Blauer Engel im Blindflug? Ein Umweltzeichen für Bodenbelagklebstoffe bietet Verbrauchern keinen Nutzen Roland Krieger, Ulm, und Udo Windhövel, Düsseldorf. Das Umweltzeichen Blauer Engel steht in Konkurrenz zu anderen Zeichen. Bei Bodenbelagklebstoffen hat sich für sehr emissionsarme Produkte seit Jahren die Kennzeichnung "Emicode EC 1" durchgesetzt. Seit kurzem können Hersteller auch den Blauen Engel für ihre Erzeugnisse beantragen. Ein Vorteil für die Verbraucher ergibt sich dadurch nicht. 1997 führte die GEV ("Gemeinschaft Emissionskontrollierte Verlegewerkstoffe e.v.") nach langer und intensiver Prüfarbeit Emicode EC 1 als unverwechselbare Kennzeichnung für sehr emissionsarme Verlegewerkstoffe im Markt ein. Heute findet dieses Zeichen breite Akzeptanz und wird nicht nur in Europa, sondern weltweit beachtet. Das war allerdings nicht immer so. Bereits kurz nach der Einführung des Emicode EC 1 fand sich nämlich auch eine kleine, aber lautstarke Kritikerallianz. Sie kritisierten heftig an EC 1 herum, nicht nur wegen angeblich viel zu hoher Grenzwerte, sondern vor allem auch wegen der fehlenden Fremdüberwachung. Am 16.5.2003 hat nun die Jury Umweltzeichen auf Empfehlung des UBA einen Blauen Engel auch für Bodenbelagklebstoffe eingeführt. Sie tat das, obwohl sich alle im Industrieverband Klebstoffe vertretenen Klebstoffhersteller unüberhörbar dagegen ausgesprochen hatten, weil mit Emicode EC 1 bereits ein bewährtes Zeichen mit gleicher Zielsetzung existiert. UBA und Umweltjury folgten dabei dem Antrag eines einzelnen Herstellers, der sich für viel zu gut hält, um diszipliniertes Mitglied der GEV zu werden und der dafür lieber den trotzigen Ritt auf einem orientierungslos flatternden Engel angetreten hat. Schauen wir uns den Zweck dieses Umweltzeichens doch mal an. Wenn wir die ganze Sache richtig verstehen, sollte der Blaue Engel ursprünglich dem Verbraucher einen Hinweis auf ökologische Vorteile eines Produkts geben. Ökologische Vorteile, die andere, vergleichbare Produkte nicht aufweisen. Erfüllt nun der Blaue Engel diese Aufgabe auch bei den sehr emissionsarmen Bodenbelagklebstoffen? Die Antwort ist ganz klar: Nein. "Der Blaue Engel betet Emicode EC 1 nur nach" Der Blaue Engel betet nur nach, was Emicode EC 1 schon seit 1997 leistet, nämlich die Charakterisierung von Bodenbelagklebstoffen hinsichtlich ihres Emissionsverhaltens. Er beschreibt dieselben Klebstoffe wie das auch EC 1 bereits seit Jahren tut. Seiner eigentlichen Aufgabe, nämlich auf ökologisch besonders fortschrittliche Produkte hinzuweisen, wird er dabei also in keiner Weise gerecht. Neben den vielen "Öko-Bäumchen und -Blättchen" trägt er nur zu der Inflation der "Noch ein Umwelt-Zeichen" bei. Weist er dabei wenigstens etwas Eigenes oder Originäres auf? Auch nicht. Er lehnt sich nämlich ganz eng an die GEV-Prüfmethodik und die dabei gewonnenen Erfahrungen an. Zwar prüft er zweimal, nämlich nach 3 und nach 28 Tagen, statt wie die GEV einmal nach 10 Tagen, aber er kommt dadurch zu keiner besseren Unterscheidung. Bei über 17 Doppeluntersuchungen haben alle geprüften EC-1-Klebstoffe auch die Emissionskriterien des Blauen Engels erfüllt. Wo also liegen die ökologischen Vorteile der Engelsprodukte gegenüber EC-1-Klebstoffen? Es gibt sie schlicht und einfach nicht. Vielleicht kontrolliert ja der Engel die Einhaltung seiner Gebote strenger als es die GEV tut und kommt damit der Forderung nach externer Fremdüberwachung entgegen? Keine Rede. Während die GEV jährlich über 15 durch das Los ausgewählte EC-1 Produkte stichprobenartig einer strengen und neutralen Kontrollprüfung unterzieht, verlässt sich der Blaue Engel voll und ganz auf Erklärungen des Herstellers, ob die nun stimmen oder nicht. Nachdenklich macht uns dabei schon, dass dies die alten Emicode-Kritiker nicht zu interessieren scheint. Ist ja einer der ihren, der da fliegt. Die GEV hat Emicode EC 1 für Grundierungen, Spachtelmassen, Dünnbettmörtel und Dämmunterlagen definiert. Für alle Systemwerkstoffe also, die für einen Fußbodenaufbau nötig sind. Dazu waren zahlreiche Testreihen und Prüfungen erforderlich. Den Blauen Engel dagegen gibt es nur für Bodenbelagklebstoffe. Offenbar hat hier die Zeit gefehlt, um mit der heißen Nadel, mit der das blaue Engelskleid gestrickt worden ist, auch noch die anderen Produkte zu versorgen. So präsentiert sich der Blaue Engel auch als nicht systemtauglich und führt damit seinen Blindflug gewissermaßen als Torso durch. War da vielleicht nicht doch noch was? Ach ja, denn irgend einen ökologischen Vorteil sollte ein Klebstoff mit Blauem Engel doch wenigstens aufweisen. Nach seinen Regularien darf den Blauen Engel nur ein Klebstoff tragen, der keine ethoxylierten Alkylphenole enthält. In der "Grundlage für Umweltzeichenvergabe RAL-UZ 113" vom Juni 2003 heißt es dazu unter Kap. 3.1.2.2 Satz 2. "Produkte, die Alkylphenolethoxylate enthalten, dürfen den Klebstoffen nicht zugesetzt werden." Diese Substanzen, kurz APEO genannt, wirken zwar als hervorragende Dispergier- und Stabilisierungsmittel, gelten aber auch als besonders umweltschädlich. Da ihre Verwendung in Klebstoffen nicht gesetzlich verboten ist, wollte der Engel, wohl mangels anderer Vorteile, wenigstens hier ein deutliches Zeichen setzen. Gemäß der Maxime "Vertrauen ist gut - Kontrolle ist besser" haben wir die paar Klebstoffe, die zur Zeit den Blauen Engel tragen, auf APEO untersuchen lassen. So wie es dem Selbstverständnis der GEV entspricht. Selbstverständlich erfolgte die Probennahme von völlig neutraler und unabhängiger Seite. Das Ergebnis hat uns dann doch überrascht. Diese Klebstoffe waren nämlich nicht APEO-frei, so wie das der Blaue Engel sinngemäß vorschreibt. Verbotene Substanzen in Produkten mit Blauem Engel In allen drei untersuchten Klebstoffen wurden 10 bis 20 mg/kg Octylphenolpolyethoxylat und 80 bis 150 mg/kg Nonylphenolpolyethoxylat festgestellt (Quelle: Prüfbericht 211018-71-184/PJ der Fa. Eurofins Danmark A/S, Smedeskovvej 38, DK-8464 Galten). Bei beiden Stoffen handelt es sich um APEO. Was heißt das? Das heißt, dass diese Klebstoffe, auf denen der Blaue Engel prangte, nicht den Anforderungen entsprachen, die der Blaue Engel nach eigenen Regularien stellt. Nicht mehr und nicht weniger. Nun mag jemand die Neutralität eines Prüfinstituts, das die Mehrzahl aller Emicode-Prüfungen durchführt, in Frage stellen. In Voraussicht dieses Einwands suchten wir nach einem anderen deutschen Prüfinstitut, das in der Lage ist, APEO zweifelsfrei zu bestimmen. Dabei stellte sich heraus, daß offenbar nur ganz wenige Institute überhaupt in der Lage sind, APEO zuverlässig zu bestimmen. Wir beauftragten deshalb neben Eurofins auch das Schweriner Bureau Veritas als ausgewiesenes Institut für
APEO-Bestimmungen mit dieser Messung, das die Ergebnisse von Eurofins als zutreffend bestätigen konnte. Das Fazit, das aus alledem zu ziehen ist, liegt auf der Hand. Der Blaue Engel erfüllt seinen eigentlichen Auftrag nicht, zumindest was sehr emissionsarme Bodenbelagklebstoffe angeht. Er ist auch nicht in der Lage, ein Produktsystem, wie es bei Fußböden immer erforderlich ist, zu beschreiben. Er wird offenbar nicht ausreichend kontrolliert und verursacht im Grunde nur mehr Kosten, denen keinerlei Mehrnutzen gegenübersteht. Und schließlich scheint er nach Kriterien unterwegs zu sein, die er selbst nicht so genau kennt. Wir nennen das Blindflug. In aller Kürze Seit Jahren bewährt hat sich der Emicode EC 1 als unverwechselbare Kennzeichnung für sehr emissionsarme Bodenbelagklebstoffe. Gegen den Willen aller im Klebstoffverband organisierten Hersteller wurde der Blaue Engel als Umweltzeichen eingeführt. Die Vergaberichtlinien für den Blaue Engel unterscheiden sich in wesentlichen Punkten nicht von denen des Emicode EC 1. Die wenigen mit dem Blauen Engel gekennzeichneten am Markt verfügbaren Produkte enthalten ökologisch bedenkliche Alkylphenolethoxylate, die gemäß Vergaberichtlinie nicht enthalten sein dürften. Dr. Roland Krieger (62), Uzin Utz AG, Ulm, ist Vorstandsmitglied mit dem Ressort Produkttechnik. Als Vorsitzender der Technischen Kommission Bauklebstoffe (TKB) im Industrieverband Klebstoffe e.v. sowie als Vorstandsmitglied der Gemeinschaft Emissionskontrollierte Verlegewerkstoffe (GEV) und Mitarbeiter in diversen Fach- und Normungsgremien ist Dr. Krieger auch stark in der technischen Verbands- und Branchenarbeit engagiert. Dr. Udo Windhövel (50), Henkel Bautechnik GmbH, Düsseldorf, ist Leiter Produktentwicklung und Anwendungstechnik. Nach seinem Chemistudium in Bonn und Freiburg, entwickelte er Gießerei- und Lackbindemittel, Gießharze, Haftklebstoffe und bauchemische Produkte. Der Autor ist langjähriges Mitglied der Technischen Kommission Bauklebstoffe (TKB) im IVK, Vorsitzender im Technischen Beirat der Gemeinschaft Emissionskontrollierte Verlegewerkstoffe (GEV) und Obmann des DIN Ausschusses NMP 454/FNK Klebstoffe/Bodenbeläge.
Emicode EC 1-ausgezeichnete Bodenbelagklebstoffe sind "sehr emissionsarm". Bild: Henkel.
Umweltzeichen im Wettbewerb: GEV-Emicode...
...und der Blaue Engel.