INFORMATIONEN & RECHERCHEN



Ähnliche Dokumente
Öffentliche Finanzen in Griechenland. Dafür was sich ein Land konsumtiven Ausgaben leisten kann, ist das BIP pro Kopf ein guter Maßstab.

Was meinen die Leute eigentlich mit: Grexit?

Häufig gestellte Fragen zum Thema Migration

Gemeinsam können die Länder der EU mehr erreichen

Deutschland-Check Nr. 34

Häufig gestellte Fragen zur Einhebung des KV-Beitrags von Auslandspensionen

Informationen für Enteignungsbetroffene

50 Fragen, um Dir das Rauchen abzugewöhnen 1/6

Gesetzentwurf. der Bundesregierung. A. Problem und Ziel. B. Lösung. C. Alternativen

infach Geld FBV Ihr Weg zum finanzellen Erfolg Florian Mock

Die Invaliden-Versicherung ändert sich

Arbeitskraftabsicherung. Zwei Fliegen mit einer Klappe. Arbeitskraftabsicherung über den Betrieb.

Constant-Maturity-Swap (CMS)

Wem aber gehört die deutsche Zentralbank mit dem Namen Bundesbank?

OESTERREICHISCHE NATIONALBANK EUROSYSTEM. HANDBUCH DER OeNB ZU GELD UND GELDPOLITIK. Kapitel 1: Geld DIDAKTIK

Lineargleichungssysteme: Additions-/ Subtraktionsverfahren

Das Persönliche Budget in verständlicher Sprache

Datensicherung. Beschreibung der Datensicherung

Die Gesamtkosten betragen 755 Millionen. Der Kantonsrat Zürich hat seinen Anteil von 510 Millionen bereits mit nur vier Gegenstimmen beschlossen.

geben. Die Wahrscheinlichkeit von 100% ist hier demnach nur der Gehen wir einmal davon aus, dass die von uns angenommenen

Rettungspaket für Griechenland - EFSF - ESM

Privatinsolvenz anmelden oder vielleicht sogar vermeiden. Tipps und Hinweise für die Anmeldung der Privatinsolvenz

Private Vorsorge für den Pflegefall

Das große ElterngeldPlus 1x1. Alles über das ElterngeldPlus. Wer kann ElterngeldPlus beantragen? ElterngeldPlus verstehen ein paar einleitende Fakten

Jeder in Deutschland soll ab Mitte 2016 ein Konto eröffnen können.

Senkung des technischen Zinssatzes und des Umwandlungssatzes

1. Weniger Steuern zahlen

Gründe für fehlende Vorsorgemaßnahmen gegen Krankheit

Letzte Krankenkassen streichen Zusatzbeiträge

Schritte 4. Lesetexte 13. Kosten für ein Girokonto vergleichen. 1. Was passt? Ordnen Sie zu.

Vorschlag für eine DURCHFÜHRUNGSVERORDNUNG DES RATES

Wichtiges Thema: Ihre private Rente und der viel zu wenig beachtete - Rentenfaktor

Bewertung des Blattes

V ist reicher Erbe und verwaltet das von seinem Vater geerbte Vermögen. Immobilien oder GmbH-Anteile gehören nicht hierzu.

Wichtig ist die Originalsatzung. Nur was in der Originalsatzung steht, gilt. Denn nur die Originalsatzung wurde vom Gericht geprüft.

Berufsunfähigkeit? Da bin ich finanziell im Trockenen.

Vorsorge für den Pflegefall? Jetzt handeln und nicht später

Was ist clevere Altersvorsorge?

Vorgestellt von Hans-Dieter Stubben

Qualität und Verlässlichkeit Das verstehen die Deutschen unter Geschäftsmoral!

Kulturelle Evolution 12

Professionelle Seminare im Bereich MS-Office

Private Unfallversicherungen bei Selbstständigen - Ergebnisse einer repräsentativen Studie von Forsa - November 2009

Hilfestellungen zur Mittelanforderung

Alle gehören dazu. Vorwort

Inhalt 1. Was wird gefördert? Bausparverträge

1 MIO ÖSTERREICHISCHE SKIFAHRER SCHÜTZEN SICH BEREITS MIT HELM - UM MEHR ALS IM VORJAHR

Untätigkeit der Bürger

Grundlagen für den erfolgreichen Einstieg in das Business Process Management SHD Professional Service

DIA Ausgewählte Trends 2013

Was ist das Budget für Arbeit?

Mobile Intranet in Unternehmen

Der wachsende Berufsunfähigkeitsschutz SV Start-Easy-BU.

Leitfaden zu Jameica Hibiscus

ANFANG DES NEUEN JAHRES FRAGEN SICH VIELE MITARBEITER, WAS AUS DEM RESTURLAUB DES VORJAHRES GEWORDEN IST.

Anleitung über den Umgang mit Schildern

1. Fabrikatshändlerkongress. Schlussworte Robert Rademacher

Es gilt das gesprochene Wort. Anrede

Ihre Fragen unsere Antworten rund um die Fusion der Sparkassen Wesel und Dinslaken-Voerde-Hünxe. Mehrwert der Fusion. Das Wichtigste vorab:

ACDSee Pro 2. ACDSee Pro 2 Tutorials: Übertragung von Fotos (+ Datenbank) auf einen anderen Computer. Über Metadaten und die Datenbank

Anmeldung und Zugang zum Webinar des Deutschen Bibliotheksverbandes e.v. (dbv)

Baufinanzierung mit Wohnriester

Nicht über uns ohne uns

Was ist Sozial-Raum-Orientierung?

RISIKOLEBEN OPTIMAL SICHER VERSORGT, WENN ES DARAUF ANKOMMT

Selbstständig mit einer Werbeagentur interna

Basler Arbeitslosigkeitsversicherung. Sichert Ihre Vorsorge auch nach Jobverlust

Leichte Sprache Informationen zum Europäischen Sozialfonds (ESF) Was ist der Europäische Sozialfonds?

2 Die Terminaldienste Prüfungsanforderungen von Microsoft: Lernziele:

Das Sparverhalten der Österreicher 2013

Online Newsletter III

Papa - was ist American Dream?

Reporting Services und SharePoint 2010 Teil 1

2.. 4 C D 21...

Patienteninformationsbroschüre Valproat

Anmerkungen einer Haushaltspolitikerin

Dokumentation für die software für zahnärzte der procedia GmbH Onlinedokumentation

Einrichtung des Cisco VPN Clients (IPSEC) in Windows7

Islamic Finance - Modell der Zukunft? Dr. iur. Bettina Oertel

Hard Asset- Makro- 49/15

Charakteristikum des Gutachtenstils: Es wird mit einer Frage begonnen, sodann werden die Voraussetzungen Schritt für Schritt aufgezeigt und erörtert.

effektweit VertriebsKlima

WINDOWS 10 Upgrade. Beispiel: Desktop-Ausschnitt von vorhandenem WIN 8.1 (rechte Ecke der Taskleiste)

Pädagogik. Melanie Schewtschenko. Eingewöhnung und Übergang in die Kinderkrippe. Warum ist die Beteiligung der Eltern so wichtig?

Die Gestaltung der Eingewöhnung nach dem Berliner Modell

Der Vollstreckungsbescheid. 12 Fragen und Antworten

Privatrecht I. Jur. Assessorin Christine Meier. Übung Privatrecht I

Da unser Girokonto kostenlos ist, können Sie sich woanders etwas mehr gönnen.

Elternzeit Was ist das?

Sollsaldo und Habensaldo

YouTube: Video-Untertitel übersetzen

Warum Regeln zur Fiskalpolitik?

BERECHNUNG DER FRIST ZUR STELLUNGNAHME DES BETRIEBSRATES BEI KÜNDIGUNG

Ziel- und Qualitätsorientierung. Fortbildung für die Begutachtung in Verbindung mit dem Gesamtplanverfahren nach 58 SGB XII

Anwendungsbeispiele Buchhaltung

Persönliche Zukunftsplanung mit Menschen, denen nicht zugetraut wird, dass sie für sich selbst sprechen können Von Susanne Göbel und Josef Ströbl

Das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld und die weiteren 4 Modelle

Infoblatt Lehrer Organisation der Finanzierung und der Buchführung

Sie haben das Recht, binnen vierzehn Tagen ohne Angabe von Gründen diesen Vertrag zu widerrufen.

Transkript:

INFORMATIONEN & RECHERCHEN 07.07.2015 Ansprechpartner: Matthias Schäfer Leiter Das Referendum in Griechenland Ein Drehbuch der möglichen Folgen Konrad-Adenauer-Stiftung e.v. Hauptabteilung Klingelhöferstr. 23 D-10785 Berlin Tel. +49(0)30 26996 3515 Fax +49(0)30 26996 3551 Matthias.Schaefer@kas.de www.kas.de

Die Entscheidung der griechischen Bevölkerung vom 5. Juli 2015, mehrheitlich gegen weitere Reformvorschläge der Gläubigerinstitutionen (Europäische Kommission, EZB, IWF), die Voraussetzung zusätzlicher Hilfskredite gewesen wären, zu stimmen, wirft neue Fragen für die weitere Entwicklung der Eurozone wie auch der griechischen Wirtschaft auf. Die folgende Analyse dient einer kurzen Einordnung der konkreten Folgen dieses Referendums. 1. Seit dem 1. Juli 2015 unterliegt Griechenland nicht mehr der finanziellen Absicherung des 2. Rettungspakets, das unter der EFSF-Fazilität im Umfang von 164 Mrd. Euro für die Jahre 2012-2014 beschlossen wurde. Damit konnte Griechenland seinen Zahlungsverpflichtungen durch die Kredite dieses Rettungspaketes nachkommen. Das bedeutet, dass der griechische Staat ab sofort sämtliche Staatsausgaben (für Beamte oder Renten, aber auch Sachausgaben) genau wie die Rückzahlungsverpflichtungen gegenüber seinen Gläubigern (am 10. Juli 2015 werden kurzfristige Kredite der EZB in Höhe von 2 Mrd. Euro, am 13. Juli 2015 eine Tranche gegenüber dem IWF von 500 Mio. Euro, am 20. Juli 2015 eine weitere Rückzahlung gegenüber der EZB in Höhe von 3,5 Mrd. Euro fällig, hinzu kommt die noch vom 1. Juli ausstehende Rate an den IWF in Höhe von 1,55 Mrd. Euro) aus eigener Kraft stemmen muss. Das kann dadurch geschehen, dass die Staatseinnahmen (Steuererhöhungen, Goldreserven, Guthaben der Sozialversicherungen) erhöht werden, dass andere Staatsausgaben gesenkt werden (beispielsweise den Militäretat) oder neue Kreditgeber (man denke an die Verhandlungen mit Russland) gefunden werden oder die Verhandlungen mit den Institutionen erneut aufgenommen und erfolgreich beendet werden (drittes Griechenlandpaket, siehe unten Nr. 6). Gelingt dies der griechischen Regierung, so würde das Land weiterhin Mitglied der Eurozone bleiben. 2. Sollte Griechenland nicht in der Lage sein, seinen Verpflichtungen nachzukommen, so bestätigt dies die am 3. Juli 2015 bereits durch den EFSF festgestellte Zahlungsunfähigkeit. In diesem Fall wären Verhandlungen mit den öffentlichen und den privaten Gläubigern Griechenlands über eine Stundung/Streckung/Zinsanpassung entsprechend dem Londoner oder Pariser Schuldenabkommens eine mögliche Folge. Gegenüber Rentnern oder Beamten könnte Griechenland entweder eine weitere Kürzung (Aussetzung) der Auszahlungen beschließen, um mit seinen Einnahmen auszukommen. Wahrscheinlicher wäre aber, dass Griechenland diesen Verpflichtungen in Form von Schuldscheinen (quasi einer Parallelwährung) nachkommt, die unter der Verantwortung Griechenlands in Umlauf gebracht wird. Diese Schuldscheine würden in Griechenland dann wie eine Währung gehandelt und im Tausch- und Zahlungsverkehr in den griechischen Geschäften akzeptiert. Griechenland wäre in diesem Fall ebenfalls faktisch weiterhin Mitglied der Eurozone (wobei diese Frage europarechtlich kontrovers diskutiert werden dürfte). Die Parallelwährung würde gegenüber dem Euro mit einem Wechselkurs gehandelt, der nur einen Bruchteil des Euros ausmacht. Importgüter würden wahrscheinlich ausschließlich auf dem Schwarzmarkt für Euro erhältlich sein, da die Scheinwährung nicht unmittelbar vom Ausland akzeptiert werden würde. 3. Die griechischen Bürger und Unternehmen könnten die Binnenwirtschaft mit dieser Parallelwährung eine gewisse Zeit aufrechterhalten. Dramatische Folgen hätte dies unmittelbar für alle Wirtschaftsbeziehungen mit dem Ausland. Denn die Parallelwährung würde aufgrund ihres geringen Wertes notwendige Importe (Energieträger, 2

Industriegüter, Medizinische Produkte) enorm verteuern (vorausgesetzt, die Parallelwährung würde vom Ausland überhaupt als Zahlungsmittel anerkannt werden, denn offizielles Zahlungsmittel bliebe der Euro). Dies könnte nicht durch günstiger werdende Exporte und Tourismus, die dringend benötigte Devisen für die Importe ins Land bringen würden, ausgeglichen werden. Wahrscheinlich ist, dass Griechenland aus eigener Kraft keine Importe mehr einführen könnte, was die Versorgungslage der griechischen Bevölkerung und der griechischen Unternehmen enorm verschlechtern würde. Und damit würde auf kurze Sicht auch die Binnenwirtschaft jegliche Stabilität verlieren. Diese Versorgungsnotlage könnte wohl nur dadurch abgemildert werden, dass Hilfsleistungen der jetzigen Gläubiger (sog. Institutionen, insb. EU-Kommission, Hilfsorganisationen), ähnlich der klassischen Entwicklungshilfe, erfolgen und die wichtigsten Importgüter (Medikamente, Energie) ggf. auch als Sachleistungen zur Verfügung gestellt werden. Diesen Hilfen würden aller Voraussicht nach nicht konditioniert und als Kredite erfolgen. 4. Eine entscheidende Rolle in der Entwicklung der kommenden Tage und Wochen wird der EZB zukommen. Diese hat ihr geldpolitisches Mandat, die Stabilität des Euro zu gewährleisten, in den vergangenen drei Jahren strapaziert. TARGET-Salden (zur Absicherung der Exporte zwischen den Eurozonen-Mitgliedern), Quantitative Easing (Staatsanleiheaufkäufe über den Sekundärmarkt, griechische Staatsanleihen im Umfang von 50 Mrd. Euro erscheinen in den Büchern der EZB) und die sog. ELA-Notfallkredite für die griechische Notenbank (maximal 90 Mrd. Euro) stehen seit Langem in der Kritik. Aktuell sind die griechischen Banken geschlossen, die Bankkunden können täglich Maximalbeträge (60 Euro) abheben. Auch der eingeschränkte Bargeldbezug an den Automaten ist nur möglich, da die EZB das griechische Bankensystem über die ELA- Notfallkredite letztlich mit Bargeld versorgt. Ist der Rahmen von 90 Mrd. Euro ausgeschöpft (und wird dieser Tage nicht noch einmal von der EZB erhöht), dann dürfte, außer Griechenland wäre in der Lage, neue Geldquellen aufzutun (s.o. Nr. 1), dies dazu führen, dass griechische Banken in Euro keine Geschäfte mehr mit ihren Kunden (davon wären auch Geschäftskunden und Unternehmen betroffen) tätigen könnten. Das würde den Zusammenbruch des Bankensystems bedeuten. Sollte die EZB, anders als es aktuell zu hören ist, bspw. zur Abwendung des Bankenzusammenbruchs, die ELA-Kreditlinie erhöhen, so wäre dies wohl auch mit ihrem (noch so gedehnten Mandat) nicht mehr vereinbar. Denn faktisch würde die EZB damit einem nicht mehr zahlungsfähigen Mitgliedstaat weitere Kredite zur Verfügung stellen. Konsequenterweise müsste stattdessen die EU als solche mit ihren neuen Instrumenten wie dem ESM das Heft des Handelns übernehmen und prüfen, ob Griechenland aus dem ESM stabilisiert werden kann. Der ESM folgt aber mit seiner Logik Hilfsleistung nur gegen Reformen genau der Logik, die die griechische Bevölkerung am 5. Juli 2015 abgelehnt hat. Daher ist aktuell davon auszugehen, dass die griechischen Banken nicht mehr Teil des europäischen Bankensystems wären, was weitere Fragen im Hinblick auf die Folgen der Bankenaufsicht im Rahmen der Europäischen Bankenunion nach sich ziehen und das Bankensystem vor zusätzliche Herausforderungen stellt. 5. Auch der IWF steht mit dem Ausgang des griechischen Referendums vor einem Dilemma. Erstmalig hat er sich seit Beginn der Griechenland-Rettung in einem Staat der EU und in 3

enormer Höhe (ca. 30 Mrd. Euro) engagiert. Mit der aktuellen Entscheidung, am 1. Juli 2015 eine fällige Rate von 1,55 Mrd. Euro nicht an den IWF zurückzuzahlen, hat Griechenland ein Tabu gebrochen. Der IWF kann zwar noch einen Zahlungsaufschub geben, aber nicht zuletzt auch mit dem Ausgang des Referendums müsste er grundsätzlich sämtliche Kreditforderungen gegen Griechenland zurückfordern. Die Rückzahlung ist aber unwahrscheinlich, so dass der IWF damit vor dem Ausfall der Kredite eines Industrielandes stehen würde. Mit Blick auf die Mitgliedstaaten des IWF, sowohl von Seiten der Entwicklungs- und Schwellenländer als auch der USA, die für diese Kreditausfälle ebenfalls mit haften müssen, eine schwierige Gemengelage. 6. Die gesamte Entwicklungsgeschichte der EU, insb. auch seit Beginn der Eurorettungspolitik im Mai 2010, war stets von der Bereitschaft und der Fähigkeit aller Beteiligten getragen, in schwierigsten Situationen einen Kompromiss zu finden, der allen Seiten Zugeständnisse abverlangt, das gemeinsame Ganze der EU aber bewahrt. In diesem Sinne ist der Tenor der bisherigen Rettungspolitik, Kredite und Sicherheit für die Krisenländern zu verbinden mit der Umsetzung von Strukturreformen und Haushaltskonsolidierung, ein folgerichtiger Weg. Selbst nach dem Ausgang des Referendums scheint dies weiterhin möglich. Die griechische Regierung will wieder verhandeln, der Rücktritt von Finanzminister Varoufakis könnte mit gutem Willen als Ausdruck von Kompromissfähigkeit gedeutet werden, sowohl ökonomisch wie auch politisch. Dies könnte dann in neue Zugeständnisse münden. Und aus den Reihen der Gläubiger kamen zumindest auch Signale der offenen Türen. Diese sehen (so die Kommission, die Eurogruppe oder der Parlamentspräsident) zwar nun die Bringschuld zunächst bei der griechischen Regierung. Aber schon länger wurde über ein Investitionsprogramm aus nicht abgerufenen Strukturfondsmitteln Griechenlands, gesprochen. Auch der Junckerplan könnte Griechenland in diesem Moment helfen, ohne dass sofort über ein weiteres Rettungspaket gesprochen werden müsste, das in den Parlamenten der Mitgliedstaaten schwierig zu vermitteln sein wird. Der aktuell schwer vorstellbare Weg, erneut eine politische Einigung zu finden, würde wohl auch neue Akzente der Rettungspolitik in Griechenland erfordern. Anders als in anderen Krisenländern hat sich leider herausgestellt, dass die staatlichen Strukturen Griechenlands nicht tragfähig waren, um die Strukturreformen wirksam werden zu lassen (wiewohl Griechenland bis Ende 2014 auf einem steinigen, aber eben nicht hoffnungslosen Weg war). Auch konnte nie ein gesamtgesellschaftlicher Kompromiss über ein Ja oder ein Nein zur Rettungspolitik erzielt werden (was sich im Übrigen auch im Ergebnis vom 5. Juli 2015 niederschlägt). Diesen herzustellen, wäre wohl unabdingbar, um doch noch eine Verhandlungslösung zu erzielen, damit sich Griechenland den schwierigen wirtschaftlichen wie sozialen Weg ersparen würde. Und aus Sicht der Gläubiger würde dies ermöglichen, dass die Eurozone wie auch die EU weiterhin zusammenstehen und bleiben. 7. Falls allerdings keine Kompromisslinie zwischen Gläubigern und Griechenland gefunden wird und die EZB (siehe Nr. 4) die Unterstützung für das griechische Bankensystem auslaufen lässt, dann wäre mit der Zahlungsunfähigkeit des griechischen Staates faktisch wohl auch das Ende Griechenlands als Teil der Eurozone eine wahrscheinliche Folge des Referendums vom 5. Juli 2015. Dies würde nach einer Phase schwierigster Umstellung, in der humanitäre Hilfsleistungen der EU erforderlich wären, zur Einführung einer neuen Währung führen. Auch wäre mit 4

einer Neustrukturierung der griechischen Euro-Staatsschulden zu rechnen, die aufgrund der Abwertung ansonsten noch schwerer auf der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Griechenlands lasten würde. Die Forderungen gegen Griechenland müssten (mindestens zum Großteil) abgeschrieben werden, was sich unmittelbar in Verlusten bei den Steuerzahlern der Gläubiger niederschlagen würde. Welche Folgen dies für die politische Situation in anderen Mitglieder der Eurozone hätte und wie die Eurozone als Ganzes mit dem Faktum umgehen würde, dass einer der Mitgliedstaaten ausgeschieden ist, diese Fragen sollen an dieser Stelle nicht erörtert werden. Anhang Rettungspaket I für Griechenland (2010-2013) Geldgeber Zusagen Ausgezahlt Übertrag auf 2.Programm Euro-Staaten 80,0 Mrd. Euro* 52,9 Mrd. Euro 24,4 Mrd. Euro IWF 30,0 Mrd. Euro 20,1 Mrd. Euro 9,9 Mrd. Euro GESAMT 110,0 Mrd. Euro 73,0 Mrd. Euro 34,3 Mrd. Euro Rettungspaket II für Griechenland (2012-2014) Geldgeber Zusagen Ausgezahlt EFSF IWF 144,6 Mrd. Euro 142,0 Mrd. Euro 19,8 Mrd. Euro* 12 Mrd. Euro GESAMT 164,4 Mrd. Euro 154 Mrd. Euro 5