20090299-0 Sozialversicherung Verschärfte Rahmenbedingungen zur Absicherung flexibler Arbeitszeiten von Raschid Bouabba, Berlin* Zeitwertkontenmodelle haben in der Praxis an Bedeutung gewonnen und sind nicht zuletzt durch das Gesetz zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen (kurz Flexi II) in aller Munde. Der Beitrag verdeutlicht die Neuregelungen und geht auf weitere interessante Aspekte ein. 1. Änderungen durch Flexi II Seit dem 1.1.09 gelten bei der Vereinbarung von flexiblen Arbeitszeiten verschärfte Bestimmungen (Flexi II 21.12.08, BGBl I 08, 2940). Die folgenden Änderungen sollten beachtet werden. 1.1 Neue Definition von Wertguthabenvereinbarungen Bisher galten alle Vereinbarungen, die die Verwendung von Arbeitszeiten oder Arbeitsentgelt für Freistellungen von der Arbeit eren, als flexible Arbeitszeitregelungen. Das SGB enthält nunmehr eine umfassende Definition von Wertguthaben, wonach Kurzzeit- bzw. Gleitzeitkonten ausdrücklich ausgeklammert werden, da hierbei nicht die entgeltliche Freistellung von der Arbeit, sondern eine flexible betriebliche Arbeitszeit beabsichtigt wird. Wertguthabenvereinbarungen liegen nur noch dann vor, wenn auch tatsächlich ein Wertguthaben als Arbeitsentgeltguthaben aufgebaut wird. Um bei Ansprüchen auf einen Stundenlohn weiterhin flexible Arbeitszeitregelungen (z.b. Überstundenkonto) auch ohne gesonderte Wertguthabenbildung zu eren, wird für diese Fälle das Zuflussprinzip eingeführt ( 22 Abs. 1 SGB IV). 1.2 Einbeziehung geringfügiger Beschäftigungen Wertguthabenvereinbarungen sind nun auch im Rahmen von geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen. Hier ist darauf zu achten, dass für Zeiten der Freistellung von der Arbeitsleistung das Arbeitsentgelt nicht unangemessen von dem Arbeitsentgelt der vorangegangenen letzten zwölf Kalendermonate abweicht. Der Status der geringfügigen Beschäftigung (max. 400 EUR) ist während der Freistellung beizubehalten. 1.3 Anspruch auf Wertguthabenverwendung bei gesetzlicher Freistellung Der Arbeitnehmer hat einen Rechtsanspruch auf die Verwendung des Wertguthabens bei gesetzlichen Freistellungen wie der Pflegezeit, der Elternzeit oder einer Teilzeitbeschäftigung nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz, ohne dass es einer Vereinbarung bedarf. Der Anspruch besteht jedoch nur für künftige Wertguthabenvereinbarungen. Die Vertragsparteien können die Verwendung des Wertguthabens auf bestimmte Zwecke beschränken. * Der Autor ist Geschäftsführer der MCGB-Unternehmensberatung, www.mcgb.de. Umfassende Definition von Wertguthaben Wertguthaben auch bei geringfügigen Beschäftigungen Rechtsanspruch bei gesetzlichen Freistellungssachverhalten einseitig 1
1.4 Erweiterte Pflichten zur Wertguthabenführung Folgende Punkte muss der Arbeitgeber bei der Wertguthabenführung zwingend beachten: Pflichtenheft Wertguthaben können nur noch als Arbeitsentgeltguthaben geführt werden. Der Arbeitgeberanteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag ist in das Guthaben einzustellen. Die Anlagekeiten für Wertguthaben werden eingeschränkt und richten sich künftig nach den Vorschriften über die Vermögensanlage von Sozialversicherungsträgern gemäß 80 ff. SGB IV. Festzuhalten ist, dass der Anteil von Aktien und Aktienfonds am Gesamtbestand grundsätzlich maximal 20 % betragen darf. Der Arbeitnehmer ist schriftlich und mindestens jährlich über die Höhe des im Wertguthaben enthaltenen Arbeitsentgeltguthabens zu informieren. Der Arbeitnehmer kann den Arbeitgeber auch hierzu auffordern. Die Wertguthaben, die bisher als Zeitguthaben geführt worden sind, können als Zeitguthaben weitergeführt werden. Dies gilt auch für zukünftige Wertguthabenvereinbarungen auf der Grundlage bestehender Vereinbarungen (Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung). 1.5 Verschärfung der Insolvenzsicherung Der soll grundsätzlich durch eine Übertragung des Wertguthabens auf Dritte unter Ausschluss der Rückführung erfolgen. Das Wertguthaben ist insbesondere in einem Treuhandverhältnis zu führen, dass die unmittelbare Übertragung des Wertguthabens in das Vermögen des Dritten und die Anlage des Wertguthabens auf einem offenen Treuhandkonto oder in anderer geeigneter Weise sicherstellt. Ein anderes einem Treuhandverhältnis gleichwertiges Sicherungsmittel kann vereinbart werden. Keine geeigneten Sicherungen sind bilanzielle Rückstellungen sowie zwischen Konzernunternehmen begründete Einstandspflichten (insbesondere Bürgschaften, Patronatserklärungen oder Schuldbeitritte). Die Beendigung, Auflösung oder Kündigung einer Insolvenzsicherungsmaßnahme ist nur mit Zustimmung des Arbeitnehmers, wenn sie durch einen mindestens gleichwertigen ersetzt wird. Bei Verringerung oder Verlust des Wertguthabens aufgrund mangelndem haftet der Arbeitgeber für den entstandenen Schaden. durch Übertragung auf Dritte Arbeitgeber haftet bei mangelndem Kommt der Arbeitgeber der Aufforderung des Arbeitnehmers zum Nachweis einer verpflichtung nicht innerhalb von zwei Monaten nach, kann der Arbeitnehmer die Wertguthabenvereinbarung mit sofortiger Wirkung kündigen und die Auszahlung und Verbeitragung des Wertguthabens im Rahmen eines Störfalls verlangen. einseitig 2
Die Rentenversicherungsträger überwachen künftig im Rahmen der turnusmäßigen SV-Betriebsprüfung den ausreichenden der Wertguthaben. Wird dabei festgestellt, dass RV-Prüfdienst überwacht den keine regelung getroffen worden ist, die gewählten Sicherungsmittel nicht geeignet sind, die Sicherungsmittel in ihrem Umfang das Wertguthaben um mehr als 30 % unterschreiten oder die Sicherungsmittel den gesamten SV-Beitrag nicht umfassen, ist der Arbeitgeber zur Zahlung der im Wertguthaben enthaltenen und im Störfall zu leistenden Gesamtsozialversicherungsbeiträge aufzufordern. Die Beitragsforderung kann abgewendet werden, wenn der Arbeitgeber innerhalb von zwei Monaten die ausreichende Insolvenzsicherung nachweist. Andernfalls ist neben der Beitragszahlung die Wertguthabenvereinbarung als von Anfang an unwirksam anzusehen und das Wertguthaben aufzulösen. Zwei Monate Zeit für Nachweis und Abhilfe Die Prüfungen des es für bereits bestehende Wertguthabenvereinbarungen werden frühestens sechs Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes aufgenommen werden. 1.6 Neuregelungen zur Portabilität Bisher konnte bei Beendigung der Beschäftigung bereits aufgebautes Wertguthaben lediglich in eine neue Vereinbarung beim neuen Arbeitgeber eingebracht werden. Wurde ein derartiger Arbeitgeber nicht gefunden, musste das Wertguthaben aufgelöst, verbeitragt und versteuert werden. Durch Flexi II kann der Arbeitnehmer bei Beendigung der Beschäftigung durch schriftliche Erklärung gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber verlangen, dass das Wertguthaben auf den neuen Arbeitgeber übertragen wird, wenn dieser eine Vereinbarung abgeschlossen und der Übertragung zugestimmt hat. Ab dem 1.7.09 können Wertguthaben bei Beendigung einer Beschäftigung auf die Deutsche Rentenversicherung Bund übertragen werden. Voraussetzung ist, dass das Wertguthaben einschließlich des gesamten SV-Beitrags das Sechsfache der monatlichen Bezugsgröße übersteigt (2009: 15.120 EUR West und 12.810 EUR Ost). Eine Rückübertragung ist ausgeschlossen. Durch das JStG 2009 wurde in 3 Nr. 53 EStG geregelt, dass die Übertragung keine Lohnsteuerpflicht auslöst. Erst im Zeitpunkt der Beanspruchung liegen Einkünfte gem. 19 EStG vor, die der Lohnsteuer unterliegen. Übertragung auf neuen Arbeitgeber und...... ab 1.7.09 auf Deutsche Rentenversicherung Bund Die Möglichkeit Wertguthaben beitrags- und steuerfrei in eine bav zu übertragen, ist für ab 2009 abgeschlossene Vereinbarungen ausgeschlossen. Eine Zusammenfassung bzw. eine Gegenüberstellung der Regelungen (Flexi I versus Flexi II) finden sie im Online-Service unter www.iww.de. unter der Rubrik Checklisten. Checkliste im Online-Service unter www.iww.de einseitig 3
2. Bestehende Vereinbarungen und Übergangsvorschriften Arbeitgeber, die Langzeitkonten noch in Zeit führen, sollten prüfen, ob dies künftig beibehalten werden soll. Die Übergangsregelung erlaubt zwar eine unveränderte Fortführung. Die Änderungen bei der Insolvenzsicherung erzwingen jedoch im Zuge der Straffung der Prozesse eine Standardisierung. Standardisierung sollte angestrebt werden Weitere Informationen zu bestehenden Vereinbarungen Die Insolvenzsicherung muss künftig über einen externen Dritten durchgeführt werden. Für die Einrichtung einer Insolvenzsicherung sieht das Gesetz eine Übergangsfrist von nur fünf Monaten bis zum 31.5.09 vor ( 116 Abs. 3 SGB IV). Aufgrund der engen Begrenzung auf eine maximale Quote von 20 % für Anlagen in Aktien oder Aktienfonds und der Werterhaltungsgarantie in Höhe des angelegten Betrags entsprechen die bestehenden Langzeitkonten überwiegend nicht den verschärften gesetzlichen Bestimmungen. Das BMF wird aus Vertrauensschutzgründen für steuerlich anerkannte Zeitwertkontenmodelle voraussichtlich eine Übergangsfrist für die Werterhaltungsgarantie bis zum 31.12.09 einräumen (BMF-Schreiben im Entwurf 19.9.08, IV C 5 - S 2332/07/0004; näheres vgl. Punkt 3.). Bestehende Altersteilzeitvereinbarungen werden von den strengeren Vorschriften zur Insolvenzsicherung nicht erfasst. Die Regelungen des 8a AtG (Altersteilzeitgesetz) gelten weiter. 3. BMF-Schreiben im Entwurf Bei Arbeitnehmern, die als Organ einer Körperschaft bestellt sind z.b. Geschäftsführer einer GmbH und bei Arbeitnehmern, die als beherrschende Anteilseigner beschäftigt sind, soll bereits die Gutschrift des künftig fällig werdenden Arbeitslohns auf dem Zeitwertkonto zum Zufluss von Arbeitslohn führen. Diese Informationen basieren auf einem BMF-Schreiben, welches im Entwurf vorliegt (BMF-Schreiben im Entwurf 19.9.08, IV C 5 - S 2332/07/0004, Abruf-Nr. 083435). BMF-Schreiben unter www.iww.de Abruf-Nr. 083435 Die Spitzenverbände der SV haben ein gemeinsamen Rundschreiben angekündigt (Anfertigung im Februar 2009). Das BMF wird sein Schreiben vor dessen Veröffentlichung mit den Spitzenverbänden abgleichen. Das BMF führt aus, dass der Erwerb einer Organstellung keinen Einfluss auf ein bis zu diesem Zeitpunkt aufgebautes Wertguthaben hat. Erst nach Erwerb der Organstellung sollen alle weiteren Zuführungen zum Zufluss von Arbeitslohn führen. Nach Beendigung der Organstellung und Fortbestehen des Dienstverhältnisses soll der Arbeitnehmer das Wertguthaben entsprechend weiter aufbauen können oder das aufgebaute Guthaben für Zwecke der Freistellung verwenden. Eine Übergangsvorschrift ist vorgesehen, die genauen Daten bleiben abzuwarten. Erwerb einer Organstellung hat auf bestehendes Wertguthaben keinen Einfluss einseitig 4
Neue Regeln für Zeitwertkonten von Raschid Bouabba, Berlin* Seit dem 1. Januar 2009 gelten verschärfte Bestimmungen bei der Vereinbarung flexibler Arbeitszeiten. Diese ergeben sich aus dem Gesetz zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen (Flexi-Gesetz II 21.12.08, BGBl I 08, 2940). Die folgende Übersicht verdeutlicht die Unterschiede zwischen altem und neuem Recht. Die Änderungen im Überblick Regelung Flexi I Flexi II Begriff: Flexible Arbeitszeiten Anspruchsgrundlage für Wertguthabenbildung Alle Vereinbarungen (incl. Gleitzeitvereinbarungen) freiwillige Vereinbarung Tatsächlicher Aufbau eines Wertguthabens freiwillige Vereinbarung und Rechtsanspruch bei gesetzlichen Freistellungssachverhalten Wertguthabenführung Arbeitsentgelt oder Zeit nur in Arbeitsentgelt Schwellenwert für Insolvenzsicherungspflicht Wertguthaben und AN-SV überschreiten das Dreifache der monatlichen Bezugsgröße, Ausgleichszeitraum: 27 Monate Wertguthaben und GSV überschreiten die monatliche Bezugsgröße/ Ausgleichszeitraum entfallen Absicherung umfassende Modellvarianten über Dritte Anlagebestimmungen nach Vereinbarung nach SGB IV, Abweichungen durch TV oder BV zulässig Auflösung/ Wechsel einer Insolvenzsicherungsmaßnahme nur mit Zustimmung des AN Informationspflicht über Insolvenzsicherung Vorschrift ohne Sanktionierung Rechtsanspruch des Arbeitnehmers prüfung keine Prüfdienst: Deutsche Rentenversicherung Bund Anrechnung auf Kurzarbeitergeld grundsätzlich (Ausnahmen: Qualifizierung, früher Renteneintritt) entfallen Portabilität auf neuen AG Rechtsanspruch Portabilität auf Deutsche Rentenversicherung Bund ausgeschlossen Rechtsanspruch, bei Überschreiten des Sechsfachen der monatlichen Bezugsgröße Überführung in betriebliche ausgeschlossen Altersvorsorge geringfügig Beschäftigte keine Wertguthabenbildung Wertguthabenbildung * Der Autor ist Geschäftsführer der MCGB-Unternehmensberatung, www.mcgb.de. einseitig 5