Klimawandel und die Ausbreitung von Zecken-übertragenen Infektionskrankheiten

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Transkript:

Klimawandel und die Ausbreitung von Zecken-übertragenen Infektionskrankheiten Q-Fieber, Rickettsiosen, Peter Kimmig RPS/ Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg, Stuttgart

Coxiella burnetii vegetative Zellen und sporenähnliche Körperchen

Q-Fieber: Klinische Symptomatik : Asymptomatisch: 60% Inkubation: 2-3 Wochen Bakteriämie: Fieber, Schüttelfrost, Mattigkeit, Gliederschmerzen, Retroorbital-Kopfschmerz Organmanifestation: (2%) Atypische Pneumonie Hepatitis Selten: Myokarditis, Perikarditis, Meningoenzephalitis Chronisches Q-Fieber: (1%) Endokarditis, Hepatitis

Q-Fieber: Schwangere Abort: v.a. 1. Trimenon Frühgeburt, geringes Geburtsgewicht Entwicklung von chronischem Q-Fieber über 50% Hohe Infektionsempfänglichkeit Probleme: Hygienische Maßnahmen bei der Geburt, in der Wochenbettperiode Stillen Therapie der Schwangeren Therapie nach der Geburt

Infektionskreislauf von Coxiella burnetii

Dermacentor marginatus im Schaf-Vlies

Q-Fieber: Erkrankungen Tiere Rind: Chronischer subklinischer Verlauf mit Persistenz der Erreger über Monate bis Jahre Organmanifestation: Euter: keine Mastitis, keine Milchveränderung Uterus: Verkalben als Spätabort (< 6 Mo), Fertilitätsstörungen Schaf: kurzfristiger akuter Verlauf, Persistenz in Organen über Wochen bis 40 Tage Organmanifestation: Uterus, Plazenta: Verlammen massive Erregerausscheidung über Fruchtwasser, Nachgeburt, Lochialflüssigkeit (Milch, Nasensekret, Speichel, Urin, Kot bei Coxielliämie)

Q-Fieber: Infektionswege des Menschen: Aerogen 1. Infektiöser Zeckenkot 2. Infizierte Tiere: Direktkontakt 3. Infizierte Tiere : indirekter Kontakt kontaminierte Streu, Boden, Kleidung Alimentär Rohmilch

Sammelorte von Zecken(n=1066) und Zeckenkot (n=49) von Schafen

Befallsraten von Freiland-Zecken mit Coxiella burnetii Dermacentor spec. Kinzig-Tal: (n=396) 0% Rheintal: (n=440) 0% Ixodes ricinus Rheintal: (n=600) 0%

Q-Fieber Antikörperprävalenzen bei Normalbevölkerung: nach vorangegangenem Ausbruch Seebronn (Krs Tübingen): 19% (n=715) 1983 Rollshausen (Hessen): 23% (n= 200) 1998 Stetten a.k.m: 45% (n=507) 2007 permanente Seroprävalenz Leutkirch: 7,4% (n=2447) 2007

Rickettsie beim Eindringen in eine Wirtszelle

In Europa vorkommende Rickettsien-Arten Gruppe Krankheitsbild Erreger Vektor Verbreitung Fleckfieber- Fleckfieber R. prowazekii Kleiderlaus früher weltweit, Gruppe murines Fleckfieber R. typhi Rattenflöhe heute weltweit Afrika Allodermanyssus Rickettsienpocken R. akari Zeckenstichfieber-Gruppe spp. (Mäusemilben) vermutlich weltweit MSF, Rhipicephalus spp., Mittelmeer, Afrika, R. conorii Altweltzeckenfieber Dermacentor spp. Vorderasien Slowakei,? R. slovaca Dermacentor spp. Schweiz, Frankreich Perimyokarditis R. helvetica Ixodes ricinus Schweiz, Italien, Frankreich, Schweden Deutschland

Germany Prevalence of Rickettsia helvetica in Ixodes ricinus LK Ludwigsburg N=499 5.6% LK Ostalb N=466 13.3% N positive 1187 105 (8.9%) Baden-Wuerttemberg State of Baden-Wuerttemberg LK Lörrach N=222 6.8% Investigation areas for Rickettsia sp. Collection areas

Rickettsia sp in Dermacentor sp in Baden-Württemberg Area male adults / Rickettsia positiv (%) spp. female adults Rickettsia spp. positiv (%) total Rickettsia spp. positiv (%) Kinzig valley 174 / 6 (3,4%) 221 / 16 (7,2%) 395 / 22 (5,6%) Rhine valley 13 / 1 (7,6%) 14 / 5 (35,7%) 27 / 6 (22,2%)

Gemeldete Q-Fieber-Fälle in BRD (RKI-Daten) und Baden-Württemberg: 400 350 300 250 200 150 100 50 0 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 (09) Q-Fieber-Fälle in Deutschland Q-Fieber-Fälle in BW

end

Ergebnisse der labordiagnostischen Untersuchungen von asymptomatischen Risikogruppen Q-Fieber-Ausbruch Soest Mai/Juni 2003 Herzpatienten insgesamt 20 Schwangere insgesamt 15 10 5 11 4 Schwangere positiv 18 2 Herzpatienten positiv 0

47,5 48 46,5 47 45,5 46 44,5 45 43,5 44 42,5 43 41,5 42 40,5 41 39,5 40 38,5 39 37,5 38 36,5 37 35,5 36 34,5 35 Fieber IgM-Nachweis im Serum Virusnachweis i. Blut 39 C IgG-Nachweis im Serum Virusnachweis i. Liquor Inkubationszeit Grippe-Symptome Intervall ZNS-Symptome Paresen/Spätschäden 0 10 20 30 40 Tage nach Infektion 40 C

Q-Fieber bei Großtieren : prophylaktische Maßnahmen Kontrollierte Akarizid-Behandlung: zu Beginn der Dermacentor-Befallszeit Impfung gegen Coxiellen in Q-Fieber-Endemiegebieten

Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg CHEMISCHES UND VETERINÄRUNTERSUCHUNGSAMT STUTTGART Schafherdengesundheitsdienst der Tierseuchenkasse Baden-Württemberg Erforderliche Maßnahmen beim Auftreten von humanen Q-Fieber-Epidemien Bearbeitet von: Prof. Dr. Dr. Kimmig, Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg Dr. Pfaff, Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg Dr. Sting, Chemisches und Veteruninäruntersuchungsamt, Stuttgart Dr. Steng, Schafherdengesundheitsdienst Stuttgart der Tierseuchenkasse BW

Leishmaniose, Mittelmeer-Fleckfieber: prophylaktische Maßnahmen Veterinärmedizinische Kontrolle von importierten Hunden aus dem Mittelmeer-Raum auf: Braune Hundezecke (Rhipicephalus sanguineus) Leishmania-Infektion (L. infantum) Rickettsien-Infektion (R. conorii)

Durch Schildzecken übertragene Erreger in Deutschland FSME-Virus Eyach-Virus Erve-Virus Lipovnik-Virus Uukuniemi-Virus Rickettsia slovaka Rickettsia spec. Coxiella burnetii HGE Ehrlichia canis Borrelia burgdorferi s.l. Francisella tularensis Babesia spec.

Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg CHEMISCHES UND VETERINÄRUNTERSUCHUNGSAMT STUTTGART Schafherdengesundheitsdienst der Tierseuchenkasse Baden-Württemberg Erforderliche Maßnahmen beim Auftreten von humanen Q-Fieber-Epidemien Bearbeitet von: Prof. Dr. Dr. Kimmig, Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg Dr. Pfaff, Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg Dr. Sting, Chemisches und Veteruninäruntersuchungsamt, Stuttgart Dr. Steng, Schafherdengesundheitsdienst Stuttgart der Tierseuchenkasse BW

Q-Fieber bei Großtieren : prophylaktische Maßnahmen Kontrollierte Akarizid-Behandlung: zu Beginn der Dermacentor-Befallszeit Impfung gegen Coxiellen in Q-Fieber-Endemiegebieten

Q-Fieber: Epidemien in Baden-Württemberg 1998: Freiburg: 7 Fälle gemeldet aktive Fallsuche : 100 Erkrankunsfälle, serologisch bestätigt 1999: Rottweil: Presse: gehäuft auftretende atypische Pneumonien aktive Fallsuche: 43 Erkrankungsfälle, serologisch bestätigt 1999: Stetten am Kalten Markt Presse: gehäuft auftretende atypische Pneumonien aktive Fallsuche: 43 Erkrankungsfälle, serologisch bestätigt 2004: Bissingen/Teck 4 Fälle gemeldet aktive Fallsuche: bisher 40 Erkrankungsfälle, serologisch bestätigt

Q-Fieber - Therapieschemata Akutes Q-Fieber Standard: Doxycyclin 200 mg tägl. für14 Tage Alternativen: Fluorochinolone (Meningoencephalitis) In vitro: Clarithromycin, Roxithromycin Chronisches Q-Fieber Standard: Doxycyclin (200 mg/die) plus Hydroxychloroquine (600 mg/die) für 1 Jahr Alternative:Rifampicin 600 mg/die plus Ketolid (z.b. Ketek) oder Fluorochinolon (z.b. Tavanic 500 mg/die) für 20 Tage Schwangere:Cotrimoxazol (320 mg Trimethoprim in Komb. mit Sulfamethoxazol 1600 mg) für Dauer d. Schwangersch.