Burundi - ein hoffnungsloser Fall? 23.01.2014 Wenig unternehmerische Freiheit, viel Korruption / Geberfinanzierte Projekte von begrenztem Interesse / Von Martin Böll Kigali (gtai) - Für deutsche Geschäftsleute ist Burundi ein weißer Fleck auf der Landkarte. Das Land ist von Zuwendungen der internationalen Gemeinschaft abhängig, Änderung nicht in Sicht. Geberfinanzierte Projekte bieten deutschen Unternehmen vereinzelt Beteiligungs- oder Liefermöglichkeiten, ebenso burundische Ableger von ostafrikanischen Infrastrukturprojekten. Wer zum Zug kommen will, muss rechtzeitig und gut über den Markt informiert sein. Burundi kann für 2013 und 2014 mit einem Wirtschaftswachstum von 4,3% bzw. 4,7% rechnen, sagt die britische Economist Intelligence Unit. Für ein Industrieland wäre das sehr viel, für das nach dem Welthungerindex ärmste Land der Welt ist dies viel zu wenig. Wichtigster Wirtschaftszweig ist die Landwirtschaft, die vier Fünftel der Bevölkerung beschäftigt und ein Drittel des Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet. Positiv bemerkbar machen sich verstärkte Investitionen in Teepflanzungen. Die Privatisierung der Kaffeeplantagen kommt derweil nicht zügig voran. Der weit überwiegende Teil der Landwirtschaft ist reiner Subsistenzanbau, der es aber nicht schafft, die Bevölkerung des Landes zu ernähren. Mehr als die Hälfte der Burunder leiden Hunger. Fast drei Fünftel aller Kinder sind chronisch unterernährt mit negativen Konsequenzen für ihre Entwicklung. Ende 2013 wurde endlich das veraltete Bergbaugesetz reformiert, was aber alleine nicht ausreichen dürfte, internationale Investoren anzulocken. So fehlen beispielsweise für den angestrebten Nickelabbau sowohl der Strom wie die Verkehrsinfrastruktur. Es wird deshalb wohl auf absehbare Zeit bei einem Minibergbau mit Hacke und Schaufel bleiben. Das verarbeitende Gewerbe macht nur langsame Fortschritte. Die Biererzeugung steigt moderat, die Herstellung von einfachen Haushaltsgütern auch. Die Bauwirtschaft meldet starke Zuwächse dank privater Immobilien- und geberfinanzierter Infrastrukturprojekte. Vor allem die regional bereits aktiven Einzelhandelsketten, Supermärkte und Fast-Food-Franchise finden zunehmend auch ihren Weg nach Burundi und beleben den Einzelhandel. Das gleiche gilt für die regional expandierenden Finanz- und Telekommunikationssektoren. Das mehr als bescheidene Potenzial Burundis kann allerdings wegen der unzureichenden Stromversorgung, anderer infrastruktureller Defizite und der bremsenden Bürokratie nicht ausgeschöpft werden. Geber üben sich in Geduld Die internationale Gebergemeinschaft ist grundsätzlich bereit, Burundi bei seinen infrastrukturellen Defiziten zu helfen, ist aber immer weniger willens, Korruption, Vetternwirtschaft, Ineffizienz und Gewaltakte kommentarlos hinzunehmen. Wenn sich die politischen Eliten Burundis, Polizei und Militär nicht an ein Minimum an Rechtsstaatlichkeit hielten, könnten Mittel gestrichen oder deren Auszahlung verzögert werden, heißt es. Dabei wollen es die Geber aber weiterhin geduldig mit einer Strategie von Zuckerbrot und Peitsche oder zumindest von Lob und Tadel versuchen. Weil sie regelmäßig die Hälfte des Staatshaushaltes finanzieren, haben sie ein Druckmittel. Wie stark das noch greift, bleibt abzuwarten. Die VR China und Indien stehen bereit, dem Land auch ohne die lästigen Fragen nach Menschenrechten und guter Regierungsführung zu helfen. Aller Hilfe zum Trotz und egal von wem sie nun kommt, bleibt Burundi ein höchst volatiles Land. Präsident Pierre Nkurunziza und seine Hutu-dominierte Regierungspartei, die Conseil national pour la défense de la démocratie/forces pour la défense de la démocratie (CNDD-FDD), beherrscht die politische Landschaft. Eigentlich müsste Nkurunziza 2015 zurücktreten, seine zweite Amtszeit läuft aus. Er hat aber bereits angeregt, die Verfassung 1 www.gtai.de
so zu ändern, dass er im Amt bleiben kann - an afrikanischen Vorbildern für diesen Schritt fehlt es nicht. Die außerparlamentarische Opposition, welche die letzten Wahlen boykottiert hat, wird dies kaum widerspruchslos hinnehmen. Und Widerspruch ist in Burundi schnell von Gewalt begleitet. Im Demokratieindex der britischen Zeitschrift "The Economist" rangiert Burundis autoritäres Regime auf dem 125. von 167 Rängen und ist damit in der schlechten Gesellschaft anderer autoritärer Regime in Ostafrika, namentlich Äthiopien, Ruanda, Dschibuti und dem ostafrikanischen Schlusslicht Eritrea. Wirtschaftliche Entwicklung 2013 bis 2015 2013 1) 2014 2) 2015 2) BIP (reale Veränderung in %) 4,3 4,7 4,6 Warenimporte (fob, in Mio. US$) 867 875 927 Warenexporte (fob; in Mio. US$) 123 133 130 Inflation (Verbraucherpreise) 9,3 7,0 8,5 1) Schätzung: 2) Prognose Quelle: Economist Intelligence Unit (EIU); Stand 5.1.14 Schlechtes Abschneiden im Regionalvergleich Wenn es um die Leichtigkeit beim Geschäftemachen in Subsahara-Afrika geht, dann ist Burundi eines der Schlusslichter. Im "Ease of Doing Business Ranking" der Weltbank liegt das Land 2014 auf einem miserablem Platz - auch wenn es sich in den letzten Jahren von noch schlechteren Plätzen langsam hervorgearbeitet hat. Da hilft es auch nicht, dass Uganda, Tansania und Kenia in dem Index weiter zurückfallen. Auch bei allen anderen wirtschaftspolitisch relevanten Indizes bemüht sich Burundi vorgeblich, auf bessere Plätze zu kommen, kann einen Aufstieg bislang aber noch nicht schaffen. Im Klartext: Die Wirtschaft wird unbotmäßig gegängelt und behindert, unternehmerischer Einsatz wird nicht belohnt. Von der Existenz eines Privatsektors kann eigentlich nicht gesprochen werden. Der Staat mischt sich in alles ein, statt notwendige Rahmenbedingungen für unternehmerische Aktivitäten zu schaffen. Produktivitätsfortschritte, Dynamik, Rechtssicherheit bleiben so Fremdworte. Privates Eigentum wird vom Staat nicht geachtet. In der Verfassung ist die Unabhängigkeit der Judikative garantiert, in der Praxis aber lässt sie sich überaus willig von der Politik beeinflussen. Wer unternehmerisch überleben will, dem bleibt oft nur die Flucht in informelle Sektoren. 2 www.gtai.de
Ease of Doing Business-Index 1) Land 2011 2012 2013 2014 Singapur 1 1 1 1 Mauritius 2) 20 23 19 20 Deutschland 22 19 20 21 Ruanda 3) 58 45 52 32 Äthiopien 104 111 127 125 Kenia 98 109 121 129 Uganda 122 123 120 132 Burundi 181 169 159 140 Tansania 128 127 134 145 1) 2014: Ränge; Auszug von 189 Ländern bzw. Regionen; 2) 2014: bester Rang in Afrika; 3) 2014:zweitbester Platz in Afrika Quelle: "Doing Business 2014", Weltbank Index of Economic Freedom 2013 1) Rang Land Punktzahl Kategorie 1 Hong Kong 89,3 Frei 8 Mauritius 2) 76,9 Weitgehend frei 19 Deutschland 72,8 Weitgehend frei 63 Ruanda 3) 64,1 Moderate Freiheit 79 Uganda 61,1 Moderate Freiheit 98 Tansania 57,9 Weitgehend unfrei 114 Kenia 55,9 Weitgehend unfrei 146 Äthiopien 49,4 Unterdrückt 148 Burundi 49,0 Unterdrückt 177 Nordkorea 4) 1,5 Unterdrückt 1) Auszug; 2) Höchster Rang in Afrika; 3) Dritthöchster Rang in Afrika nach Mauritius und Botswana, 4) Letzter Rang. Quelle: The Heritage Foundation 3 www.gtai.de
Korruptionswahrnehmungsindex 2013 1) Rang Land Punktzahl 1 Dänemark 91 1 Neuseeland 91 12 Deutschland 78 30 Botsuana 2) 64 49 Ruanda 3) 53 111 Äthiopien 33 111 Tansania 33 136 Kenia 27 140 Uganda 26 157 Burundi 21 175 Nordkorea 4) 8 175 Afghanistan 4) 8 175 Somalia 4) 8 1) Auswahl: 2) Bester afrikanischer Rang; 3) Viertbester Rang in Afrika nach Botsuana, den Kapverdischen Inseln und den Seychellen; 4) Schlechtester Rang Quelle: Transparency International Und es gibt noch einen internationalen Index, in dem Burundi nicht nur ein afrikanisches Schlusslicht ist, sondern sogar ein weltweites: der Logistics Performance Index. Nirgendwo in der Welt ist es um die logistische Leistungsfähigkeit so schlecht bestellt wie in Burundi. Da kann es dann auch nicht trösten, dass alle ostafrikanischen Länder ausgesprochen schlecht dastehen, im Gegenteil: Burundi ist auf die Handelsrouten über kenianische und ugandische Häfen sowie durch Binnenländer wie Uganda und Ruanda angewiesen. Die Abfertigung eines von See ankommenden Containers dauert im tansanischen Daressalam neun Tage, im kenianischen Mombasa sogar in der Regel zwei Wochen. Danach kommt ein mühsamer Straßentransport über schlechte und überfüllte Straßen, schikaniert durch gut drei Dutzend Straßensperren und unterbezahlte Polizisten. Ein Importeur in Burundi zahlt im Durchschnitt 5.000 US$ für den Import eines einzigen Containers. Bei der Kalkulation von Einzelhandelspreisen machen die Transportkosten mit etwa 40% den Löwenanteil aus. Bis die Transitkosten auf ein akzeptables Niveau reduziert werden können, wird wohl noch viel Zeit vergehen. 4 www.gtai.de
Logistics Performance Index 2012 (Auszug) Rang Land Punkte 1 Singapur 4,13 4 Deutschland 4,03 88 Tansania 2,65 122 Kenia 2,43 139 Ruanda 2,27 141 Äthiopien 2,24 143 Demokratische Republik Kongo 2,21 147 Eritrea 2,11 154 Dschibuti 1,80 155 *) Burundi 1,61 *) Letzter Platz Quelle: Weltbank Extrem defizitärer Außenhandel Burundi hat ein extrem hohes und chronisches Handelsbilanzdefizit, bei dem nicht vorstellbar ist, wie dieses jemals beseitigt werden könnte. Im vergangenen Jahr importierte Burundi siebenmal mehr als es exportierte. An diesem krassen Missverhältnis wird sich auch in der absehbaren Zukunft nichts ändern. Burundi hat eine stark limitierte Exportpalette: Tee und Kaffee, die beide in hohem Maße von externen Faktoren wie dem Wetter und den internationalen Commodity-Preisen abhängen. Ob Bergbauprodukte eines Tages dazu kommen werden, bleibt noch abzuwarten. Die Importe werden durch Kapital- und Verbrauchsgüter dominiert. Vor allem die Bauindustrie braucht aktuell sehr viel mehr Maschinen, als sie bezahlen kann. Burundis Liste der bevorzugten Lieferländer entspricht weitgehend dem auch in anderen Ländern der Region zu beobachtenden Schema: Lokale Haupthandelspartner sind traditionell die großen Nachbarn Kenia, Tansania, Uganda und Sambia. International sind die VR China und Indien auf dem Vormarsch. Südafrika spielt als Handelspartner keine Rolle. Ein Hauptgrund: Südafrikaner können meist kein Französisch. 5 www.gtai.de
Exporte wichtiger Handelspartner nach Burundi *) (in Mio. US$) 2010 2011 2012 Kenia 68,8 k.a. k.a. Tansania 56,1 39,8 54,6 VR China 33,4 42,5 46,5 Uganda 51,3 41,5 46,1 Belgien 34,3 44,1 41,1 Indien 17,2 21,3 32,0 Singapur - 0,3 30,3 Sambia 27,9 28,0 k.a. USA 14,4 32,8 20,0 Frankreich 10,0 26,6 19,9 *) Basierend auf den Angaben der Partnerländer. Die burundischen Handelszahlen und die darauf gründenden Zahlen der Weltbank-Statistik Comtrade erscheinen höchst unglaubwürdig. Wichtigster Handelspartner ist vermutlich der Erdöllieferant Saudi-Arabien, der jedoch noch keine Außenhandelszahlen veröffentlicht hat. Quelle: Comtrade, Stand 13.1.14 Sehr geringe deutsche Chancen Für deutsche Firmen ist Burundi schlichtweg kein Absatzmarkt. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes importierte Burundi 2012 für lediglich 14,8 Mio. Euro Waren aus Deutschland und belegte damit nach St. Kitts und Nevis - einem winzigen Inselstaat auf den Kleinen Antillen - Rang 173 auf der Liste deutscher Abnehmerländer und -gebiete. Importiert wurden lediglich für 2,4 Mio. Euro Lkw und Spezialfahrzeuge, für 2,3 Mio. Euro sonstige Maschinen, für 1,3 Mio. Euro Geräte zur Elektrizitätserzeugung und -verteilung sowie für 1,2 Mio. Papier, Pappe und Produkte daraus. Aus Burundi bezog Deutschland 2012 Waren im Wert von 14,5 Mio. Euro, nahezu ausschließlich Kaffee (14,3 Mio. Euro). Damit war Deutschland vermutlich der wichtigste Abnehmer burundischen Kaffees weltweit. Wenn gelegentlich mal etwas nach Burundi verkauft wird, dann kümmern sich in der Regel die Handelsvertreter deutscher Firmen in den VAE, Kenia oder Südafrika um das Geschäft. Diese können grundsätzlich die Risiken und Chancen besser abschätzen als die Mutter in Deutschland. Ruandische Händler, wie andere Geschäftsleute in Ostafrika auch, beschweren sich mitunter darüber, dass ihre Anfragen an Firmen in Deutschland schlichtweg nicht beantwortet werden. Solche Geschäftsbriefe sehen in der Tat oft nicht seriös aus, können aber durchaus von einem solventen Absender stammen. Kenner der Region können da die Spreu vom Weizen besser unterscheiden. Auch wenn Ruanda ob seiner Marktgröße gänzlich uninteressant ist, kann es dennoch gelegentlich größere Projekte geben, an denen sich deutsche Firmen grundsätzlich als Zulieferer beteiligen können. Zu nennen sind hier vor allem ostafrikanische Großprojekte mit einer burundischen Komponente, wie Eisenbahnen, Straßen, Ölproduktpipelines sowie länderübergreifende Strom- und Glasfaserkabelnetze. Wer davon profitieren möchte, muss vor allem zeitig und gut informiert sein. Es kann nicht schaden, wenn sich deutsche Firmen gelegentlich auch mal von der Heimat aus schlau machen und ihrem Afrikaagenten eine Anregung geben. Machen wir uns nichts 6 www.gtai.de
vor: Für den Handelsvertreter eines deutschen Unternehmens in Dubai oder Südafrika ist Burundi höchst wahrscheinlich ein weißer Fleck auf der Landkarte, den er freiwillig auch kaum erkunden möchte. Regionale und burundische Projekte Projekt Regionales Eisenbahnnetz Tansania, Ruanda, Burundi Ölproduktpipeline Ruanda-Burundi Ostafrikanisches Stromverbundnetz Nickelabbau Rusumo-Falls-Wasserkraftwerk (80 MW; Gemeinschaftsprojekt von Tansania, Ruanda und Burundi; Gesamtkosten ca. 400 Mio. US$) Verschiedene Kraftwerksprojekte (Wasserkraftwerk Budanza - 80 Mio. US$; 55-MW-Wasserkraftwerk in Bururi; Beteiligung am 145-MW-Wasserkraftwerk Ruzizi III - zusammen mit Ruanda und der Demokratischen Republik Kongo) Shopping-Center Hilton-Hotel (Sanierung eines bestehenden Objekts) Stand Finanzierung Durchführung Anmerkung: Burundi will nach eigenen Angaben 2014 rund 910 Mio. US$ für Agrar-, Energie- und Infrastrukturprojekte ausgeben. Quellen: Zeitungsberichte, GTAI-Recherche Potenzielle Investoren und Unternehmen, die nach Burundi exportieren wollen, sollten bei ihrer Entscheidung über den Markteintritt das Stärken-Schwächen-Profil des Standorts und die damit verbundenen Chancen und Risiken (SWOT-Analyse) berücksichtigen: SWOT-Analyse Strengths (Stärken) Keine. Weaknesses (Schwächen) Marginale Marktgröße, geringe Kaufkraft. Sehr schwache Infrastruktur. Teuer Außenhandel und hohe Abhängigkeit von ausländischer Infrastruktur. Unzureichendste Versorgung mit Nahrungsmitteln in Subsahara-Afrika. Extrem hohe Bevölkerungsdichte, bei gleichzeitig sehr hohem Bevölkerungswachstum. 7 www.gtai.de
Opportunities (Chancen) Expandierender Regionalhandel. Infrastrukturprojekte. Kommerzieller Tee- und Kaffeeanbau. Bodenschätze. Threats (Risiken) Soziale Konflikte, Unruhen, Bürgerkrieg. Konflikte in Transitländern können Warenzufuhr unterbrechen. Spannungen mit der Internationalen Gebergemeinschaft. Konflikt in der Demokratischen Republik Kongo. Terrorismus. Quelle: GTAI (M.B.) Peter Schmitz GTAI KONTAKT Peter Schmitz +49 (0)228 24 993-440 Ihre Frage an uns Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck auch teilweise nur mit vorheriger ausdrücklicher Genehmigung. Trotz größtmöglicher Sorgfalt keine Haftung für den Inhalt. 2016 Germany Trade & Invest Gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages. 8 www.gtai.de