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Transkript:

10. Elektronspin Page 1 10. Der Spin des Elektrons Beobachtung: Aufspaltung von Spektrallinien in nahe beieinander liegende Doppellinien z.b. die erste Linie der Balmer-Serie (n=3 -> n=2) des Wasserstoff-Atoms ist bei der Wellenlänge = 656.3 nm ohne externen Felder bereits in eine Doppellinie mit Wellenlängen-Abstand = 0.14 nm aufgespalten eine solche Aufspaltung wird auch Fein-Struktur genannt weitere Beobachtung: normaler Zeeman-Effekt: der Übergang spaltet in drei äquidistante Linien auf annomaler Zeeman-Effekt: Aufspaltungen in 4, 6 oder mehr Linien, deren Abstand nicht durch den normalen Zeeman-Effekt erklärt werden kann. Erklärung (Goudsmit und Uhlenbeck, 1925): Die Lösung des räumlichen Teils der Schrödinger-Gleichung ist nicht ausreichend, um alle Eigenschaften des Wasserstoff-Atoms korrekt zu beschreiben. Eine zusätzliche Eigenschaft, der Eigendrehimpuls des Elektrons, der üblicherweise Spin genannt wird, muss betrachtet werden.

10. Elektronspin Page 2 Stern-Gerlach Experiment Das magnetische Moment neutraler Silberatome (Ag) ist durch einen einzelnen Elektron- Spin verursacht. In einem inhomogenen Magnetfeld wirkt eine Kraft auf das magnetische Moment die von dessen Richtung abhängt. Ein homogenes Feld würde nur ein Drehmoment hervorrufen. potentielle Energie eines magnetischen Moments in einem externen Feld B die auf das Moment wirkende Kraft

10. Elektronspin Page 3 klassische Erwartung: Es sollten alle möglichen Ausrichtungen des magnetischen Moments beobachtet werden. experimentelle Beobachtung: Nur zwei charakteristische Ausrichtungen des magnetischen Moments und somit des Spins S des Elektrons relativ zum externen Magnetfeld treten auf. Alle Atome mit einem einzelnen s-elektron zeigen dieselbe Auslenkung. Dies zeigt, dass sich alle magnetischen Momente (Bahn und Spin) der inneren Elektronen gegenseitig aufheben. Das äusserste s-elektron hat keinen Bahndrehimpuls. Daher lässt sich der Spin-Drehimpuls unabhängig vom Bahndrehimpuls messen. Der Betrag und die Richtung von Drehimpulsen und magnetischen Momenten sich in feldfreiem Raum bewegender Atome ist erhalten. Bemerkungen: erste Beobachtung der Richtungs-Quantisierung des Elektron-Spins (1921) quantitative Auswertung erlaubt Bestimmung des Bohr-Magnetons kann auch als generelle Methode zur Bestimmung des magnetischen Moments von Atomen verwendet werden

10. Elektronspin Page 4 10.1 Versuch der klassischen Motivation des Eigendrehimpuls Idee: betrachte Rotation des Elektrons mit Ladung e um eine feste Achse. Kann diese Rotation den intrinsischen Drehimpuls und das magnetische Moment erklären? Schätzt man die Grösse des Elektron mit r e < 10-16 m ab, so müsste die Rotationsfrequenz, die benötigt wird, um den beobachteten Drehimpuls und das magnetische Moment zu erklären, so hoch sein, dass die Rotationsgeschwindigkeit am Äquator des Elektrons die Lichtgeschwindigkeit überschreiten würde. Es existiert keine klassische Erklärung für das Phänomen des Spins! Vorhersage der relativistischen Quantenmechanik (Paul Dirac): Ein Teilchen mit der Masse und der Ladung eines Elektrons besitzt einen Eigendrehimpuls und ein intrinsisches magnetisches Moment. Alle Elektronen besitzen einen Eigendrehimpuls S. Der Elektron-Spin erzeugt ein permanentes magnetisches Moment. Daher sind z.b. Atome mit einem einzelnen Spin in einem l=0 Zustand paramagnetisch und nicht diamagnetisch.

10. Elektronspin Page 5 10.2 Quantisierung des Spin Betrag des Eigendrehimpuls mit der Spin-Quantenzahl des Elektrons s = 1/2 Die Beziehung zwischen dem Spin S und der Spin-Quantenzahl s ist identisch zu der Beziehung zwischen dem Bahn-Drehimpuls L und der Bahn-Drehimpuls-Quantenzahl l. Richtungsquantisierung des Spin z-komponente des Spin: mit magnetischer Spin-Quantenzahl m s = ±1/2 Daher gibt es 2 s + 1 = 2 unterschiedliche mögliche Ausrichtungen des Spin hinsichtlich der Quantisierungsachse, deren Richtung z.b. durch ein äussseres Magnetfeld B z entlang der z-richtung festgelegt ist.

10. Elektronspin Page 6 10.3 Magnetisches Moment des Elektrons gyromagnetisches Verhältnis des Elektron-Spin gyromagnetisches Verhältnis der Bahnbewegung des Elektrons g-faktor des Elektron Spin mit Vorhersage der relativistischen Quantenmechanik: g s = 2 kleine Korrektur durch Quantenelektrodynamik (QED) (Vakuum-Fluktuationen): g s = 2.0023 z-komponente des magnetischen Moments des Elektrons mit dem Bohrschen Magneton

10. Elektronspin Page 7 10.4 vollständige Quantenzahlen des Wasserstoff-Atoms Hauptquantenzahl (Energie) Bahndrehimpuls-Quantenzahl (Bahndrehimpuls) magnetische Quantenzahl (Richtung des Drehimpuls) magnetische Spin-Quantenzahl (Richtung des Spins)

10. Elektronspin Page 8 10.6 Spin-Bahn-Kopplung Die Wechselwirkung des magnetischen Moments des Elektrons mit seinem Bahn-Drehimpuls l wird Spin-Bahn- Kopplung genannt. Dieser Effekt führt zu einer Feinstruktur, d.h. einer Aufspaltung von Spektrallinien in mehrere Sub-Linien, im einfachsten Fall in eine Doppel-Linie, wie z.b. bei der Natrium D-Linie. klassisches Modell: betrachte die Bahnbewegung eines Elektrons um einen Atomkern mit Ladung +Ze Im rotierenden Bezugssystem des Elektrons erzeugt die Bahnbewegung des positiv geladenen Kerns ein Magnetfeld B. Das magnetische Moment des Elektron-Spins wechselwirkt mit dem durch die Bahnbewegung des Elektrons hervorgerufenen Magnetfeld B. In diesem Feld hat das Elektron die zusätzliche potentielle Energie U m. Jeder elektronische Zustand in einem Einelektronen-System mit Bahndrehimpuls spaltet in zwei Zustände mit unterschiedlicher Energie auf.

10. Elektronspin Page 9 10.6.1 Spin-Bahn-Kopplung im Wasserstoff-Atom das Feld der Bahnbewegung mittlerer Bahnradius Umlauffrequenz daher ergibt sich für ein Elektron in einem 2p Zustand mit dem vereinfachten Energie-Niveau- Diagramm

10. Elektronspin Page 10 10.7 Gesamtdrehimpuls Jedes Elektron in einem Atom trägt seinen Bahn-Drehimpuls L und seinen Spin-Drehimpuls S zum Gesamtdrehimpuls J des Atoms bei. wir betrachten den einfachsten Fall von Atomen mit einem einzelnen Elektron in der äussersten Schale, d.h. z.b. ein beliebiges Element der 1. Gruppe (H, Li, Na, K,... ) und Ionen wie z.b. He +, Be +, Mg +, B 2+, Al 2+ etc. in solchen Atomen ist der Gesamtdrehimpuls gegeben durch mit dem Betrag des Gesamtdrehimpuls J und den Quantenzahlen j und der z-komponente J z und den Quantenzahlen m j Es ist nicht nur der Gesamtdrehimpuls J sonder gleichzeitig auch der Bahndrehimpuls L und der Spin S quantisiert. Die gleichzeitige Quantisierung von L, S und J erlaubt nur bestimmte relative Ausrichtungen zwischen den einzelnen Drehimpulsen. Bei Atomen mit nur einem Elektron gibt es nur zwei mögliche Ausrichtungen.

10. Elektronspin Page 11 10.7.1 Relative Ausrichtung von L und S in einem Atom mit einem Elektron zwei Möglichkeiten: Quantisierung des Gesamtdrehimpuls J für die zwei Möglichkeiten der Kopplung zwischen L und S

10. Elektronspin Page 12 10.8 Präzession der Drehimpulse ohne von Außen angelegtes Feld: der Betrag und die Richtung von J sind erhalten der Bahn-Drehimpuls L und der Spin-Drehimpuls S präzedieren um J mit externem Magnetfeld B: J präzediert um B J z ist quantisiert L und S präzedieren um J diese Eigenschaften bestimmen die Zahl und Aufspaltung der Spektrallinien beim anomalen Zeeman-Effekt

10. Elektronspin Page 13 10.9 Das Spektrum des Wasserstoff (H, Z = 1): Bezeichnung der Zustände durch Hauptquantenzahl n und Drehimpulsquantenzahl l, und Gesamtdrehimpuls- Quantenzahl j Auswahlregeln: l = ± 1, j = ± 1,0 Struktur der n = 2 und n = 3 Zustände: Aufspaltung der H Linie in 7 einzelne Linien Zustände mit gleichem n und unterschiedlichem j haben unterschiedliche Energien Zustände mit gleichem n und j aber unterschiedlichem l haben ebenfalls unterschiedliche Energien Lamb-Verschiebung (entdeckt 1947) Energie-Verschiebung zwischen den Zuständen 2 2 S 1/2 und 2 2 P 1/2 aufgrund der Wechselwirkung mit Vakuumfluktuationen des elektromagnetischen Feldes

10. Elektronspin Page 14 10.10 Die Hyperfein-Struktur Atomkerne besitzen ebenfalls intrinsische Drehimpulse und zugehörige magnetische Momente diese tragen ebenfalls zum Gesamtdrehimpuls bei die Drehimpulse sind klein und liefern daher nur kleine, aber beobachtbare Beiträge zur Gesamtenergie des Elektrons die drei Ursachen für Drehimpulse im Atom