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Keine Verletzung von Art. 14 EMRK ivm. Art. 8 EMRK (6:1 Stimmen).

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Entschädigung nach Art. 41 EMRK: 1.000,- für immateriellen Schaden, 3.500, für Kosten und Auslagen (einstimmig).

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hinsichtlich Art. 14 EMRK ivm. Art. 8 EMRK Verletzung von Art. 14 EMRK ivm. Art. 8

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EUROPÄISCHER GERICHTSHOF FÜR MENSCHENRECHTE

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Zulässigkeit der Beschwerden (einstimmig). Keine Verletzung von Art. 14 EMRK ivm. Art. 8

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Transkript:

Bsw 61654/08 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Kammer III, Beschwerdesache Martínez Martínez und Pino Manzano gg. Spanien, Urteil vom 3.7.2012, Bsw. 61654/08. Art. 8 EMRK - Andauernde Lärmbelästigung durch Steinbruch. Zulässigkeit der Beschwerde (einstimmig). Keine Verletzung von Art. 8 EMRK (einstimmig). Keine gesonderte Prüfung von Art. 6 Abs. 1 EMRK (einstimmig). B e g r ü n d u n g : Sachverhalt: Die Bf. leben in Redovan, 200 Meter von einem Steinbruch entfernt. Ein Teil ihres in einer Industriezone gelegenen Hauses wird von ihnen als Textilatelier genutzt. Im Oktober 1996 stellte der Gemeinderat der Gesellschaft B. eine Konzession für die zeitlich befristete Ausbeutung des Steinbruchs aus. Die Bf. erhoben dagegen Einspruch unter anderem bei der Gemeinde, der Abteilung für industrielle Tätigkeiten der Provinz Alicante und beim Bundesministerium für die soziale Sicherheit und beklagten sich über den Lärm und den Staub, unter denen sie als Folge der Arbeiten im Steinbruch zu leiden hätten. Im August 1998 konsultierten die Bf. einen Psychologen, der ihnen Schlafstörungen, wahrscheinlich hervorgerufen durch den vom Steinbruch ausgehenden Lärm, bescheinigte. Ein zweites Attest aus 2001 kam zu demselben Ergebnis. Ein im Oktober 1998 von den Bf. herangezogener Privatgutachter stellte eine Überschreitung der zulässigen Nachtlärm-Grenzwerte fest und

2 Bsw 61654/08 empfahl die Ergreifung von Maßnahmen zur Herabsetzung des Lärms im Haus. Nachdem die Bf. Strafanzeige wegen eines»delikts gegen die Umwelt«erstattet hatten, beauftragte die Staatsanwaltschaft das Amt für Umwelt- und Naturschutz mit der Erstellung eines Lärmgutachtens. Die Experten kamen zu dem Ergebnis, dass der Lärmpegel zwischen 8:00 und 22:00 Uhr bei geschlossenen Fenstern den von der Gemeinde per Verordnung festgesetzten Grenzwert von 40 Dezibel nicht überschritten habe. Für die Zeitspanne zwischen 22:00 und 8:00 Uhr stellten sie hingegen eine geringe Überschreitung des vorgeschriebenen Grenzwerts von 30 Dezibel fest. Was den Staub betreffe, hätten in den Wohnräumen keine Auffälligkeiten beobachtet werden können, lediglich in den Geschäftsräumen sei eine Staubschicht vorgefunden worden. Am 24.3.2000 stellte die Staatsanwaltschaft das Strafverfahren ein. In der Folge forderten die Bf. die Gemeinde vergeblich auf, für durch die Umweltbelastung entstandene Vermögensschäden aufzukommen. Sie erhoben daraufhin gegen Letztere und den Betreiber des Steinbruchs Klage beim Obersten Gerichtshof von Valencia und begehrten unter anderem die Einstellung des Betriebs und den Zuspruch von Schadenersatz wegen der ständigen Lärm- und Staubbelastung. Zu einem nicht mehr bestimmbaren Datum im Jahr 2005 wurden die Arbeiten im Steinbruch eingestellt. Mit Urteil vom 7.4.2006 wies der Oberste Gerichtshof von Valencia die Klage der Bf. mit dem Hinweis ab, der Gemeinderat habe korrekt gehandelt, was die für die Ausbeutung des Steinbruchs ausgestellte Konzession anbelange. Die Aktivitäten der Zweitbeklagten seien weder im

3 Bsw 61654/08 Verborgenen abgelaufen noch von der Gemeinde stillschweigend toleriert worden. Außerdem sei das Haus der Bf. ohne Bewilligung in einer für industrielle Tätigkeiten ausgewiesenen Zone errichtet worden. Sie hätten sich somit aus freien Stücken der von ihnen angeprangerten Situation ausgesetzt. Abgesehen davon sei der Lärm nicht so schlimm wie von den Bf. dargestellt. Das von ihnen vorgelegte Privatgutachten stehe den Ergebnissen des vom Amt für Umwelt- und Naturschutz erstellten Gutachtens diametral entgegen, wonach nur eine geringfügige Überschreitung der Lärmgrenzwerte für die Nacht und keine über der Norm stehenden Staubimmissionen festzustellen gewesen seien. Die Bf. wandten sich hierauf mit einer Amparo- Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und beklagten sich unter Berufung auf die Urteile Moreno Gómez/E und López Ostra/E über eine Verletzung ihrer verfassungsmäßigen Rechte auf Unverletzlichkeit der Wohnung bzw. auf rechtliches Gehör. Ihre Beschwerde wurde am 30.11.2007 für unzulässig erklärt. Rechtsausführungen: Die Bf. behaupten eine Verletzung von Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 6 Abs. 1 EMRK (hier: Anspruch auf rechtliches Gehör) und von Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens bzw. der Wohnung). Der GH hält es für angebracht, die von den Bf. vorgebrachten Beschwerdepunkte ausschließlich unter Art. 8 EMRK zu prüfen. Zur behaupteten Verletzung von Art. 8 EMRK Die Bf. beklagen sich über Störungen ihres psychischen Wohlbefindens durch den vom Steinbruch

4 Bsw 61654/08 ausgehenden Lärm. Ferner hätten sie keine Entschädigung für Beeinträchtigungen durch Lärm und Staub bekommen. Zur Zulässigkeit Die Regierung wendet ein, dass der Betrieb im Steinbruch zum Zeitpunkt des Urteils des Obersten Gerichtshofs von Valencia bereits endgültig eingestellt worden sei. Die Bf. könnten daher nicht länger behaupten, Opfer einer Konventionsverletzung zu sein. Der GH weist auf seine ständige Rechtsprechung hin, wonach der Wegfall der Expositionsquelle nicht ausreicht, um die Opfereigenschaft zu beseitigen. Dieser Beschwerdepunkt ist daher nicht offensichtlich unbegründet isv. Art. 35 Abs. 3 lit. a EMRK oder aus einem sonstigen Grund unzulässig. Er ist somit für zulässig zu erklären (einstimmig). In der Sache Der GH erinnert an die Verpflichtung des Staats, Personen vor exzessivem Lärm zu schützen. Der vorliegende Fall ähnelt jedoch mehr den Fällen Hatton u.a./gb, Ruano Morcuende/E und Galev/BG, in denen der GH feststellte, dass der Lärm die einschlägigen Grenzwerte nicht überschritten hatte bzw. es den Bf. misslungen war, schädliche Auswirkungen konkret zu bescheinigen. Der GH räumt ein, dass die Bf. vom Lärm direkt und im Ausmaß von 19 Stunden pro Tag betroffen waren. Er zweifelt jedoch nicht die Ergebnisse des vom Amt für Umwelt- und Naturschutz erstellten Gutachtens an, wonach die einschlägigen Lärmgrenzwerte nicht überschritten worden wären und es lediglich in der Nacht zu einer Überschreitung um vier bis sechs Dezibel gekommen sei. Was den Staub angehe, sei zwar eine Staubschicht im Textilatelier entdeckt

5 Bsw 61654/08 worden, der in den Wohnräumen gemessene Staubgehalt in der Luft sei jedoch als vernachlässigbar einzustufen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Bf. Wohnung in einem Gebäude bezogen, von dem sie einen Teil für ihre beruflichen Aktivitäten nutzten. Der Grund, auf dem es steht, war ursprünglich als»ländlich«und später als städtische Industriefläche klassifiziert worden. In beiden Fällen beinhaltete die Widmung ein Verbot der Errichtung einer Unterkunft. Der GH erinnert daran, dass dem Staat in Fragen der Flächenwidmung ein weiter Ermessensspielraum zukommt und die Bürgerinnen und Bürger sich an diesbezügliche Vorgaben zu richten haben. Was nun die Tatsache anlangt, dass sich das Haus der Bf. von Anfang an nicht in einer Wohnzone befand, ist zu sagen, dass sie sich freiwillig einer unrechtmäßigen Situation ausgeliefert haben. Sie haben daher die daraus resultierenden Folgen zu tragen bzw. zu akzeptieren. Sie können sich daher nicht über die von einem legal betriebenen Steinbruch ausgehenden Immissionen beklagen, vermag doch eine Industriefläche nicht denselben Umweltschutz wie eine Wohnzone zu genießen. Darüber hinaus haben die nationalen Gerichte ungeachtet der illegalen Wohnsitznahme das Vorbringen der Bf. aufmerksam und im Detail geprüft und sogar ein Strafverfahren wegen eines»delikts gegen die Umwelt«eingeleitet. Die auf die Ergebnisse des Lärmgutachtens gestützte Einstellung des Strafverfahrens ist aus der Sicht des GH weder willkürlich noch unbegründet. Unter diesen Umständen ist keine Verletzung von Art. 8 EMRK festzustellen (einstimmig). Zur behaupteten Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK

6 Bsw 61654/08 Die Bf. beanstanden, dass der Oberste Gerichtshof von Valencia nicht über ihr Begehren auf Schließung des Steinbruchs abgesprochen habe. Angesichts seiner Feststellungen zur behaupteteten Verletzung von Art. 8 EMRK sieht der GH von einer gesonderten Prüfung dieses Beschwerdepunkts ab (einstimmig). Vom GH zitierte Judikatur: López Ostra/E v. 9.12.1994 = NL 1995, 25 = ÖJZ 1995, 347 = EuGRZ 1995, 530 Hatton u.a./gb v. 8.7.2003 (GK) = NL 2003, 193 = ÖJZ 2005, 642 = EuGRZ 2005, 584 Moreno Gómez/E v. 16.11.2004 = NL 2004, 292 Ruano Morcuende/E v. 6.9.2005 (ZE) Galev u.a./bg v. 29.9.2009 (ZE) Hinweis: Das vorliegende Dokument über das Urteil des EGMR vom 3.7.2012, Bsw. 61654/08 entstammt der Zeitschrift "Newsletter Menschenrechte" (NL 2012, 232) bzw. der entsprechenden Datenbank des Österreichischen Institutes für Menschenrechte, Salzburg, und wurde von diesem dem OGH zur Aufnahme in die Entscheidungsdokumentation Justiz im RIS zur Verfügung gestellt. Das Urteil im französischen Originalwortlaut (pdf-format): www.menschenrechte.ac.at/orig/12_4/martinez Martinez.pdf Das Original des Urteils ist auch auf der Website des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (www.echr.coe.int/hudoc) abrufbar.