VO Allgemeiner Teil und Verbraucherschutzrecht Handout 03 Univ.-Prof. Dr. Martin Schauer SoSe 2016
Inhaltsübersicht I. KSchG, FAGG und VKrG im Überblick II. Vorvertragliche Informationspflichten III. Beschränkungen der Privatautonomie IV. Rücktrittsrechte V. Kollektiver Schutz von Verbraucherinteressen VI. Kollisionsrechtlicher Schutz von Verbraucherinteressen 2
VKrG in Kraft seit 11.6.2010 dient der Umsetzung der RL über Verbraucherkreditverträge sechs Abschnitte 1. Abschnitt Regelungsgegenstand, Begriffsbestimmungen, zwingendes Recht Verbraucherkreditvertrag ist Kreditvertrag isd 988 ABGB, an dem Unternehmer als Kreditgeber und Verbraucher als Kreditnehmer beteiligt sind Kreditvermittler 3
VKrG 2. Abschnitt Verbraucherkreditverträge Anwendungsbereich Verbraucherkreditverträge mit Gesamtkreditbetrag von zumindest 200 Euro Ausnahmen Kreditverträge mit kurzer Laufzeit (Kreditrückzahlung innerhalb von drei Monaten und nur geringe Kosten) Kreditvertrag mit reiner Sachhaftung (Kreditvertrag, bei dem Kreditnehmer nur mit einer dem Kreditgeber haftet) Kredite des AG an AN mit geringerem als marktüblichen Zins Gerichtliche Vergleiche Wohnbauförderung 4
VKrG Vollständigkeitsgebot in der Werbung ( 5 VKrG) Werbung für Verbraucherkreditverträge mit Angaben zu Zinssätzen und Kosten müssen anhand eines repräsentativen Beispiels bestimmte Standardinformationen enthalten Vorvertragliche Information ( 6 VKrG) Prüfung der Kreditwürdigkeit des Verbrauchers ( 7 VKrG) Kreditgeber muss vor Vertragsabschluss die Kreditwürdigkeit des Verbrauchers prüfen erforderliche Informationen müssen gegebenenfalls beim Verbraucher oder aus einer zur Verfügung stehenden Datenbank eingeholt werden Kreditgeber muss Verbraucher gegebenenfalls auf Bedenken gegen dessen Kreditwürdigkeit hinweisen 5
VKrG trotz Prüfpflicht kein Abschlussverbot zivilrechtliche Sanktionen bei Verletzung der Prüfpflicht nicht ausdrücklich geregelt Irrtumsanfechtung durch Verbraucher ( 871 Abs 2 ABGB) Schadenersatz aus cic ausreichend effizient? Rücktrittsrecht ( 12 VKrG) Verbundene Kreditverträge ( 13 VKrG) dienen der Finanzierung bestimmter Waren oder Dienstleistungen sofern finanzierter Vertrag und Kreditvertrag eine wirtschaftliche Einheit bilden 6
VKrG wesentliches Schutzinstrument: Einwendungsdurchgriff (Einwendungen aus dem Rechtsverhältnis zum Lieferanten oder Dienstleistungserbringer können auch dem Kreditgeber entgegengehalten werden) Kündigungsrechte und Recht auf vorzeitige Rückzahlung 3. Abschnitt Überziehungsmöglichkeiten Überziehungsmöglichkeit: ausdrücklicher Kreditvertrag, mit dem sich der Kreditgeber verpflichtet, dem Verbraucher Beträge zur Verfügung zu stellen, die das aktuelle Guthaben auf dem laufenden Konto des Verbrauchers überschreiten Vorvertragliche Informationspflichten bei kurzfristigen Überziehungsmöglichkeiten 7
VKrG Verpflichtung zur Information mittels Kontoauszugs auf Papier oder anderem dauerhaften Datenträger 4. Abschnitt Überschreitungen Überschreitung ist stillschweigend akzeptierte Überziehung, bei der Kreditgeber dem Verbraucher entgeltlich Beträge zur Verfügung stellt, die das aktuelle Guthaben oder die vereinbarte Überziehungsmöglichkeit überschreiten ( 23 VKrG) Zwingende Angaben im Vertrag und Informationspflichten ( 24 VKrG) 5. Zahlungsaufschub und sonstige Finanzierungshilfen entgeltlicher Zahlungsaufschub unterliegt im Wesentlichen den Bestimmungen über Verbraucherkreditverträge 8
VKrG Verbraucherleasingverträge gelten als Finanzierungshilfe, wenn sie Ähnlichkeit zum Kaufvertrag aufweisen: Verbraucher ist zum Erwerb der Sache verpflichtet, Unternehmer kann vom Verbraucher den Erwerb der Sache verlangen Verbraucher muss für Restwert am Ende der Vertragslaufzeit einstehen 6. Abschnitt Ergänzende Bestimmungen Enthält (ua) Strafbestimmungen (Verwaltungsstrafen bis 10.000 Euro) für bestimmte Gesetzesverletzungen zb Unterlassung der Bonitätsprüfung 9
Vorvertragliche Information ist wesentlicher Teil des Verbraucherschutzes soll dem Verbraucher eine informierte (bedürfnisoptimale) Entscheidung ermöglichen vorvertragliche Informationspflichten ergeben sich auch aus dem allgemeinen Privatrecht im ABGB aber keine spezielle Regelung Anerkennung vorvertraglicher Informationspflichten kann lediglich aus bestimmten Tatbeständen über cic abgeleitet werden 10
ha nimmt vorvertragliche Informationspflichten an in Bezug auf Beschaffenheit des Leistungsgegenstands mögliche Hindernisse bei der Erfüllung gegebenenfalls auch persönliche Eigenschaften des Schuldner (soweit für Vertragserfüllung relevant) Konkretisierung situationsadäquat welche Information kann der Vertragspartner vernünftigerweise erwarten? welches Wissen kann beim Vertragspartner vernünftigerweise vorausgesetzt werden? 11
für wen ist die Beschaffung und Weitergabe von Information mit geringeren Kosten verbunden? Verpflichtung zur Weitergabe von Informationen auch über Tatsachen, die ein Vertragspartner nur mit erheblichen Kosten erlangen konnte? vgl den Fall Texas Oil Fields Konkretisierung der Pflicht zur vorvertraglichen Information im allgemeinen Privatrecht beruht auf einer einzelfallbezogenen Interessenabwägung 12
Gegenteilig im europäischen Verbraucherschutzrecht: Vorvertragliche Informationspflichten Inhaltlich konkret bestimmt Nach Maßgabe ihres Anwendungsbereichs in jedem Fall zu erteilen Einzelfallbezogene Interessenabwägung findet nicht statt Sanktionen für Pflichtverletzung im allgemeinen Privatrecht Irrtumsanfechtung Schadenersatz aus culpa in contrahendo 13
Im Europäischen Verbraucherschutzrecht Rücktrittsrecht des Verbrauchers gegebenenfalls zusätzliche Sanktionen nach dem allgemeinen Privatrecht Beispiele für vorvertragliche Informationspflichten Vgl 5a KSchG: Verbraucher muss vor Bindung an Vertrag bzwan seine Vertragserklärung Informationen erhalten über Wesentliche Eigenschaften der Ware oder Dienstleistung Identität des Unternehmers Preis der Ware oder Dienstleistung (einschließlich Steuern und Abgaben) etc 14
Ausnahmen für Geschäfte des täglichen Lebens, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses sofort erfült werden Geschäfte, die dem FAGG unterliegen Immobiliengeschäfte Finanzdienstleistungen Lieferung vnnlebensmitteln, Getränken und sonstigen Haushaltsgegenständen des täglichen Bedarfs, die vom Unternehmer im Rahmen häufiger und regelmäßiger Fahrten am Wohnsitz, Aufenthaltsort oder am Arbeitsplatz des Verbrauchers geliefert werden Personenbeförderungsverträge etc 15
Vgl 4 FAGG Wesentliche Eigenschaften der Ware oder Dienstleistung Identität des Unternehmers (mit Kontaktmöglichkeiten) Gesamtpreis der Ware oder Dienstleistung (einschließlich Steuern oder Abgaben) Zahlungs-, Liefer- und Leistungsbedingungen Rücktrittsrechte Laufzeit des Vertrags etc Informationen müssen klar und verständlich sein (Transparenzgebot!) erteilte Information wird Vertragsinhalt ( 4 Abs 4 FAGG) 16
Bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen Information auf Papier oder dauerhaftem Datenträger Vereinfachte Information bei Handwerkerverträgen Bei Verträgen über Reparatur- und Instandhaltungsarbeiten bei denen der Verbraucher das Kommen und die Dienste des Unternehmers ausdrücklich angefordert hat und bei denen das zu zahlende Entgelt 200 Euro nicht übersteigt und bei denen beide Vertragsteile ihre Verpflichtungen sofort erfüllen (Lit: ex-ante-beurteilung) Informationspflichten nur in Bezug auf Kontaktdaten, Höhe des Entgelts, Eigenschaften der Dienstleistung, Rücktrittsrecht 17
Information über Eigenschaften der Dienstleistung und Rücktrittsrecht kann auch mündlich mitgeteilt werden, wenn Verbraucher dem ausdrücklich zustimmt Informationserteilung bei Fernabsatzverträgen ( 7 FAGG) Informationen müssen klar und verständlich sein (Transparenzgebot) und in einer dem verwendeten Fernkommunikationsmittel angepassten Weise bereit gestellt werden Wenn das verwendete Fernkommunikationsmittel für die Darstellung der Information nur begrenzten Raum oder begrenzte Zeit ermöglicht (zbsms): Beschränkung der Informationen auf wesentliche Eigenschatten der Ware oder Dienstleistung, Identität des Unternehmers, Gesamtpreis, Rücktrittsrecht, Vertragslaufzeit, Kündigung bei unbefristetem Vertrag Vollständige Informationen müssen nach Vertragsschluss, spätestens bei Lieferung der Ware oder vor Erbringung der Dienstleistung, nachgereicht werden 18
Besondere Erfordernisse bei elektronisch geschlossenen Verträgen Vertragsschluss auf elektronischem Weg, aber nicht ausschließlich durch E-Mail oder vergleichbares individuelles elektronisches Kommunikationsmedium praktisch vor allem Bestellung auf der Website des Unternehmers ( Online-Shop ) Pflicht des Unternehmers, den Verbraucher auf bestimmte Informationen besonders hinzuweisen Ergänzt allgemeine Informationspflichten nach 4 FAGG Vertragsschluss verbunden mit Hinweis, dass Bestellvorgang für Verbraucher Zahlungspflicht auslöst ( zahlungspflichtig bestellen ): sogenannte Button-Lösung Andernfalls: Keine Bindung des Verbrauchers an den Vertrag 19
Besondere Erfordernisse bei telefonisch geschlossenen Verträgen ( 9 FAGG) Identifikationspflicht des Unternehmers sowie Offenlegung des geschäftlichen Zwecks bei Telefonaten mit Verbrauchern, die auf Abschluss eines Fernabsatzvertrags zielen Bei Fernabsatzvertrag über Dienstleistung, die während eines vom Unternehmer eingeleiteten Anrufs ausgehandelt wurden: Bindung des Verbrauchers erst, wenn Unternehmer dem Verbraucher eine Bestätigung des Vertragsanbot auf dauerhaftem Datenträger zur Verfügung stellt und Verbraucher schriftliche Erklärung über Annahme auf dauerhaftem Datenträger übermittelt (sogenannte Bestätigungslösung ) In bestimmten Fällen Ausschluss des Rücktrittsrechts bei vorzeitiger Vertragserfüllung durch Unternehmer 20
Vgl 6 VKrG: vorvertragliche Information über Umstände, die Verbraucher benötigt, um verschiedene Angebote vergleichen und eine fundierte Entscheidung über den Abschluss des Kreditvertrags zu treffen. Art des Kredits Identität des Unternehmers Gesamtkreditbetrag Laufzeit des Kreditvertrags bei verbundenen Kreditverträgen auch Ware oder Dienstleistung und Barzahlungspreis Sollzinssatz und effektiver Jahreszinssatz Betrag, Anzahlung und Fälligkeit der Zahlungen des Verbrauchers Rücktrittsrecht etc 21
Musterformular ( Europäische Standardinformationen für Kreditierungen nach dem Verbraucherkreditgesetz ) Eingeschränkte Informationspflichten bei Ferngesprächen Nachholen von Informationen, wenn Fernkommunikationsmittel verwendet wird, bei dem die Erteilung der vollständigen Informationen nicht möglich ist (insb bei Ferngesprächen) vgl auch zwingende Angaben in Kreditverträgen ( 9 VKrG) Vertrag grundsätzlich formfrei aber Kreditvertrag muss auf Papier oder dauerhaftem Datenträger erstellt und dem Verbraucher eine Ausfertigung zur Verfügung gestellt werden Mindestinhalt des Dokuments gemäß 9 Abs 2 VKrG 22
ähnlich wie vorvertragliche Information nach 4 VKrG Mindestinhalt der Vertragsurkunde dient ebenfalls der Vertragstransparenz Vglauch 10 VKrGTilgungsplan Bei Keditvertragmit fester Laufzeit muss der Unternehmer dem Verbraucher jederzeit einen Tilgungsplan zur Verfügung stellen 23
Beschränkungen der Privatautonomie Ausgangpunkt 6 KSchG 6 Abs1 KSchG gilt für alle Verbraucherverträge nicht beschränkt auf AGB Kann auf die Konkretierungder gröblichenbenachteilungin 879 Abs3 ABGB ausstrahlen Kann insoweit mittelbar auch B2B relevant sein Z 1: unangemessen lange Antragsbindungsfrist oder Bindung an den Vertrag Unangemessen lange Antragsbindungsfrist heute wegen zahlreicher Rücktrittsrechte praktisch weniger relevant 24
Beschränkungen der Privatautonomie Bei unangemessen langer Dauer der Vertragsbindung Berücksichtigung bestehender Kündigungsmöglichkeiten (vgl zb 15 KSchG) Z 2: Erklärungsfiktion Vertrag muss Hinweispflicht des Untenehmers vorsehen Verbraucher muss tatsächlich hingewiesen werden Unklar: Zeitpunkt des Hinweises auch mit Z 2 kompatible Vereinbarung einer Erkärungsfiktion kann wegen gröblicher Benachteiligung unwirksam sein Z 3: Zugangsfiktion zb Wirksamkeit von Erklärungen an Verbraucher durch Aushang im Geschäftslokal 25
Beschränkungen der Privatautonomie Z 4: Unwirksamkeit der Vereinbarung einer strengeren Form als der Schriftform oder besondere Zugangserfordernisse für Erklärungen des Verbrauchers zb eingeschriebener Brist Z 5: Entgeltanpassungklausel 26
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