ABC-Projekt erprobt Direkte Instruktion (Ergebnisse einer Studie) Unterrichtsforschung im ABC-Projekt

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ABC-Projekt erprobt Direkte Instruktion (Ergebnisse einer Studie) Unterrichtsforschung im ABC-Projekt Das Forschungsvorhaben A.B.C. (Alphabetisierung - Beratung - Chancen) wird von der Volkshochschule Oldenburg in Kooperation mit dem Didaktischen Zentrum der Carlvon-Ossietzky Universität Oldenburg und Wissenschaftlern weiterer Hochschulen durchgeführt und aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung im Zeitraum von November 2007 bis Oktober 2010 gefördert. Das Projekt begleitet eine Lerngruppe von sieben erwachsenen Analphabeten in einem Intensiv-Alphabetisierungsangebot (20 U.Std. pro Woche) und erforscht die Lehr- und Lernprozesse sowie die Gelingensbedingungen erfolgreicher Alphabetisierung. Es werden empirisch belegbare und übertragbare Erkenntnisse gewonnen, um Kursleitenden Erfolg versprechende Unterstützungssysteme für die tägliche Unterrichtspraxis anzubieten. Im Bereich Didaktik werden verschiedene Unterrichtskonzepte für die Intensivlerngruppe entwickelt, erprobt und auf Praxistauglichkeit bewertet. Die Forschergruppe um Prof. Matthias Grünke 1 vertritt den didaktischen Ansatz der Direkten Instruktion und entwickelt während der Projektlaufzeit Unterrichtsmodule zur Förderung der phonologischen Bewusstheit, des Erlernens der Graphem-Phonem-Korrespondenz (G-P-K) der Lesegenauigkeit der Lesegeschwindigkeit des Leseverständnisses Direkte Instruktion Der Begriff Direkte Instruktion leitet sich aus dem angloamerikanischen Begriff direct instruction ab, der 1979 von Rosenshine eingeführt wurde und wörtlich übersetzt direktes Unterrichten bedeutet. Die Direkte Instruktion ist ein wissenschaftlich und empirisch gut evaluierter didaktischer Ansatz mit erwiesener Wirksamkeit in Bezug auf die Vermittlung und Festigung von Lerninhalten sowie den Aufbau von Lernstrategien(Wember, 2007). Sie beruht nach Wember (2007) in Anlehnung an eine Analyse der empirischen Ergebnisse von Rosenshine auf folgenden Prinzipien: (1) tägliches Wiederholen, (2) schrittweise Vermittlung neuer Lerninhalte, (3) angeleitetes Üben, (4) Feedback und Fehlerkorrektur und (5) eigenständiges Üben. Die Direkte Instruktion weist also einen wiederholten Wechsel von Sequenzen der Präsentation und Demonstration neuer Inhalte und Übungsphasen auf (Grünke, 2006). Die Durchführung der Direkten Instruktion findet immer nach demselben Muster statt: Die Lehrperson teilt den Unterrichtstoff in kleine Lerneinheiten ein, präsentiert ihn und festigt das Erlernte durch Frage- und Aufgabenstellungen. Anschließend bearbeiten die Lernenden Übungsaufgaben, die von der Lehrperson korrigiert werden. Das selbstständige Üben soll so lange fortgeführt werden, bis eine Automatisierung 1 Prof. Grünke hat den Lehrstuhl für Konzeption und Evaluation schulischer Förderung im Förderschwerpunkt Lernen an der Uni Köln. Zu seinem Team gehören Anna-Maria Hintz und Michael Grosche.

kognitiver Fähigkeiten erfolgt ist. Unter Automatisierung versteht Wember (2007) eine nahezu fehlerfreie und anstrengungslose Beherrschung der Lerninhalte. Da sich gerade bei lernschwachen Kindern das Vorgehen im Sinne einer Direkten Instruktion als zuträglich erwiesen hat (Swanson, 1999; Grünke, 2006), wurde die Umsetzbarkeit und Wirksamkeit der Direkten Instruktion im Rahmen eines Unterrichtsmoduls mit erwachsenen funktionalen Analphabeten untersucht. Förderung des Erlernens der Graphem-Phonem-Korrespondenz (G-P-K) Anna-Maria Hintz konzipierte das Unterrichtsmodul zum sicheren Erlernen der G-P-K, das von März bis Juli 2009 in der Lerngruppe des ABC-Projektes durchgeführt und anschließend evaluiert wurde. Zur methodischen Umsetzung wurde das Förderkonzept IntraActPlus (IAP) von Jansen, Streit und Fuchs (2007) ausgewählt, das dem Ansatz der Direkten Instruktion entspricht. Es handelt sich um ein Curriculum zum Schriftspracherwerb in stark angeleiteter Art und Weise. Die Grapheme mit ihrer jeweiligen Phonem-Zuordnung werden in einer streng festgelegten Reihenfolge vermittelt, so dass ähnliche Grapheme nicht zeitnah gelernt werden. Da dieses Konzept für die Vor- und Grundschule entwickelt wurde und vor bzw. während der Moduldurchführung Mängel des IAP- Programms festgestellt wurden, musste es für die Lernergruppe im ABC-Projekt modifiziert werden. 1. Anpassungen unter dem Aspekt einer erwachsenengerechteren Umsetzung: durch Weglassen von Übungsblättern aus dem IAP-Programm, o auf denen nur ein Graphem oder eine Silbe geübt wird (für Erwachsene, die bereits Schrifterfahrung haben, zu wenig). o die inhaltlich nicht erwachsenengerechte Wörter oder Sätze enthalten. o die alberne Zusammenstellungen von Lauten/Silben enthalten (I und A im Wechsel oder auch die Unsinnswörter HOHO, HIHI, HUHU)

Einige Arbeitsblätter des IAP-Programms präsentieren neben den Graphemen und Silben auch Farbfelder oder Symbole, die benannt werden sollen. Durch diesen anderen Reiz wird die kurzzeitige Speicherung der Phoneme und Silben gestört, so dass immer wieder neu gelesen und nicht nur memoriert werden muss. Diese Felder wurden mit Zahlen versehen, deren Benennung für Erwachsene eine größere Herausforderung darstellt. 2. Anpassungen zum Ausgleich sprachwissenschaftlicher Mängel des Programms: IAP vermittelt eine 1:1 Zuordnung von G-P-K, die nicht der Wirklichkeit entspricht und spätestens beim Wortlesen zu Irritationen führen muss. Die Vokale wurden zwar lang eingeführt, aber bei den Silben bzw. Endungen wie el und en die kurze Aussprache trainiert. 3. Anpassungen aufgrund von Erfahrungswissen: Es wurden zusätzliche Übungsblätter erstellt zu speziellen Graphemen wie ei, eu, au,ä, ö und ü, die vielen Lernern Schwierigkeiten bereiten. Mit dem IAP-Programm werden bis auf <pf>, <ng> und <chs> alle Basisgrapheme zum Üben angeboten. Daneben werden aber auch die Orthographeme <sp>, <st>, <c> und <ck> trainiert. Insofern bleibt unklar, nach welchen Kriterien die Grapheme ausgewählt wurden. Ebenfalls offen bleibt, nach welchen Kriterien die Reihenfolge der Register und der einzelnen Grapheme in einem Register bestimmt wurde. Einziger Hinweis ist, dass ähnliche Grapheme nicht im selben Register trainiert werden. In der Praxis zeigte sich bei einigen Lernern, dass der Übungsabstand ähnlicher Grapheme und Phoneme von einem Register zu gering ist. Insofern sollte das IAP-Programm unter sprachwissenschaftlichem Aspekt überarbeitet werden. Umsetzung des G-P-K Moduls Innerhalb der vier Unterrichtsstunden wurden täglich ca. zwei 15-minütige Trainingseinheiten mit jeweils 3 Übungsphasen zum Erlernen der G-P-K angesetzt. In der ersten Übungsphase führte die Kursleiterin anhand einer Buchstabentafel die zu übenden Grapheme ein. Nachdem jeweils vier G-P-K eingeübt wurden (zunächst nur A, M, L, U), erfolgte das Zusammenschleifen der Graphem-Kombinationen mit Hilfe von zwei Buchstabentafeln und einem Fingerzeig. Sowohl das Benennen der einzelnen Grapheme als auch das Erlesen der Silben erfolgte im Chor. In der Praxis zeigte sich, dass unsichere Lerner entweder sehr leise sprachen oder auch leicht verzögert lasen, um Fehler nicht zu zeigen bzw. zu vermeiden. Verlesungen wurden sofort korrigiert.

In einer zweiten Übungsphase wurden allen Lernern die zuvor geübten Silben und 4 lauttreue Wörter diktiert, die aus den geübten Graphemen bestanden. Nach jeder Silbe wurde die richtige Lösung an die Tafel geschrieben, so dass die Lerner ihre Lösung sofort vergleichen konnten. Häufiger Fehler war die Verdrehung der Buchstaben. In der abschließenden dritten Phase übten die Lerner zu zweit oder auch allein Phoneme, Silben und Wörter auf ein bis drei Arbeitsblättern sicher zu lesen. In der Regel wurde ein Arbeitsblatt von der Kursleiterin als sicher gelesen abgehakt, wenn es flüssig und ohne Fehler vorgelesen werden konnte. In dieser Übungsphase mussten alle Lerner viel Rücksicht aufeinander nehmen, denn durch das unterschiedliche Murmeln der Silben war der Geräuschepegel anfangs sehr hoch. Wie erwartet machten die Lerner unterschiedlich schnell Fortschritte, die in der dritten Übungsphase am deutlichsten sichtbar waren. Zum Ende des Moduls hatten zwei Lerner das komplette Programm (16 Register) bearbeitet, während eine Lernerin noch im 5. Register übte. Um die schnelleren Lerner nicht zu langweilen, wurden in der ersten und zweiten Übungsphase neue Grapheme präsentiert, obwohl noch ein oder zwei Lerner unsicher bei den zuvor geübten Graphemen und Silben waren. Das Wortdiktat wurde für die schnelleren Lerner mit zusätzlichen Wörtern erweitert. Alle Lernenden waren ehrgeizig und es hatte keinen Sinn, Grapheme/Phoneme und Silben für die schnelleren Lerner extra einzuführen, weil die anderen auch gleich mitmachten. Selbst beim Wortdiktat gab es hin und wieder die Situation, dass sich eine Lernerin extra beeilte, um das schwierigere Wort mitschreiben zu können.

Forschungsfragen, Evaluation und Ergebnisse Um feststellen zu können, ob die Förderung des Erlernens der G-P-K nach Prinzipien der Direkten Instruktion erfolgreich war, wurde wöchentlich mit jedem Lernenden eine curriculum-basierte Messung (CBM) durchgeführt. Jeder Lernende las fünf Minuten lang Silben, die auf Testblättern dargeboten wurden. Die Reihenfolge der Silben wurde wöchentlich geändert. Dann wurde ausgezählt, wie viele Silben sicher, also richtig innerhalb einer Sekunde erfasst wurden. Anhand dieser Werte wurden die ersten beiden Forschungsfragen beantwortet: 1. Zeigt sich während der Moduldauer eine statistisch signifikante Veränderung der CBM-Werte im Sinne einer Verbesserung hinsichtlich der sicher gelesenen Silben? 2. Zeigt sich während der Moduldauer eine statistisch signifikante Veränderung der CBM-Werte im Sinne einer Abnahme von nicht sicher gelesenen Silben? Die bivariate Korrelation nach Pearson zwischen den Messzeitpunkten und den CBM- Werten ergibt für eine einseitige Messung folgende Werte: Bei sechs von sieben Lernern zeigten sich Verbesserungen hinsichtlich der sicher gelesenen Silben, bei vier Lernern eine statistisch signifikante Verbesserung (große Effektstärke) und bei zwei weiteren Lernern eine tendenzielle Verbesserung (mittlere und kleine Effektstärke). Tabelle 1: Zunahme sicher gelesener Silben Name Korrelation (r) Effekt Signifikanz (p) Antje -.144 klein neg..336 11 Connie.370 mittel.146 10 Eva.652 groß.015 11 Ina.750 groß.004 11 Markus.589 groß.048 9 Rolf.736 groß.003 12 Susanne.116 klein.367 11 Anzahl Messwerte Die falsch und ungenau gelesenen Silben nehmen bei einem Lerner statistisch signifikant ab, bei drei weiteren Lernern nahm die Anzahl der falsch und unsicher gelesenen Silben auch tendenziell ab.

Tabelle 2: Abnahme nicht sicher gelesener Silben Name Korrelation (r) Effekt Signifikanz (p) Antje -.367 mittel.133 11 Connie -.186 mittel.303 10 Eva.168 mittel (neg.).310 11 Ina -.130 mittel -.581 11 Markus.006 klein (neg.).494 9 Rolf -.778 groß.001 12 Susanne -.290 mittel.193 11 Anzahl Messwerte 3. Zur Beantwortung der dritten Forschungsfrage, ob das Üben der G-P-K auch einen positiven Effekt auf das Wortlesen hat, wurde die Würzburger Leise Lese Probe (Küspert & Schneider, 1998) als Prä- und Posttest durchgeführt. Es wurde ein Wilcoxon-Test gerechnet, um die Mittelwerte der Prä- und Posttestwerte für die Gesamtgruppe auf signifikante Unterschiede zu vergleichen. Hier zeigte sich, dass die im Mittel richtig gelesenen Items bei allen Lernern tendenziell zugenommen haben. 4. Um auch Leseverbesserungen feststellen zu können, die zwischen den Messpolen sicher und falsch gelesene Items liegen, wurde von Nadine Engel eine qualitative Auswertung des Prä- und Posttestes vorgenommen. So stellt es einen qualitativen Unterschied der Leseleistung dar, ob ein Lerner ein Wort langsam und richtig oder langsam und falsch liest. Ebenso ist es von Bedeutung, ob der Lerner a) seinen Fehler bemerkt und b) ob er ihn korrigieren kann. Erfolgt die Korrektur schnell K(sch), ist die Leseleistung in der Regel höher einzuschätzen als bei einer langsamen Korrektur K(L). Anhand der Tab. 3 sind einige Leseverbesserungen von Antje nachvollziehbar. Sie hat in der Tendenz weniger falsch gelesen. Tabelle 3: Fallbeispiel Antje - Leseentwicklung von im März langsam und falsch gelesenen Items März: langsam falsch gelesen Vergleich der Lesungen im Juni langsam K(sch) K (L) zu lesen gelesen zu lesen gelesen SUSE SUSI 1 SUSE 1 GARDINE GARMEL 1 GARDINE Garadine 1 1 MANDARINE MAGARINE 1 MANDARINE 1 KÖDER KÖRPER 1 KÖDER 1 Rader Radar Raba 1 1 Radar Rader 1 1 öfter ofter 1 öfter öffer 1 1 Messe Meise Messi 1 Meise 1 Stufe Stoffe 1 Stufe 1 plo polo 1 plo pilo tru trau 1 tru trau kleckern kaleckern 1 1 kleckern 1 langsam K(sch) K (L) sicher

Allerdings las Antje im März Wörter sicher, die sie dann im Juni langsam und falsch las. Das verwundert. Ein Erklärungsansatz ist, dass Antje, die vorher vermeintlich sicher gelesenen Wörter nur als Wortbilder erfasst hatte und nun durch das Training versucht, die Wörter zu erlesen. Das würde bedeuten, dass ein Strategiewechsel stattfindet (von der Wortbildleserin zur basalen G-P-K-Leserin) und es dadurch zwar zunächst zu mehr Fehlern und der Verringerung der Lesegeschwindigkeit kommt, es aber gleichzeitig eine Verbesserung ihrer Lesekompetenz darstellt, die durch Zahlen nicht messbar ist. Die qualitative Auswertung ermöglicht es, auf unterschiedliche Lernwege der Lerner aufmerksam zu werden, den Lernprozess besser zu verstehen und damit besser begleiten zu können. Fazit In Anbetracht der bei vier Lernenden statistisch signifikanten Verbesserungen, den tendenziellen Verbesserungen bei weiteren zwei Lernenden und ersten Erkenntnissen zur Leseverbesserung nach qualitativer Analyse ist davon auszugehen, dass die Förderung nach Prinzipien der Direkten Instruktion wirksam war. Entsprechend ist eine Weiterführung der Vorgehensweise vorgesehen, bis mindestens 95% der G-P-K sicher gelesen werden können. Literatur Grünke, M. (2006). Zur Effektivität von Fördermethoden bei Kindern und Jugendlichen mit Lernstörungen. Eine Synopse vorliegender Metaanalysen. Kindheit und Entwicklung, 15, 238-253. Jansen, F., Streit, U. & Fuchs, A. (2007). Lesen und Rechtschreiben lernen nach dem IntraActPlus-Konzept. Berlin: Springer. Küspert, P. & Schneider, W. (1998). Würzburger Leise Lese Probe (WLLP). Göttingen: Hogrefe. Rosenshine, B.V. (1979). Content, time, and direct instruction. In P.L. Peterson & H.L. Walberg (Eds.), Research on teaching (pp. 28-56). Berkeley, CA: McCutchan. Swanson, H.L. (1999). Instructional components that predict treatment outcomes for students with learning disabilities. Learning Disability Research and Practice, 14, 129-140. Wember, F. (2007). Grundfragen und Modelle der Didaktik. In U. Heimlich & F. B. Wember (Hrsg.), Didaktik des Unterrichts im Förderschwerpunkt Lernen (S. 90-95). Stuttgart: Kohlhammer. Nadine ENGEL, MA. Germanistik/ Pädagogik, ist Kursleiterin im ABC-Projekt. Sie berät und unterstützt die beteiligten Wissenschaftler durch ihr Fach- und Erfahrungswissen bei der Konzeption einzelner Module. engel@abc-projekt.de

Anna-Maria HINTZ, Dipl. Päd., Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Universität zu Köln, Humanwissenschaftliche Fakultät, Department Heilpädagogik, Lehrstuhl für Konzeption und Evaluation schulischer Förderung im Förderschwerpunkt Lernen, wissenschaftliche Begleitung des ABC-Projektes im Projektbaustein Didaktik/ Direkte Instruktion. ahintz@uni-koeln.de Achim SCHOLZ leitet das Forschungsvorhaben A.B.C. (Alphabetisierung Beratung Chancen). scholz@abc-projekt.de