Endbericht der wissenschaftlichen Begleitung des Diesterweg-Stipendiums I. Stipendiatengeneration: 2008 bis 2010 Claudia Köhler im Auftrag des europäischen forums für migrationsstudien (Leitung: Prof. Dr. Friedrich Heckmann)
Endbericht der wissenschaftlichen Begleitung des Diesterweg-Stipendiums der Stiftung Polytechnische Gesellschaft Frankfurt am Main Im Oktober 2008 wurden erstmalig 22 Kinder und deren Eltern als Stipendiaten des Diesterweg-Stipendiums der Stiftung Polytechnische Gesellschaft Frankfurt am Main aufgenommen. Gegenstand des Stipendiums ist die Förderung von Grundschulkindern, die aufgrund ihrer sprachlichen Fähigkeiten und der sozialen Situation der Familien besonderen Benachteiligungen unterliegen, denen jedoch durch ihre Lehrer bildungsrelevante Potenziale zugeschrieben werden. Die ausgewählten Kinder und deren Eltern wurden ab dem dritten Monat der vierten Klasse bis zum Ende der fünften Klasse in Form verschiedener Maßnahmen gefördert und beim Übertritt in die Sekundarstufe begleitet. Nach der zweijährigen Laufzeit werden alle Kinder und Eltern in dem durch das Zentrum für Familie durchgeführten und durch die Stiftung Polytechnische Gesellschaft Frankfurt a. M. maßgeblich finanzierten Anschlussprojekt»Hand in Hand«für weitere zwei Jahre gefördert. In der zweijährigen Laufzeit des Diesterweg-Stipendiums verblieben alle Familien im Projekt und nahmen kontinuierlich an den Maßnahmen teil. Dies ist eine bedeutende Leistung, die der gelungenen Durchführung und dem starken Vertrauensverhältnis zu den Teilnehmern zuzurechnen ist. Das Diesterweg-Stipendium hat sich, gemessen an den gesetzten Zielen, als Erfolg erwiesen. Dies soll an der Beantwortung der folgenden vier Fragen gezeigt werden: 1. Ist die Förderung des Diesterweg-Stipendiums eine Hilfe für die Kinder beim Übergang in eine ihren Potenzialen entsprechende weiterführende Schule? 2 Alle Kinder haben den Übertritt auf weiterführende bzw. weiterführende Bildung ermöglichende Schulen geschafft: 13 Kinder traten auf das Gymnasium, eins auf den gymnasialen Zweig der Kooperativen Gesamtschule, zwei auf die Realschule und sechs auf die Integrierte Gesamtschule über. Aus den Erhebungen geht hervor, dass die positiven Erwartungen der Lehrer an die Förderung durch das Diesterweg-Stipendium die Übertrittsempfehlung für die teilnehmenden Kinder beeinflusst hat. Die Informationen der Eltern über das deutsche Schulsystem haben sich durch die Maßnahmen des Stipendiums verstärkt. Sie konnten dadurch, wie auch durch die intensive Beratung der Projektleitung, ihre Kinder besser bei der Schulwahl unterstützen. Der Gesamtnotenschnitt verbesserte sich bei sieben Kindern, blieb bei sieben Kindern gleich und verschlechterte sich bei sieben Kindern vom ersten zum zweiten Halbjahr der 4. Klasse. Es ist anzunehmen, dass die Verschlechterung mit der allgemeinen Tendenz steigender Anforderungen und strengerer Bewertungen zum Ende der 4. Klasse in Zusammenhang stehen. Insgesamt liegt der Notendurchschnitt der Stipendiaten-Gruppe im oberen Bereich, entsprechend der Note 2. Lediglich die Deutschnote tendiert im Durchschnitt zur 3. Die Mehrheit der Grundschullehrer erkennt Zuwächse bildungsrelevanter Kompetenzen während der 4. Klasse (Unterrichtsrelevante Kompetenzen, Sozial- und Ich-Kompetenzen, Deutschkompetenzen, Sachkundliche Kompetenzen, Mathematische Kompetenzen, Naturwissenschaftliche Kompetenzen, Kulturelle und heimatkundliche Kompetenzen) und gibt den Kindern positive Zukunftsprognosen für ihren weiteren Bildungsweg. Durch Deutschfördermaßnahmen innerhalb des Stipendiums wurden die Kinder in der Verbesserung ihrer Deutschkompetenzen und der Vorbereitung auf den Übertritt unterstützt.
Das Diesterweg-Stipendium konnte die Kinder somit in mehrfacher Weise bei dem Übertritt auf weiterführende bzw. weiterführende Bildung ermöglichende Schulen unterstützen. 2. Ist die Förderung des Diesterweg-Stipendiums eine Hilfe für die Kinder bei der erfolgreichen Eingewöhnung in die jeweilige weiterführende Schule und hat sie einen maßgeblichen positiven Einfluss auf den Verbleib der Kinder in dieser Schulform? Die Kinder konnten sich während der 5. Klasse gut in die weiterführenden Schulen eingewöhnen und in ihre Klassen integrieren. Alle Kinder erreichten das Klassenziel der 5. Klasse. Aus den Erhebungen geht hervor, dass die Kinder insbesondere in Form eines Zugewinns an Selbstbewusstsein und Selbständigkeit wie auch einer Verbesserung ihrer Deutschkenntnisse von dem Diesterweg-Stipendium profitiert haben. Diesen Kompetenzen kommt insbesondere für den Erfolg in weiterführenden Schulen ein hoher Stellenwert zu. Zudem ist ein Anstieg der erhobenen bildungsrelevanten Kompetenzen (Unterrichtsrelevante Kompetenzen, Sozial- und Ich-Kompetenzen, Kulturelle und heimatkundliche Kompetenzen und Deutschkompetenzen) während der 5. Klasse festzustellen. Die Klassenlehrer der 5. Klassen bestätigten die Effektivität des Diesterweg-Stipendiums, dessen positiven Einfluss auf die Bildungslaufbahn der Kinder sowie positive Zukunftsprognosen für die kommenden Klassen. Die gestiegenen Kompetenzen schlugen sich noch nicht stark in den Schulnoten nieder. Dies ist jedoch vor dem Hintergrund gestiegener Anforderungen in der 5. Klasse zu interpretieren. Insbesondere im Deutschen haben einige Kinder trotz der erzielten Erfolge noch Aufholbedarf. Es ist zu erwarten, dass die Kinder längerfristig, insbesondere mit Unterstützung des Anschlussprojekts»Hand in Hand«, ihre Kompetenzzuwächse festigen und in Notenverbesserungen umsetzen können. Zugute wird ihnen dabei kommen, dass sie durch das Diesterweg-Stipendium Vertrauen in ihre eigenen Leistungen und die Bestrebung diese in gute Noten umzusetzen, entwickelt haben. Die Förderung des Diesterweg-Stipendiums war somit eine entscheidende Hilfe für die Kinder bei deren Eingewöhnung in die weiterführenden Schulen und beeinflusst deren Verbleiben in den jeweiligen Schulen positiv. 3 3. Gelingt es mit Hilfe der Förderung durch das Diesterweg-Stipendium die Eltern bei der Bildungsbegleitung ihrer Kinder zu stärken? Die Lernbegleitung der Kinder durch ihre Eltern hat sich im Projektverlauf verstärkt. Durch die Maßnahmen des Diesterweg-Stipendiums konnte der Mehrheit der Eltern erhöhtes Wissen über das deutsche Schulsystem und über Möglichkeiten der schulischen Unterstützung ihrer Kinder vermittelt werden. Die Mehrzahl der Kinder erlebt die Eltern nun als eine bessere Hilfe beim Lernen. Nahezu alle Lehrer bestätigen das Interesse der Eltern an einer positiven Entwicklung der Kinder und beurteilen das DiesterwegStipendium als eine effektive Form der Förderung von Eltern. Die Eltern konnten für die schulischen Belange ihrer Kinder sensibilisiert und in ihrem Selbstvertrauen gestärkt werden. Über schulische Aspekte hinaus konnten sie durch die Aktionen des Diesterweg-Stipendiums vielfältige bildungsrelevante Angebote in Frankfurt a. M. und der Umgebung kennen lernen. Die Mehrheit der Eltern kennt sich dadurch nun besser in Frankfurt a. M. und der Umgebung aus. Die Anregungen wurden von der Mehrzahl der Familien bereits in verstärkten gemeinsamen Unternehmungen umgesetzt. Von diesen, wie auch von den veränderten Einstellungen und gestärkten Kompetenzen der Eltern, profitieren auch die Geschwister. Zudem stärken familiäre Aktivitäten den Zusammenhalt der Familien. Bemerkenswert ist, dass sich die große Mehrheit der Eltern nach der zweijährigen Laufzeit des Stipendiums stärker zu Frankfurt a. M. zugehörig und in Deutschland akzeptiert fühlt. Einzelne Eltern, insbesondere alleinerziehende Mütter, haben noch Aufholbedarf im Deutschen wie auch in ihrer gesellschaftlichen Teilhabe. Es ist zu erwarten, dass sie darin in dem Anschlussprojekt»Hand in Hand«wie auch durch die Stiftung Waisenhaus, in deren Förderung alle Ein-Eltern-Familien vermittelt werden konnten, unterstützt werden. Die Maßnahmen des Diesterweg-Stipendiums haben dazu beigetragen, dass die Eltern in der Bildungsbegleitung ihrer Kinder gestärkt wurden. 4. Gelingt es mit Hilfe der Förderung durch das Diesterweg-Stipendium, dass die Eltern Kontakt zur Schule halten und dass sie zur Übernahme von Aufgaben im schulischen Umfeld motiviert werden?
Im Kontakt mit der Schule konnten die Eltern durch das Diesterweg-Stipendium bisher bestehende Hemmschwellen überwinden. In den weiterführenden Schulen hatten alle Eltern mindestens einmal Kontakt mit dem Klassenlehrer ihrer Kinder und besuchten den Elternabend und / oder Elternsprechtag. Die Lehrer bestätigten, dass die Eltern eigenständig bzw. gemeinsam mit der Projektleiterin Termine vereinbaren und sich bei Unklarheiten an den entsprechenden Lehrer wenden. Zu den Deutschlehrern bestand ein nicht so starker Kontakt. In der Projektlaufzeit nahm die Mehrheit der Eltern häufiger als zuvor an Schulveranstaltungen teil und engagierte sich bei diesen z. B. in Form von Helfertätigkeiten. In der überwiegenden Mehrheit sind Eltern und Kinder der Meinung, dass das Diestweg-Stipendium zu einer Verstärkung des Kontakts der Eltern zu Lehrern und Schule beigetragen hat. Zu einem zukünftigen Ausbau dieses Kontakts können neben den Eltern selbst auch die Schulen beitragen. Von einzelnen Lehrern wurde bestätigt, dass sie Ansätze des Diesterweg-Stipendiums gern in ihrer Schule aufgreifen würden. Zudem signalisierten einige Direktoren ihr Interesse an einer verstärkten Kooperation mit der Polytechnischen Gesellschaft Frankfurt a. M. Langfristig kann dies zu einer verstärkten Öffnung von Schulen für Eltern führen. Die Förderung durch das Diesterweg-Stipendium führte dazu, dass Eltern stärker in Kontakt mit den Schulen und den Lehrern ihrer Kinder treten. Zur Übernahme von Aufgaben im schulischen Umfeld wurden die Eltern motiviert und setzten dies in der Mehrheit bereits um. Oktober 2010 Claudia Köhler Claudia Köhler ist Diplom-Soziologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am europäischen forum für migrationsstudien an der Universität Bamberg. 4
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