Narkoseführung bei Risikopatienten (Fallbeispiele)

Ähnliche Dokumente
Definition Risiko-Patient. Organsystemerkrankungen. Notfall. Linksventrikuläre Hypertrophie. Röntgen-Thorax. Narkoseführung bei Risikopatienten

Abteilung für Anästhesie, Intensivmedizin, Schmerztherapie und Palliativmedizin

Label. Beste Klinik Allgemeine Chirurgie. Patientenblatt. Seite 1 von 7. Patient: Mustermann, Erika Geb-Dat: , OP-Dat:

Curriculum Facharztweiterbildung Anästhesiologie (unter Berücksichtigung des Logbuches zur Weiterbildungsordnung) Stand 7/15

Kerncurriculum Anästhesie im RKK, Bremen

Kerncurriculum Anästhesie im RKK, Bremen

Kerncurriculum. Zur Facharztweiterbildung Anästhesiologie am Krankenhaus St. Joseph-Stift Bremen. Eine Einrichtung der St. FRANZISKUS-Stiftung Münster

Airway Management Fiberoptik. Universitätsklinik für Anästhesiologie und Schmerztherapie

Anästhesie bei Bauchaortenaneurysma

Assistenzarzt Anästhesie und chirurgische Intensivmedizin

Beatmung. Stundenplan. Offenes Narkosesystem: Schimmelbusch-Maske. Oberflächenspannung. Surfactant

Sicherung der Atemwege. Routinemaßnahmen vor der Narkoseeinleitung: Blutdruckmessung EKG Sauerstoffsättigung. intravenöser Zugang (peripher, zentral)

Intensivmedizin bei. adipositas

Sicherung des Atemweges während der Anästhesie... Wie lange habe ich denn eigentlich Zeit dafür... Präoxygenierung wie lange ist erforderlich?

PJ-Logbuch Anästhesiologie und Intensivmedizin

Fortbildungskurs klinische Hämotherapie

Transfusionsmedizinisches Seminar Für Ärzte in der Weiterbildung zum Facharzt für Transfusionsmedizin 12. Mai 2011, Bielefeld. Fremdblut-Transfusion

Fachabteilung: Anästhesie und Intensivmedizin. Dr. M. Boschin. Schmerztherapie. Weiterbildungsjahr 1

PJ-Logbuch. Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie. Evangelisches Krankenhaus Oldenburg. Inhaltsverzeichnis: 1.

Beatmung. Offenes Narkosesystem: Schimmelbusch-Maske. Oberflächenspannung. Surfactant

Kursus für Klinische Hämotherapie

Anästhesie Intensivmedizin Notfallmedizin Für Studium und Ausbildung

Stundenplan. Essentielles Monitoring Standardarbeitsplatz

2 Prämedikationsvisite und Prämedikation Prämedikationsvisite Prämedikation... 16

Perioperative Volumentherapie: Less is more?

Begleitheft für Studierende im praktischen Jahr in der Anästhesie des Diakonieklinikums Hamburg.

Anästhesie - Intensivmedizin - Notfallmedizin

Intubation ENDOTRACHEALE. Endotracheale Intubation Larynxmaske Larynxtubus

Unterricht am Krankenbett Anästhesie, Intensivmedizin, Schmerz

Dr. Ruth Krumpholz LKH Bludenz. Postoperative Schmerztherapie bei. Kindern

Inhalt. 1 Anästhesie allgemeiner Teil MAC-Wert Wichtige Medikamente 39. verzögern Allgemeine Bemerkungen 1

Inhalt. Inhalt. 3 Zugangswege zum Kreislaufsystem Atemwege... 39

Modul 22: Physiologie der künstlichen Beatmung

Die häufigsten Fehler in der Kinderanästhesie

Anästhesiologische Herausforderungen bei adipösen Patienten

Weiterbildungskonzept

European Resuscitation Council

Literaturverzeichnis Kurs 2014

Kerncurriculum Anästhesie im Rotes Kreuz Krankenhaus, Bremen

Klinik für Anästhesiologie, Intensiv-, Rettungs- und Schmerzmedizin, Kantonsspital St. Gallen

2.1 Airwaymanagement. Airwaymanagement Larynxtubus

Erwarteter Zeitraum bis Kompetenzüberprüfung. Weiterbildungsjahr 1

Adipositas welche anästhesiologischen Besonderheiten gibt es?

Wenn sich Operateure und Anästhesisten den Kopf teilen

Inhaltsverzeichnis. Adipositas 1.1. Akutes Abdomen 2.1. Akutes Koronarsyndrom 3.1 Myokardinfarkt 3.2. Therapie 3.6. Allergie/Anaphylaxie 4.

Inhalt. 1 Anästhesie - allgemeiner Teil _ Wichtige Medikamente 38

Empfehlungen und Dienstanweisungen der Anaesthesieabteilung, grundlegender Artikel aus Ärzteblatt dort zur Aufklärung

Famulatur-Leitfaden. Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie. Evangelisches Krankenhaus Oldenburg

Ausbildungsprogramm Klinisch-Praktisches - Jahr (KPJ) der medizinischen Universität Wien. Erste Schritte in der Anästhesie

Wahlfach Anästhesiologie, Intensivmedizin, Schmerztherapie Wintersemester 2005/2006

Fortbildung First-Responder

Curriculum für das Praktische Jahr

Der Atemweg - mit oder ohne Tubus

Praxisorientierter Workshop für Studierende der Humanmedizin

Erythrozytentransfusion, kritische Indikationsstellung

Taschenatlas der Anästhesie

Inhalt. Inhaltsverzeichnis

Essentielles Monitoring Standardarbeitsplatz

Hämodynamisches Monitoring. Theoretische und praktische Aspekte

Narkose im Rettungsdienst

Kleines Anästhesiewörterbuch. Informationen von A bis Z

Geriatrische Betreuung bei Operationen

Curriculum Famulatur Anästhesie, Intensivmedizin, Schmerztherapie. Block 1 - Anästhesie. Dauer: 2-3 Wochen Wo: Zentral-OP

Anlage zu 8 Abs. 2 der Weiterbildungsordnung (rechtsbereinigte Fassung inkl. Dritte Satzung zur Änderung vom 1. Juni 2016, gültig ab 2.

Interaktive Falldiskussion Sturz beim Fußballspielen

1 Grundlagen von Anästhesie und Narkose. 2 Präoperative Visite. 3 Prämedikation. 4 Pharmakologie der Allgemeinanästhesie. Inhaltsverzeichnis

Inhalt. 1 Anästhesie allgemeiner Teil 1 VII. verzögern MAC-Wert Wichtige Medikamente 40

Zeit. Beatmungsprobleme beim intubierten Kind. Martin Jöhr. Der große Zeitdruck. Der große Zeitdruck. Der große Zeitdruck. Vorausschauendes Management

Umsetzung im klinischen Alltag

! Bis zur Etablierung des endgültigen Atemweges ist die Spontanatmung zu

Schwerpunktausbildung im Sonderfach. Anästhesiologie und Intensivmedizin. Salzkammergutklinikum Vöcklabruck

Übersicht über medizinische Maßnahmen und technische Geräte auf der Intensivstation

Kombinierte Allgemein- und Epiduralanästhesie

Taschenatlas Anästhesie

Anästhesie in der Geburtshilfe

Weiterbildungscurriculum der Klinik für Anästhesiologie. Agaplesion Diakonie-Klinikum Hamburg. 1. Einleitung:

FRRP. Kinderreanimation. Reanimation. Nach den aktuellen Guidelines Dr. M. Schiffer, Dr. C. Voigt, Simone Felgenheier 1

3 Spezielle Notfallmaßnahmen

ANS NOTARZTAUSBILDUNGSKURS April 2018

Ein-Lungen-Anästhesie PEEP und Beatmungsformen. Dr. L. Fischler, Klinik für Anästhesie/ IPS, Kantonsspital Bruderholz

Atemwegsmanagement. Martin Jöhr. Ausbildung ist ein Problem. Erfahrung des Anästhesisten und Alter des Kindes. Seite 1 RR 2,35 (1,79-3,06)

PJ-Basis-Logbuch Anästhesiologie

Paediatric und Newborn Life Support Michael Sasse, Hannover

Anästhesiologie und Intensivmedizin

Atemwegserkrankungen und Narkose. Dr. Robert D. Fitzgerald Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin, KH Lainz, Wien

Abteilungsbericht Patientensicherheit Version 1.0*

Pädiatrische Notfälle in der Präklinik

eigenhändig Draufschau

Moderne Herzklappentherapie im Herzteam. Prof. Dr. med. Peter Matt, Co-CA Herzchirurgie PD Dr. med. Stefan Toggweiler, Co-CA Kardiologie

Ausbildungskonzept. zur Vermittlung der Ausbildungsinhalte zum. Arzt für Allgemeinmedizin. im Wahlfach. Anästhesiologie und Intensivmedizin

Weiterbildungsordnung Anästhesie Krankenhaus Neustrelitz

Ist der Ersatz der Porzellanaorta bei Aortenstenose ein Hochrisikoeingriff?

Der schwierige Atemweg: Wie wird die Sauerstoffversorgung sichergestellt? Übungen am Simulator der HGK

Narkose bei der VATS und Analgosedierung bei der internistischen Thorakoskopie aus Sicht des Anästhesisten

Epidemiologie. Epidemiologie. Häufigste Ursachen. Re-Evaluierung Gibt es Gemeinsamkeiten?

Transkript:

Narkoseführung bei Risikopatienten (Fallbeispiele) PD Dr. med. M. Paul Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin der Universität zu Köln Stundenplan 4.4.06 Einführung, physiologische Grundlagen 11.4.06 Sicherung der Atemwege, Inhalationsanästhesie 18.4.06 Intubation, intravenöse Anästhesie, Sedierung 25.4.06 Voruntersuchungen, Aufklärung, Prämedikation 2.5.06 Beatmung, Blutgasanalyse 9.5.06 Analgesie, Relaxation 16.5.06 Volumenersatz, Therapie mit Blutkomponenten 23.5.06 Lokal- und Regionalanästhesie, Lokalanästhetika 30.5.06 Aufwachraum, postoperative Schmerztherapie 13.6.06 Intra- und postoperatives Monitoring, Simulation 20.6.06 Narkosekomplikationen, Zwischenfälle 27.6.06 Narkoseführung bei Risikopatienten (Fallbeispiele) 4.7.06 Operative Intensivmedizin, Schmerztherapie (Einführungen) 11.7.06 Abschlussklausur Definition Risiko-Patient Besondere Umstände Notfall-Patienten Anatomische Besonderheiten Organsystemerkrankungen Hirntumor Epilepsie COPD Asthma bronchale Aortenaneurysma Carotisstenose KHK Klappendefekte Herzinsuffizienz Grunderkrankung, Co-Morbidität Systemisch Organspezifisch Ileus Akutes Abdomen Sepsis Niereninsuffizienz Dialyse Blutgerinnungsstörungen Notfall Röntgen-Thorax 64 jähr. Patient 20 Uhr Treppensturz Einweisungsdiagnose: offene Unterschenkel-Fraktur Anamnese: nicht nüchtern Hypertonus Kaum belastbar lautes Systolikum Normalbefund Aortenklappenstenose 1

Linksventrikuläre Hypertrophie Normale Aortenklappe Kommissur freier Rand Haftlinie Verkalkte Aortenklappe Risiko: Aortenklappenstenose Merke: Tachykardie vermeiden Herz-Kreislauf-Monitoring anpassen (Online-Blutdruckmessung, 5-Kanal-EKG) Regionalanästhesie erwägen Endokarditis mit Vegetationen Ulzerierende Endokarditis 2

Augenklinik Augenhintergrund Lasertherapie des Augenhintergrundes...eine kurze, schnelle Sache... Grad I Grad II Retrolentale Fibroplasie Laser-Therapie des Augenhintergrundes Patientendaten Pneumothorax Patient: Alter: Gewicht: Kind Maja 5 Wochen 1200 g Vorerkrankungen: Z.n. Frühgeburt 27. SSW Geburtsgewicht 800g Atemnotsyndrom 4 Wochen Beatmung Z.n. Pneumothorax bds. Z.n. Sepsis Thoraxdrainage Röntgen-Thorax Kardio-respiratorische Normwerte Atemfrequenz 50-60/min Herzfrequenz 130 ± 20/min Sauerstoffverbrauch 6 ml/kg/min Syst. Blutdruck 50 ± 15 mmhg Diast. Blutdruck 30 ± 15 mmhg Schlagvolumen 3,5 + 1,1 ml Hämoglobinkonzentration 16,5 ± 1,5 g/dl Blutvolumen 90 ± 5 ml/kg Perioperative Risiken Frühgeborener Hypothermie Hypoglykämie Hypoventilation Hirnblutung Intoxikationen 3

Transportinkubator OP-Tisch für Säuglinge Wärmelampe Wärmematte EKG, Blutdruckmanschette Pulsoximeter (rechte Hand) Präkordiales Stethoskop/ Ösophagusstethoskop Temperatursonde Beatmungsgerät für Säuglinge Venöser Zugang Diaphanoskopie Merke: Frühgeborene und Säuglinge werden druckkontrolliert beatmet! Punktionsstellen Fixierung Medikamentengabe Kreislauf pränatal Lunge Cave: Luftembolie Überdosierung Spritzenpumpe Leber Plazenta 4

Maskenbeatmung Funktionelle Residualkapazität Neugeborene 3 kg Erwachsene 70 kg V A V A 385 ml/min 5 = 75 ml 1 4140 ml/min 1,5 = 3030 ml 1 FRC FRC Narkoseeinleitung Per Inhalationem Cave: Magenblähung Präoxygenierungs- Reserve erniedrigt Intubation: Anatomische Besonderheiten I großer Hinterkopf ( -> ggf. Schulterrolle) große Zunge große, weiche Epiglottis Larynx liegt höher (C 2/3 statt C 4/5) -> Kehlkopfdruck mit kleinem Finger Intubation: Anatomische Besonderheiten II Larynx ist trichterartig geformt -> korrekte Tubusgröße beachten kurze Trachea -> nasale Intubation Erwachsener Säugling Merke: Frühgeborene und Säuglinge werden mit einem Tubus ohne Cuff intubiert! Intubationsprobleme Intraoperative Phase Beatmungdrücke beachten (->Pneugefahr) Kopfbewegungen vermeiden (->einseitige Intubation) Blutdruckspitzen vermeiden (->Hirnblutungsgefahr) ggf. mit Nasopharynx-Tubus beatmen Hypoxiephasen vermeiden (-> Ductus Eröffnung) 5

Postoperative Phase Rücktransport zur Intensivstation beatmet Sedierung für Transport Aussetzen der enteralen Ernährung Nachbeatmung (3 h) Nach Extubation über 2 h vereinzelte Apnoe-Phasen Eine kurze schnelle Sache...??? USA / San Francisco Plastische Chirurgie Problemzonen: University of California Nase Brust Bauch Hüfte Bauchdeckenplastik Patientendaten Name: Griffith, J. Alter: 34 Jahre Vorherige Operationen: keine Laborwerte: Hyperlipidämie Hb: 16,2 mg/dl Vorerkrankungen: Hypertonus Schlaf-Apnoe-Syndrom Minimale Belastbarkeit Gewicht: 288,5 kg (!) Adipositas permagna Neue Problemzonen : Lagerung Intubation Monitoring / Narkoseführung Medikamentendosierung Postoperative Versorgung 6

Beurteilung der Atemwege Eingeschränkte Kopfbeweglichkeit Eingeschränkte Mundöffnung Große Zunge Eingeengter Rachenraum Schildknorpel nicht tastbar Merke: Bei schwierigen Atemwegsverhältnissen Wachintubation anstreben! Narkosevorbereitung / Intubation Keine Prämedikation Lagerung in Spezialbett, halbsitzende Position Intravenöser Zugang (schwierig) Invasive Blutdruckmessung (Art. radialis) Lokalanästhesie von Nase, Rachen und Trachea Magensondierung vor Intubation Fiberoptische nasale Wachintubation Fiberoptische Intubation (Schema) Narkosemedikamente Narkose-Einleitung Propofol (300 mg) Fentanyl (0,5 mg) Narkose-Aufrechterhaltung Desfluran 4-6 Vol% ( Narkosegas ) Remifentanil 0,2-0,3 µg / kg / min (Opioid für 150 kg berechnet) kein Muskelrelaxans Intraoperatives Monitoring BIS-Monitor (Bispektral-Index) Zentrale Venendruckmessung ZVK + Shaldonkatheter Invasive Blutdruckmessung Blutgasanalysen Beatmungsparameter Spitzendrucke Temperaturmessung Blasenkatheter Narkosetiefe -Messung (BIS-Monitor) 7

Intraoperativer Verlauf OP-Dauer 4,5 Stunden Beatmungsspitzendrücke nie unter 50 cm H 2 O Blutgasanalysen unter 40% Sauerstoff zufriedenstellend Extubation normale Körpertemperatur Ausreichend Personal HNO-Arzt anwesend Reintubationsmedikamente bereit Kreislaufstabil Blutverlust ca. 2000 ml Transfusion von 3 EK bei Hb von 12 mg/dl Ergebnis: Resektion von 45 kg Gewebe Wacher Patient!! Tracheale Lokalanästhesie Bronchoskop endotracheal belassen mit O 2 -Insufflation über Arbeitskanal Nach Extubation : Nasen-CPAP Postoperative Phase Intensivstation (2 Tage) Nasen-CPAP Atemtherapie Analgesie (i.v., patientenkontrolliert) (Periduralkatheter nicht möglich) Thromboseprophylaxe mit Heparin i.v. 4 Wochen stationärer Aufenthalt Zweimalige Wundrevision in Lokalanästhesie Zusammenfassung Don`t be scared, but be prepared!! 8