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der Anlass meines Schreibens ist die Mitgliederbefragung vom 11.April 2013 wegen Fernbleibens der Gottesdienste.

Transkript:

URL: http://www.fr-aktuell.de/uebersicht/alle_dossiers/regional/koerperwelten/?cnt=372477 "Ich schätze das Leben mehr" Gunther von Hagens: Gratwanderung zwischen Wissenschaftler und Geschäftsmann Seit gestern ist die umstrittene "Körperwelten"-Ausstellung von Gunther von Hagens in der Naxos-Halle in Fechenheim zu sehen. Bis zum 18. April rechnet der Ausstellungsmacher mit 400 000 Besuchern. Im FR-Interview äußert sich von Hagens zu dem Ausstellungskonzept, den Vorwürfen der Kirche und zu Zukunftsplänen. Mit dem Anatom sprachen die FR- Redakteure Karl-Heinz Karisch und Corinna Willführ. Frankfurter Rundschau: Herr Professor von Hagens, würden Sie sich selbst und Ihre Familie plastinieren lassen? Professor Gunther von Hagens: Selbstverständlich. Alle meine Familienmitglieder haben sich zur Plastination entschlossen. Meine vier Geschwister, meine drei Kinder, meine Ehefrau, mein Vater. Alle. Ich natürlich auch. Haben Sie sich schon eine Inszenierung für die Familie überlegt? Gunther von Hagens (FR) Das sollen die Angehörigen entscheiden. Ich habe mit meinem Vater diskutiert und der fand es gar nicht so schlecht, dass er auf dem Präpariertisch liegen würde, und ich würde ihn präparieren. Die Vorstellung hat ihm gefallen. 1997 haben Sie Ihre Ausstellung "Körperwelten" in Mannheim gezeigt. Jetzt zeigen Sie im nahen Frankfurt die gleiche Ausstellung. Welche Strategie steckt dahinter? Der große Besucherzustrom in Stuttgart hat uns davon überzeugt, dass es richtig ist, wieder in diesen Raum zu kommen. Dort hatten wir in zehn Tagen 110 000 Besucher. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass es sehr viele Menschen gibt, die es lokal unbedingt sehen wollen, aber keine Reisetypen sind. Die wirkliche Popularisierung, die ist nur möglich, wenn ich vor Ort gehe. Warum ist es für Sie so wichtig, Anatomie zu demokratisieren und zu popularisieren? In meiner Jugend als Krankenpfleger und später an der Universität habe ich Klassen von Krankenpflegeschulen, Feuerwehrleute, aber auch Kegelvereine durch anatomische Ausstellungen geführt. Damals habe ich gemerkt, dass der Laie, der ja Steuerzahler und teilweise auch Objekt der Anatomie ist, ungerechtfertigterweise trotz großen Interesses von der anatomischen Körperschau ausgeschlossen wird. Mit 17 Jahren durfte ich eine öffentliche Sektion im Krankenhaus mit erleben. Diese Erfahrung hat mich wesentlich dazu motiviert, vor eineinhalb Jahren die öffentliche Autopsie in London durchzuführen. Insgesamt bin ich dankbar für den großen Zuspruch, den ich von einfachen Menschen und wissenschaftlichen Kollegen bekomme. Sie sagen mir, dass ich schon viele Menschenleben durch die Ausstellung gerettet habe. Die Organspende-Bereitschaft geht hoch, die Besucher gehen nach der Erfahrung aber auch pfleglicher mit ihrem Körper um. Sie bekommen aber auch viel Kritik, vor allen Dingen von kirchlicher Seite. In Frankfurt haben sich die evangelische Kirche wie die katholische Kirche dafür ausgesprochen, diese Ausstellung nicht zu besuchen. Sie finden sie pietätlos und kritisieren, die Totenruhe würde von Ihnen gestört und die Menschenwürde verletzt. Wie stehen Sie zu den Vorwürfen? Die Kritik ernte ich wesentlich von denjenigen, die nicht in die Ausstellung gehen, wie zum Beispiel von Pröpstin Helga Trösken. Sie weiß nicht, wovon sie spricht. Wenn Sie sich die Vorwürfe anschauen, sind sie nicht nachvollziehbar. Wenn es heißt, dass es hier um ein Geschäft mit Toten geht - das kann ich jedem vorwerfen, der mit Leichen zu tun hat. Die Kirche macht auch ein Geschäft mit Toten. Jede Aussegnung kostet Geld. In der Körperwelten-Ausstellung in Köln haben wir alleine 15 000 D-Mark Kirchensteuer bezahlt. Was mich doch die Kritik gelassen nehmen lässt, ist die Tatsache, dass es auch eine Reihe von Kirchenvertretern gibt, die sich positiv zur Ausstellung äußern. Sie sehen in der Ausstellung eine Vermittlung der Größe Gottes. Sie bekommen aber Kritik auch noch von anderen Seiten. So haben sich die Landesärztekammer Hessen und die Hessische Sozialministerin Silke Lautenschläger dagegen ausgesprochen, Kinder unter 14 Jahren den Besuch der Ausstellung zu erlauben. Ist die Ausstellung denn kind- oder jugendlichengerecht konzipiert?

Ja, sie ist auch jugendgerecht konzipiert. Bislang haben zwei Millionen Kinder die Plastinate gesehen und wir haben nicht eine Beschwerde bekommen. Wenn man eine Empfehlung von solcher Tragweite gibt, sollte man die Ausstellung zumindest besucht haben. Ich gehe davon aus, dass die Protagonisten, die sich dagegen ausgesprochen haben, weder die Ausstellung noch die dazugehörigen Untersuchungen kennen. Da werden Meinungen aus dem Bauch heraus und auf der Basis von Sensationsberichten gefällt. Zum Beispiel die Frankfurter Pröpstin, die meinte, nicht jeder sei so nekrophil veranlagt wie ich. Sind Sie denn nekrophil? Nekrophil würde heißen, dass ich den verwesenden Körper liebe, die Leiche. Aber ich mache doch genau das Gegenteil. Ich fixiere einen Körper und stoppe so die Verwesung. Wenn, dann ist doch eher die Kirche nekrophil veranlagt, wenn sie mir vorwirft, wenn ich hier den Tod nicht entsprechend zeige ohne Geruch. Ich will den Geruch nicht haben. Wenn ich den Geruch haben wollte, wäre ich nekrophil. Eines möchte ich feststellen: Diese Ausstellung ist eine Anatomieausstellung und keine Sterbeausstellung, sie ist keine Ausstellung über den Tod. Ich zeige hier ehemalige Tote, die zu Plastinaten transformiert wurden. Ich thematisiere hier den Tod allenfalls notwendigerweise und indirekt. Hat sich denn durch Ihre Arbeit Ihr Verhältnis zum Tod gewandelt und wie? Ja, so wie es sehr alte Menschen gibt, die sich wundern, dass sie immer noch gesund sind, wundere ich mich, dass ich immer noch lebe. Ich schätze das Leben mehr. Mehr als den Tod? Ich schätze das Leben durch meine Arbeit mehr als zuvor. Ich gehe bewusster mit meinem Körper um. Gleichzeitig erscheint der Tod mir als das Normalere. Es wird mir auch immer deutlicher, dass der Tod das Schlimmste jedes Menschseins ist und dass es zu unserer Natur gehört, dass wir ihn vermeiden wollen. Das sehen Sie allein daran schon, dass der Selbstmord gesellschaftlich geächtet ist. Wenn eine Ausstellung von Ihnen läuft, wie viele Unterschriften von Menschen bekommen Sie, die sich plastinieren lassen wollen? Das sind täglich zwei bis drei Menschen. Gibt es denn Bedingungen für die Plastinatspender, lehnen Sie welche ab? Nein, bisher noch nicht. Kostet es etwas, um bei Ihnen Plastinatspender zu werden? Nein. Man kann nicht davon ausgehen, dass man plastiniert wird. Man wird vielleicht auch nur für anatomische Untersuchungen verwendet. In einem Aktenschrank haben Sie der Presse Zugang zu unzähligen Einverständniserklärungen gewährt. Können Sie beziffern wie viel das sind. Ja, das sind rund 5700. Wie viel sind davon aus Deutschland. Der größte Teil. Können Sie beziffern, wie viele Menschen Sie bereits verarbeitet haben und wie viele vorhanden sind? Insgesamt wurden 500 Körper teilweise oder in Gänze plastiniert. Ich stelle ja auch Plastinate von "herrenlosen Leichen" her. Was ist unter dem Begriff "herrenlose Leichen" zu verstehen? Das ist ein Begriff aus der Rechtsliteratur und aus der anatomischen Terminologie. "Herrenlose Leiche" ist eine Leiche ohne Angehörige und die bis in die 80er Jahre in Deutschland hinein für anatomische

Institute zur Verfügung standen. Da gab es entsprechende Landesgesetzgebungen, die zum Teil heute noch gültig sind. Die "herrenlosen Leichen" sind Leichen, die keine Angehörigen mehr haben und die nach der baden-württembergischen Gesetzgebung zum Beispiel an anatomische Institute abzuliefern sind. Wie können Sie sicher sein, dass diese "herrenlosen Leichen" tatsächlich welche sind. Es gab ja die Kritik, dass zum Beispiel aus Kirgisien Leichen importiert worden sind, deren Herkunft unklar war und von denen sich später Angehörige gemeldet haben. Das ist in einer Zeit passiert, in der ich die Zusammenarbeit mit der Medizinischen Akademie von Nowosibirsk wegen Unzuverlässigkeit gekündigt habe. Ich wusste zu jeder Zeit, dass es in Kirgisien üblich ist, Präparate für die Anatomie auch in Gefangenenlager, aus Krankenhäusern und Altenheimen zu requirieren. Ich fand da nichts Besonderes dabei. Ich finde es ganz normal, da das in Kirgisien wie auch in Russland zu allen Zeiten so üblich war - so, wie es auch in Deutschland bis in die 80er Jahre üblich gewesen ist. Wir sollten als Europäer unsere ethischen Standards anderen nicht aufzwingen. Wenn sie in Russland, in Nowosibirsk, "herrenlose Leichen" verwenden, dann können sie es doch machen. Ich sollte es auch von mir aus dann nicht ablehnen, solche Präparate zu plastinieren. Aber es sind doch sehr große Mengen, 30 Tonnen, 488 Körper, um die es da geht, die Sie nach Deutschland transportiert haben. Haben Sie denn ein Kontrollsystem? Ich muss mich da auf die Partneruniversität verlassen, wie ich es in Nowosibirsk, wie ich es in Kirgisien gemacht habe. Ich meine auch, dass ich das ausreichend kontrolliere. Wenn ich dort Schwachstellen im System entdecke, wie ich es in Kirgisien getan habe, dann stelle ich die Zusammenarbeit ein. Es wurde der Name von Swetlana Kretschetowa aus Nowosibirsk in Westsibirien genannt, deren Vater bei Ihnen gelandet sein soll? Ich kann das absolut nicht bestätigen und halte es auch für unwahrscheinlich. Es wird dafür kein Beweis vorgelegt. In Nowosibirsk ist in diesem Zusammenhang der Prozess zu Ende gegangen. Ich bin ja sowieso nie angeklagt worden, alle anderen sind frei gesprochen worden. In solchen Ländern, wo das Durchschnittseinkommen bei 50 Euro maximal im Monat liegt, und ein Deputierter, übrigens einer radikal islamischen Partei, die Anatomie überhaupt einstellen will, für den ist es ein ganz Leichtes, Vorwürfe zu konstruieren. In Nowosibirsk jedenfalls habe ich den Verdacht, dass dort Angehörige mit dem Versprechen geködert wurden: Da kann man von einem reichen Deutschen Geld kriegen. Wenn ich nur noch Körperspender nehmen dürfte, dann könnte ich mit vielen anatomischen Instituten in vielen Ländern nicht mehr kooperieren. Dass es Ihnen mehr ums Geld als um die Wissenschaft geht, ist Ihnen mehrfach vorgeworfen worden. Ihr ehemaliger chinesischer Partner, Herr Professor Sui, hat Ihnen in einer ARD-Produktion vorgeworfen, es ginge Ihnen überhaupt nicht um Forschung und Lehre, sondern nur um den Profit. Interessenten von anderen Universitäten, die bei Ihnen am Institut in China die Plastination lernen wollten, seien abgewiesen worden. Was ist an solchen Vorwürfen dran?. Ich kann dazu nur sagen, dass ich Herrn Sui auf meine Kosten in Deutschland eineinhalb Jahre ausgebildet habe und das war nicht billig. Insgesamt wurden von mir 30 Chinesen in Deutschland ausgebildet. Fast die Hälfte meiner Gewinne stecke ich in die Forschung. Herr Sui, der das behauptet, verdient inzwischen selbst Geld mit der Plastination und macht Ausstellungen. Er kopiert sie? Ja. Ich meine, dass ich die Gratwanderung zwischen Wissenschaftler einerseits und Geschäftsmann andererseits ziemlich beherrsche, ich bin erfolgreich. Die besten Erfindungen gehen kaputt, wenn man zu früh ans Geld denkt, aber das beste Geschäft geht kaputt, wenn man zu spät ans Geld denkt. Geld ist notwendig, um eine solche Ausstellung etablieren zu können. Geld ist notwendig, um Forschung machen zu können. Insofern geht es mir schon darum, Geld zu verdienen, aber das Entscheidende ist, wofür ich das Geld ausgebe. Können Sie etwas zum Umfang ihrer Firma sagen, wie viele Mitarbeiter haben Sie? 200 Mitarbeiter in China, davon 70 Ärzte. Der Gesamtgewinn aller Ausstellungen dürfte bei circa 18 Millionen Euro liegen. Eine Million ist nach Kirgisien geflossen, zwölf Millionen sind nach China geflossen.

In der Ausstellung hier stecken etwa drei Millionen. Sie träumen ein Paar zu plastinieren, das auf dem Eis tanzt? Genau das wird es bald geben, es wird gerade in China fertiggestellt. Ist das dann der künstlerische Aspekt? Ich nenne das Erlebnis-Anatomie, das ist Edutainment. Die Ästhetik hilft der Instruktion, das Präparat muss begeistern, muss die Herzen öffnen, muss Emotionen wecken. Das gelingt viel besser, wenn das Präparat möglichst lebensnah plastiniert ist. Ich habe in Japan gelernt, dass die Plastinate nicht angsteinflößend dastehen dürfen. Deshalb bin ich damals nach Italien gefahren um zu studieren, wie die Anatomie-Künstler der Renaissance Ganzkörperpräparate in dynamischer Pose darstellten. Diese alte Form der Darstellung habe ich aufgenommen und weiterentwickelt. Allerdings darf die Inszenierung niemals Selbstzweck sein, das lehne ich ab. In der Renaissance gibt es ebenfalls sehr lebensechte Anatomiepräparate aus Wachs, bei denen sich aber die Faszination wie bei Ihren Präparaten nicht einstellt. Setzen sie nicht doch auf den Schauereffekt, dass hier echte Menschen verarbeitet worden sind.? Auch für Medizinstudenten kann das Modell nur Surrogat sein. Vom Echtpräparat geht eine völlig andere Aufmerksamkeitsspannung aus. Egal was es ist, das Original fasziniert uns doch immer mehr als die Kopie. Das gilt ja auch für ein Kunstwerk, man möchte das Original sehen und nicht eine perfekte Kopie. Was unterscheidet Ihre Ausstellung von den Freak-Shows vergangener Jahrhunderte. Von solchen Freak-Shows, aber auch von anatomischen Museen, wie es sie etwa in Freiburg oder an der Charité in Berlin gibt, unterscheiden meine Ausstellung zwei Dinge: Wir vergleichen gesunde und kranke Organe. Deren Sitz wird zudem im Ganzkörperpräparat gezeigt. Dies ist im Spiritusglas nicht darstellbar. Mit sehr umstrittenen Methoden haben Sie für frühere Ausstellungen geworben. Sie haben plastinierte Menschen durch das nächtliche Hamburg kutschiert und in London war der Basketballspieler in einem Kino ausgestellt, um Werbung für einen Horrorfilm zu machen. Empfinden Sie das nicht als obszön? Nein, das stimmt so nicht. Das Plastinat stand im Schaufenster eines großen Kinos am Leister Square, um Werbung für unsere Ausstellung zu machen. Für einen Horrorfilm war das keine Werbung. Trotzdem fanden das viele Menschen nicht schön. Ich kann die Aufregung nicht verstehen. Da werden Staatsoberhäupter, wirkliche Tote, aufgebahrt und durch die Stadt getragen. Da werden Menschen einbalsamiert und gezeigt. Die Kirche lässt Reliquien, meist Reste von Märtyrern, bei Prozessionen herumtragen. Im Theater oder Buchläden stehen echte Skelette auf der Bühne. Und ich soll keine Plastinate durch die Stadt fahren dürfen? Es ist doch bezeichnend, dass es keinen Protest von Zuschauern gab. Der kommt immer nur von Politikern und Kirchenleuten. Wird der Tod heute zu sehr verdrängt? Nicht der mediale Tod, der flimmert ständig auf allen Kanälen. Je realistischer ich werde, umso größer sind die Bedenken der behördlichen Institutionsträger, aber eben nicht der Bevölkerung. Der Tod wird heute im Krankenhaus versteckt. Der Laie darf der Sektion nicht beiwohnen, obwohl er schon morgen in der Rechtsmedizin gegen seinen erklärten Willen oder den der Angehörigen obduziert werden darf. Dafür muss er als Steuerzahler bezahlen, aber sehen darf er es selbst nicht. Der normale Mensch fürchtet sich doch heute nicht mehr vor dem seelischen Tod, vom Leiden seiner Seele im Fegefeuer. Er fürchtet sich vor dem realen Leiden seines Körpers hier auf der Erde. Genau da setzen wir mit "Körperwelten" an. Wir brechen das Bestattungsmonopol der Kirchen und bieten die Bestattung durch Plastination an freier Luft an. In London haben Sie trotz Verbots der Regierung eine öffentliche Sektion vor Publikum veranstaltet. Das ist so eine Legende. Es ist mir niemals verboten worden, dort eine Sektion durchzuführen. Im Gegenteil: Die Regierung hat die "Körperwelten"-Ausstellung in London erlaubt. Es ist also nicht so, dass ich gegen den Willen der Regierung gehandelt habe.

Wird es auch in Frankfurt eine öffentliche Sektion geben? Es gibt einen großen Bedarf in Deutschland. Ich werde das politisch adäquat durchführen und dafür sorgen, dass die rechtlichen Voraussetzungen dafür vorliegen. Ich möchte mich im Detail aber noch nicht dazu äußern, was ich da vorhabe, weil ich damit nur Gegnern die Möglichkeit geben würde, dagegen schon jetzt vorzugehen. Sie planen ein Menschenmuseum. Wird es dort auch anatomische Präparationen geben und wie wird sich das Museum von einem Anatomiemuseum unterscheiden? Ja. Ich kann mir vorstellen, mit anatomischen Präparaten Unterricht zu geben, wie es an vielen Universitäten üblich ist. Dazu werden auch Laien eingeladen. Der Unterschied zu einem anatomischen Museum wird darin bestehen, dass Gesundheit und Krankheit im Vergleich gezeigt werden, dass ganze Körper gezeigt werden und dass auf einer Sonderausstellungsfläche spezielle Themen behandelt werden. Es wird wie die "Körperwelten"-Ausstellung sein, nur auf größerer Fläche und in höherer Qualität. Planen Sie das Museum in Deutschland? Ja, im Moment sind Hamburg, Berlin und Mannheim im Gespräch. Über den Standort soll noch dieses Jahr entschieden werden. Die Eröffnung ist für 2005 geplant. Warum lassen Sie Ihre Präparate hauptsächlich in China herstellen? Das hängt damit zusammen, dass ich in Heidelberg die Anerkennung als Lehrinstitution vom Ministerium verweigert bekommen habe. Damit konnte ich keine Wissenschaftler aus aller Welt einladen. Deshalb bin ich nach China gegangen. Ich gebe dort ja auch Unterricht. Jeder, der dort anfängt, wird erst einmal ein halbes Jahr trainiert. Ein weiterer Grund ist, dass die Asiaten und besonders die Chinesen eine ausgeprägte Feinmotorik haben. Und drittens, dass ich zwar Angebote aus mehreren Ländern bekommen habe, das attraktivste aus China. Dort hat man mir ein Institut gebaut. Was sind Ihre Visionen für die Zukunft? Immer spektakulärere Attraktionen oder gibt es auch neue wissenschaftliche Erkenntnisse in der Präparation? Ich stelle mir zum Beispiel vor und da bin ich ja bereits dabei, Plastinate mit Lymphgefäßen herzustellen. Ferner versuche ich Fettgewebe schneeweiß darzustellen. Außerdem will ich mehr Wert auf die Sinnesorgane legen und die Scheibenplastination perfektionieren. Da ist mir mit einer neuen Kunststoffentwicklung bereits der Durchbruch gelungen. Bislang konnte man Plastinate nicht schneiden, sägen und polieren. Gibt es für Sie ethische Grenzen, die Sie nicht überschreiten würden? Ja. Ich werde immer nur Anatomie ausstellen und Präparate nicht entmenschlichen, indem ich ein Präparat zu einem beliebigen Etwas herabwürdige, wie es auch möglich wäre. Da gibt es das bekannte Beispiel: Keinen Penis in einen Revolver umzuwandeln. Aber das Paar, das miteinander schläft oder einen Mann, der onaniert? Der Mann, der onaniert, sicherlich nicht. Das ist zu spektakulär und zu vordergründig, ohne dass Anatomie vermittelt wird. Ein kopulierendes Paar kann ich mir schon vorstellen, aber auch nur in einer Weise, dass man dabei so viel über die Gegebenheiten lernt, wie eng beim Beischlaf alles aneinander liegt und auch so abstrakt, dass die Eltern gerne ihre Kinder zur Aufklärung dahin mitnehmen. Allerdings nur dann, wenn beide Körperspender zugestimmt haben. Dossier: Kontroverse um Körperwelten [ document info ] Copyright Frankfurter Rundschau online 2004 Dokument erstellt am 17.01.2004 um 00:01:08 Uhr Erscheinungsdatum 17.01.2004 Ausgabe: S Seite: 27