Übungen Privatrecht ZGB Ass.-Prof. Dr. R. Fankhauser Allgemeines und Fälle I. Allgemeine Hinweise zur Veranstaltung Im Rahmen der Lehrveranstaltung werden aufgrund des erlernten Prüfungsstoffes Fälle aus dem ZGB-Bereich gelöst. Eine aktive Teilnahme wird erwartet; das ZGB und das OR (und gegebenenfalls das IPRG) sind mitzubringen. Es sind alle Studierenden gebeten, den Newsletter zur Vorlesung zu abonnieren (auf der Website Fankhauser unter Aktuelle Veranstaltungen die Veranstaltung Übung: Privatrecht für Fortgeschrittene Schwerpunkt ZGB anklicken und dort kann zuoberst der Link Newsletter abonnieren aktiviert werden). Weitere Hinweise zu den Fällen (Lösungsskizzen, Literatur, Entscheide etc.) werden über die Veranstaltungswebsite oder den erwähnten Newsletter mitgeteilt. Die Fälle werden in der nachfolgenden Reihenfolge behandelt. Ob die Falllösung jeweils zwei oder mehr Lektionen umfasst, kann nicht im Voraus angegeben werden. FS 2010 1
II. Fälle Fall 1 Der 16-jährige Markus Gschwind sieht älter aus, als er wirklich ist. Er geht aufs Gymnasium. Mit seinen (sehr begüterten) Eltern (Susanne und Peter Gschwind) liegt er seit Wochen im Streit, weil er unter Hinweis auf befreundete Gleichaltrige sich für sein Zimmer einen Flachbildschirmfernseher wünscht. Die Eltern sind dagegen und wollen auch nicht den Kaufpreis von CHF 2'300. aufbringen. Eines Tages besucht Markus das Geschäft der HiFi Star AG und kauft sich den betreffenden Fernseher auf Rechnung. Der Verkäufer, Herr Marxer, hatte keinen Ausweis verlangt, weil er aufgrund des Aussehens von Markus keinerlei Zweifel hatte, dass dieser volljährig ist. Nachdem Markus die Rechnung nicht begleicht, wendet sich die HiFi Star AG an Sie und bittet Sie um Ihre Meinung, wie die Rechtslage ist. Variante: Markus Gschwind ist im ersten Jahr einer Berufslehre und erhält einen monatlichen Lehrlingslohn von CHF 1'350. brutto, wobei er monatlich CHF 500. für Kost und Logis zuhause abgeben muss. Fall 2 In einer Scheidungskonvention zwischen Herrn und Frau Müller wurde hinsichtlich des Unterhaltsbeitrags an das gemeinsame Kind Kevin folgendes vereinbart: Der Vater verpflichtet sich, an den Unterhalt des gemeinsamen Sohnes Kevin, geb. 17. Dezember 1991, einen monatlichen, monatlich vorauszahlbaren Unterhaltsbeitrag von CHF 950. zu bezahlen. ( ) Diese Unterhaltspflicht endet mit dem Abschluss einer angemessenen Ausbildung. ( ) Dieser Unterhaltsbeitrag basiert auf dem Landesindex der Konsumentenpreise des BFS bei Unterzeichnung der Vereinbarung und wird jeweils per 1. Januar, erstmals auf den 1. Januar 2002 dem Novemberindex des Vorjahres angepasst. Die Scheidungskonvention wurde vom Bezirksgericht Arlesheim am 17. Februar 2001 genehmigt und die Scheidung ausgesprochen. Nun kommt Frau Müller zu ihnen und erzählt, einerseits habe Herr Müller seit der Scheidung nie den Unterhaltsbeitrag indexiert (sie habe es aber auch nie verlangt) und andererseits sei Herr Müller wie sie über eine Freundin erfahren habe zum Direktor befördert worden. Kevin wohnt immer noch bei der Mutter und hat ein Germanistikstudium begonnen. Nachdem die Mutter im Januar 2010 Herrn Müller FS 2010 2
gebeten hatte, seine Einkommenssituation offen zu legen, hat er seine Unterhaltszahlungen ab Februar gänzlich eingestellt. Wie ist die materielle und prozessuale Rechtslage? Fall 3 Herr Peter Wütterich ist im Dezember 2009 ledig und kinderlos verstorben. Der Erblasser hat zwei Geschwister (Marlies und Johanna), wobei Johanna vorverstorben ist. Marlies hat wiederum eine Tochter, welche einen Sohn namens Andreas hat. Johanna hatte zwei Kinder, die beide noch leben (Gustav und Benjamin). Erika ist die Nachbarin von Wütterich. Herr Wütterich hat einen mit Bleistift geschriebenen Text hinterlassen, der wie folgt lautet: Januar 2009 Testament In Bezug auf mein Testament überlasse ich, Peter Wütterich, nach meinem Tod mein Vermögen Andreas und Erika. Meine Gelder lasse ich dem Neffen und der Erika, die mir beigestanden sind, nicht wie jene, die mir die Tür ins Gesicht geschlagen haben. Fall 4 Herr und Frau Simmering (beide deutsche Staatsangehörige) sind seit 1980 verheiratet und leben seit 1985 in der Schweiz. Sie führen eine Einverdienerehe, der Ehemann ist zu 100% erwerbstätig und die Ehefrau führt den Haushalt und betreute die Kinder. Nach dem Auszug der Kinder (im Jahre 2000) konnte die (ungelernte) Ehefrau teilzeitlich in einer Bibliothek arbeiten (durchschnittlich 10-20%). Im Jahre 2003 haben die Ehegatten Simmering wegen ehelicher Differenzen das Getrenntleben aufgenommen und möchten nun die Scheidung anstreben. Während des Getrenntlebens hat Herr Simmering seiner Ehefrau einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von CHF 3'400. bezahlt. Einige Zeit nach Aufnahme des Getrenntlebens hat Frau Simmering wider Erwarten eine 100%-Stelle antreten können, mit welcher sie ein Einkommen von rund CHF 5'000. netto erzielt. Sie konnte deshalb die Unterhaltsbeiträge auf die Seite legen und hat nun auf dem dafür eingerichteten Sparkonto bei der CS einen Betrag von CHF 150'000. angespart (Stand 31.12.2009). Bei Aufnahme des Getrenntlebens im Jahre 2003 befand sich auf dem Sparkonto von Herrn Simmering bei der BKB ein Betrag von CHF 180'000. (Ersparnisse aus Erwerbseinkommen zwischen 1980 und 2003). Auf dieses Konto angesprochen legt Herr Simmering einen Kontoauszug per 31.12.2009 vor, wonach sich der Saldo auf diesem Konto auf CHF 4'646. beläuft. Im Laufe der weiteren Verhandlungen stellt sich heraus, dass Herr Simmering sich und seiner neuen Partnerin im Jahre 2004 eine dreimonatige Kreuzfahrt gegönnt hat (die Rechnung für die 1. FS 2010 3
Klasse-Kabine ist mit CHF 148'000. beziffert). Den Rest des Geldes habe er für Steuerforderungen und seinen Unterhalt benötigt. Im Jahre 2006 habe er für CHF 21'000. ein neues Motorrad (Harley-Davidson) gekauft, nachdem seine alte Maschine (eine bereits bei Eheschluss ihm gehörende Triumph) bei einem Unfall zerstört worden war. Wie ist die güterrechtliche Rechtslage? Fall 5 Benno (geb. 1924) und Karolina Stohler (geb. 1927) haben einen gemeinsamen Sohn Christian (geb. 1965). Der Sohn Christian hatte sich vor rund 15 Jahren mit seiner Mutter überworfen und verweigerte jeglichen Kontakt zu ihr. Einzig zu seinem Vater bestand weiterhin eine lose Beziehung (sie sahen sich einmal im Jahr beim Zunftessen und ein weiteres Mal bei einem jährlichen Wanderausflug). Karolina Stohler hat im November 2009 erfahren, dass sie an Darmkrebs leidet und vermutlich nur noch wenige Monate zu leben hat. Benno, der bereits vorher an Depressionen litt, beging im Januar 2010 Selbstmord. Das Vermögen von Benno Stohler bestand im Zeitpunkt seines Todes aus einem während der Ehe aufgrund Arbeitserwerbs angesparten Barvermögens von CHF 400'000. sowie einer ererbten Familienliegenschaft (Nettowert CHF 1'000'000. ). Benno und Karolina Stohler hatten einen Ehevertrag abgeschlossen, wonach beide dem Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung unterstehen sollen und dem überlebenden Ehegatten beide Vorschläge vollumfänglich zufallen sollen. In der Schublade des Schreibtisches von Benno Stohler finden sich zudem in einem Couvert vier zerrissene Teile eines Schriftstückes mit folgendem handgeschriebenen Text: Basel, den 17. Februar 1990 Ich bestimme hiermit letztwillig und unwiderruflich, dass meiner Ehefrau der gesamte Nachlass zur Nutzniessung gemäss Art. 473 ZGB zufallen soll. Benno Stohler (Unterschrift) Bei der Eröffnung stellt sich heraus, dass das zerrissene Schriftstück eine Kopie war und das Original bis zum Tod von Benno Stohler beim Erbschaftsamt deponiert war und damit noch vorhanden ist. Wie ist die Rechtslage und welche Strategie raten Sie der Witwe? FS 2010 4
Fall 6 Der Schweizer Zeno und die Ausländerin Annabelle heirateten, hoben aber schon kurz darauf den gemeinsamen Haushalt auf. Annabelle, die seither mit Gabriel zusammenlebt, gebar einige Jahre später ein Kind. Zeno erhob eine Klage zur Anfechtung der Vaterschaft, zog sie aber wieder zurück. Noch während ihrer Ehe mit Zeno hat Annabelle ein zweites Kind geboren. Kurz nachher ist Zeno im Spital gestorben. Es liegen Zellproben vor, die sich für eine DNA- Analyse eignen. Annabelle widersetzt sich einer solchen. Die Vormundschaftsbehörde hält es für möglich, dass Gabriel Vater der beiden Kinder ist. Sie ist der Auffassung, es sei abgesehen von den möglicherweise zu Unrecht erworbenen zwei Halbwaisenrenten stossend, dass die beiden Kinder im Glauben gelassen werden, ihr Vater sei verstorben, während der wirkliche Vater mit ihnen im gleichen Haushalt lebe. Sie erkundigt sich, ob rechtliche Möglichkeiten bestehen, die DNA-Analyse gegenüber der Mutter bzw. den beiden Kindern durchzusetzen. Fälle 7 ff. Werden bei Bedarf aufgeschaltet. FS 2010 5