigkeit der höchsten kirchlichen Autorität

(3)Rechtsvollmacht der Kirche über die Sakramente gemäß c.841 Da die Sakramente für die ganze Kirche dieselben sind und zu dem von Gott anvertrauten Gut gehören, hat allein die höchste kirchliche Autorität zu beurteilen oder festzulegen, was zu ihrer Gültigkeit erforderlich ist; dieselbe bzw. eine andere nach Maßgabe des can. 838, 3 und 4 zuständige Autorität hat zu entscheiden, was für die Erlaubtheit zur Feier, zur Spendung und zum Empfang der Sakramente und was zu der bei ihrer Feier einzuhaltenden Ordnung gehört. alleinige Zuständigkeit der höchsten kirchlichen Autorität Ehehindernisse (cc. 1073-1094) Konsensmängel (cc. 1095-1107) Kanonische Formpflicht (cc. 1108-1117)

(1) Unauflöslichkeit jeder Ehe gemäß c.1056 (2) Auflösbarkeit von nichtsakramentalen und geschlechtlich nichtvollzogenen Ehen gemäß c.1141 (3) Rechtsvollmacht der Kirche über die Sakramente gemäß c.841 Auswertung dieser kirchenrechtlichen htli h Daten: Vorschlag 1 Ausweitung der Rechtsvollmacht der Kirche zur Auflösung auch sakramentaler und vollzogener Ehen denn: Einschränkung der Unauflösbarkeit auf sakramentale und vollzogene Ehen ist eine rein kirchenrechtliche Setzung.

4 Dispens (1) von Unauflöslichkeit den Rechtswirkungen jeder Ehe gemäß des ersten c.1056ehebandes als Neuregelung (2) Auflösbarkeit von nichtsakramentalen und geschlechtlich nichtvollzogenen Ehen gemäß c.1141 (3) Rechtsvollmacht der Kirche über die Sakramente gemäß c.841 Auswertung dieser kirchenrechtlichen Daten: Vorschlag 2 Anwendung der kanonischen Billigkeit: Absehen von den rechtlichen Wirkungen des bestehenden Ehebandes (c.1085 1 CIC) Gewährung einer Zweitehe bei festgestelltem Scheitern der ersten Ehe Wahren der Unauflöslichkeit der Ehe + Respekt für die betroffenen Personen

(1) Unauflöslichkeit jeder Ehe gemäß c.1056 (2) Auflösbarkeit von nichtsakramentalen und geschlechtlich nichtvollzogenen Ehen gemäß c.1141 (3) Rechtsvollmacht der Kirche über die Sakramente gemäß c.841 Auswertung dieser kirchenrechtlichen htli h Daten: Vorschlag 3 Unauflöslichkeit jeder Ehe Rechtsvollmacht der Kirche Aufhebung der Rechtswirkungen der Ehe Beseitigung der Inkonsequenzen im geltenden Eherecht tragfähiger Lösungsweg für Scheidung und Wiederheirat

Ernstnehmen der Unauflöslichkeit der Ehe als Wesenseigenschaft (c.1056) Ehebund = Gemeinschaft des ganzen Lebens (c.1055) Ehewille = unwiderruflich sich gegenseitig schenken und annehmen Sexualität und Nachkommenschaft als Ausdruck der wechselseitigen Liebe Unauflöslichkeit der Ehe als Ausdruck und Folge der personalen Annahme des Partners

Ernstnehmen der Unauflöslichkeit der Ehe als Wesenseigenschaft (c.1056) Vollzug und Sakrament nicht als Ursache, sondern Folgewirkungen der Unauflöslichkeit der Ehe geschlechtlicher Vollzug erwächst aus der ehelichen Liebe Ehe wird durch den Geschlechtsakt zur Gemeinschaft des ganzen Lebens Sakrament, da die unauflösliche Ehe den unwiderruflichen Bund Christi mit der Kirche vergegenwärtigen g g kann Unauflöslichkeit als Voraussetzung der Sakramentalität, nicht umgkehrt

Ernstnehmen der Unauflöslichkeit der Ehe als Wesenseigenschaft (c.1056) Vollzug und Sakrament nicht als Ursache, sondern Folgewirkungen der Unauflöslichkeit der Ehe Nicht Auflösung der Ehe, sondern Aufhebung ihrer Rechtswirkungen durch Dispens Auflösung nichtsakramentaler und/oder nichtvollzogener Ehen = Zulassung zur zweiten Eheschließung Anwendung der Dispens auch auf sakramentale und vollzogene ogene Ehen

Unauflöslichkeit der Ehe Festlegung der Bedingungen einer gültigen Ehe Festlegung der Beendbarkeit der Rechtswirkungen Rechtsvollmacht der Kirche Aufhebung der rechtlichen Bindungen! Zur Klarstellung:! Befreiung von den rechtlichen Bindungen einer Ehe ist kein Recht der Ehepartner, sondern Ausnahmefall