Epilepsie hat viele Erscheinungsbilder

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Transkript:

Quelle: Dr. Markus Wolff hat viele Erscheinungsbilder Kleinkinder sind am häufigsten betroffen Für die alten Griechen war es die Heilige Krankheit, die den Menschen von Göttern oder Dämonen auferlegt wurde. Das griechische Wort epilepsia lässt sich mit plötzlich heftig ergriffen und überwältigt umschreiben. Heute ist klar, dass eine organische Krankheit ist, die auf Funktionsstörungen des Gehirns infolge exzessiver Entladungen von Neuronen beruht. Doch noch immer umgibt sie das Fluidum des Unheimlichen und die Betroffenen haben mit Vorurteilen zu kämpfen. Im Rahmen des Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Neurologie im letzten September referierten Experten über pädiatrische Epileptologie. Diagnostisches Schema statt Klassifikation Am häufigsten treten n im ersten Lebensjahr auf, in diesem Alter ist eines von 200 Kindern betroffen. Von spricht man erst bei chronisch rezidivierenden, nicht provozierten Anfällen, wobei es mehr als dreißig zum Teil sehr unterschiedliche Syndrome mit verschiedenen Anfallstypen gibt. Die Internationale Liga gegen (International League Against Epilepsy, ILAE) hat 1989 eine Klassifizierung vorgenommen, nach der n hinsichtlich ihrer Ursache in idiopathisch (ohne Hinweis auf eine zugrunde liegende Gehirnerkrankung, hohe Wahrscheinlichkeit einer erblichen Vorbelastung), symptomatisch (mit zugrunde liegender Gehirnerkrankung) oder kryptogen (eine Gehirnerkrankung wird angenommen, ist aber nicht sicher diagnostiziert) sowie im Hinblick auf den Anfallstyp in fokal oder generalisiert unterteilt werden. Diese Unterteilung ist in ihren Grundzügen noch heute gültig, auch wenn die ILAE 2001 eine neue Klassifizierung veröffentlichte [1]. Zwar wird noch immer nach fokal beziehungsweise n Anfallstypen unterschieden und auch die Einteilung in symptomatisch, idiopathisch und kryptogen blieb erhalten, erklärt Prof. Rudolf Korinthenberg, Ärztlicher Direktor der Klinik für Neuropädiatrie und Muskelerkrankungen am Zentrum für Kinderheilkunde des Universitätsklinikums Freiburg. Neu ist aber, dass es sich nun auch vom Namen her nicht mehr um eine Klassifikation handelt, sondern die neuen Richtlinien heißen Vorschlag für ein diagnostisches Schema zur Behandlung von Menschen mit epileptischen Anfällen. Man tut tatsächlich gut daran, die international gültigen Einteilungen als ein therapeutisch hilfreiches klinisches Konstrukt zu betrachten und nicht als ätiologische Klassi- von Maria Gaida Man tut gut daran, die international gültigen Einteilungen als ein therapeutisch hilfreiches klinisches Konstrukt zu betrachten und nicht als ätiologische Klassifikation misszuverstehen. Prof. Rudolf Korinthenberg

14 Neben einem Routine-Wach-EEG sollte in Zweifelsfällen ein Kurzzeit-Schlaf-EEG durchgeführt werden, damit im Schlaf auftretende epileptiforme Wellen nicht unentdeckt bleiben. Abb.: EEG Kasten 1: Anfallstypen Absencen Abwesenheit, plötzliche Bewusstseinsunterbrechungen, Dauer meist nur wenige Sekunden, u.u. begleitet von leichten motorischen Begleitsymptomen wie Lidzuckungen; treten am häufigsten im Schulalter auf, überwiegend bei Mädchen Myoklonische Anfälle Muskelzuckungen, meist sehr kurz und heftig, ohne Bewusstseinsverlust Klonische Anfälle regelmäßige repetitive Myoklonien mit entsprechenden Bewegungen von Armen und Beinen, häufig Bewusstseinsverlust, Dauer z.t. Minuten Tonische Anfälle Versteifung der Muskulatur mit Zittern und Vibrieren, Dauer 5-20 Sekunden Tonisch-klonische Anfälle epileptischer Anfall mit zwei aufeinander folgenden Komponenten, tonische und dann klonische Phase, aus dem Vibrieren werden dabei deutlich sichtbare Zuckungen, die in einem Schütteln enden, Dauer bis zu zehn Minuten, mit Bewusstseinsstörungen; Synonym: Grand-mal-Anfall Atonische Anfälle plötzliche Erschlaffung bestimmter Muskelgruppen, je nach Muskelgruppe folgt ein Sturz (Sturzanfall), der Kopf oder der Oberkörper stürzen nach vorne, die Beine klappen zusammen Grand-mal-Anfälle große Anfälle, alter Begriff für tonisch-klonische Anfälle, im Gegensatz zu Petit-mal-Anfällen (Anfälle von kurzer Dauer z.b. Absencen oder Myoklonien) fikation misszuverstehen, rät der Freiburger Professor. Zumal für immerhin die Hälfte aller Patienten keine eindeutige Ursache für ihre Erkrankung gefunden werden kann. Das neue diagnostische Schema basiert auf fünf Achsen: Anfallsbeobachtung, Anfallstypen (siehe Kasten 1), epileptisches Syndrom, Ätiologie sowie psychosoziale Aspekte. Diagnose der häufigsten Typen Epileptische Syndrome bei Kindern sind altersgebunden, erläutert Prof. Ingeborg Krägeloh-Mann, Ärztliche Direktorin der Abteilung für Neuropädiatrie, Entwicklungsneurologie und Sozialpädiatrie am Universitätsklinikum für Kinder und Jugendmedizin in Tübingen. Generell sind idiopathische n im Kindes- und Jugendalter häufiger zu beobachten als symptomatische, wobei vier verschiedene Formen idiopatischer r n am häufigsten auftreten (siehe Kasten 2). Doch auch die idiopathische fokale Rolando- ist keine Seltenheit. Für diese idiopathischen Typen gibt es eine Reihe von Antiepileptika, auf die die Patienten in der Regel gut ansprechen. Anders ist das bei symptomatischen n. Bei drei bis vier Prozent der Patienten sind herdförmige Läsionen zu finden, die herausoperiert werden könnten, schätzt Korinthenberg, und bei etwa der Hälfte dieser Patienten wird mittlerweile tatsächlich ein chirurgischer Eingriff vorgenommen mit steigender Tendenz. Bei Kindern, die auf keine medikamentöse Therapie ansprechen, sollte möglichst früh abgeklärt werden, ob ein solcher Eingriff in Frage kommt [2]. Dass die Zahl der Operationen in den letzten zehn Jahren deutlich zugenommen hat, liegt auch an der verbesserten Bildgebung durch die Kernspintomographie, durch die mehr herdförmige Läsionen ausfindig gemacht werden. Die Diagnose einer kindlichen oder juvenilen basiert auf einer sehr genauen Anamnese mit Familiengeschichte und Entwicklungsverlauf des Kindes, der Anfallsbeschreibung sowie dem EEG. Neben einem Routine-Wach- EEG sollte in Zweifelsfällen auch ein Kurzzeit- Schlaf-EEG durchgeführt werden, damit auch im Schlaf auftretende epileptiforme Wellen, wie sie zum Beispiel bei der benignen fokalen Rolando- auftreten, nicht unentdeckt bleiben. Insbesondere bei Kindern kann jedoch ein unauffälliges EEG nicht unbedingt eine ausschließen und umgekehrt lassen epileptiforme Entladungen im EEG nicht zwangsweise auf eine schließen. Deshalb ist eine Überweisung zum Spezialisten angezeigt, zum Neuropädiater beziehungsweise zu einem pädiatrischen Epileptologen. Auch sollte bei der Erstmanifestation epileptischer Anfälle in jedem Fall eine Bestimmung von Blutzucker sowie Elektrolyten mit Calcium erfolgen, da diesbezügliche Störungen eine vortäuschen können und rasch ausgeglichen werden müssen. Quelle: Dr. Markus Wolff

15 Kasten 2: Die vier häufigsten Formen von n n im Kindes- und Jugendalter Kindliche Absence- (KAE, Pyknolepsie) Juvenile Absence- (JAE) Juvenile myoklonische (JME, Impulsiv-Petit-mal) Juvenile mit primär n tonischklonischen Anfällen (mit Aufwach-E., GTCS) Erkrankungsalter 5-8 Jahre 9-12 Jahre 12-25 Jahre 12-25 Jahre Neurologie/ Entwicklung fast immer normal normal normal normal Klinik mit 9-15 Jahren große Anfälle möglich (Aufwach- ) große Anfälle im Beginn oder im Verlauf häufig (Aufwach- ) bilaterale, symmetrische komplexe Myoklonien in Schultergürtel und Armen, Kombination mit kurzen Absencen und Aufwach-Grandmal häufig tonisch-klonische Anfälle ohne fokale Symptomatik, bevorzugt nach dem morgendlichen Erwachen, häufig Kombination mit Absencen und myoklonischen Anfällen EEG 3/s-spike-waves 3-4/s-spike-waves iktual und interiktual irreguläre polyspike waves, oft Fotosensibilität irreguläre spike waves und polyspike waves Prognose Therapie meistens gut Ätiologie idiopathisch idiopathisch idiopathisch idiopathisch Behandlung ESM ESM GTCS = generalised tonic-clonic seizures = Valproinsäure ESM = Ethosuximid = Lamotrigin Quelle: modifiziert nach Prof. Ingeborg Krägeloh-Mann

16 Bei einer Rolando- dauern die Anfälle in der Regel nur wenige Sekunden bis wenige Minuten und bei etwa jedem fünften Kind oder Jungendlichen bleibt es bei einem einzigen Anfall. Abb.: Historisches Gemälde eines Steinschneiders. Die Steinschneider waren selbsternannte Heiler im Mittelalter, die versprachen, durch einen chirurgischen Eingriff ins Gehirn die heilen zu können. Der Stein im Kopf ist ein Symbol für die epileptische Erkrankung. Die Rolando- Fast jede fünfte im Kindes- und Jugendalter auftretende ist eine sogenannte Rolando-. Die Patienten zeigen neben den meist unabhängig von der Tag- und Nachtzeit im Schlaf auftretenden partiellen Anfällen keine weiteren körperlichen oder psychischen Auffälligkeiten. Eventuelle Sprechstörungen haben wie häufig vermutet wird nichts mit einer Bewusstseinsstörung zu tun. Die Anfälle dauern in der Regel nur wenige Sekunden bis wenige Minuten und bei etwa jedem fünften Kind oder Jugendlichen bleibt es bei einem einzigen Rolando-Anfall. Diese auch benigne partielle mit zentrotemporalen spikes genannte Form tritt zwischen dem 3. und 13. Lebensjahr auf, bei Jungen fast doppelt so häufig wie bei Mädchen. Auslöser für den ersten Anfall sind oft fieberhafte Infekte, bei knapp der Hälfte der Betroffenen finden sich zudem Angehörige mit Anfällen oder n. Der genetische Faktor zeigt sich zudem in der Tatsache, dass sich bei etwa jedem dritten Geschwister im EEG die Rolando-typischen Aktivitäten nachweisen lassen, selbst wenn die Kinder nicht unter Anfällen leiden. Das typische Rolando-EEG weist Herde mit hochgespannter epileptogener Aktivität über dem mittleren Schläfenlappen, der Rolandobeziehungsweise Zentrotemporalregion oder über dem Hinterkopf auf. Diese Aktivitäten breiten sich nicht selten zur Gegenseite aus (biphasische spikes) und weisen hohe Intensitätsschwankungen auf. Das Ausmaß der epileptogenen Entladungen steht nicht im Zusammenhang mit der Häufigkeit oder Stärke der Anfälle, sie können sogar ohne klinisch erkennbare Anfälle auftreten. Wohl aber stehen sie in Zusammenhang mit Schläfrigkeit und Schlaftiefe. Bei einem Drittel der Kinder lassen sich die Aktivitäten sogar nur im Schlaf beobachten, weshalb ein Schlaf-EEG für die Diagnose sinnvoll ist. MRT oder CT sind in der Regel unauffällig und damit erst bei einem unbefriedigenden Behandlungsverlauf vonnöten. Quelle: www.epilepsiemuseum.de Verwechslungen mit anderen Anfallsformen können insbesondere dann auftreten, wenn die Patienten den partiellen Anfall verschlafen beziehungsweise nicht von ihm berichten. Bemerkt werden dann oft nur die sekundär n tonisch-klonischen Anfälle, was die Vermutung nahe legt, es mit einer nächtlichen Grand-mal- zu tun zu haben. Die Prognosen für an Rolando-n Leidende sind sehr günstig. Die Anfälle hören während der Pubertät in der Regel von selbst und meist auch ohne Medikation auf, spätestens aber bis zum 15. Lebensjahr. Auch die epileptogenen Veränderungen des EEGs verlieren sich im Laufe der Jahre. Fieberkrämpfe als Vorboten einer Die häufigste Form von Anfällen sind epileptische Gelegenheitsanfälle bei Fieber, die sogenannten Fieberkrämpfe, die im Säuglingsund Kleinkindalter auftreten. Sie lassen sich als Syndrom definieren, wenn sie jenseits des ersten Lebensmonats auftreten, und zwar in Verbindung mit einer fieberhaften Erkrankung ohne ZNS-Infektion. Zudem sollten keine vorherigen Neugeborenenkrämpfe oder afebrilen Anfälle sowie auf anderen Ursachen beruhende symptomatischen Anfälle aufgetreten sein. Fieberkrämpfe können aber auch Symptom einer sich manifestierenden sein. Das Risiko, dass sich eine bei oder nach Fieberkrämpfen manifestiert, liegt bei zwei bis vier Prozent gegenüber 0,5 Prozent in der Normalbevölkerung, weiß Dr. Markus Wolff von der Anfallsambulanz der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin Tübingen. Dabei tritt bei einigen Kindern nach Fieberkrämpfen auch nur ein einzelner afebriler Anfall auf. Für die Prognose muss generell zwischen einfachen und komplexen Fieberkrämpfen (mit Zeichen eines fokalen Anfalls, länger als 15 Minuten Dauer und/oder mit Wiederholung innerhalb von 24 Stunden) unterschieden werden. Komplexe Fieberkrämpfe erfordern eine vorsichtigere prognostische Einschätzung, betont Wolff. Hier klären das individuelle Risikoprofil mit beispielsweise schon vorher zu beobachtenden neurologischen Auffälligkeiten, eine genaue Familienanamnese und der klinische Verlauf die Zuordnung zu Symptom oder Syndrom und damit auch das weitere diagnostische und therapeutische Vorgehen. Das Risiko einer sich manifestierenden liegt

nach dem Auftreten komplexer Fieberkrämpfe je nach individuellem Profil bei immerhin bis 30 Prozent. Doch andersherum erweisen sich Fieberkrämpfe in mehr als 80 Prozent der Fälle als unbedenklich, so dass sich die Therapie der Fieberkrämpfe im Wesentlichen auf die akute Anfallsunterbrechung beschränkt. Therapien für die ganze Familie Von besonderer Bedeutung ist die therapeutische Begleitung der Familie des Patienten gleich zu Beginn der Erkrankung, denn eine geht immer auch einher mit einer sozialen und familiären Krise, betont Dr. Susanne Rinnert, Chefärztin am Kinderneurologischen Zentrum der Kliniken der Landeshauptstadt Düsseldorf. Therapiestrategien für eine komplexe Krankheitsbewältigung gehen von drei Problembereichen aus: der Schädigung (rein medizinische Aspekte), Beeinträchtigung (physische, psychische, mentale und psychosoziale Aspekte) und der Benachteiligung (aufgrund der gesellschaftlichen Realität und dem Umgang mit Behinderung). Diese Problembereiche betreffen bei Kindern und Jugendlichen nicht nur die erworbenen, sondern auch die noch zu erwerbenden Fähigkeiten, erläutert Rinnert. Besonders wichtig sind dabei beispielsweise eine autonome Entwicklung und die Förderung eines stabilen Selbstwertgefühls im Laufe der Kindheit, ganz besonders im Hinblick auf die Pubertät. Doch gerade das ist für viele bereits im Kindesalter an erkrankte Menschen ein großes Problem. Es ist deswegen Aufgabe der Neurologen und Pädiater, genau einzuschätzen, welche der Einschränkungen, die die Kinder durch die besorgten Eltern erfahren, wirklich und welche nur scheinbar notwendig sind. Um den Ablösungsprozess und die Eigenständigkeit des Patienten zu unterstützen, bietet Rinnert beispielsweise eigene Sprechstunden oder auch Telefonsprechstunden für Teenager an und koppelt so die Behandlung der jungen Menschen von den Eltern ab. Es gibt keine Heilung ohne Meisterung der sozialen Krise, meint Rinnert mit Hinweis auf eine Populationsstudie, bei der die soziale Prognose von normal intelligenten kranken mit der gesunder Kinder verglichen wurde. Fast dreimal so viele kranke Probanden versagten in der Schule und benötigten speziellen Unterricht. Fast jeder dritte von Betroffene fühlte sich sozial isoliert und doppelt so viele kranke wie Gesunde hatten psychische Gesundheitsprobleme [3]. Neues Schulungsprogramm Rinnert weist daher auf ein neues, aber noch nicht komplett fertiggestelltes Schulungsprogramm hin, das epilepsiekranke Kinder und deren Eltern beim Krankheitsmanagement unterstützen soll. Es nennt sich FAMOSES (FAmilien MOdulares Schulungsprogramm EpilepSie) mit Kursen für Kinder, Jugendliche und deren Eltern und basiert in Aufbau und Didaktik auf MOSES, einem Schulungsprogramm für Erwachsene, das seit Jahren eingesetzt wird. Für Kinder zwischen acht und zwölf Jahren ist der Kurs als Schiffsreise angelegt, bei dem Wissen über die Erkrankung und der eigenverantwortliche Umgang mit der vermittelt wird. Zudem soll das Selbstbewusstsein gestärkt werden. Gruppen sorgen für Erfahrungsaustausch und zeigen Bewältigungsstrategien. Eltern können sich in einem Parallelkursus zu Entwicklungsrisiken und Fördermöglichkeiten sowie Auswirkungen auf Erziehung und Familienleben informieren. Während die Kursprogramme für Kinder und Eltern bereits fertig sind, wird am Programm für Jugendliche weiterhin fleißig gearbeitet, doch die Homepage hierzu wird in Kürze freigeschaltet, freut sich Rinnert. Literatur: 1. Engel J, Jr.: A proposed diagnostic scheme for people with epileptic seizures and with epilepsy: Report of the ILAE Task force on Classification and Terminology. Epilepsia 2001; 42: 796-803 2. Arzimanoglou A: Treatment options in pediatric epilepsy syndromes. Epileptic Disord. 2002 Sep; 4(3): 217-25 3. Camfield C et al.: Biologic factors as predictors of social outcome of epilepsy in intellectually normal children: a population-based study. J Pediatr 1993 Jun; 122(6): 869-73 4. Informationszentrum (ize) www.izepilepsie.de Weiterführende Informationen: International League of Epilepsy ILAE, www.ilae-epilepsy.org MOSES Geschäftsstelle, Bettina Hahn, Bielefeld, Tel. +49 (0) 521 / 270 01 27 Infos für Eltern von Dr. Helmut Volkers, Bremen www.anfallskind.de Guissard G et al.: Imaging in paediatric epilepsy. Arch Pediatr. 2005 Mar; 12(3): 337-46 17 Adressen von -Zentren und -Ambulanzen, Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen hat das Informationszentrum zusammengestellt [4]. Es ist Aufgabe der Neurologen und Pädiater, genau einzuschätzen, welche der Einschränkungen, die die Kinder durch die besorgten Eltern erfahren, wirklich und welche nur scheinbar notwendig sind.