Grundsätze der Zusammenarbeit zwischen Schule und Sozialem Dienst des Jugendamtes im Rems-Murr-Kreis

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Transkript:

Staatliches Schulamt Backnang Grundsätze der Zusammenarbeit zwischen Schule und Sozialem Dienst des Jugendamtes im Rems-Murr-Kreis Herr Wieland Kreisjugendamt Winnender Straße 30/1 71334 Waiblingen 07151-501 1255 Frau Hagenmüller-Gehring Staatliches Schulamt Spinnerei 48 71522 Backnang 0191-3454 110

Einleitung Am 01.01.2012 ist das "Gesetz zur Stärkung eines aktiven Schutzes von Kindern und Jugendlichen (Bundeskinderschutzgesetz - BKiSchG) in Kraft getreten. Dieses Artikelgesetz wendet sich an unterschiedliche Menschen in Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit und regelt konkrete Verantwortlichkeiten und Formen der Zusammenarbeit. Schule und Jugendhilfe sind dynamischen Entwicklungen unterworfen. Dies erfordert in regelmäßigen Abständen eine Auswertung und Fortschreibung der Zusammenarbeit von Schule und Sozialem Dienst des Jugendamtes sowie eine Aktualisierung der bestehen Kooperationsvereinbarungen zwischen Schule und Sozialem Dienst. Wir nehmen das neue BKiSchG zum Anlass, Ihnen hierfür folgende Materialien anzubieten: 1. Gemeinsame Grundlagen und Grundsätze der Zusammenarbeit von Schule und Sozialem Dienst des Jugendamtes 2. Rechtlicher Rahmen und Folgerungen für die Praxis 3. Arbeitshilfen zur Fortschreibung und Ergänzung der bestehenden Kooperationsvereinbarungen Die Arbeitshilfen stellen Fragen, die Impulse geben für die konkrete Ausgestaltung der Zusammenarbeit vor Ort und die Fortschreibung der Kooperationsvereinbarung zwischen der Schule und dem Sozialen Dienst. Für die Schule ist außerdem eine Vorlage für die Information des Jugendamtes erstellt worden. Waiblingen und Backnang, im Januar 2013 Peter Wieland Leiter des Jugendamtes Sabine Hagenmüller-Gehring Leiterin des Staatlichen Schulamtes

1. Gemeinsame Grundlagen und Grundsätze der Zusammenarbeit von Schule und Sozialem Dienst Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf Erziehung und Bildung. Sie müssen befähigt werden, sich in ihrer Lebenswelt zu orientieren und sie bewusst mit zu gestalten. Neben der Familie stellt sich diese Aufgabe insbesondere der Schule und der Jugendhilfe. Beide haben dieselbe Zielgruppe und tragen Verantwortung für den Erziehungs- und Bildungsauftrag für junge Menschen. Sie ergänzen (oder ersetzen in Einzelfällen) die grundrechtlich geschützte elterliche Verantwortung. Um dieser Verantwortung gerecht zu werden und diesen gesellschaftlichen Auftrag zu erfüllen, ist eine Zusammenarbeit zwischen Jugendhilfe (insbesondere des Sozialen Dienstes) und Schulen unverzichtbar. Grundlegend für diese Zusammenarbeit sind die gegenseitige Kenntnis von Auftrag und Handlungsmöglichkeiten der jeweils anderen Institution sowie eine gegenseitige Akzeptanz und Wertschätzung der Arbeit der beteiligten Professionellen. Das Ziel der gemeinsamen Bemühungen von Schule und Sozialem Dienst ist eine Verbesserung der sozialen Situation des Kindes/ des Jugendlichen und ein (Wieder-) Herstellen einer Perspektive für eine gelingende Persönlichkeitsentwicklung des Kindes oder Jugendlichen und ein gedeihliches Hineinwachsen in die Gesellschaft. In Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit haben Lehrkräfte und Mitarbeiter/innen des Sozialen Dienstes den Auftrag, den Schutz von Kindern und Jugendlichen in ihrem beruflichen Handeln zu beachten und dazu bestimmte Verfahrenschritte und Qualitätsstandards zu berücksichtigen, die sowohl im Schulrecht als auch im Jugendhilferecht und im neuen Bundeskinderschutzgesetz klar geregelt sind. Neben dem Schutz vor Gefährdungen muss es aber auch das Ziel der Fachkräfte der Schule und des Sozialen Dienstes sein, (sich entwickelnde) Bedarfe von Kindern und Jugendlichen frühzeitig zu erkennen und den Kooperationspartner frühzeitig zu beteiligen. Ob es gelingt, bei Unterstützungsbedarf oder bei gewichtigen Anhaltspunkten auf eine Kindeswohlgefährdung die richtigen und für den Einzelfall am besten geeigneten Schritte zu unternehmen, hängt wesentlich von der Qualität der Zusammenarbeit der Akteure ab. Mit der Kooperationsvereinbarung zwischen Schule und Sozialem Seite 3 von 19 Seiten

Dienst des Jugendamtes entstehen verbindliche Strukturen der Zusammenarbeit mit dem Ziel, sich als Verantwortungsgemeinschaft zu begreifen und das Vorgehen bei der Vermittlung von Hilfen wie beim Kinderschutz aufeinander abzustimmen. Seite 4 von 19 Seiten

2. Rechtlicher Rahmen und Folgerungen für die Praxis 2.1 Auszüge aus den einschlägigen Gesetzen und Vereinbarungen Grundgesetz Art. 2, Abs. 1 und 2 (1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden. Art. 6, Abs. 1 bis 3 (1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft. (3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen. Art. 7, Abs. 1 (1) Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates. Schulgesetz für Baden-Württemberg 1 Abs. 2 u. 3 (2) Die Schule hat den in der Landesverfassung verankerten Erziehungs- und Bildungsauftrag zu verwirklichen. [ ] (3) Bei der Erfüllung ihres Auftrages hat die Schule das verfassungsmäßige Recht der Eltern, die Erziehung und Bildung ihrer Kinder mitzubestimmen, zu achten und die Verantwortung der übrigen Träger der Erziehung und Bildung zu berücksichtigen. 85 Abs. 3 und 4 (3) Die Schule soll das Jugendamt unterrichten, wenn gewichtige Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das Wohl eines Schülers ernsthaft gefährdet oder beeinträchtigt ist; in der Regel werden die Eltern vorher angehört. Zur Abwendung einer Kindswohlgefährdung arbeiten Schule und Jugendamt zusammen. (4) Nimmt bei einem dringenden Aussprachebedarf kein Elternteil eine Einladung des Klassenlehrers oder Schulleiters zum Gespräch wahr und stellt die Klassenkonferenz unter Vorsitz des Schulleiters gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls des Schülers fest, kann die weitere Einladung zum Gespräch mit dem Hinweis verbunden werden, dass bei Nichtbefolgen das Jugendamt unterrichtet wird. Seite 5 von 19 Seiten

90 Abs. 8 (8) Ein zeitweiliger Ausschluss vom Unterricht kann, ein wiederholter zeitweiliger Ausschluss vom Unterricht soll dem Jugendamt mitgeteilt werden; ein Ausschluss aus der Schule wird dem Jugendamt mitgeteilt. Hierbei soll ein Gespräch zwischen dem Jugendamt und der Schule stattfinden. Sozialgesetzbuch VIII 8 Abs. 2 und 3 (2) Kinder und Jugendliche haben das Recht, sich in allen Angelegenheiten der Erziehung und Entwicklung an das Jugendamt zu wenden. (3) Kinder und Jugendliche haben Anspruch auf Beratung ohne Kenntnis des Personensorgeberechtigten, wenn die Beratung auf Grund einer Not- und Konfliktlage erforderlich ist und solange durch die Mitteilung an den Personensorgeberechtigten der Beratungszweck vereitelt würde. [ ] 8a Abs. 1, 2 und 4 (1) Werden dem Jugendamt gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen bekannt, so hat es das Gefährdungsrisiko im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte einzuschätzen. Soweit der wirksame Schutz dieses Kindes oder dieses Jugendlichen nicht in Frage gestellt wird, hat das Jugendamt die Erziehungsberechtigten sowie das Kind oder den Jugendlichen in die Gefährdungseinschätzung einzubeziehen und, sofern dies nach fachlicher Einschätzung erforderlich ist, sich dabei einen unmittelbaren Eindruck von dem Kind und von seiner persönlichen Umgebung zu verschaffen. Hält das Jugendamt zur Abwendung der Gefährdung die Gewährung von Hilfen für geeignet und notwendig, so hat es diese den Erziehungsberechtigten anzubieten. (2) Hält das Jugendamt das Tätigwerden des Familiengerichts für erforderlich, so hat es das Gericht anzurufen; dies gilt auch, wenn die Erziehungsberechtigten nicht bereit oder in der Lage sind, bei der Abschätzung des Gefährdungsrisikos mitzuwirken. Besteht eine dringende Gefahr und kann die Entscheidung des Gerichts nicht abgewartet werden, so ist das Jugendamt verpflichtet, das Kind oder den Jugendlichen in Obhut zu nehmen. (4) In Vereinbarungen mit den Trägern von Einrichtungen und Diensten, die Leistungen nach diesem Buch erbringen, ist sicherzustellen, dass 1. deren Fachkräfte bei Bekanntwerden gewichtiger Anhaltspunkte für die Gefährdung eines von ihnen betreuten Kindes oder Jugendlichen eine Gefährdungseinschätzung vornehmen, 2. bei der Gefährdungseinschätzung eine insoweit erfahrene Fachkraft beratend hinzugezogen wird sowie 3. die Erziehungsberechtigten sowie das Kind oder der Jugendliche in die Gefährdungseinschätzung einbezogen werden, soweit hierdurch der wirksame Schutz des Kindes oder Jugendlichen nicht in Frage gestellt wird. In die Vereinbarung ist neben den Kriterien für die Qualifikation der beratend hinzuzuziehenden insoweit erfahrenen Fachkraft insbesondere die Verpflichtung aufzunehmen, dass die Fachkräfte der Träger bei den Erziehungsberechtigten auf die Inanspruchnahme von Hilfen hinwirken, wenn sie diese für erforderlich halten, und das Jugendamt informieren, falls die Gefährdung nicht anders abgewendet werden kann. 27 Abs. 1 und 2 (Hilfe zur Erziehung) Seite 6 von 19 Seiten

(1) Ein Personensorgeberechtigter hat bei der Erziehung eines Kindes oder eines Jugendlichen Anspruch auf Hilfe (Hilfe zur Erziehung), wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist. (2) Hilfe zur Erziehung wird insbesondere nach Maßgabe der 28 bis 35 gewährt. Art und Umfang der Hilfe richten sich nach dem erzieherischen Bedarf im Einzelfall; dabei soll das engere soziale Umfeld des Kindes oder des Jugendlichen einbezogen werden. 42 Abs. 1 und 3 (Inobhutnahme) (1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn 1. das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder 2. eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert und a) die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen oder b) eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann [ ] Die Inobhutnahme umfasst die Befugnis, ein Kind oder einen Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform vorläufig unterzubringen; im Fall von Satz 1 Nummer 2 auch ein Kind oder einen Jugendlichen von einer anderen Person wegzunehmen. (3) Das Jugendamt hat im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten unverzüglich von der Inobhutnahme zu unterrichten und mit ihnen das Gefährdungsrisiko abzuschätzen. Widersprechen die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme, so hat das Jugendamt unverzüglich 1.das Kind oder den Jugendlichen den Personensorge- oder Erziehungsberechtigten zu übergeben, sofern nach der Einschätzung des Jugendamts eine Gefährdung des Kindeswohls nicht besteht [ ] oder 2. eine Entscheidung des Familiengerichts über die erforderlichen Maßnahmen zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen herbeizuführen. Vereinbarung zum Schutzauftrag der Jugendhilfe zwischen Trägern Jugendhilfeangeboten und Jugendamt gem. 8a Abs. 4 4 Verfahrensregelung Folgende Verfahrensschritte werden vereinbart: 1. Schritt: Sofern gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder eines Jugendlichen bestehen, erfolgt die Abschätzung des Gefährdungsrisikos beim Träger im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte, wovon mindestens eine insoweit erfahren ist. Soweit erforderlich, kann der Träger auf die in der Anlage genannten (insoweit erfahrenen) Fachkräfte, ggfs. des Jugendamts, zurückgreifen. 2. Schritt: Einbeziehung der Personensorgeberechtigten und des Kindes/ des/der Jugendlichen bei der Abschätzung des Gefährdungsrisikos, soweit hierdurch der wirksame Schutz des Kindes oder des/der Jugendlichen nicht in Frage gestellt wird. 3. Schritt: Der Träger wirkt bei den Personensorge bzw. Erziehungsberechtigten auf die Inanspruchnahme von Hilfen hin, wenn die Abschätzung ergibt, dass ansons- Seite 7 von 19 Seiten

ten die Gefährdungssituation nicht abgewendet werden kann. Auf die Inanspruchnahme von Hilfen i. S. des 8a Abs. 2 SGB VIII hinzuwirken, bedeutet für Träger: - mit seinen eigenen Ressourcen zur Abwendung der Gefährdung beitragen; - auf andere frei zugängliche Hilfen hinweisen bzw. diese vermitteln; - darauf hinwirken, dass verbindliche Absprachen mit den Sorgeberechtigten über die Inanspruchnahme dieser Hilfe(n) zur Gefährdungsabwendung getroffen werden, diese dokumentieren und überprüfen; ggf. die Personensorgeberechtigten bei der Kontaktaufnahme zum Jugendamt unterstützen. 4. Schritt: Der Träger informiert das Jugendamt über die Gefährdungseinschätzung und seine Bemühungen zur Gefährdungsabwendung von Seiten des Trägers, wenn das Unterstützungsangebot nicht oder nicht im erforderlichen Umfang in Anspruch genommen wird oder nicht ausreicht. Das Jugendamt wird auch informiert, wenn sich der Träger nicht Gewissheit darüber verschaffen kann, ob durch die mit den Personensorgeberechtigten vereinbarten Hilfen der Kindeswohlgefährdung begegnet werden kann. Die Eltern bzw. das Kind/ der/die Jugendliche werden bei der Beratung über die Abschätzung des Gefährdungsrisikos sowie über diese Informationspflicht an das Jugendamt hingewiesen. Wenn möglich, erfolgt ein gemeinsames persönliches Gespräch aller Beteiligten, um Transparenz für die Betroffenen herzustellen. Dabei sollten auch die jeweiligen Verantwortlichkeiten dokumentiert werden. 5. Schritt: Nach Information des Jugendamts erfolgt dort das Verfahren zur Abschätzung des Gefährdungsrisikos gem. 8a Abs. 1 SGB VIII. Der Träger bleibt hinsichtlich des Schutzauftrages weiterhin in der Mitverantwortung. Diese wird im jeweiligen Einzelfall abgesprochen und dokumentiert. Bürgerliches Gesetzbuch 1666 (Gerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls) (1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind. (2) In der Regel ist anzunehmen, dass das Vermögen des Kindes gefährdet ist, wenn der Inhaber der Vermögenssorge seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind oder seine mit der Vermögenssorge verbundenen Pflichten verletzt oder Anordnungen des Gerichts, die sich auf die Vermögenssorge beziehen, nicht befolgt. (3) Zu den gerichtlichen Maßnahmen nach Absatz 1 gehören insbesondere 1.Gebote, öffentliche Hilfen wie zum Beispiel Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen, 2.Gebote, für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen, 3.Verbote, vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Familienwohnung oder eine andere Wohnung zu nutzen, sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung aufzuhalten oder zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich das Kind regelmäßig aufhält, 4.Verbote, Verbindung zum Kind aufzunehmen oder ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen, 5.die Ersetzung von Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge, 6.die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge. Seite 8 von 19 Seiten

(4) In Angelegenheiten der Personensorge kann das Gericht auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen. 1666a (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit; Vorrang öffentlicher Hilfen) (1) Maßnahmen, mit denen eine Trennung des Kindes von der elterlichen Familie verbunden ist, sind nur zulässig, wenn der Gefahr nicht auf andere Weise, auch nicht durch öffentliche Hilfen, begegnet werden kann. Dies gilt auch, wenn einem Elternteil vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Nutzung der Familienwohnung untersagt werden soll. Wird einem Elternteil oder einem Dritten die Nutzung der vom Kind mitbewohnten oder einer anderen Wohnung untersagt, ist bei der Bemessung der Dauer der Maßnahme auch zu berücksichtigen, ob diesem das Eigentum, das Erbbaurecht oder der Nießbrauch an dem Grundstück zusteht, auf dem sich die Wohnung befindet; Entsprechendes gilt für das Wohnungseigentum, das Dauerwohnrecht, das dingliche Wohnrecht oder wenn der Elternteil oder Dritte Mieter der Wohnung ist. (2) Die gesamte Personensorge darf nur entzogen werden, wenn andere Maßnahmen erfolglos geblieben sind oder wenn anzunehmen ist, dass sie zur Abwendung der Gefahr nicht ausreichen. Gesetz zur Kooperation u. Information im Kinderschutz KKG (Art. 1 des am 1.1.2012 in Kraft getretenen Bundeskinderschutzgesetzes) 1 (Kinderschutz und staatliche Mitverantwortung) (1) Ziel des Gesetzes ist es, das Wohl von Kindern und Jugendlichen zu schützen und ihre körperliche, geistige und seelische Entwicklung zu fördern. (2) Pflege und Erziehung der Kinder und Jugendlichen sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft. (3) Aufgabe der staatlichen Gemeinschaft ist es, soweit erforderlich, Eltern bei der Wahrnehmung ihres Erziehungsrechts und ihrer Erziehungsverantwortung zu unterstützen, damit 1. sie im Einzelfall dieser Verantwortung besser gerecht werden können, 2. im Einzelfall Risiken für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen frühzeitig erkannt werden und 3. im Einzelfall eine Gefährdung des Wohls eines Kindes oder eines Jugendlichen vermieden oder, falls dies im Einzelfall nicht mehr möglich ist, eine weitere Gefährdung oder Schädigung abgewendet werden kann. (4) Zu diesem Zweck umfasst die Unterstützung der Eltern bei der Wahrnehmung ihres Erziehungsrechts und ihrer Erziehungsverantwortung durch die staatliche Gemeinschaft insbesondere auch Information, Beratung und Hilfe. [ ] 3 Abs. 1 bis 3 (Rahmenbedingungen für verbindliche Netzwerkstrukturen im Kinderschutz) (1) In den Ländern werden insbesondere im Bereich Früher Hilfen flächendeckend verbindliche Strukturen der Zusammenarbeit der zuständigen Leistungsträger und Institutionen im Kinderschutz mit dem Ziel aufgebaut und weiterentwickelt, sich gegenseitig über das jeweilige Angebots- und Aufgabenspektrum zu informieren, struk- Seite 9 von 19 Seiten

turelle Fragen der Angebotsgestaltung und -entwicklung zu klären sowie Verfahren im Kinderschutz aufeinander abzustimmen. (2) In das Netzwerk sollen insbesondere Einrichtungen und Dienste der öffentlichen und freien Jugendhilfe, Einrichtungen und Dienste, mit denen Verträge nach 75 Absatz 3 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch bestehen, Gesundheitsämter, Sozialämter, Gemeinsame Servicestellen, Schulen, Polizei- und Ordnungsbehörden, Agenturen für Arbeit, Krankenhäuser, Sozialpädiatrische Zentren, Frühförderstellen, Beratungsstellen für soziale Problemlagen, Beratungsstellen nach den 3 und 8 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes, Einrichtungen und Dienste zur Müttergenesung sowie zum Schutz gegen Gewalt in engen sozialen Beziehungen, Familienbildungsstätten, Familiengerichte und Angehörige der Heilberufe einbezogen werden. (3) Sofern Landesrecht keine andere Regelung trifft, soll die verbindliche Zusammenarbeit im Kinderschutz als Netzwerk durch den örtlichen Träger der Jugendhilfe organisiert werden. Die Beteiligten sollen die Grundsätze für eine verbindliche Zusammenarbeit in Vereinbarungen festlegen. Auf vorhandene Strukturen soll zurückgegriffen werden. 4 (Beratung und Übermittlung von Informationen durch Geheimnisträger bei Kindeswohlgefährdung) (1) Werden [ ] 2. Berufspsychologinnen oder -psychologen mit staatlich anerkannter wissenschaftlicher Abschlussprüfung, 3. Ehe-, Familien-, Erziehungs- oder Jugendberaterinnen oder -beratern sowie [ ] 7.Lehrerinnen oder Lehrern an öffentlichen und an staatlich anerkannten privaten Schulen in Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder eines Jugendlichen bekannt, so sollen sie mit dem Kind oder Jugendlichen und den Personensorgeberechtigten die Situation erörtern und, soweit erforderlich, bei den Personensorgeberechtigten auf die Inanspruchnahme von Hilfen hinwirken, soweit hierdurch der wirksame Schutz des Kindes oder des Jugendlichen nicht in Frage gestellt wird. (2) Die Personen nach Absatz 1 haben zur Einschätzung der Kindeswohlgefährdung gegenüber dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe Anspruch auf Beratung durch eine insoweit erfahrene Fachkraft. Sie sind zu diesem Zweck befugt, dieser Person die dafür erforderlichen Daten zu übermitteln; vor einer Übermittlung der Daten sind diese zu pseudonymisieren. (3) Scheidet eine Abwendung der Gefährdung nach Absatz 1 aus oder ist ein Vorgehen nach Absatz 1 erfolglos und halten die in Absatz 1 genannten Personen ein Tätigwerden des Jugendamtes für erforderlich, um eine Gefährdung des Wohls eines Kindes oder eines Jugendlichen abzuwenden, so sind sie befugt, das Jugendamt zu informieren; hierauf sind die Betroffenen vorab hinzuweisen, es sei denn, dass damit der wirksame Schutz des Kindes oder des Jugendlichen in Frage gestellt wird. Zu diesem Zweck sind die Personen nach Satz 1 befugt, dem Jugendamt die erforderlichen Daten mitzuteilen. Seite 10 von 19 Seiten

Damit ergeben sich für die Fachkräfte in der Schule und der Jugendhilfe 3 verschiedene rechtliche Zugänge zum Thema Kinderschutz mit jeweils unterschiedlichen Anforderungen und Verpflichtungen ( vgl. Schaubild 1). Schaubild 1: 4 KKG 8a SGB VIII Vereinbarung nach 8a Abs. 4 SGB VIII Sozialer Dienst des Jugendamts Lehrer/innen und Schulpsycholog/innen Schulsozialarbeiter/innen * * Einrichtungen und Dienste, die Leistungen nach dem SGB VIII erbringen 2.2 Folgerungen für die Schule Aus 4 KKG ergibt sich: Schule muss handeln, wenn eine Lehrkraft konkrete Anhaltspunkte für eine (drohende) Gefährdung des Wohls eines Kindes/ eines Jugendlichen wahrnimmt. Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Wohls eines Kindes / eines Jugendlichen können sein: - Körperliche und seelische Vernachlässigung - Seelische Misshandlung - Körperliche Misshandlung - Sexuelle Gewalt Konkret kann sich dies äußern in: Schulschwänzen, Ritzen, Einnässen und Einkoten, Brandwunden, Klauen, Sachzerstörungen, Körperverletzung, Erpressung, Suchtmittelmissbrauch, Hygienemängel, permanente Übermüdung etc. Zu einer exakten Diagnose sind Lehrkräfte nicht verpflichtet. Das Erkennen der Anhaltspunkte verpflichtet Lehrer/innen jedoch zu einem Handeln. Seite 11 von 19 Seiten

Das Vorgehen der Schule wird folgendermaßen beschrieben. Die gestufte Reihenfolge kann im begründeten Einzelfall (Gefahr im Verzug) auch anders aussehen: 1. Anhaltspunkte werden zunächst von der Lehrkraft weiter abgeklärt und schulintern beraten und dokumentiert. 2. Es besteht für Lehrerinnen und Lehrer ein Anspruch auf Beratung durch eine insofern erfahrene Fachkraft (ief) in anonymisierter Form (siehe Übersicht der ief unter 2.5). 3. Der/die Lehrer/in erörtert die Situation mit dem Kind/ dem Jugendlichen und den Personensorgeberechtigten. Ausnahme: Der Schutz des Kindes/ des Jugendlichen wäre hierdurch in Frage gestellt. 4. Soweit erforderlich wird auf die Inanspruchnahme von Hilfen hingewirkt (z.b. schulische Maßnahmen, Hilfen zur Erziehung, Erziehungsberatung, Eingliederungshilfe, etc). 5. Bleibt ein Abwenden der Gefährdung erfolglos (Hilfen werden nicht in Anspruch genommen oder haben nicht den erwünschten Erfolg), ist erneut zu prüfen, ob ein Tätigwerden des Jugendamts für erforderlich gehalten wird. (Die Schule hat die Befugnis, aber keine Pflicht das Jugendamt zu informieren). 6. Vor einer Datenweitergabe an das Jugendamt sind die Erziehungsberechtigten über diesen Schritt zu informieren. Im Materialpool unter 3. ist ein Formblatt, welches sicherstellt, dass eine systematische Information des Jugendamtes mit allen erforderlichen Daten und Darstellungen erfolgt. Dieses Vorgehen ist dann notwendig, wenn die Eltern nicht damit einverstanden sind, das Jugendamt einzuschalten bzw. dazu zu holen. ( 4 KKG gibt die Befugnis zur Datenweitergabe). Im Umkehrschluss bedeutet dies: Können die Eltern dafür gewonnen werden, gemeinsam mit dem Jugendamt die Situation zu erörtern und die Probleme oder Bedarfe offen anzusprechen, erübrigen sich die Schritte vier bis sechs. (Dann ergibt sich die Befugnis zur Datenweitergabe aus der Zustimmung der Eltern). Es kann dann mit den Eltern, dem Kind oder Jugendlichen und dem Sozialen Dienst die befürchtete oder eingetretene Gefährdung besprochen werden mit dem Ziel, geeignete Unterstützungs- und Hilfeangebote zu installieren. Neben den Pflichten zur Wahrnehmung des Kinderschutzes und den Rechten der sorgeberechtigten Eltern haben die Kinder und Jugendlichen selbst noch zwei Rechtsansprüche, die Sie jederzeit beim Jugendamt einfordern können und die daher den Lehrer/innen und Psycholog/innen bekannt sein sollten: Seite 12 von 19 Seiten

(a) Kinder und Jugendliche haben das Recht, sich in allen Angelegenheiten der Erziehung und Entwicklung an das Jugendamt zu wenden und sich dort (auch ohne Kenntnis des Personensorgeberechtigten) beraten zu lassen ( 8 SGB VIII). (b) sich vom Jugendamt in Obhut nehmen zu lassen ( 42 SGB VIII). 2.3 Folgerungen für die Schulsozialarbeit Das Handeln der Schulsozialarbeiter/innen bei Hinweisen auf eine Kindeswohlgefährdung wird durch die Vereinbarung vorgegeben, die ihr Anstellungsträger mit dem Jugendamt gem. 8a Abs. 4 SGB VIII geschlossen hat. Dort haben sich alle Träger von Einrichtungen und Diensten, die Leistungen nach dem SGB VIII erbringen (und Schulsozialarbeit ist eine solche Leistung) verpflichtet sicherzustellen, dass die bei ihnen angestellten Fachkräfte das unter 2.1 beschrieben Verfahren einhalten. Darüber hinaus wird in den Vereinbarungen festgelegt, dass die Träger durch geeignete Maßnahmen (erweitertes Führungszeugnis) sicherstellen, dass keine Personen beschäftigt werden, die einschlägig vorbestraft sind. Dieses Vorgehen unterscheidet sich insbesondere in zwei Punkten zu jenem für Lehrer/innen oder Schulpsycholog/innen verbindlichen Verfahren: (a) Bei der Gefährdungseinschätzung ist grundsätzlich eine insoweit erfahren Fachkraft hinzuziehen. Diese kann vom Träger selbst gestellt oder über die Liste des Jugendamtes angefordert werden. (b) Am Ende des Abklärungsprozesses haben die Schulsozialarbeiter nicht nur die Befugnis, sondern die Pflicht das Jugendamt zu informieren, wenn die Gefährdung nicht (z.b. durch die Vermittlung von geeigneten Hilfen) abgewendet werden konnte Aber auch hier gilt: - Eine Information des Jugendamtes (Datenweitergabe) ist stets möglich, wenn die Personensorgeberechtigten dieser zustimmen. Das bedeutet in der Regel, dass der einfachste und den größten Erfolg versprechende Weg darin besteht, bei den Eltern für ein Dazuholen des Jugendamtes zu werben. - Kinder und Jugendliche können sich auch ohne Wissen der Eltern vom Jugendamt beraten oder in Obhut nehmen lassen. Dazu können sie mit oder ohne Begleitung (z.b. durch Mitschüler/innen oder Schulsozialarbeiter/in) auf das Jugendamt kommen oder der Soziale Dienst kommt in die Schule. Seite 13 von 19 Seiten

Schaubild 2: Wie sollen sich Lehrer/innen (Fachkräfte von Einrichtungen) verhalten? Die kurzen Wege nutzen, präventiv denken und handeln und auf die Inanspruchnahme von Jugendhilfe hinwirken- also das Jugendamt frühzeitig informieren? Oder dem Jugendamt (zunächst) nichts erzählen? Bei Mitwirkung / mit Einverständnis der Eltern ohne Mitwirkung / ohne Einverständnis der Eltern Frühzeitig den SozD dazu nehmen Gemeinsames Gespräch mit Eltern und Kindern und SozD Für die Annahme von Hilfe und Unterstützung werben Werben! Beratung des Kindes oder Jugendlichen auch ohne Wissen der Eltern ( 8 SGB VIII) Bei Bedarf Inobhutnahme ( 42) Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG) bzw. Vereinbarung nach 8a SGB VIII d.h. erst nach Durchführung der nachstehenden Schritte gibt es eine Befugnis, den Sozialen Dienst zu informieren Ein Wechsel auf die linke Seite des Schemas kann zu jedem Zeitpunkt erfolgen! Lehrer/innen Gefährdungsrisiko einschätzen Beratung durch erfahrene Fachkraft Mit Kind und Eltern Situation erörtern Werben um Annahme von Hilfe Befugnis das Jugendamt zu informieren, wenn erforderlich Fachkräfte der Jugendhilfe Gefährdungsrisiko einschätzen im Team und mit einer insoweit erfahrenen Fachkraft Mit Kind und Eltern Situation erörtern um die Annahme von Hilfe werben o eigene Angebote o andere frei zugängliche Hilfen o bei der Kontaktaufnahme mit dem Jugendamt unterstützen verbindliche Absprachen und Kontrolle zur Inanspruchnahme von Hilfen Pflicht, das Jugendamt zu informieren Seite 14 von 19 Seiten

2.4. Folgerungen für den Sozialen Dienst beim Jugendamt Die Möglichkeiten des Tätigwerdens des Sozialen Dienstes des Jugendamtes lassen sich grob in vier Kategorien einteilen: (1) Fallberatung mit Lehrer/innen oder Schulsozialarbeiter/innen, bei der die Fragen nur allgemein und ohne Nennung der Namen der betroffenen Familien besprochen werden (anonymisierte Beratung) (2) Gespräche/Beratung von Kindern und Jugendlichen - auch ohne Information der Eltern - sowie ggf. anschließende Inobhutnahme (3) Beratungsgespräche mit der gesamten Familie: Die Erfahrung zeigt, dass ein Verweis oder eine Überweisung einer Familie an den Sozialen Dienst häufig nicht besonders gut funktioniert. Daher ist es grundsätzlich besser, wenn die Schule mit den jungen Menschen und ihren Eltern einen Termin vereinbart und den Eltern und dem jungen Menschen mitteilt, dass auch der Soziale Dienst eingeladen ist. Weitere Gespräche mit der Familie können dann weiterhin in der Schule stattfinden, meist jedoch erfolgen sie im Rahmen von Hausbesuchen in der Familie oder auch auf dem Amt bzw. einer der Außensprechstunden des SozD. (4) Werden dem Sozialen Dienst gewichtige Hinweise auf eine Kindeswohlgefährdung bekannt (entweder durch seine Kontakte zu Familien oder durch eine Information der Schule oder Schulsozialarbeit - siehe 2.2 und 2.3) geht dieser nach einem standardisierten Verfahren vor, dass etwas verkürzt mit folgenden Schritten beschrieben werden kann: - Ad-hoc-Besprechung, in der das weitere Vorgehen geklärt wird. - Risikoabschätzung mittels Hausbesuch, Informationssammlung bei den Betroffenen und - wenn diese nicht mitwirken - bei Dritten, Erhebungsbögen, Einbeziehen von Befunden Dritter (z.b. Ärzte, Schule). - Teambesprechung mit Leitung, bei der geklärt wird, ob von einer Kindeswohlgefährdung ausgegangen werden muss und wie dieser ggf. begegnet werden kann. Dazu gibt es (erneut etwas vereinfacht) grundsätzlich 3 Möglichkeiten. (a) die Familie nimmt Hilfe an - wobei der Soziale Dienst dann prüft, ob dies ausreichend ist, (b) es wird ein Schutzkonzept vereinbart, das die verschiedensten Verpflichtungen und Kontrakte beinhalten kann (Arztbesuche, Therapie, regelmäßige Hausbesuche durch den Sozialen Dienst, Inanspruchnahme von Beratung, uvm.); (c) Mitteilung an das Familiengericht - dieses kann den personensorgeberechtigten Eltern das gesamte oder Teile des Sor- Seite 15 von 19 Seiten

gerechts aberkennen und auf einen (Amts-)Vormund übertragen, der wiederum dann Hilfe wie z.b. eine außerhäusliche Unterbringung beantragen kann. - Auswertung, ob die eingeleiteten Schritte zum Schutz des Kindes/ Jugendlichen geeignet und ausreichend waren oder bestimmte Auflagen auch wieder zurückgenommen werden können. Da das Jugendamt grundsätzlich nur auf Antrag eines Sorgeberechtigten (Eltern o- der Vormund) eine Hilfe leisten kann, ist der Soziale Dienst - mit Ausnahme eines zuvor stattgefundenen Entzugs des elterlichen Sorgerechts, den nur das Familiengericht aussprechen kann auf die Kooperation mit den Eltern angewiesen. Es ist wichtig, dass auch die Kooperationspartner dies wissen und beim Hinwirken auf die Inanspruchnahme von Hilfe beachten. Liegt keine Kindeswohlgefährdung vor 1 und lehnen die Sorgeberechtigten Hilfe ab, kann es zu keiner Jugendhilfeleistung kommen, selbst wenn sich alle beteiligten Fachkräfte darin einig sind, dass es einen hohen Bedarf und geeignete Unterstützungsmöglichkeiten gibt (siehe Schaubild 3). Schaubild 3: Möglichkeiten und Grenzen des Jugendamtes Kein Hilfsbedarf Hilfebedarf Kindeswohlgefährdung Bei Kooperation der Betroffenen Bei Nichtkooperation der Betroffenen Tätigwerden des Sozialen Dienstes nicht erforderlich Vermittlung von Hilfen in enger Zusammenarbeit mit Eltern und dem jungen Menschen Leistungen nach SGB VIII nicht möglich Mitteilung an das Familiengericht 1 Bundesverfassungsgericht 2010: Nicht jedes Versagen oder jede Nachlässigkeit der Eltern berechtigt den Staat, die Eltern von der Pflege und Erziehung ihres Kindes auszuschalten (siehe auch 1666a BGB unter 2.1) Seite 16 von 19 Seiten

2.5. Übersicht über die "insofern erfahrene Fachkräfte im Rems- Murr-Kreis": Name Psychologische Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche Ansprechpartnerinnen: Birgit Meixner Ursula Kaiser Anschrift Caritas-Zentrum Waiblingen Talstraße 12 71332 Waiblingen Tel.: 07151 / 17 24 28 Beratungsstelle für Familien und Jugendliche Ansprechpartnerinnen: Heike Kruggel Bahnhofstraße 64 71332 Waiblingen Tel.: 07151/501-1500 Beratungsstelle für Familien und Jugendliche Erbstetter Str. 58 71522 Backnang Tel.: 07191/895-4039 Beratungsstelle für Familien und Jugendliche Silcherstraße 39 73614 Schorndorf Tel.: 07181/93889-5039 Seite 17 von 19 Seiten

3. Arbeitshilfen zur Fortschreibung und Ergänzung der bestehenden Kooperationsvereinbarungen 3.1 Fragestellungen zur Fortschreibung der Kooperationsvereinbarung zwischen Schule und sozialem Dienst des Jugendamtes Ansprechpersonen, Kontaktaufnahme und Kontaktpflege - Sind die Daten noch aktuell? - Ist die gegenseitige Kontaktaufnahme und Kontaktpflege geregelt? Hat sich die Regelung bewährt? Auftrag und Handlungsmöglichkeiten der Institutionen - Sind Auftrag und Handlungsmöglichkeiten der jeweils anderen Institution bekannt? - Sind die zuständigen Personen namentlich bekannt? - Gibt es turnusmäßige Treffen zur gegenseitigen Information (Gesamtlehrerkonferenz )? - Ist die Kooperationsvereinbarung in die Kollegien multipliziert und für alle zugänglich? - Gibt es schulintern Leitlinien zum Vorgehen (kollegiale Fallbesprechung etc) bei (drohender) Kindswohlgefährdung? - Sind den Beteiligten die möglichen Hilfsangebote bekannt? Zusammenarbeit in der Fallarbeit - Wird das Erfahrungswissen multipliziert? - Sind Gelingensfaktoren und Stolpersteine identifiziert und werden diese im Sinne einer Professionalisierung der Zusammenarbeit bearbeitet? - Werden die Grundsätze der Zusammenarbeit (siehe Punkt 1) beachtet? Seite 18 von 19 Seiten

3.2 Formblatt zur Information des Jugendamtes nach 4 KKG bzw. entsprechend der Vereinbarung zum 8a SGB VIII Das Formblatt für die Schule ist der elektronischen Version als Anlage hinterlegt. Formblatt zur Information des Jugendamtes Seite 19 von 19 Seiten