Worüber keine Feministin heult: Kosten im Gesundheitssystem

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Transkript:

Worüber keine Feministin heult: Kosten im Gesundheitssystem Bei Recherchen zu diversen Themen, die wir Berliner Nicht-Feministen auf Dauer ansprechen wollen, sind mir so einige Zahlen begegnet, die mich erstaunt haben. Ich habe mir schon gedacht, dass Frauen höhere Kosten im Gesundheitssystem verursachen, dass es aber so eklatant ist, hätte ich nicht gedacht. (Die Zahlen sind etwas älter, es wird sich allerdings nichts Signifikantes an ihnen verändert haben.) Schnell fällt bei der Auseinandersetzung mit den Kosten im Gesundheitswesen eine Besonderheit auf: Während sich die Bevölkerung im Jahr 2006 aus rund 4% mehr Frauen als Männern zusammensetzte, überschritten die Krankheitskosten der Frauen die der Männer um 36%. Welche Erklärung gibt es für diese Geschlechterdifferenz? 36 % ist eine stattliche Hausnummer. Richtig: Wie kommen wir zu diesen Zahlen? Da es sich hier um eine klare Differenz zugunsten der Frau handelt, wird beim staatistischen Bundesamt bereinigt wie der Teufel. Was beim Gender Pay Gap nicht möglich ist, ist es hier aber auf jeden Fall: Kosten rund um Verhütung, Schwangerschaft und Geburt Die International Classification of Diseases (ICD) wurde von der Weltgesundheitsorganisation für die Gesundheitsstatistik entwickelt, um das Krankheitsgeschehen differenziert und erschöpfend im internationalen Vergleich erfassen zu können. Kosten rund um Verhütung, Schwangerschaft und Geburt sind ein Bestandteil davon und werden den Personen zugeordnet, die diese Leistungen in Anspruch nehmen. Inwiefern tragen die Kosten rund um die Reproduktion zu der beobachteten Geschlechterdifferenz bei? Im Jahr 2006 fielen bei Frauen 3,1 Milliarden Euro für die Inanspruchnahme des Gesundheitswesens durch Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett an. Hinzu kamen noch 1,5 Milliarden Euro bei Frauen und 0,2 Milliarden Euro bei Männern durch Probleme im Zusammenhang mit der Reproduktion. Bereinigt um diese reproduktionsbezogenen Kosten verringert sich die ursprüngliche Geschlechterdifferenz von 35,9 Milliarden Euro auf 31,5 Milliarden Euro. Mit anderen Worten: Ohne die Leistungen rund um Verhütung, Schwangerschaft und Geburt überschreiten die Krankheitskosten der Frauen die der Männer nicht mehr im ursprünglichen Umfang, aber nach wie vor markant und zwar um knapp 32% Irgendwie kommt es mir so vor, als sei die ICD nur ins Leben gerufen worden, um die Kosten bezüglich der Geschlechter zu bereinigen. Da die Kosten bezüglich der Verhütung, Schwangerschaft und Geburt herausgenommen werden, weil sie zunächst den Frauen zugeordnet werden, lässt es sich tatsächlich vermuten, dass es darum geht, die Kosten, die Seite 1 / 5

durch Frauen verursacht werden, so gut es geht zu drücken. In diesem Fall ist es ja auch in Ordnung, da zu diesem Thema beide Geschlechter gehören. Man könnte jetzt darüber diskutieren, wie mit den Folgekosten einer ungewollten Schwangerschaft umgegangen wird, wenn eine Frau diese verursacht hat. Das lassen wir einmal beiseite. Gut, jetzt sind schon einmal 4 % heruntergerechnet. Hohe Gesundheitskosten durch die höhere Lebenserwartung von Frauen? Die demografische Situation in Deutschland ist von einer Besonderheit gekennzeichnet, die in der Literatur auch als Feminisierung des Alters beschrieben wird. Gemeint ist der deutlich höhere Frauenanteil unter der älteren Bevölkerung. Laut Bevölkerungsstatistik waren im Jahresdurchschnitt 2006 ab dem 65. Lebensjahr 58% und ab dem 85. Lebensjahr 75% der Bevölkerung weiblich. Das ungleiche Geschlechterverhältnis ist vor allem eine Folge der beiden Weltkriege und der höheren Lebenserwartung der Frauen. Feminisierung des Alters! und das im Patriarchat! Hier zeigt das Patriarchat ganz deutlich die Privilegien des Mannes: Er darf im Krieg und auch im normalen Leben früher sterben. Stirbt er im Krieg durch Kampfeinsätze, stirbt er im geregelten Leben an Arbeitsunfällen, einer höheren Selbstmordrate, durch Krebs oder einfach weil er sich kaputt gearbeitet hat. Das sind so die Privilegien des Mannes. Es lässt sich also vermuten, dass er zu früh stirbt, um höhere Kosten wie die Frau zu verursachen. Ist er wahrscheinlich selbst schuld: Wir leben ja im Patriarchat. Oder vielleicht etwa nicht? Auch bei den Krankheitskosten verschiebt sich das Geschlechterverhältnis im Alter: Ab dem 65. Lebensjahr entstanden 62% und ab dem 85. Lebensjahr sogar 80% der Kosten bei Frauen. Der Schluss liegt nahe, die stärkere Inanspruchnahme des Gesundheitswesens der Frauen könne mit ihrem höheren Anteil an der älteren Bevölkerung zusammenhängen. Anders formuliert: Wie ausgeprägt wäre die Kostendifferenz, wenn es ebenso viele ältere Frauen wie ältere Männer gäbe? Nach diesem Absatz könnte man fast vermuten, man könne auf die Idee kommen, Ungerechtigkeiten in den Lebenswegen von Mann und Frau zu beseitigen, um die Kosten einander anzunähern. Man beginnt aber nun die Kosten der Frauen herunterzurechnen, wenn die Lebenserwartung gleich wäre. Es geht bei der Lebenserwartung hier nur um die Möglichkeit, die Differenz herunterzurechnen und nicht darum, Ungerechtigkeiten auszugleichen. Seite 2 / 5

Kosten in Pflegeeinrichtungen Verschiedene Studien weisen darauf hin, dass Frauen ihre (Ehe-)Partner im Alter häufiger pflegen, während sie selbst verstärkt auf außerfamiliale und daher oft kostenträchtigere Pflegeangebote angewiesen sind. Das wird vorrangig auf die im Durchschnitt höhere Lebenserwartung und das niedrigere Heiratsalter der Frauen zurückgeführt. Dieser Zusammenhang könnte die geschlechtsspezifische Verteilung der Krankheitskosten in Pflegeeinrichtungen erklären: Im Jahr 2006 fiel mit 26,2 Milliarden Euro gut ein Zehntel der gesamten Krankheitskosten in ambulanten oder (teil-)stationären Pflegeeinrichtungen an. Dabei war der Frauenanteil generell, besonders aber im Alter erhöht: Ab dem 65. Lebensjahr lag er bei 76% und ab dem 85. Lebensjahr sogar bei 85%. Die Zahlen deuten daraufhin, dass viele Männer das Alter gar nicht erreichen, in dem sie gepflegt werden müssten. Wenn der Frauenanteil ab dem 65. Lebensjahr bei 76 % liegt, müssten sich bei einem Pflegebedürfnis von 100 % der Männer 76 % der Bevölkerung in diesem Alter um 24 % Prozent der Restbevölkerung (hier: Männer) kümmern. Da es aber durchaus auch Männer geben soll, die eben nicht lange pflegebedürftig sind und sogar ihre Frauen quälen, dürften die Zahlen viel geringer sein. Ich bezweifle dieses Argument als Grund. Einen Effekt hat das Argument aber: Die Frau als kümmerndes Wesen. Die Frage ist nun, ob das statistische Bundesamt mit den schöngerechneten, hypothetischen Lebenserwartungen des Mannes gerechnet hat oder einfach annimmt, es läge an diesen Kosten. Es wird nicht deutlich, mit welchen mathematischen Tricks, hier nun die Kosten weiter bereinigt werden. Die Mühen, die Kosten zu bereinigen, sind ebenso hoch, wie die Mühen, das Gender Pay Gap eben nicht zu bereinigen. So ganz gelingt es allerdings nicht, die Kosten durch die Frau den Kosten der Männern irgendwie anzugleichen. Bei allen Kostenvergleichen dem tatsächlichen und den bereinigten Kostenvergleichen liegen die Frauen höher. Seite 3 / 5

Was mir nun jetzt auffällt: Wir leben nach feministischer Sichtweise in einem Patriarchat. Demnch hat das Patriarchat aber einige Mängel: Es kümmert sich im Gesundheitswesen besser um die Frau als den Mann, der Mann hat eine geringere Lebenserwartung und eine schlechtere Grundversorgung im Gesundheitswesen (Krebsvorsorge und -behandlung, schlechtere Versorgung bei psychologischen Problemen usw.) Das Patriarchat wurde von einem Idioten entwickelt. Zumindest muss er stark männerfeindlich gewesen sein. Seite 4 / 5

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