Die Bioraffinerie mit lignozellulosen Rohstoffen

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Transkript:

Die Bioraffinerie mit lignozellulosen Rohstoffen Anton Friedl TU-Wien Institut für Verfahrenstechnik, Umwelttechnik und Technische Biowissenschaften 02.12.2010 Highlights der Bioenergieforschung Technologiepfade der Bioraffinerie Haus der Musik, Wien

Inhalt der Präsentation Lignozellulose Rohstoffe Holz und Stroh Vorbehandlungsverfahren Mögliche Produkte der Lignozellulose Bioraffinerie Bioraffinerie auf Basis Holz Bioraffinerie auf Basis Stroh Kostenschätzung für mögliche Produkte Potentialabschätzung Zusammenfassung 2

Woraus besteht Lignozellulose? Zellulose, Hemizellulose, Lignin, sonstiges Zellulose: Polymer von β-(1-4)-glucose (C6) Hemizellulose: Polymer von verschiedenen C5 and C6 Zuckern + Essigsäure Lignin: Phenolisches Polymer Asche Extractives 3

Veröffentlichungen zum Thema Bioraffinerie 4

Unterschiede Holz - Stroh Anteil an Trockenmasse [%] Weichholz Hartholz Weizenstroh Glukan (C6) 49,9 41,5 38,2 Hemizellulose 21,6 21,9 24,7 Xylan (C5) 5,3 15 21,2 Arabinan (C5) 1,7 1,8 2,5 Mannan (C6) 12,3 2,1 0,7 Galactan (C6) 2,3 3 0,3 Lignin 27,9 25,2 19,8 Sonstiges (Asche, Extractives ) 4,2 11,4 12,1 Ref.: Kravanja, TU-Wien 2010 5

Lignozellulose - Vorbehandlung Ziele der Vorbehandlung Mobilisierung der einzelnen Bestandteile Schritte Hydrolyse der Hemizellulose Lösung des Lignins Reduktion der Zellulosekristallinität Rahmenbedingungen Hohe Freisetzung der Kohlehydrate (Polymere und/oder Monomere) Niedrige Nebenproduktbildung Toxizität! Hohe Feststoffkonzentration Niedriger Energiebedarf Niedrige Investitions- und Betriebskosten (Chemikalien) Ref.: Bidlack et al., Plants, Proc. Okla. Acad. Sci. 72:51-56,1992 6

Vorbehandlungstechnologien Mechanische Zerkleinerung Physikalisch-chemische Vorbehandlung Hydrothermal (Heißwasserbehandlung) Steam Explosion / Dampfvorbehandlung (SO 2, H 2 SO 4, Organic Acids, CO 2, ) Verdünnte Säurebehandlung Lagenbehandlung (Kalkmilch, NaOH, Ammoniak, Ammoniak Faser Explosion (AFEX)) CO 2 Explosion Chemische Vorbehandlung Oxidation (O 2, O 3 ) Sulfit (SPORL)- oder Sulfat (Kraft)- Kochung Organosolv Alcell Verfahren (APR Prozess): Gegenstrom Batch- Extraktion mit Ethanol (60%) ( Lignol Delignifizierungsprozess) Organocell Verfahren (MD Prozess): Methanol (50%) / NaOH Ionische Flüssigkeiten Biologische Vorbehandlung (Pilze) 7

Mögliche Produkte der Lignozellulose Bioraffinerie Ref.: Kamm B., Umsicht Tage, 2003 8

Mögliche Ligninumsetzungen und Produkte Ref.: Holladay JE et al, Top Value-Added Chemicals from Biomass, Volume II, DoE 2007 9

Hersteller von Ligninprodukten Ref.: Semke H., Charakterisierung, Funktionalisierung und Verarbeitung von Ligninen aus Dikotyledonen, Dissertation 2001 10

Bioraffinerie auf Basis Holz- Beispiel Lenzing Lenzing, ein Kreislaufschließungsunternehmen mit angeschlossener Faserproduktion Holzraffinerien gibt es schon lange Rohstoff: Buchenholz Produkte 39 % Zellstoff 11 % Essigsäure, Furfural, Xylose 50 % Dicklauge Prozessenergiegewinnung Überschussenergie wird exportiert Ref.: Harms, Lenzinger Berichte 2006 11

Bioraffinerie auf Basis Stroh - Beispiel Inbicon, Dänemark Ref: Henriksen N., First International Conference on Lignocellulosic Ethanol, Copenhagen, 2010 12

Wertsteigerung am Beispiel Zellulose Zellulose im Holz 100 /t Zellulose als Zellstoff 500 /t Zellulose als Faser 2.000 /t Zellulose als Garn 5.000 /t Zellulose als Gewebe 10.000 /t Zellulose im Kleidungsstück..? Ref.: Harms, Lenzinger Berichte 2006 Lignin - Bewertung mit Heizwert oder als höherwertiges Produkt Hochmolekulares Lignin muss schwefelfrei sein 13

Kostenschätzung für mögliche Produkte Zellstoff 500 /t 1 Glukose 200 /t 2 Ethanol 500 /t (Schätzung) Xylan / Xylose 200 /t 2 Ligninprodukte 500 /t 3 Lignin (thermisch) 150 /t 3 Vielzahl an weiteren Möglichkeiten Organische Säuren, Biopolymere, HMF, Xylit, Furfural, niedermolekularen Ligninabbauprodukte (z.b. Vanillin) höhermolekulares Ligninprodukte Ref. 1.: Harms H., Lenzinger Berichte 2006 Ref. 2.: Michels J. et al., Stoffliche Nutzung von Lignin, Gülzower Fachgespräche, Band 31, Seite 173, 2009 Ref. 3.: Michels J. et al., Pilotprojekt "Lignocellulose-Bioraffinerie, Schlussbericht, 14.09.2009 14

Potentialabschätzung pro Tonne Rohstoff Bioraffinerie mit Zellstoff 40% Zellulose als Fasern 180 /t Stroh (90%) 24% Xylose 45 /t Stroh (90%) 20% Lignin 100 /t Stroh Resultiert in ca. 325 /t Stroh Bioraffinerie mit Ethanol 40% Zellulose als Ethanol 90 /t Stroh (90%) 24% Xylose 45 /t Stroh (90%) 20% Lignin 100 /t Stroh Resultiert in ca. 235 /t Stroh Bioraffinerie mit Zucker 40% Zellulose als Glukose 72 /t Stroh (90%) 24% Xylose 45 /t Stroh (90%) 20% Lignin 100 /t Stroh Resultiert in ca. 217 /t Stroh Rohstoffkosten Stroh 60 90 /t 15

Potential Holz und Stroh Tabelle 1: Zusätzliches Holzpotential für Fichte und Buche aus dem jährlich ungenutzten Holzzuwachs Potentielle Produkte 40 Mio /a 10 Mio /a Tabelle 2: Strohpotential für Weizen und Körnermais aus dem Kornertrag in Österreich 2008 Potentielle Produkte 70 Mio /a 150 Mio /a Ref.: JOANNEUM RESEARCH Forschungsgesellschaft mbh, 2010 16

Zusammenfassung Etablierte Bioraffinerien auf Basis Holz Bioraffinerien auf Basis Stroh neu in Entwicklung Produktion von Zellstoff bringt beste Wertsteigerung Standardprodukte (Ethanol und Zucker) bringen geringere Wertsteigerung Spezialprodukte aus Zuckern und Lignin lassen höhere Wertsteigerung erwarten (Biopolymere, Bioharze,.) Für die erforderliche Produktqualität sind die Trenn- und Reinigungsverfahren entscheidend (Forschungsaufwand) Kreislaufschließung, Rückgewinnung von Chemikalien und Energiebedarf sind dabei wesentlich (Prozessentwicklung) 17

Danke für die Aufmerksamkeit 18

Prozess- und Produktvielfalt Ref.: T. Werpy and G. Petersen, DoE 2004 19

Buidling Blocks Herstellung aus Zuckern Building Blocks aus Zuckern durch biologische und chemische Umsetzung 1,4 succinic, fumaric and malic acids 2,5 furan dicarboxylic acid 3 hydroxy propionic acid aspartic acid glucaric acid glutamic acid itaconic acid levulinic acid 3-hydroxybutyrolactone glycerol sorbitol xylitol/arabinitol Ref.: T. Werpy and G. Petersen, DoE 2004 20