Fallstricke bei Diagnose und Therapie

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Transkript:

Foto: mauritius images LYME-BORRELIOSE Fallstricke bei Diagnose und Therapie Die Durchführung mikrobiologischer oder serologischer Tests ohne klare klinische Fragestellung beziehungsweise bei unspezifischen Symptomen ist sinnlos und nicht indiziert. Die Lyme-Borreliose gilt als effizient zu behandelnde Erkrankung mit guter Prognose. Die etwa zwischen dem 40 und 60 nördlicher Breite beheimatete endemische Multisystemerkrankung Lyme-Borreliose verursacht Erkrankungen vor allem an Haut, Nervensystem und Gelenken und kann durch wenigstens fünf verschiedene Genospezies aus dem Komplex B. burgdorferi sensu lato (Kasten) verursacht werden. Diese Erkrankung wird in weiten Kreisen der Bevölkerung und auch bei vielen praktizierenden Kollegen als schwer zu diagnostizierende und kaum zu therapierende Erkrankung wahrgenommen. Dagegen ist hervorzuheben, dass unter Beachtung der Leitlinien und der Empfehlungen wissenschaftlich medizinischer Fachgesellschaften die ganz überwiegende Mehrheit der Fälle gut zu erkennen und erfolgreich zu behandeln ist (1 5). Diagnostik Auf dem Weg zur Diagnosefindung sind zunächst klinische Kriterien entscheidend: Sind Anamnese, Symptomatik und Untersuchungsbefund überhaupt hinweisend auf eine Lyme-Borreliose? Nur dann sind weiterführende mikrobiologische und labormedizinische Untersuchungen zur Substantiierung eines klinischen Verdachts angezeigt. Die Durchführung mikrobiologischer oder serologischer Teste ohne klare klinische Fragestellung bei fehlenden Lyme-Borreliose-typischen Beschwerden beziehungsweise bei unspezifischen Symptomen ist sinnlos und nicht indiziert. Lediglich das typische Erythema migrans wird als Blickdiagnose ohne weitere Bestätigung therapiert, für atypische Erytheme ist jedoch eine weitere Diagnostik erforderlich. Für die mikrobiologische Diagnostik stehen primär Serologie und als Zusatzdiagnostik der direkte Erregernachweis mittels Anzucht und PCR zur Verfügung. Der im Vordergrund stehende Antikörpernachweis soll als Stufendiagnostik durchgeführt werden: Zunächst wird ein hochsensitiver, IgG/IgM-differen- Perspektiven der Infektiologie 2015 Deutsches Ärzteblatt 15

DEFINITION zierender Suchtest (vor allem ELISA, CLIA) eingesetzt, der nur bei reaktivem Ausfall durch einen spezifischen Immunoblot bestätigt wird. Letzterer erlaubt anhand des erkannten Bandenmusters auch Aussagen hinsichtlich des Erkrankungsstadiums: Bei frühen Manifestationen sind als immundominante Antigene im IgM-Immunoblot das OspC, p41i und VlsE zu erwarten, bei Verdacht auf späte beziehungsweise chronische Formen ist nur borrelienspezifisches IgG mit mehreren erkannten Banden (unter anderem p83/100, p58, p39, VlsE, DbpA) relevant (6 8). Wichtige Eckpunkte: Die Antikörperprävalenz in der Normalbevölkerung ist etwa ein Prozent bei Kleinkindern und steigt auf bis über 25 Prozent bei Personen über 60 Jahren (9, 10). Der positiv bestätigte Antikörpernachweis ist somit nicht gleichzusetzen mit einer akuten Infektion, sondern stellt im Rahmen der anamnestischen und klinischen Befundinterpretation einen wichtigen Baustein bei der Diagnosesicherung dar. Bei fehlender oder unspezifischer Symptomatik ist der positive Vorhersagewert (positive predictive value) eines positiven Antikörpernachweises sehr gering, das heißt, es liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Durchseuchungstiter ohne klinische Aussagekraft vor. Die Nachweisrate borrelienspezifischer Antikörper ist abhängig von der Manifestation und Dauer der Erkrankung: Bei Erythema migrans gibt es in den ersten Wochen noch eine serodiagnostische Lücke. Antikörper vor allem IgM lassen sich im Verlauf bei circa 60 Prozent nachweisen, bei früh disseminierten (vor allem Neuroborreliose, Lymphozytom, multiple Erythemata migrantia) in 70 Prozent bis > 90 Prozent und bei späten Formen (Lyme Arthritis, Als Komplex Borrelia burgdorferi sensu lato wird eine Reihe nah verwandter Borrelien bezeichnet, die vor allen in Zecken, Vögeln und in Säugetieren leben. 2011 umfasste die Gruppe neben einigen noch unbenannten Borrelien die Arten B. afzelii, B. americana, B. andersonii, B. bavariensis, B. bissettii, Borrelia burgdorferi s. s., B. californiensis, B. carolinensis, B. garinii, B. japonica, B. kurtenbachii, B. lusitaniae, B. sinica, B. spielmanii, B. tanukii, B. turdi, B. valaisiana und B. yangtze. Mindestens fünf der Arten führen beim Menschen zur Lyme-Borreliose: Borrelia garinii, B. afzelii, B. bavariensis, B. spielmanii und B. burgdorferi sensu stricto. Die Arten rufen leicht unterschiedliche Immunreaktionen und Krankheitsbilder hervor, allerdings ohne klare Abgrenzung. So geht eine Infektion mit B. burgdorferi s. s. häufig mit Arthritis einher, während bei B. garnii neurologische Symptome und bei B. afzelii Hautveränderungen typisch sind. Da der Bakterienstamm B31 der Art B. burgdorferi s. s. als erster sequenziert wurde, gilt er als Referenz (1). Nicht zum Komplex Borrelia burgdorferi sensu lato zählen Rückfallfieber Borrelien wie B. recurrentis, die das Rückfallfieber verursachen können. Acrodermatitis chronica atrophicans (ACA), späte Neuroborreliose) in 100 Prozent (nur IgG relevant). Ein positiver Immunoblot beweist nicht die Diagnose Lyme-Borreliose! IgM-Nachweis ist wichtig bei frühen Erkrankungsformen. Isoliert-positives IgM bei Verdacht auf späte Formen spricht gegen die Verdachtsdiagnose! Serologische Verlaufskontrollen sind nicht als Therapiekontrolle geeignet. Antikörper sind kein zuverlässiger Schutz vor Reinfektion. Bei Verdacht auf Neuroborreliose ist eine Liquoruntersuchung unerlässlich und sehr zuverlässig (serologische Untersuchung von am selben Tag gewonnenem Serum und Liquor zur Berechnung des borrelienspezifischen Liquor-Serum-Antikörper-Index). Die Direktnachweise des Erregers mittels PCR sowie der sehr komplexen und langwierigen Anzucht haben entscheidend zur Entdeckung der verschiedenen Manifestationen der Lyme-Borreliose beigetragen, sind aber für die Routinediagnostik von untergeordneter Bedeutung. Gezielte Indikationsstellung vorausgesetzt, sind sie hilfreiche Zusatzverfahren bei diagnostisch schwierigen Fällen, zum Beispiel zur Klärung atypischer Hauterytheme. Als Suchtest sind diese Methoden dagegen nicht sinnvoll. Geeignete Untersuchungsmaterialien sind Hautbiopsien, Liquor und Gelenkpunktate (letztere nur PCR). Auch aus anderen Biopsien, zum Beispiel aus Auge oder Herz, kann bei entsprechender Symptomatik ein direkter Erregernachweis gelingen. Die Sensitivität beider Methoden liegt für Hautbiopsien bei etwa 50 70 Prozent, für Liquor (nur frühe Neuroborreliose) bei zehn bis 30 Prozent und für Gelenkpunktat mittels PCR bei 50 70 Prozent. Die wichtigste Indikation für die PCR ist mittlerweile der Nachweis von Borrelien-DNA aus Gelenkpunktat bei Verdacht auf Lyme Arthritis und aus Haut bei Verdacht auf atypische Manifestationen oder Reinfektionen. (1, 2, 11 17). Wichtige Eckpunkte: Direktnachweis von Borrelien mittels PCR oder Kultur sind hilfreiche Zusatzverfahren bei diagnostisch schwierigen Fällen, dagegen nicht als Primärdiagnostik geeignet. Die Untersuchung von vom Menschen entfernten Zecken, um daraus eine Therapieindikation abzuleiten, kann bei unklarer diagnostischer Sensitivität und Spezifität der Testverfahren nicht empfohlen werden. Weitere diagnostische Methoden Bei Hautmanifestationen kann die Histologie wertvolle Informationen liefern: Das Borrelienlymphozytom ist durch gemischt B- und T-lymphozytäre oder auch reine B-Zell-Infiltrate charakterisiert, während sich bei der ACA ein ausgeprägtes perivaskuläres, 16 Perspektiven der Infektiologie 2015 Deutsches Ärzteblatt

plasmazellreiches Entzündungsinfiltrat in allen Hautschichten nachweisen lässt. Beim Erythema migrans findet sich dagegen kein charakteristisches Bild (4, 16, 18). Bei der durch massive Schwellung eines Gelenks oder weniger großer Gelenke gekennzeichneten Lyme-Arthritis findet sich im Punktat eine granulozytäre Pleozytose (5 000 50 000 Zellen/μl) und in bis zu 70 Prozent der Fälle Borrelien-DNA mittels PCR. Der Antikörpernachweis aus Gelenkpunktat kann dagegen nicht empfohlen werden (2, 11, 19). Bei der frühen und späten Neuroborreliose finden sich regelhaft typische Liquorveränderungen: lymphozytäre Pleozytose mit Plasmazellen und aktivierten Lymphozyten, Schrankenstörung und intrathekale Immunglobulinproduktion. Der Nachweis einer borrelienspezifischen intrathekalen Antikörpersynthese ist, abhängig von der Erkrankungsdauer, in 70 Prozent bis nahe 100 Prozent der Fälle nachweisbar und sichert die Diagnose. Bei der frühen Neuroborreliose kann nach aktueller Studienlage der Nachweis des B-Zellen anziehenden Chemokins CXCL13 sowohl für die Diagnose wie auch Therapiekontrolle herangezogen werden (3, 5, 20 22). Derzeit wegen fehlender oder nicht ausreichender Validierung nicht empfohlene diagnostische Methoden: Lymphozytenaktivierungs- oder -transformationsteste (LTT, MELISA, ELISPOT) Direktnachweis von Borrelien aus Patientenmaterial mittels lichtmikroskopischer Techniken (Dunkelfeld aus Blut, focus floating microscopy) PCR oder Antigennachweis aus Urin oder Blut Antikörpernachweis aus Immunkomplexen Visual Contrast Sensitivity Test (VCS) Nachweis einer erniedrigten CD57-positiven Lymphozytensubpopulation HLA-Typisierung Therapie Die Lyme-Borreliose gilt als effizient zu therapierende Erkrankung mit guter Prognose. Selbst ohne antibiotische Therapie mündet die Lyme-Borreliose nicht schicksalhaft in eine späte Manifestation, sondern heilt häufig aus (23 26). Ziel der antibiotischen Therapie ist es, den klinischen Verlauf zu verkürzen, sowie Komplikationen, Defektheilungen und die Entwicklung späterer Erkrankungsformen zu verhindern. Empfohlenes Antibiotikum, Applikationsart und -dauer sind abhängig von der klinischen Manifestation, der Schwere der Erkrankung und dem Alter des Patienten. Ein Therapieerfolg ist insbesondere bei schon länger dauernden Erkrankungen erst Wochen bis Monate nach der Therapie endgültig zu beurteilen. Bei frühen Manifestationen (ohne Neuroborreliose) kann mit Doxycyclin, Amoxicillin oder Cefuroximaxetil therapiert werden, bei Unverträglichkeit der vorgenannten Substanzen auch mit Azithromycin. Foto: Dr. med. Volker Fingerle Die frühe Neuroborrreliose wird i.v. mit Ceftriaxon, Cefotaxim oder Penicillin G, oral mit Doxycyclin behandelt. Bei späten Erkrankungsformen der Haut (zum Beispiel ACA) kann oral mit Doxycyclin oder Amoxicillin therapiert werden, besteht gleichzeitig eine periphere Neuropathie kann i.v. mit Ceftriaxon, Cefotaxim oder Penicillin G behandelt werden. Die späte Neuroborreliose wird primär i.v. behandelt, da gut konzipierte Studien zur Wirksamkeit des Doxycyclins bislang nicht vorliegen (1 5, 12, 27, 28). Nicht empfohlene therapeutische Interventionen (Auswahl): Antibiotische Langzeit-, Hochdosis-, Watschn-, gepulste- und Kombinationstherapien Hydroxychloroquin, Fluconazol, Metronidazol, Trimethoprim-Sulfamethoxazol, Vancomycin, Gyrase-Hemmer, Cholestyramin Stammzelltransplantation Bismut i.v. oder H 2 O 2 i.v. Photonentherapie, Elektrotherapie (Zappen) DOI: 10.3238/PersInfek.2015.06.05.03 Dr. med. Volker Fingerle Prof. Dr. med. Dr. phil. Andreas Sing Nationales Referenzzentrum für Borrelien, Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL), Dienststelle Oberschleißheim Prof. Dr. med. Heidelore Hofmann Klinik für Dermatologie und Allergologie am Biederstein, TU München Interessenkonflikt: Volker Fingerle hat Honorare für eine Autoren- bzw. Coautorenschaft im Rahmen einer Publikation für das Hebammen-Forum und den Thieme-Verlag erhalten. @ Literatur im Internet: www.aerzteblatt.de/lit2315 Borrelien- Lymphozytom mit präaurikulärem Erythem und Lymphknotenschwellung Perspektiven der Infektiologie 2015 Deutsches Ärzteblatt 17

LYME-BORRELIOSE Fallstricke bei Diagnose und Therapie Die Durchführung mikrobiologischer oder serologischer Tests ohne klare klinische Fragestellung beziehungsweise bei unspezifischen Symptomen ist sinnlos und nicht indiziert. Die Lyme-Borreliose gilt als effizient zu behandelnde Erkrankung mit guter Prognose. LITERATUR 1. Huppertz H-I, Christen H-J, Fingerle V, Heininger U: Lyme-Borreliose. In: Handbuch Infektionen bei Kindern und Jugendlichen. Edited by (eds.) DGfPIeVD, vol. Kapitel 54: Thieme Verlag; 2013: accepted. 2. Stanek G, Fingerle V, Hunfeld KP, Jaulhac B, Kaiser R, Krause A, Kristoferitsch W, O Connell S, Ornstein K, Strle F, et al.: Lyme borreliosis: clinical case definitions for diagnosis and management in Europe. Clinical microbiology and infection: the official publication of the European Society of Clinical Microbiology and Infectious Diseases 2011; 17: 69 79. 3. 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