549 88 Rückläufige und ungleichmäßige Lohnsteuer-Außenprüfungen Kat. B (Kapitel 6001 Titel 011 01) 88.0 Der Anteil der Arbeitgeber, bei denen die Finanzämter eine Lohnsteuer- Außenprüfung durchführten, geht im Bundesdurchschnitt seit Jahren zurück. Auch die zusätzlichen Steuereinnahmen aus diesen Prüfungen sind gesunken. Der Anteil der geprüften Arbeitgeber und die Ergebnisse der Prüfungen unterschieden sich zwischen den Ländern erheblich. Das Bundesfinanzministerium sollte diesen Entwicklungen entgegenwirken und auf eine gleichmäßige Prüfungsdichte in den Ländern hinwirken. 88.1 Die Lohnsteuer ist nach der Umsatzsteuer die wichtigste Einnahmequelle der öffentlichen Haushalte. Ihr Aufkommen belief sich im Jahr 2010 auf 128 Mrd. Euro. Hiervon stehen dem Bund 42,5 % zu. Arbeitgeber müssen die Lohnsteuer vom Arbeitslohn ihrer Arbeitnehmer einbehalten und an die Finanzämter abführen. Die Lohnsteuer- Außenprüfungsstellen der Finanzämter kontrollieren bei den Arbeitgebern, ob sie diese Verpflichtung einhalten. Die Länder führen die Steuergesetze im Auftrag des Bundes aus. Das Bundesfinanzministerium übt hierüber die Aufsicht aus (Artikel 108 Absatz 3 Satz 2, Artikel 85 Absatz 4 Grundgesetz). Bund und Länder sind dabei dem Ziel verpflichtet, einen rechtmäßigen und einheitlichen Steuervollzug im Bundesgebiet zu gewährleisten. Der Bundesrechnungshof untersuchte mit Unterstützung des Prüfungsamtes des Bundes München die Arbeitsergebnisse der Lohnsteuer-Außenprüfungen. Hierzu wertete er verschiedene Quellen aus, u. a. die jährliche Bundesstatistik des Bundesfinanzministeriums zu den Ergebnissen der Lohnsteuer-Außenprüfung und
550 die Berichte der Arbeitsgruppe Kernkennzahlen der Länder, die Kennzahlen der Lohnsteuer-Außenprüfung der einzelnen Länder und deren Unterschiede enthalten. Der Bundesrechnungshof stellte fest, dass die Arbeitsergebnisse der Lohnsteuer- Außenprüfung in den vergangenen Jahren rückläufig waren und erhebliche Unterschiede zwischen den Ländern aufwiesen. 88.1.1 Rückläufige Lohnsteuer-Außenprüfungen Die Prüfungsquote zeigt den Anteil der geprüften Arbeitgeber an der Gesamtzahl der Arbeitgeber. Sie sank im Bundesdurchschnitt stetig von 7,1 im Jahr 2005 auf 5,4 % im Jahr 2010. Die zusätzlich festgesetzten Steuern, die sich aus einer Lohnsteuer-Außenprüfung ergeben, sind das sogenannte Mehrergebnis. Das gesamte jährliche Mehrergebnis aller Lohnsteuer- Außenprüfungen verringerte sich. Es ging vom Jahr 2005 bis zum Jahr 2010 um 14 % zurück. Ebenfalls rückläufig war das durchschnittliche Mehrergebnis, das eine einzelne Prüferin oder ein einzelner Prüfer erzielte. Einhergehend mit dem Rückgang der Arbeitsergebnisse sank auch die Zahl der eingerichteten Stellen für die Lohnsteuer-Außenprüfung. Gab es im Jahr 2005 noch 2 435 Prüferstellen, ging ihre Anzahl bis zum Jahr 2010 um 8,5 % auf 2 227 zurück.
551
552 88.1.2 Ungleichmäßige Lohnsteuer- Außenprüfungen Im Ländervergleich lag die durchschnittliche Prüfungsquote für alle Arbeitgeber im Jahr 2010 zwischen 3,3 und 9,2 %. Im Jahr 2010 hatten 98 % der zwei Millionen Arbeitgeber weniger als 100 Arbeitnehmer. Bei diesen Arbeitgebern ergaben sich die größten Unterschiede in der Prüfungsquote. Bei Arbeitgebern mit 20 bis 99 Arbeitnehmern lag sie im Jahr 2010 zwischen 12,2 und 22,7 %. Bei Arbeitgebern mit weniger als 20 Arbeitnehmern lag sie zwischen 2,3 und 6,9 %. Das gesamte Mehrergebnis aus Lohnsteuer-Außenprüfungen entfiel im Jahr 2010 zur Hälfte auf Arbeitgeber mit mehr als 100 Arbeitnehmern. Dies sind Arbeitgeber mit mehr als 500 Arbeitnehmern (sog. A1-Betriebe) und Arbeitgeber, die zwischen 100 und 499 Arbeitnehmer haben (sog. A2-Betriebe). Zwischen den Ländern bestehen teilweise erhebliche Unterschiede in der Wirtschaftskraft und im Lohnsteueraufkommen. Jedoch hatten vier westdeutsche Flächenländer einen vergleichbaren Anteil an Arbeitgebern der jeweiligen Betriebsgrößen. Die durchschnittlichen Mehrergebnisse je Prüfung waren dennoch auffällig unterschiedlich:
553 Die Länder hatten in der Regel höhere durchschnittliche Mehrergebnisse, wenn sie mehr Prüferinnen und Prüfer für ihre Lohnsteuer-Außenprüfung eingesetzt hatten. Derzeit gibt es keine Kennzahl, die Auskunft gibt, ob die Lohnsteuer- Außenprüfungsstellen angemessen mit Personal ausgestattet sind. Denn die Länder ermittelten ihren Personalbedarf für die Lohnsteuer-Außenprüfung uneinheitlich. Eine Arbeitsgruppe der Steuerverwaltungen der Länder erarbeitete Berechnungsmuster für die Personalbedarfsermittlung. In dieser Arbeitsgruppe wirkte auch das Bundesfinanzministerium mit. Ihre Ergebnisse blieben jedoch für die Länder unverbindlich. Darüber hinaus gab es Spielräume beispielsweise beim Prüfungsturnus. Diese schöpften die Länder unterschiedlich aus. Andere wichen bei ihren Berechnungen von empfohlenen Zeitwerten für die Durchführung einer Prüfung ab. Vergleich- bare Ergebnisse zur Personalbedarfsermittlung lagen da- her für einen Ländervergleich nicht vor. 88.1.3 Rolle des Bundesfinanzministeriums
554 Im Jahr 2008 bemühte sich das Bundesfinanzministerium, mit den Ländern die Arbeitsergebnisse der Lohnsteuer-Außenprüfungen zu erörtern. Es wollte auf eine Verbesserung hinwirken. Seine Bemühungen scheiterten jedoch am Widerstand der Länder. Das Bundesfinanzministerium soll mit den Ländern bilateral Vollzugsziele vereinbaren. Dies sieht das Finanzverwaltungsgesetz seit dem Jahr 2009 vor. Der Gesetzgeber wollte damit die Mitwirkungsmöglichkeiten des Bundes regeln und den gleichmäßigen Vollzug der Steuergesetze erleichtern und verbessern. Das Bundesfinanzministerium führte zunächst mit einigen Ländern Pilotverfahren durch. Zur Lohnsteuer- Außenprüfung vereinbarte es bisher nur zwei Vollzugsziele. Diese bezogen sich auf die Anzahl der Prüfungen je Prüferin/Prüfer und das Mehrergebnis je Prüfung. Nur eines der Pilotländer war bisher bereit, einen verbindlichen Zielwert zur Anzahl der Prüfungen zu vereinbaren; zum Mehrergebnis wurde kein Zielwert verabredet. 88.2 Der Bundesrechnungshof hat beanstandet, dass das Bundesfinanzministerium seine Aufsichtsaufgaben und Einwirkungsmöglichkeiten gegenüber den Ländern nicht ausreichend wahrgenommen hat. Sowohl die Bundesstatistik als auch die Berichte der Arbeitsgruppe Kernkennzahlen zeigten seit Jahren rückläufige Arbeitsergebnisse der Lohnsteuer-Außenprüfung. Das Bundesfinanzministerium hätte die Ursachen dafür mit den Ländern analysieren und erörtern müssen, wie dem Einnahmerückgang entgegengewirkt werden kann. Einhergehend mit einem Abbau der Prüferstellen verschlechterten sich die Prüfungsquoten und die steuerlichen Mehrergebnisse. Nach Ansicht des Bundesrechnungshofes muss das Bundesfinanzministerium bei seiner Bundesaufsicht über die Steuerverwaltung stärker für eine gleichmäßige Besteuerung im Bundesgebiet eintreten. Die Kennzahl Anzahl der Betriebe je Prüferin/Prüfer lag bei den Ländern weit auseinander. In einigen Ländern war diese Kennzahl fast doppelt so hoch wie bei anderen. Dadurch waren sowohl Quantität als auch Qualität der Lohnsteuer-Außenprüfun- gen unterschiedlich. Die unterschiedlichen Prüfungsquoten und die durchschnittlichen Mehrergebnisse zeigen, dass eine
555 gleichmäßige Prüfung der Arbeitgeber keineswegs sichergestellt war. Hierauf hätte das Bundesfinanzministerium jedoch hinwirken müssen. Auch hat das Bundesfinanzministerium bisher seine Möglichkeiten nicht ausgeschöpft, Vollzugsziele mit einzelnen Ländern zu vereinbaren. Nur mit einem Land hat es einen Zielwert für die Anzahl der Prüfungen je Prüferin/Prüfer festgelegt. Dabei besteht die Gefahr, dass die Intensität und die Qualität der Lohnsteuer- Außenprüfung leidet, um diesen Zielwert erreichen zu können. Der Bundesrechnungshof hat dem Bundesfinanzministerium daher empfohlen, auch Zielwerte zur Qualität zu vereinbaren. Außerdem sollte es auch die übrigen Länder in die Vereinbarung von Vollzugszielen einbeziehen. Der Bundesrechnungshof hat außerdem angeregt, den Personalbedarf für die Lohnsteuer-Außenprüfungen einheitlich zu ermitteln. Bundesweite Berechnungsgrundlagen haben nur dann einen Sinn, wenn die Länder sie einheitlich anwenden. 88.3 Die Feststellungen des Bundesrechnungshofes zu den Arbeitsergebnissen der Lohnsteuer-Außenprüfung hat das Bundesfinanzministerium nicht in Frage gestellt. Trotz beständig gesunkener Anzahl der Prüferstellen und Prüfungsquoten hätten sich die Mehrergebnisse in den Jahren 2010 und 2011 aber wieder verbessert. Das Bundesfinanzministerium führt dies auf eine zunehmend risikoorientierte und auf mehr Effektivität ausgerichtete Prüfungstätigkeit zurück. Das Bundesfinanzministerium hat ausgeführt, es sehe sich an einer Einflussnahme gehindert, soweit sich Auswirkungen auf die Organisation und Personalausstattung der Länder ergeben könnten. Diese fielen in den Hoheitsbereich der Länder. Auch habe es keinen unmittelbaren Einfluss auf eine bundeseinheitliche Personalbedarfsermittlung. Deren Aufgabe sei es nicht, eine länderübergreifende Vergleichbarkeit herzustellen und damit als Steuerungsinstrument zur Verfügung zu stehen. Allerdings beabsichtige das Bundesfinanzministerium, zukünftig mit den Ländern die Ergebnisse der Lohnsteuer-Außenprüfung nicht nur tabellarisch zusammenzufassen, sondern auch auszuwerten und in einen kritischen Dialog zu treten.
556 88.4 Das Bundesfinanzministerium bleibt aufgefordert, der Entwicklung rückläufiger Prüfungsquoten und Einnahmen aus den Lohnsteuer-Außenprüfungen entgegenzuwirken. Dazu muss es seine Bundesaufsicht stärker wahrnehmen. Außerdem muss das Bundesfinanzministerium für eine gesetzmäßige und gleichmäßige Besteuerung eintreten. Dazu gehört auch eine gleichmäßige Lohnsteuer-Außenprüfung, die derzeit nicht gewährleistet ist. Die vom Bundesfinanzministerium vorgetragenen Hinderungsgründe überzeugen den Bundesrechnungshof nicht. Wären sie zutreffend, könnte die in der Verfassung vorgesehene Bundesaufsicht nicht ausgeübt werden. Viele für einen gesetzmäßigen und gleichmäßigen Steuervollzug erforderliche Maßnahmen wirken sich auf Organisation und Personalbedarf der Länderfinanzverwaltung aus. Dies ändert nichts daran, dass das Bundesfinanzministerium sich gleichwohl dafür einsetzen muss, dass die Länder diese Maßnahmen im Sinne der Verfassungsgebote umsetzen. Damit das Bundesfinanzministerium seiner Bundesaufsicht nachkommen kann, sollte es festlegen, mit welchen Kriterien es künftig beurteilen will, ob die Länder die Arbeitgeber ausreichend und gleichmäßig kontrollieren. Diese sollte es möglichst in Abstimmung mit den Ländern benennen. Die Mehrergebnisse haben sich in den Jahren 2010 und 2011 wieder erhöht. Sie liegen aber immer noch deutlich unter denen des Jahres 2005. Das Bundesfinanzministerium sollte deshalb darauf dringen, die Prüfungsdichte nicht weiter absinken zu lassen, und der Entwicklung rückläufiger Einnahmen für den Bundeshaushalt entgegenwirken. Dabei sollte die Prüfungspraxis in Ländern mit hoher Prüfungsquote und überdurchschnittlichen Mehrergebnissen als Vorbild dienen. Daneben sollte das Bundesfinanzministerium seine Mitwirkungsmöglichkeiten nach dem Finanzverwaltungsgesetz stärker nutzen. Es sollte mit weiteren Ländern Vollzugsziele mit konkreten Zielwerten zur Quantität und zur Qualität der Lohnsteuer-
557 Außenprüfung vereinbaren. Dies ist auch wichtig, damit die Länder ihre Lohnsteuer- Außenprüfung bedarfsgerecht mit Personal ausstatten. 89 Besteuerung ausländischer Versicherungsunternehmen wird verbessert Kat. C (Kapitel 6001 Titel 036 02) 89.0 Das Bundesfinanzministerium hat Anregungen des Bundesrechnungshofes zur Besteuerung ausländischer Versicherungsunternehmen aufgegriffen. Neben Hinweisen an die Außenprüfungsdienste haben Bund und Länder ein gemeinsames Kontrollmitteilungsverfahren der Prüfungsdienste eingeführt. Damit kann das Bundeszentralamt für Steuern die in Deutschland tätigen ausländischen Versicherungsunternehmen besser überprüfen und besteuern. Darüber hinaus wird das Bundeszentralamt für Steuern künftig IT-gestützt die Versicherungsunternehmen erfassen sowie die Versicherungsteuer festsetzen und erheben. Hierfür notwendige IT-Verfahren werden derzeit konzipiert. 89.1 Versicherungsentgelte (z. B. Prämien und Beiträge) sind regelmäßig steuerpflichtig. Die Versicherungsnehmer zahlen die Versicherungsteuer grundsätzlich zusammen mit dem Entgelt an ihr Versicherungsunternehmen. Dieses leitet die Steuer an die Finanzverwaltung weiter. Dazu sind auch ausländische Versicherungsunternehmen verpflichtet, die in Deutschland tätig sind. Die Versicherungsteuer steht dem Bund zu. Seit Juli 2010 verwaltet sie das Bundeszentralamt für Steuern (Bundeszentralamt). Vorher waren die Länder dafür zuständig. Der Bundesrechnungshof untersuchte mit Unterstützung des Prüfungsamtes des Bundes Berlin, wie die in Deutschland tätigen ausländischen Versicherungsunternehmen besteuert werden. Er stellte fest, dass nicht alle ihren steuerlichen Pflichten