Seltenere zeckenübertragene Krankheiten Teil I: Die Familie der Rickettsien: Rickettsiosen, Ehrlichiosen und Q-Fieber D. Hassler, R. Braun, P.
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1 Seltenere zeckenübertragene Krankheiten Teil I: Die Familie der Rickettsien: Rickettsiosen, Ehrlichiosen und Q-Fieber D. Hassler, R. Braun, P. Kimmig Zusammenfassung: Neben den relativ bekannten Erkrankungen der Lyme-Borreliose und der FSME übertragen Zecken auch in Europa weitere Erreger. Zu diesen gehören neben Viren und Protozoen verschiedene Rickettsienarten, Ehrlichien und Coxiellen. lm Ersten Teil der Serie werden diese rickettsienartigen Krankheitserreger und die dazugehörigen Krankheitsbilder vorgestellt. Schlüsselwörter: Rickettsien Ehrlichiose Q-Fieber Coxiella Ixodes Dermacentor Rhipicephalus Zecken Less frequently occuring tick-borne diseases Part I: The family of rickettsia: Rickettsioses, Ehrlichioses and Q-fever Abstract: In addition to the comparatively well-known diseases of Lyme-Borreliosis and CEE ticks also transmit some more pathogens in Europe, to which belong various kinds of Rickettsiae, Ehrlichiae and Coxiellae besides viruses and protozoa. In the first part of the series these rickettsia-like pathogens and the appropriate clinical pictures are introduced. Keywords: Rickettsiae ehrlichiosis Q-fever Coxiella Ixodes Dermacentor Rhipicephalus ticks Einleitung Die Frühsommerencephalitis (FSME, bzw. deren russische Variante RSSE übertragen durch I. persulcatus), eine durch ein Flavivirus ausgelöste, und die Lyme-Borreliose, eine spirochätenbedingte Erkrankung, sind inzwischen allgemein bekannt. Beide werden durch Zecken der Gattung Ixodes übertragen. Auf beide Infektionen wird daher im folgenden nicht eingegangen. Neben diesen prominenten Vertretern gibt es aber auch in Europa weitere Erreger, die sich des Vektors Zecke zu ihrer Weiterverbreitung bedienen. Diese sollen hier vorgestellt werden. Zecken übertragen weltweit eine große Anzahl von Krankheitserregern, darunter fallen Viren, Bakterien, Protozoen und sogar Parasiten (Tab. 1). Sie fungieren also als Bindeglied ( Vektor ) zwischen Reservoir und Endwirt. Da Zecken in ihrer Entwicklung mehrere Blutmahlzeiten benötigen, ist ihre Vektorkompetenz hoch. Trotzdem ist es eine Voraussetzung der Erregerübertragung, daß dieser Vektor an einem virämischen oder bakteriämischen Reservoir zunächst den Erreger aufnehmen kann, und daß der Erreger in der Zecke lange genug überleben kann, um wieder bei der nächsten Blutmahlzeit abgegeben zu werden. Nur in seltenen Fällen werden bestimmte Erreger von der infizierten Zecke direkt vertikal an die Nachkommen weitergegeben. 1. Rickettsiosen Die Familie der Rickettsien teilt sich klassischerweise auf in die Genera Rickettsia und Orientia, Coxiella und Ehrlichia (eine Neuordnung ist jedoch zu erwarten). Zecken können Erreger aus jedem der genannten Genera übertragen. Im folgenden soll kurz auf die auch bei uns zu erwartenden Infektionen mit Rickettsien eingegangen werden.
2 1.1. Genus Rickettsia Mittelmeerfleckfieber (Altweltzeckenfieber, fievre boutonneuse) Das Altweltzeckenfieber, im englischen Sprachraum Mediterranean spotted fever (MSF) genannt, kommt rund um das Mittelmeer und um das Schwarze Meer vor. Es wurde 1909 in Tunesien von Conor [10] beschrieben. Der Erreger, Rickettsia conori, trägt seinen Namen. Überträger sind Zecken, meist Rhipicephalus-Arten (deutscher Name: Braune Zecken). Rhipicephalus-Zecken werden oft von Hunden aus dem Mittelmeerraum bei uns eingeschleppt. Sie können sich im Gegensatz zu vielen anderen Zeckenarten problemlos auch in der Wohnung vermehren! Typischerweise findet man an der Zeckenstichstelle nach Tagen eine (nicht immer) blauschwarze ulceröse Läsion, die Tache noire, die manchmal von einem eruptiven, makulopapulösen Hautausschlag umgeben ist. Später tritt hohes Fieber, zusammen mit Myalgien, starken Kopfschmerzen und einem generalisierten papulösen Exanthem auf. Nach Raoult [34] traten bei etwa 6% der registrierten MSF-Fälle schwere Verläufe auf, 2% der Patienten starben. Als Komplikation kann unter anderem eine interstitielle Nephritis auftreten. Im Jahre 1999 kam es in Süditalien zu einer epidemieartigen Häufung der Erkrankungen mit bisher 3 registrierten Todesfällen. Tab. 1: Welche Zecke überträgt welche Erreger Zeckenart Erkrankung Krankheitserreger Vorkommen Amblyomma Südafrikanisches Rickettsia africae Rickettsien Südafrika Fleckfieber Heartwater Cowdria ruminatium Ehrlichien urspr. Afrika, (Huftiere) weltweit hum. monozytäre Ehrlichia chaffeensis Ehrlichien Nordamerika Ehrlichiose Dermacentor Nordamerika Rocky Mountain Rickettsia rickettsii Rickettsien Nordamerika Fleckfieber Q-Fieber Coxiella burnetii Rickettsia weltweit Rickettsiosen Rickettsia slovaca Rickettsien und andere Colorado-Zeckenfieber CTF-Virus Orbivirus Nordamerika (Rocky Mountains) Tularämie Francisella tularensis Bakterien Europa, Haemaphysalis Indische Waldkrankheit KFD-Virus Togavirus Indien (Mysore) Kyasanur forest disease
3 Hyalomma Krim-Kongo- CHF- und CON-Virus Nairovirus Europa, Afrika haemorrh. Fieber Ixodes Lyme Borreliose Borrelia burgdorferi Bakterien Europa, Asien, Amerika Frühsommer- FSME-Virus Togavirus Europa, Asien Meningo-Enzephalitis RSSE-Virus humane granul. HGE-Ehrlichia Ehrlichien Nordamerika, Ehrlichiose Europa Babesiose Babesia spp. Protozoen weltweit Ornithodorus Zecken-Rückfallfieber Borrelia duttoni, Spirochäten Afrika, Spanien Borrelia hermsii, Borrelia hispanica Rhipicephalus Fleckfieber Rickettsia spp. Rickettsien Südeuropa, Afrika, Asien Ehrlichiosen Ehrlichia canis, Ehrlichien Ehrlichia platys
4 Abb. 1: Eine 16-jährige Patientin erlitt anläßlich eines Zeltlagers in der Toskana im Juli 1998 einen Zeckenstich. 14 Tage später zeigt sich das typische Bild der (noch lokal begrenzten) R. conori-infektion (Mittelmeerfleckfieber) mit zentraler Läsion und umgebenden Papeln. Generalisationssymptome bestanden noch nicht. Die 20-tägige Therapie mit Doxycyclin führte zur vollständigen Ausheilung Südafrikanisches Zeckenfieber Rickettsia africae, der Erreger des südafrikanischen Zeckenfiebers, wird hauptsächlich von Amblyomma- Zeckenarten übertragen. Die Häufigkeit der Infektion ist in den Endemiegebieten extrem hoch, auch Touristen werden regelmäßig infiziert. Da die Inkubationszeit ca Tage beträgt, ist auch in Deutschland mit Erkrankungen bei Reiserückkehrern zu rechnen (uns sind bisher drei eigene Fälle bekannt). Das Krankheitsbild, ein typisches spotted fever, ist ähnlich wie das des Altweltzeckenfiebers mit initialer Tache noire und anschließendem hochfieberhaftem Generalisationsstadium. Es kann in einzelnen Fällen tödlich verlaufen [6,15].
5 Abb. 2: Amblyomma hebraeum, der Überträger des südafrikanischen Zeckenfiebers (Abb. mit freundlicher Genehmigung von J. Alberti/ Dr. T.N. Petney) Rickettsia slovaca: Macht sie ein Erythema migrans? Eine der Rickettsienarten ist aus europäischer Sicht besonders interessant. Rickettsia slovaca wurde im Gebiet von Tschechien, der Schweiz, in Armenien und in Südfrankreich gefunden [4,5,7]. Die tatsächliche Verbreitung ist wohl nur lückenhaft bekannt. Raoult [32] berichtete über diese Art, daß sie zumindest in einem Fall eine Erythemamigrans-artige Hautrötung verursacht habe. Zwar scheint bei diesem Fall eine Ko-Infektion mit Borrelien nicht völlig ausgeschlossen, die Tatsache, daß auch beim Rocky-Mountain-spotted-fever schon über derartige Hautbefunde berichtet wurde, macht aber aufmerksam. Eigentlich sollte die Art auch in Süddeutschland häufiger zu finden sein, wo sie schon von Rehacek in Dermacentor marginatus-zecken gefunden wurde [35]. Berichte von Krankheitsfällen gibt es bisher nicht. Wie in vielen ähnlich gelagerten Fällen mag dies aber nur eine Frage der gezielten Suche sein, denn Rhipicephalus- und Dermacentor-Zecken kommen auch bei uns vor, stechen aber Menschen nur selten (solange genügend Hunde oder Schafe vorhanden sind). Rickettsia helvetica kommt in Deutschland und der Schweiz in Ixodes-Zecken vor, die ja als Hauptüberträger von FSME und Lyme-Borreliose fungieren. Auch diese Art konnte in Deutschland bisher nicht mit Krankheitsfällen assoziiert werden.
6 Abb. 3: Die typische tache noire, ein schlechtheilendes Ulcus nach Zeckenstich, ist oft das erste Zeichen einer Rickettsieninfektion Andere in Europa vorkommende Rickettsien Neben den genannten Arten wurden schon von Liebisch et al. [23] auch in Deutschland Rickettsien in Zecken gefunden, ohne daß bisher Krankheitsfälle beschrieben wurden. Dies mag aber zum Teil an der fehlenden Aufmerksamkeit liegen. Da Rickettsiosen grundsätzlich gut mit Doxycyclin behandelbar sind, dürfte manche Erkrankung als vermeintliche Borreliose zufällig richtig behandelt worden sein Diagnostik Aufgrund der hohen Infektiösität der Erreger ist eine Isolierung in Zellkultur nicht üblich. In Blutausstrichen oder Biopsiematerial kann ein Nachweis von Rickettsien durch lmmunfluoreszenz (aber auch in der Giemsafärbung) durchgeführt werden. Üblich ist die Serodiagnostik durch die Weil-Felix-Reaktion (heterologe Agglunitation von Proteusantigen), wobei Fleckfieber und Rocky-Mountain-Spotted Fieber stärker mit OX 19 reagieren, während die übrigen Rickettsiosen mit Ausnahme des Tsutsugamuschi-Fiebers eine stärkere Agglutination mit OX 2 zeigen. Weitere serologische Teste wie der ELISA oder der IEFT, auch zum IgM-Nachweis, stehen nur in Speziallaboratorien zur Verfügung Therapie der Rickettsieninfektion Die Standardtherapie bei Rickettsieninfektionen besteht aus Doxycyclin 2x100 mg für 7 Tage, bzw. nach Normalisierung der Körpertemperatur für weitere 3 Tage. In sehr schweren Fällen mit ZNS-Beteiligung kann alternativ Chloramphenicol i.v. in Betracht kommen. In Einzelfällen wurde auch über Erfolge bei einer Therapie mit Fluorchinolonen (Ciprofloxacin) berichtet. 2. Ehrlichiosen Ehrlichien sind kleine, obligat intrazellulär lebende, gramnegative Bakterien. Die verschiedenen Arten haben im Laufe der Evolution eine spezifische Zellaffinität entwickelt. Einige leben ausschließlich in Granulozyten, andere nur in Monozyten. Eine Art, die allerdings (soweit wir wissen) beim Menschen nicht vorkommt, lebt in Thrombozyten. Ehrlichien werden durch Zecken, manche Arten auch durch andere Parasiten übertragen.
7 2.1. Granulozytäre Form: Human granulocytic Ehrlichiosis (HGE) Erregerreservoir Die HGE wird von einer noch unbenannten Ehrlichienart verursacht, die nahe mit E. phagozytophila und E. equi verwandt ist. Vektoren sind nach derzeitiger Kenntnis vor allem Ixodes-Zecken, die auch Hauptüberträger der Borreliose sind [1,9]. Die Zecken bleiben, wenn sie den Erreger bei einer Blutmahlzeit an einem bakteriämischen Wirt aufgenommen haben, transstadiell infiziert und geben die Ehrlichien bei der nächsten Blutmahlzeit weiter, weil diese in den Speicheldrüsen der Zecken persistieren. Reservoire sind unter anderem Schafe, Weißwedelhirsche (Pferde, Hunde), aber auch Mäusearten wie Peromyscus leucopus (Weißfuß-Hirschmaus) und Wühlmäuse [3,24,41]. Klinik Akute Erkrankungen wurden fast ausschließlich in den Sommermonaten beobachtet. Die Leitsymptome der Infektion sind in Tab. 2 dargestellt. 53% der bisher bekannten Patienten wurden hospitalisiert, 5% starben. Nicht immer verläuft die HGE spontan limitiert. Schwere Komplikationen inklusive letaler Verläufe wurden wie bei der HME bekannt. Neben neurologischen Komplikationen bis hin zur Meningitis in der Akutphase konnten auch Panzytopenien durch Befall der Vorläuferzellen im Knochenmark beobachtet werden [13,14,19]. Da die Erkrankung chronisch verlaufen kann, sind rekurrierende Fieberschübe mit schweren Allgemeinsymptomen gelegentlich zu beobachten. Bei einem eigenen Fall konnten wir nachvollziehen, daß sich der Betroffene 1990 in Kansas/USA nach multiplen Zeckenstichen infiziert hatte. Über acht Jahre traten die Fieberschübe zunächst etwa in vierzehntägigem Abstand, später etwa alle zwei Monate auf. Immer wieder wurden umfangreiche serologische und klinische Untersuchungen veranlaßt, die keinerlei tragfähige Diagnose erbrachten. Erst im August 1998 konnte durch Nachweis spezifischer Antikörper und Bestätigung mit dem Westernblot die Ätiologie geklärt werden. Nach dreißigtägiger Doxycyclintherapie wurde der Patient erstmals seit Jahren wieder beschwerdefrei. Tab. 2: Leitsymptome der Human granulocytic Ehrlichiosis (nach [41]) Fieber 100% Myalgien 98% Rigor 95% Gewichtsabnahme 37% Schwindel 39% Erbrechen 34% Lymphknotenschwellungen 2% Durchfälle 10% Leibschmerzen 8% Verwirrtheit 17% Exanthem 2% Leukopenie 50% Thrombopenie 92% Transaminasenerhöhung 91%
8 2.2. Monozytäre Form: Human monocytic Ehrlichiosis (HME) Erregerreservoir Der Erreger der HME, Ehrlichia chaffeensis, wurde erstmals aus dem Blut eines erkrankten Patienten isoliert. Später wurde er in Amblyomma-Zecken und Weißwedelhirschen aus vielen Gegenden der USA gefunden [24]. Beide scheinen für die Verbreitung der HME eine entscheidende Rolle zu spielen, da die Weißwedelhirsche nach Infektion an einer langdauernden Bakteriämie leiden. Deshalb können Zecken im Larven- oder Nymphenstadium den Erreger problemlos aufnehmen und bei ihrer nächsten Blutmahlzeit weitergeben. Während bei der Borreliose Mäuse das eigentliche Reservoir darstellen und Rehe und Hirsche lediglich als Transportmittel borrelienhaltiger Zecken dienen, haben sie für die Ehrlichiose den Charakter eines echten Reservoirs [3]. Abb. 4: Zu den amerikanischen Amblyomma-Arten gehört die Lone star tick (A. americanum), die vor allem in Texas vorkommt. Sie ist zu ihrem inoffiziellen Namen gekommen, weil sie ein charakteristisches Mal auf dem Rücken trägt, das an den texanischen Lone Star erinnert. (Mit freundlicher Genehmigung von Dr. Michael Bechtel, Heidelberg) Klinik Die HME imponiert als systemische Erkrankung mit gewissen Ähnlichkeiten zum Rocky-Montain-spotted-fever. Die meisten Symptome sind eher unspezifisch (Tab. 3). In der von Fishbein et al. [12] vorgestellten Referenz-Serie der CDC scheinen schwere Verläufe deutlich überrepräsentiert, da in einer prospektiven Untersuchung an US- Soldaten gefunden wurde, daß 67% der Erkrankungen als asymptomatische Serokonversionen ablaufen [30]. Walker [41] diskutiert, daß es sich durchaus um unterschiedliche Ehrlichienspezies gehandelt haben könne, da die derzeit eingesetzten serologischen Testverfahren erhebliche Kreuzreaktionen zeigen. Komplikationen der HME können in Form von Meningitiden, Lungenentzündungen (bis hin zum akuten Lungenversagen, [29]) und anderen Organbeteiligungen wie etwa Herzmuskelentzündungen ablaufen. Auch die HME ist unbehandelt nicht selten tödlich [28].
9 2.3. Thrombozytäre Form Bei Hunden wurde auch eine Ehrlichie (E. platys) gefunden, die sich in Thrombozyten vermehrt. Bei Stichproben fand man in einzelnen Hundepopulationen in Taiwan zwischen 8 und 90% Infizierte [8]. Diese Art kommt wie E. canis in zahlreichen Ländern vor und kann für schwer verlaufende Ko-Infektionen mit diesem Erreger verantwortlich sein (Harrus 1997). Tab. 3: Leitsymptome der Human monocytic Ehrlichiosis (nach [12]) Fieber 97% Kopfschmerzen 81% Myalgien 68% Gewichtsabnahme 66% Schwindel 48% Lymphknotenschwellungen 25% Durchfälle 25% Leibschmerzen 22% Verwirrtheit 20% Exanthem 36% Leukopenie 60% Thrombopenie 68% Transaminasenerhöhung 86% 2.4. Diagnostik Im Prinzip können sowohl HGE als auch HME durch Färbung von peripheren Blutausstrichen erkannt werden. Die Erreger stellen sich in den spezifischen Wirtszellen als Morula (lat. für Maulbeere) dar. Die Sensitivität dieses Nachweisverfahrens ist bei der HGE deutlich günstiger, bei der HME gelingt der Nachweis nur im Ausnahmefall. Bei der üblichen maschinellen Auswertung der Differentialblutbilder besteht naturgemäß keine Chance, den Erreger zu erkennen. Die serologische Kreuzreaktivität zwischen einigen Ehrlichienarten ist groß. So besteht eine starke Kreuzreaktion zwischen E. chaffeensis und E. canis. Zur serologischen Diagnostik der HGE (die von einer nah mit E. equi und E. phagozytophila verwandten, noch unbenannten Art verursacht wird), wird häufig noch E. equi verwendet. Mittlerweile stehen jedoch verschiedene Teste zum Nachweis von spezifischen Antikörpern gegen HGE zur Verfügung. Diese reichen von der indirekten Immunfluoreszenz über Immunoblot bis hin zur PCR. Aufgrund der beobachteten Kreuzreaktionen kann jedoch zwischen möglicherweise unterschiedlich pathogenen, aber kreuzreagierenden Arten nicht unterschieden werden. Da weltweit bei Borreliose-Infizierten in 6 bis 14% serologische Hinweise auf eine gleichzeitige Ehrlichien-Infektion gefunden werden, stellt sich zumindest die Frage, ob weniger pathogene Ehrlichien hierfür verantwortlich sein könnten. Dies würde erklären, daß bayrische Waldarbeiter zu 14% seropositiv waren, ohne daß man Hinweise auf ein schweres Krankheitsbild der Betroffenen gefunden hat [11]. Auch die PCR stellt ein zur Diagnose der Ehrlichiosen geeignetes Verfahren dar, geeignete Primer für die verschiedenen Arten lassen eine speziesspezifische Diagnose zu, was angesichts der bereits diskutierten Unsicherheiten der Serologie vielleicht einige offene Fragen zu beantworten hilft.
10 Abb. 5: Blutausstrich vom Hamster mit granulozytärer Ehrlichiose. In zweien der dargestellten Granulozyten sieht man die typische Formation der Morula (Pfeile). (Mit freundlicher Genehmigung von Dr. U. Munderloh, Minneapolis) Abb. 6: Nachweis von Ehrlichia-Antikörpern mit dem indirekten Immunfluoreszenztest (Mit freundlicher Genehmigung von Dr. U. Munderloh, Minneapolis) 2.5. Therapie der Ehrlichiosen Da Ehrlichien obligat intrazellulär leben, sind nur wenige Antibiotikaklassen in der Lage, den Keim zu treffen. Standard in der Therapie der Ehrlichiosen ist Doxycyclin. Im allgemeinen werden 2x100 mg über Tage empfohlen. Neuere Makrolide und Fluorochinolone sind ebenfalls wirksam [20]. Grundsätzlich nicht wirksam sind Penicilline und Cephalosporine. Systematische Untersuchungen zur vergleichenden Therapie mit den verschiedenen theoretisch in Frage kommenden Antibiotika existieren bisher nicht. 3. Coxiella burnetii und das Q-Fieber (Query-Fieber) 3.1. Erreger Der Erreger wurde bereits 1937 von Burnet und Freeman in Australien erstmals beschrieben und zunächst als Rickettsia burnetii benannt. Coxiella burnetii gehört zum Genus der Coxiellen und ist der Erreger des Q-Fiebers (Query-Fieber). Es handelt sich um kleine, gramnegative, intrazellulär liegende Stäbchen, die sich im Phagosom
11 der Wirtszelle vermehren [2]. Hervorzuheben ist die hohe Umweltresistenz von C. burnetii, die den Erreger über Monate und, insbesondere bei Trockenheit, bis über mehrere Jahre überleben läßt Reservoir und Epidemiologie Reservoir des Erregers sind insbesondere Schafe, aber auch Ziegen, Rinder, Mäuse, Katzen, Hunde und andere Haustiere können infiziert sein [37]. Unbehandelt kann sich eine persistierende Infektion etablieren, die bei Trächtigkeit der Tiere reaktiviert wird, so daß auch ausgestoßenes Placentagewebe eine häufige Infektionsquelle darstellt. Die Infektion erfolgt meist aerogen durch Einatmen infizierten Staubes vor allem in trockenen Sommermonaten. Kleinere Ausbrüche kommen auch in Deutschland hauptsächlich in der Nähe von Schafherden immer wieder vor [25,36]. Neben der aerogenen Infektion als Hauptansteckungsquelle ist auch eine Infektion durch unpasteurisierte Milch, Rohmilchprodukte, sowie durch viele Zecken, v.a. Dermacentor marginatus (Schafzecke), möglich [23]. Da die Zecken C. burnetii auch mit dem Kot ausscheiden, ist eine Infektion durch Aerosole eingetrockneten Kots ebenfalls möglich. Coxiella burnetii ist weltweit verbreitet, kommt aber in Gegenden mit hohem Schafbestand, wie dem Balkan, häufiger vor [37]. Insbesondere im süddeutschen Raum gab es auch in den vergangenen Jahren Ausbrüche [17,22], so 1998 in Freiburg mit ca. 120 erkrankten Personen [18] sowie 1999 auf der schwäbischen Alb bei Rottweil und bei Heilbronn mit insgesamt ca. 200 erkrankten Personen Klinik Der Manifestationsindex der Infektion liegt nur bei ca. 30%, so daß weitere 70% subklinisch oder mit uncharakteristischen Allgemeinsymptomen verlaufen. Die Inkubationszeit beträgt 2 4 Wochen, kann bei Zeckenbiß jedoch kürzer sein. Kommt es zu klinischen Symptomen, so tritt hohes Fieber begleitet von Kopfschmerzen, Lichtscheu und Myalgien auf. Eine interstitielle Pneumonie mit trockenem Husten tritt meist hinzu. Fälle mit Myokarditis, Hepatitis, Meningoencephalitis wurden beschrieben. Ein Exanthem wird im Gegensatz zu anderen Rickettsiosen nur selten angetroffen. Eine Streuung der Erreger über die Blutbahn ist häufig [27]. Hierdurch kommt es bei Schwangeren auch zu einer Ausscheidung in der Muttermilch. Ohne Therapie kann es zu einer Erregerpersistenz in vielen Organen kommen. Insbesondere die Q-Fieber- Endokarditis [38] ist gefürchtet, kommt jedoch ohne Vorerkrankung (Immunsuppression, frühere Endokarditis) kaum vor. Paraesthesien und andere ZNS-Symptome sind jedoch häufiger anzutreffen. Ca. 2 8% der Infektionen führen zu einem persistierenden Verlauf, der über viele Jahre anhalten kann. Nach einem beschwerdefreien Intervall von teilweise vielen Monaten kann sich dann nach Jahren eine Q-Fieber-Endokarditis ausbilden Diagnostik Für die Diagnostik stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung. Nach der Primärinfektion werden zunächst nach ca. 2 Wochen Antikörper gegen das sog. Phase II Antigen [26] gebildet, die diagnostisch in der KBR, aber auch in IgM-Testen (IFT, EIA) nachweisbar sind. Erst zu späteren Infektionszeitpunkten ab ca. 6 Wochen können auch Antikörper gegen die Phase I Antigene nachgewiesen werden. Hohe KBR Titer gegen Phase II Antigene in Verbindung mit hohen IgG und IgA Titern gegen Phase I Antigene sind typisch für die chronische Infektion. Bei dieser werden IgM Antikörper nur noch unregelmäßig nachgewiesen, da aufgrund der langen Infektionszeit die IgM Antwort bereits erschöpft ist. Neben der KBR stehen zur Diagnostik mittlerweile auch verschiedene ELISA s zur Verfügung [39,40]. Die Coxiellen selbst lassen sich während des Fiebers problemlos in Blut und Urin nachweisen. Beide Materialien sind hochinfektiös, so daß im Labor entsprechende Vorsichtsmaßnahmen geboten sind Therapie Die Therapie der akuten Infektion erfolgt üblicherweise mit Doxycyclin in einer Dosis von 2x100mg/d über drei Wochen [31]. Das chronische Q-Fieber muß zusätzlich mit Rifampicin über mehrere Monate, teilweise Jahre behandelt werden. In vitro sind Fluorochinolone ebenfalls gut wirksam. Insbesondere die Therapie der Q-Fieber- Endokarditis muß über mindestens 3 Jahre mit Tetrazyklin und/oder Fluorchinolonen [16] erfolgen.
12 Korrespondenzadresse Priv.Doz.Dr.med.habl. Dieter Hassler Lehrbeauftragter an der Universität Heidelberg Untere Hofstatt 3 D Kraichtal Tel. (07250)92660, Fax (07250) dieter.hassler@t-online.de Mitautoren Prof.Dr. Rüdiger Braun Rosenbergstraße 85 D Stuttgart Prof.Dr.Dr. Peter Kimmig Wiederholstraße 15 D Stuttgart Teile dieses Beitrags sind mit freundlicher Genehmigung des Verlages dem Buch: Dieter Hassler, Brennpunkt Infektiologie, Zett-Verlag, Steinen 1999 entnommen.
13 Literatur 1 Anderson BE, Dawson JE, Jones DC, Wilson KH (1991) Ehrlichia chaffeensis, a new species associated with human ehrlichiosis. J Clin Microbiol 29: Baca OG, Li YP, Kumar H (1994) Survival of the Q fever agent Coxiella burnetii in the phagolysosome. Trends Microbiol 2: Bakken JS, Krueth JK, Lund T, Malkovitch D, Asanovich K, Dumler JS (1996) Exposure to deer blood may be a cause of human granulocytic ehrlichiosis. Clin Infect Dis 23: Balayeva NM, Eremeeva ME, Raoult D (1994) Genomic identification of Rickettsia slovaca among spotted fever group rickettsia isolates from Dermacentor marginatus in Armenia. Acta Virol 38: Beati L, Humair PF, Aeschlimann A, Raoult D (1994) Identification of spotted fever group rickettsiae isolated from Dermacentor marginatus and Ixodes ricinus ticks collected in Switzerland. Am J Trop Med Hyg 51: Brouqui P, Harle JR, Delmont J, Frances C, Weiller PJ, Raoult D (1997) African tick-bite fever. An imported spotless rickettsiosis. Arch Intern Med 157: Burgdorfer W, Aeschlimann A, Peter O, Hayes SF, Philip RN (1979) Ixodes ricinus: vector of a hitherto undescribed spotted fever group agent in Switzerland. Acta Trop 36: Chang AC, Chang WL, Lin CT, Pan MJ, Lee SC (1996) Canine infectious cyclic thrombocytopenia found in Taiwan. J Vet Med Sci 58: Chen SM, Dumler JS, Bakken JS, Walker DH (1994) Identification of a granulocytotropic Ehrlichia species as the etiologic agent of human disease. J Clin Microbiol 32: Conor A, Bruch A (1910) Une fievre eruptive observee in Tunisie. Bull Soc Pathol Exot Fil 8: Fingerle V, Goodman JL, Johnson RC, Kurtti TJ, Munderloh UG, Wilske B (1997) Human granulocytic ehrlichiosis in southern Germany: increased seroprevalence in high-risk groups. J Clin Microbiol 35: Fishbein DB, Dawson JE, Robinson LE (1994) Human ehrlichiosis in the United States, 1985 to Ann Intern Med 120: Jackson RT, Jackson JW (1997) Ehrlichiosis with systemic sepsis syndrome. Tenn Med 90: Jacobs RF, Schutze GE (1997) Ehrlichiosis in children. J Pediatr 131: Kelly PJ, Beati L, Mason PR, Matthewman LA, Roux V, Raoult D (1996) Rickettsia africae sp. nov., the etiological agent of African tick bite fever. Int J Syst Bacteriol 46: Keren G, Keysary A, Goldwasser R, Rubinstein E (1994) The inhibitory effect of fluoroquinolones on Coxiella burnetii growth in in-vitro systems. J Antimicrob Chemother 33: Kimmig P, Simmert J, Sting R, Rietschel W (1997) Q-Fieber-Ausbruch durch eine infizierte Damwildherde. Epid Bull 36: Kimmig P, Zöllner I (1998) Q-Fieber-Epidemie in Freiburg. Jahresbericht des Landesgesundheitsamtes Baden- Württemberg, Klein MB, Miller JS, Nelson CM, Goodman JL (1997a) Primary bone marrow progenitors of both granulocytic and monocytic lineages are susceptible to infection with the agent of human granulocytic ehrlichiosis. J Infect Dis 176: Klein MB, Nelson CM, Goodman JL (1997b) Antibiotic susceptibility of the newly cultivated agent of human granulocytic ehrlichiosis: promising activity of quinolones and rifamycins. Antimicrob Agents Chemother 41: Liebisch A (1976) Die Rolle einheimischer Zecken (Ixodidae) in der Epidemiologie des Q-Fiebers in Deutschland. Dtsch Tierärztl Wschr 83: Liebisch A (1997) Das Q-Fieber als Naturherdeinfektion in Süddeutschland. Bundesgesundhbl 20: Liebisch A, Rahman MS (1976) Zum Vorkommen und zur vektoriellen Bedeutung der Zecken Dermacentor marginatus und Dermacentor reticulatus in Deutschland. Tropenmed Parasit 27:
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