Die Strafbarkeit der Fehlallokation bei der Organvergabe Korruption im Gesundheitswesen 2. Kölner Kolloquium zur Wirtschaftskriminalität 19.2.2016 Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Interdisziplinäres Zentrum Medizin Ethik Recht
II. Der Göttinger Organspende- als Organallokationsskandal 1. Organallokationsskandal 2. Manipulation des MELD-Scores Aufnahme in die Warteliste ( 10 Abs. 2 Nr. 2 TPG): Nach den Stand d. Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft, insbesondere nach Notwendigkeit und Erfolgsaussicht Vermittlung der Organe ( 12 Abs. 3 S. 1 TPG): Nach den Stand d. Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft, insbesondere nach Erfolgsaussicht und Dringlichkeit 16 I S. 1 Nr. 5 TPG: Aufgabenübertragung an die Bundesärztekammer (BÄK)
II. Der Göttinger Organspende- als Organallokationsskandal 2. Manipulation des MELD-Scores MELD-Score: Model End Stage Liver Disease MELD-Score = 10 * (0,957 * log(kreatinin) + 0,378 log(bilirubin) + 1,12 log(inr) + 0,643) = labmeld zwischen 6 und 40 Punkten je höher der Wert, desto höher die Wahrscheinlichkeit, binnen drei Monaten ohne Transplantation zu sterben Dabei gilt: Das Serum-Kreatinin darf höchstens bei 4 md/dl liegen. Bei der Durchführung von mindestens 2 Dialysen pro Woche ist der Kreatinin Wert auf 4 mg/dl zu setzen. 3. Zurechnung der Folgen des Organallokationsskandals
III. Strafbarkeit der Manipulation 1. Manipulation von Gesundheitsdaten, 19 Abs. 2a TPG Aber: lex praevia, Art. 103 II GG 2. Totschlag, 212 StGB Erfolgsdelikt Kausalität Objektive Zurechenbarkeit
Manipulationsfall A Patient Nr. Leberan- gebote 7 19.6.2010 Tx am Status 2013 8 3 - Tod auf Warteliste 9 0 - Tod am 19.6.2010 10 12 13.7.2011 Tod nach Tx 11 7 - Tod auf Warteliste 12 11 18.8.2011 Überleben 13 6 - Tod auf Warteliste 14 7 14.4.2011 Überleben 15 2 - Abmeldung, nicht transplantabel 16 2 - Abmeldung, nicht transplantabel
III. Strafbarkeit der Manipulation 2. Totschlag, 212 StGB Tun: mittelbarer Täter der Organzuteilung mittels des Werkzeuges Eurotransplant (ET): 25 I 2. Alt. Unterlassen: Nichtzuteilung eines Organs durch ET Schwerpunktformel Abbruch rettender Kausalverläufe = Tun
III. Strafbarkeit der Manipulation 2. Totschlag, 212 StGB Kausalität beim Handlungsdelikt conditio sine qua non-formel
Manipulationsfall A Patient Nr. Leberan- gebote 7 19.6.2010 Tx am Status 2013 8 3 - Tod auf Warteliste 9 0 - Tod am 19.6.2010 10 12 13.7.2011 Tod nach Tx 11 7 - Tod auf Warteliste 12 11 18.8.2011 Überleben 13 6 - Tod auf Warteliste 14 7 14.4.2011 Überleben 15 2 - Abmeldung, nicht transplantabel 16 2 - Abmeldung, nicht transplantabel
III. Strafbarkeit der Manipulation 2. Totschlag, 212 StGB Kausalität beim Handlungsdelikt conditio sine qua non-formel Hypothetische Kausalverläufe dürfen nicht berücksichtigt werden. Kausalität beim Unterlassensdelikt Kausal ist jede Bedingung, die (hypothetisch) hinzugedacht werden kann, so dass der Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entfiele (Quasi-Kausalität). Ablehnung der Risikoerhöhungslehre
Manipulationsfall B Patient Nr. Leberan- gebote 4 4.5.2010 Tx am Status 2013 5 7 13.5.2010 Tod nach Tx 6 27 - Abmeldung, Erholung 7 3 7.5.2010 Tod nach Tx 8 7 19.5.2010 Tod nach Tx 9 53 - Abmeldung, nicht transplantabel 10 13 18.5.2010 Tod nach Tx 11 99 8.2.2011 Überleben 12 7 23.6.2010 Tod nach Tx 13 86 - Abmeldung, nicht transplantabel
III. Strafbarkeit der Manipulation 1. Manipulation von Gesundheitsdaten, 19 Abs. 2a TPG 2. Totschlag, 212 StGB Objektive Zurechnung
III. Strafbarkeit der Manipulation 3. Versuchter Totschlag, 212, 22, 23 StGB OLG BS Beschluss v. 20.3.2013 - Ws 49/13 NStZ 2013, 593 Tatentschluss Vorsatz a) kognitives Element: Täter erkennt die Möglichkeit des Erfolgseintrittes Kongruenz zwischen objektiven Tatbestand und Vorsatz was ex post nicht nachweisbar, musstäter ex ante nicht als möglich voraussehen können b) voluntatives Element: Täter nimmt Erfolg billigend in Kauf Gesamtschau aller Tatumstände wichtiges Indiz: Gefährlichkeit des Handelns
III. Strafbarkeit der Manipulation
III. Strafbarkeit der Manipulation 3. Versuchter Totschlag, 212, 22, 23 StGB a.a. BGHSt 57, 183 ff. Hemmschwellen- Theorie Vor dem Tötungsdelikt stehe eine höhere Hemmungsschranke 4. Urkundendelikte, 267 und 278 StGB 267: Urkundenfälschung, - verfälschung 268: Fälschung von Gesundheitszeugnissen Urteil vom 6.5.15 6 Ks 4/13 5. Freispruch in Göttingen Urteil mit 1031 Seiten