Predigt vom 13.1.2013: Hebräer 13,14 (Jahreslosung) Liebe Gemeinde Auch in diesem Jahr ist die biblische Jahreslosung ein kurzer, prägnanter Satz. Er steht im Hebräerbrief, Kapitel 13, Vers 14: wir. Wir haben hier keine bleibende Stadt... : Für uns Adelbodner stimmt dieser erste Versteil natürlich ohnehin: Wenn nicht gerade Weltcup ist haben wir hier mit unseren rund 3600 übers ganze Gemeindegebiet zerstreuten Einwohnern natürlich alles andere als eine Stadt......und am Weltcup kommt die Stadt ja zu uns, und über s Jahr können wir auf die Stadt gut verzichten ausser wenn wir sie ab und zu einmal für einen grösseren Einkauf brauchen, oder einen Fussball- oder Hockeymatch einer oberen Liga oder das Theater besuchen wollen... Aber mit Stadt ist im Vers der Jahreslosung mehr gemeint als das, was wir im wörtlichen Sinn unter Stadt verstehen. In biblischen Zeiten war eine Stadt ein durch eine starke Mauer geschützter Ort, der seinen Bewohnern Schutz und Sicherheit vor seinen Feinden bot. Wenn der Hebräerbrief von der bleibenden Stadt spricht, die wir auf dieser Welt nicht haben, meint er damit einen Ort, an welchem unser Leben vor allem geschützt ist, das es bedroht: Vor Feinden, Krankheit, eigenem Versagen, Hass, Bosheit, Naturkatastrophen, Wirtschaftskrisen, Armut... Eine solche bleibende Stadt gibt es auf dieser Welt aber nicht auch wenn wir sie gerne hätten; selbst wir Adelbodner mit unserem Dorf... Schon die ersten Menschen wollten eine solche Stadt haben: Die Bibel nennt Kain als ersten, der eine Stadt baute unmittelbar nachdem berichtet wird, wie Kain seinen Bruder Abel erschlagen hat und deshalb von Gott zu einem unsteten Leben bestimmt worden ist...: Offensichtlich versuchte Kain sein unstetes und bedrohtes Leben durch den Bau von Stadtmauern selber abzusichern und zu schützen. Wer als Fremdling unterwegs war suchte vor Einbruch der Dunkelheit eine Stadt zu erreichen; Denn in einer Stadt sollte sein Leben nach geltendem Recht während der Nacht geschützt sein. Und als die Israeliten unter Josua das gelobte Land einnahmen wurden einige wenige Städte als Freistätte bestimmt, in denen sogar alle dieje- 1
nigen sicheren Schutz vor der Blutrache finden sollten, die ohne Absicht den Tod eines Menschen verschuldeten. So wurde die Stadt zum Symbol für den Ort, an welchem das irdische Leben Schutz fand. Aber auch eine Stadt konnte das Leben eines Menschen nur auf Zeit schützen, und schon gar nicht vor der grundsätzlichen Vergänglichkeit unseres irdischen Lebens. Und mit Babel, Ninive, Sodom und Gomorra wurde die Stadt neben ihrer Bedeutung als sicherer Ort geradezu zum Symbol der Überheblichkeit, der Verderbtheit und der damit verbundenen Vergänglichkeit. Am Rande des Weltcups, wenn die Stadt also zu uns kommt, kennen wir diese Begleiterscheinung einer Stadt ja auch, wenn gewisse Leute beim Alkoholkonsum oder der Störung der Nachtruhe keine Grenzen mehr kennen... Weder eine Stadt noch irgend etwas anderes auf dieser Welt kann uns endgültige Sicherheit geben und unser Leben vor der Vergänglichkeit bewahren. Diese Sicherheit kann uns nur Gott geben. Er ist der einzige, der unser Leben in dieser Welt und nach unserem leiblichen Tod vor der Zerstörung bewahren kann. Deshalb hat er dem Johannes die neue Stadt, das neue, ewige Jerusalem gezeigt, von dem dieser in seiner Offenbarung spricht; Deshalb spricht der Hebräerbrief von der zukünftigen Stadt, die wir als Christen suchen; Und deshalb hat Jesus seinen Jüngern zugesagt, dass er bei seinem himmlischen Vater viele Wohnungen für sie zubereite: Jesus hat uns den Weg zu dieser ewigen Stadt aufgetan; Nur durch ihn können wir zu Bürgern dieser Stadt werden. Der Hebräerbrief spricht davon, dass wir als Christen diese zukünftige Stad suchen. Schon durch seinen Namen weist der Hebräerbrief darauf hin, dass wir auf dieser Welt keine bleibende Stadt haben: Wenn vom Volk Gottes als Hebräer gesprochen wird, wird an seinen Ursprung und an jenen Teil seiner Geschichte erinnert, als sie als Nomaden unterwegs waren und das gelobte Land als bleibende Heimat noch als Versprechen vor ihnen lag. So sieht uns der Hebräerbrief grundsätzlich als Nomaden, unterwegs auf unserer Lebensreise auf dieser irdischen Welt, aber mit dem Ziel der ewigen Heimat in Gottes Herrlichkeit. Diese ewige Heimat, diese zukünftige Stadt hat uns Jesus zubereitet: Jesus hat sich gefangen nehmen lassen. 2
Man hat ihn aus Jerusalem, aus der irdischen Stadt, aus dem weltlichen Schutzraum herausgeführt, um ihn zu töten. Vor den Stadtmauern, die doch Schutz bieten sollten, hat man ihn gekreuzigt. Aber Gott hat Jesus zu neuem, ewigem Leben auferweckt. So hat sich sinnbildlich Gottes Stadt und Schutz gegenüber der irdischen Stadt als die wahre Stadt und Bewahrung erwiesen. Und so hat sich auch alles, was Jesus in seinem Leben auf dieser Welt gesagt und gemacht hat, als Wahrheit erwiesen. Wenn wir an ihn glauben und unser Leben nach seinem Wort ausrichten, dann begeben wir uns bereits jetzt in die Stadt, in den Schutzraum Gottes, der unser Leben vor der endgültigen Zerstörung bewahrt auch und gerade auch ausserhalb aller weltlicher Sicherheit wie Geld, Wohlstand, Macht oder Gesundheit. wir, sagt die diesjährige Jahreslosung. Somit beginnt und endet unsere Jahreslosung mit dem gleichen Wort: Wir. wir : Es geht hier also um uns! Es geht um zwei Tatsachen, die uns etwas angehen: Wir haben hier keine bleibende Stadt : Das ist die erste Tatsache. Und diese erste Tatsache betrifft alle Menschen: Es ist eine Realität, dass wir Menschen auf dieser Welt nie und nirgendwo eine bleibende Stadt haben oder haben werden: Unser Leben verändert sich ständig; Es stellen sich uns immer wieder neue Herausforderungen; Wir verändern unsere Beziehungen zu anderen Menschen; Unser eigener Körper wird älter und verfällt mehr und mehr in jungen Jahren noch unmerklich, und später unübersehbar... Und selbst wenn das Leben ruhiger wird, wenn wir unsere letzte Wohnung oder unser letztes Zimmer im Altersheim gefunden haben, können wir dort nicht bleiben: Auch dieser letzte Ort ist für uns keine,bleibende Stadt. Das ist die erste Realität......aber noch im gleichen Satz, mit dem nächsten Atemzug stellt der Schreiber des Hebräerbriefs dieser ersten Tatsache eine zweite Tatsache entgegen; Folgt dem ersten wir ein zweites wir : 3
Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir! Je länger ich über diesen zweiten Versteil nachgedacht habe, je mehr habe ich mich darüber gewundert, dass dieser Satzteil nicht als Aufforderung, sondern ebenfalls als feststehende Aussage, als eine Tatsache formuliert ist. Eigentlich würde man es doch etwa so erwarten: Wir haben hier keine bleibende Stadt, darum lasst uns die zukünftige suchen! : oder:...darum sucht die zukünftige! Wenn es aber heisst:...die zukünftige (Stadt) suchen wir : Wer ist diesmal mit wir gemeint? Wiederum alle Menschen? Das wäre ja schön, wenn tatsächlich alle Menschen auf der Suche nach der zukünftigen Stadt Gottes und damit auf der Suche nach Gott und Jesus Christus wären! Aber die Realität sieht doch etwas anders aus: So viele Menschen suchen oder fragen doch offensichtlich überhaupt nicht nach Gott! So viele Menschen scheinen doch nur an sich selber und das eigene Glück zu denken und den eigenen Vorteil zu suchen... Oder sind letztlich doch alle Menschen letztlich auf der suche nach dieser zukünftigen, endgültigen, bleibenden Stadt und Sicherheit? Wenn sich jemand immer so verhält, als wäre er 20 oder 30 Jahre jünger ist der eigentlich nicht auch auf der Suche nach etwas, was bleibt nur leider am falschen Ort?... Oder wenn sich jemand in seinem Haus oder in seinem Leben so einrichtet, dass er Mühe hat, es loszulassen; Oder wenn sich Menschen mit jedem Mittel an Macht klammern sei dies innerhalb der Familie, am Arbeitsplatz, oder in der Politik: Wollen sie alle nicht etwas Bleibendes erhaschen? Hat der Schreiber des Hebräerbriefs tatsächlich das gemeint, dass alle Menschen auf diese Art letztlich das Zukünftige, das Bleibende suchen? Oder ist das wir hier nicht viel mehr anders zu verstehen: Meint er mit dem wir hier nicht alle Glaubensgeschwister, alle Christen?; Alle, die eigentlich wissen, dass wir hier keine bleibende Stadt haben, und dass es diese bleibende, zukünftige Stadt nur bei Jesus Christus und seinem und unserem himmlischen Vater gibt? Wenn das tatsächlich so gemeint ist, dann bin ich, dann sind sie doch damit auch gemeint... 4
...aber stimmt dies wirklich; suche ich, suchen wir tatsächlich die zukünftige Stadt Gottes?! Was mich betrifft muss ich zugeben: Nein, ich warte nicht immer auf die zukünftige Stadt Gottes; Mir ist es auf dieser Welt immer wieder sehr wohl; Ich möchte bei dem bleiben, was ich habe; Ich möchte meine Familie, meine Freunde, meine Gesundheit, meinen Lebensstandard eigentlich nie aufgeben beziehungsweise verlassen müssen... Andererseits gibt es immer wieder Momente, in denen ich mich nach der zukünftigen Stadt sehne: Zum Beispiel, wenn ich in der Tagesschau sehe, wie viel Not und Elend auf dieser Welt herrschen; Oder wenn ich es in der Seelsorge hautnah miterlebe, wie Menschen von einer schweren Krankheit heimgesucht oder von anderen Menschen kaputtgemacht werden: Da sehne ich mich schon nach der verheissenen Stadt, in der Gott selber alle Tränen abwischt... Obwohl ich an Gott und Jesus Christus glaube und darauf vertraue, dass er uns im Glauben an ihn einmal die vielen Wohnungen, die zukünftige Stadt bereit hält; Und obwohl ich mich manchmal auch nach dieser Stadt sehne: Trotzdem hätte ich es nötig, mich immer wieder auffordern zu lassen: He, Du, suche nach der zukünftigen Stadt Gottes!; Richte dein Leben nach dem aus, was wirklich wichtig ist und bleibt! Und trotzdem stellt der Hebräerbrief ganz nüchtern fest:...sondern die zukünftige Stadt suchen wir... Vielleicht will er uns damit einfach sagen: Eigentlich gehört es zum Christ-Sein, dass wir wissen, dass wir hier auf dieser Welt keine bleibende Stadt haben; eigentlich gehört es zu unserem Glauben, dass wir uns nach Gott und seiner Realität und seiner Zukunft ausrichten... wir : Nun haben wir diesen 14. Vers aus dem 13. Kapitel des Hebräerbriefes als Jahreslosung. Und Jahreslosungen sind ja nicht dazu gedacht, dass wir sie schon am ersten Tag im neuen Jahr, spätestens aber Mitte Januar, als erledigt 5
abhaken, sondern dass wir sie als Begleiter durchs ganze Jahr mitnehmen. Bei dieser Jahreslosung bin ich mir sicher: Es lohnt sich, sie ins Jahr hinein mit zu nehmen; Es lohnt sich, immer wieder einmal darüber nachzudenken, was das für mich, für mein Leben bedeutet, dass ich nach der zukünftigen Stadt suche. Diese Jahreslosung kann uns helfen, manches Vergängliche loszulassen; Manchem, das wir zu ernst und zu wichtig nehmen, seinen eigentlichen vergänglichen Stellenwert zu geben; Und uns dafür ganz bewusst an Gottes Wort und Wahrheit zu halten. Amen 13.1.2013, Roland Trachsel, Pfr., Adelboden 6