Problemstellung/ Zielsetzung: Shortcut Simulation Die Shortcut Simulation grenzt den optimalen Betriebsbereich einer Rektifikationskolonne für sich annähernd ideal verhaltende Gemische ein. Die Ergebnisse sind nur als Orientierungswerte anzusehen. Eine detaillierte Kolonnensimulation und die Simulation nicht idealer Gemische werden mit einer rigorosen Kolonnensimulation, z.b. SCDS, durchgeführt. Der Vorteil der Shortcut Kolonne sind die Eingrenzung des Bereichs des Rücklaufverhältnisses und die direkte Berechnung des Einlaufbodens. Es bietet einen schnellen Überblick der Gesamtlösung. In diesem Tutorial wird ein einfaches Zweistoffgemisch aus Benzol und o-xylol betrachtet. Dieses Gemisch soll mittels Rektifikation aufgetrennt und dabei eine minimale Benzolreinheit von 99% am Kopf erzielt werden. Am Sumpf soll eine Benzolkonzentration von 1% nicht überschritten werden. Die Simulation erfolgt über die Shortcut Kolonne, um das optimale Rücklaufverhältnis und den Einlaufboden zu bestimmen. Abbildung 1: Flowsheet Shortcut Kolonne Umsetzung der Shortcut Simulation in CHEMCAD: Die Simulation wird mit CHEMCAD Steady State durchgeführt. Vor der Simulation müssen die Komponenten und die thermodynamischen Modelle eingestellt werden. Unter Select Components werden die Komponenten Benzol (CAS-Nr.: 71-43-2) und o-xylol (CAS-Nr.: 95-47-6) ausgewählt. Der sich anschließend öffnende Thermodynamics Wizard schlägt ein geeignetes Modell nach der Spezifikation des Drucks und der Temperatur vor. CHEMCAD schlägt für das gegebene Beispiel das k-wert Modell (k-value Model) UNIFAC vor. Als Enthalpie Modell (Enthaply Model) wird LATE (Latent Heat) vorgeschlagen. Seite 1 von 11
Diese Auswahl ist eine Vorentscheidung des Programms und sollte stets durch den Nutzer überprüft oder mit einem Entscheidungsbaum ([3], Figure 8/9] abgestimmt werden. Zunächst wird unter [Plot] [TPXY] das T-x- Diagramm und das Gleichgewichtsdiagramm erstellt, um das Verhalten des Gemisches zu untersuchen. In dem T-x Diagramm ist die Siedelinse dargestellt aus dem der Leicht- und Schwersieder sofort ablesbar ist. In dem Gleichgewichtsdiagramm ist erkennbar, dass das Gemisch Benzol/ o-xylol kein Azeotrop bildet und ein annähernd ideales Verhalten aufweist. Die Shortcut Simulation ist für das Gemisch anwendbar. Abbildung 2: T-x- Diagramm und Gleichgewichtsdiagramm In dem Flowsheet wird die UnitOp (Unit Operation) für die Shortcut Kolonne eingefügt und mit einem Feedstrom und zwei Produktströmen versehen. Der Feedstrom wird mit denen in Tabelle 1 angegebenen Daten eingestellt, siehe Abbildung 3. Tabelle 1: relevante Daten für die Beispielsimulation Einheiten Komponenten Thermodynamik Feedströme Unit Operations SI Benzol (feed) o- Xylol (feed) K: UNIFAC, H: LATE Benzol : 50 kg/h o-xylol : 50 kg/h T = 20 C p = 1,013 bar 1Shortcut Kolonne 1 Feed 2 Produkte Seite 2 von 11
Im nächsten Schritt wird die Shortcut Kolonne initialisiert. Im Einstellungsfenster (Abbildung 3) können unter Select Mode drei verschiedene Auslegungsoptionen ausgewählt werden. Abbildung 3: Einstellungsfenster der Shortcut Kolonne Die erste Auswahlmöglichkeit Rating: Fenske- Underwood- Gilliland kann nicht für die Auslegung verwendet werden. Es wird verwendet, wenn die Kolonnendaten bereits vorhanden sind und das Trennverhalten schnell überschaut werden soll. Die anderen beiden Auswahlmöglichkeiten 2 Design; FUG with Fenske feed tray location und 3 Design; FUG with Kirkbride feed tray location werden für die Auslegung der Shortcut Kolonne benötigt. Der Unterschied dieser Methoden ist in Tabelle 2 zusammengefasst. Tabelle 2: Vergleich der Auslegungsoptionen in der Shortcut Kolonne 2 Design; FUG with Fenske feed tray location Berechnungsgrundlage für -minimale Stufenzahl -minimales Rücklaufverhältnis -theoretische Stufenzahl Berechnungsgrundlage für -theoretischen Zulaufboden Unterschied nach Fenske- Underwood- Gilliland nach Fenske Berechnung des theoretischen Zulaufbodens über minimale und theoretische Stufenzahl 3 Design; FUG with Kirkbride feed tray location nach Fenske- Underwood- Gilliland nach Kirkbride Berechnung des theoretischen Zulaufbodens über das Verhältnisses der Stufen im Verstärkungs- und Abtriebsteil Seite 3 von 11
Für dieses Tutorial wird der Designfall 2 FUG with Fenske feed tray location ausgewählt. Es werden drei Angaben für die Initialisierung der Shortcut Kolonne benötigt: Light Keysplit, Heavy Keysplit und das Verhältnis. Die Keysplits geben das Verhältnis zwischen den abgehenden Leicht- bzw. Schwersieder im Kopf zu dem im Feed zugeführten an. Dies ist nicht gleichbedeutend mit der gewünschten Reinheit am Kopf. Die Vereinfachung der Shortcut Methode besteht darin, dass das zu betrachtende Gemisch auf ein binäres System reduziert wird. Die zwei zu trennenden Komponenten werden als Light- und Heavykey bezeichnet. Über eine Bilanz können die Massenströme am Kopf ( ) und Sumpf ( ) für die gewünschte Reinheit ( bestimmt werden. w entspricht dem Massenanteil. w D m D w F m F w B m B Anschließend können somit der Light und Heavy Keysplit berechnet werden. Abbildung 4: Kolonnenskizze Laut Aufgabenstellung ist eine minimale Benzolkonzentration von 99% am Kopf gefordert (. o-xylol soll eine maximale Konzentration von 1% am Kopf nicht überschreiten (. Somit ergeben sich für die gegebenen Daten aus Tabelle 1 ein Light Keysplit von LKS = 0,99 und ein Heavy Keysplit von HKS =0,01. Die letzte Eingabe, die für die Berechnung der Shortcut Kolonne in CHEMCAD notwendig ist, ist die Angabe des Verhältnisses des theoretischen zum minimalen Rücklaufverhältnis. Ziel der Simulation ist die Ermittlung des optimalen Rücklaufverhältnisses. Zunächst wird dementsprechend nur ein Startwert vorgebeben und dieser anschließend durch eine Sensitivity Study optimiert. Als Faustregel 1 wird in der Regel ein Verhältnis zwischen (1 3) angegeben. Wenn das Verhältnis 1 ist, dann entspricht das Rücklaufverhältnis dem minimalen Rücklaufverhältnis, was eine unendliche Stufenzahl ergeben würde. Aus diesem Grund wird als Startwert 1,1 angenommen. 1 Löwe, Eberhard : Destillation Rektifikation, TFH Berlin, 1989 Seite 4 von 11
Sämtliche Einstellungen sind abgeschlossen und die Simulation kann nun gestartet werden. Es ist zu erwarten, dass die Kolonne zur Konvergenz kommt. Über eine Sensitivity Study [6] wird im nächsten Schritt die Apparate- Energiekurve (Abbildung 5) erstellt. Hierfür wird das Verhältnis von 1,01 bis 3 variiert wird und die dazu berechnete theoretische Stufenzahl aufgetragen. Abbildung 5: Apparate- Energiekurve Aus dem Apparate- Energiekurve ist zu erkennen, dass die Stufenzahl bei größer werdendem Verhältnis sinkt. Jedoch muss bei der Wahl des optimalen Verhältnisses beachtet werden, dass bei steigendem Verhältnis auch die Verdampferleistung steigt und somit die Betriebskosten. Als optimales Verhältnis wird angesetzt und die Simulation erneut gestartet. Seite 5 von 11
Bewertung der Simulationsergebnisse Die berechneten Kolonneneigenschaften sind in dem Einstellungsfenster der Shortcut Kolonne dargestellt, siehe Abbildung 6. Mit den eingestellten Daten wurde eine theoretische Stufenzahl von 13 errechnet. Der Zulaufboden befindet sich auf der 7. Stufe. Ebenfalls können den Ergebnissen das Rücklaufverhältnis, minimale Stufenzahl, Verdampfer-und Kondensatorleistung entnommen werden. Abbildung 6: Ergebnisse der Shortcut Simulation Eine Darstellung der Eigenschaften der Prozessströme (siehe Abbildung 8) erfolgt unter [Format] [Add Stream Box]. Abbildung 7: Eigenschaften der Ströme Seite 6 von 11
Aus der Stream Box können die Molanteile der Komponenten am Kopf, Sumpf und im Feed abgelesen werden. Es ist zu erkennen, dass die gestellten Anforderungen aus der Aufgabenstellung erreicht worden sind. Benzol wurde in nahezu reiner Form gewonnen. o-xylol wird nur in sehr geringer Konzentration am Kopf ausgetragen. Die Simulationsergebnisse sind Orientierungswerte, die nicht für eine reale Kolonnenauslegung geeignet sind. Eine detaillierte Simulation ist mit einer rigorosen Kolonne auszuführen. Jedoch grenzen die berechneten Kolonneneigenschaften den Betriebsbereich ein, sodass bei der Simulation der rigorosen Kolonne Arbeit und Zeit eingespart werden kann. Verfahrensgrundlagen Im Folgenden wird das theoretische Basiswissen, welches sich hinter der Shortcut Funktion befindet, vertieft und dazu detailliertere Informationen vermittelt. Mit der Shortcut Methode ist eine einfache und schnelle Abschätzung der Kolonneneigenschaften für die Auftrennung idealer Gemische möglich, da das betrachtete System stark vereinfacht wird. Die Vereinfachung der Shortcut Methode besteht darin, dass das zu betrachtende Gemisch auf ein binäres System reduziert wird. Die zwei zu trennenden Komponenten werden als Light- und Heavykey bezeichnet, welche in der idealisierten Berechnung betrachtet werden. Weitere Komponenten beeinflussen die relative Flüchtigkeit, werden für die Berechnung jedoch nicht weiter berücksichtigt. Eine weitere Vereinfachung ist, dass die relative Flüchtigkeit bzw. die Trennfaktoren innerhalb des betrachteten Temperaturbereichs als konstant angesehen werden. Die relative Flüchtigkeit ist definiert als: Setzt man hier für die Dampfphasenanteile das Dalton sche Gesetz ein mit dem Partialdruck p i und für die Flüssigphasenanteile das Raoult sche Gesetz (1) (2) mit dem Aktivitätskoeffizient und dem Dampfdruck kommt man auf (3) CHEMCAD benötigt für die Berechnung der relativen Flüchtigkeiten lediglich die Aktivitätskoeffizienten und die Dampfdrücke des Leichtsieders und des Schwersieders. Die Berechnung, die im Shortcut Modell hinterlegt ist, erfolgt nach den Berechnungsmethoden von Fenske Underwood und Gilliland, die im Folgenden erläutert werden. (4) Seite 7 von 11
Mit der Fenske Gleichung (5) wird die minimale Bodenzahl bei totalem Rückfluss bei bekanntem Stoff-/ Massenanteil im Destillat und Sumpf berechnet. Die relative Flüchtigkeit wird dabei als konstant angenommen. Da die relative Flüchtigkeit jedoch sowohl von der Gemischzusammensetzung als auch von Druck und Temperatur abhängig ist, wird mit einer mittleren relativen Flüchtigkeit gerechnet. mit der mittleren relativen Flüchtigkeit ( ) (6) ist der Molanteil des Leichtsieders im Kopf und der Molanteil des Schwersieders im Sumpf. Mit der Underwood Gleichung (7) wird im nächsten Schritt das minimale Rücklaufverhältnis bei unendlicher Bodenzahl berechnet. Es ist eine Näherungsberechnung, die vom Phasengleichgewicht und von den Eigenschaften des Feeds abhängig ist. (5) [ ] (7) ist der Molanteil des Leichtsieders im Feed. Als Faustregel wird in der Regel das minimale Rücklaufverhältnis mit einem Aufschlag multipliziert. (8) Die Gilliland Gleichung ist ein empirischer Ansatz um die theoretische Bodenzahl zu bestimmen. Dieser empirische Ansatz ist in einem Diagramm dargestellt und kann durch die Molokanov Gleichung beschrieben werden. Dieses Diagramm kann der Literatur entnommen werden ([5], S.199). Der Zulaufboden kann über zwei Wege bestimmt werden. Die erste Möglichkeit ist nach Fenske. Zunächst wird die Bodenzahl bei maximalem Rückfluss über Fenske (9) bestimmt. Diese Bodenzahl entspricht der Bodenzahl, die benötigt wird, um die gewünschten Kopfkonzentrationen des Light- und Heavykeys, bezogen auf die Feedkonzentration, zu erreichen. ( ) Mit der minimalen Bodenzahl und der Bodenzahl nach Fenske kann nun der theoretische Zulaufboden berechnet werden. (9) (10) Seite 8 von 11
Alternativ kann der Zulaufboden über die Gleichung nach Kirkbride bestimmt werden. Diese basiert auf empirischen Daten. Es wird ein Verhältnis aus theoretischer Anzahl der Böden im Verstärkungsteil zu theoretischer Anzahl der Böden im Abtriebsteil bestimmt. Daraus wird anschließend der Zulaufboden berechnet. [( ) ( ) ] (11) mit (12) In Tabelle 3 ist ein Überblick der Fenske- Underwood- Gilliand Methode dargestellt und die wichtigsten Berechnungsparameter zusammengefasst. Tabelle 3: Überblick der zuvor verwendeten Gleichung Fenske Underwood Gilliland Kirkbride Vorgegebene Werte - Kopf- und Sumpfkonzentationen - relative Flüchtigkeiten - Feed- und Kopfkonzentrationen - relative Flüchtigkeiten - minimale Bodenzahl - minimales Rückflussverhältnis -Molenstrom vom Kopf und Sumpf - Feed-, Kopf- und Sumpfkonzentration Zu ermittelnde Werte - minimale Bodenzahl - Zulaufboden bei maximalen Rückfluss - minimales Rücklaufverhältnis bei unendlicher Stufenzahl -tatsächliches Rücklaufverhältnis - theoretische Bodenzahl bei berechneten Rückflussverhältnis - theoretischer Zulaufboden - theoretischer Zulaufboden Die vorliegende Simulation wurde in CHEMCAD 6.4.0 erstellt. Seite 9 von 11
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Formelverzeichnis Formel Bedeutung Massenstrom Molanteil in der Dampfphase Massenanteil Rücklaufverhältnis relative Flüchtigkeit k-faktor Molanteil in der Flüssigphase Druck Sättigungsdruck Stufenzahl Molenstrom Indizes- Verzeichnis Indizes Bedeutung F Feed D Destillat (Distillate) B Sumpf (Bottom) L Leichtsieder (Light component) H Schwersieder (Heavy component) min minimal 1,2 Komponente 1 & 2 i i-te Komponente Seite 11 von 11