Aktplan/präsentationen/rundfunk/meinungsäußerung... Meinungsäußerung durch Kunst Aliye Kartal, LPR Hessen für die Hessische Film- und Medienakademie
Art. 5 Grundgesetz Abs. 1 Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
Abs. 5 Grundgesetz Abs. 2 Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, in den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre. Abs. 3 Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
Meinungsäußerungsfreiheit i.s.v. Art. 5 Abs. 1 GG Schutzbereich: 1. Sachlicher Schutzbereich: Werturteile und jede Form der Meinungskundgabe Tatsachenbehauptungen umstritten. 2. Persönlicher Schutzbereich: Jedermann-Grundrecht
Schranken der Meinungsäußerungsfreiheit Schrankentrias des Art. 5 Abs. 2 GG - Vorschriften der allgemeinen Gesetze - gesetzliche Bestimmungen zum Schutze der Jugend - Recht der persönlichen Ehre
Kunstfreiheitsgarantie des Art. 5 Abs. 3 GG Schutzbereich: 1. Sachlicher Schutzbereich: Werkbereich der Kunst wird absolut geschützt, Wirkbereich der Kunst wird relativ geschützt 2. Persönlicher Schutzbereich: Der gesamte Personenkreis zwischen Künstler und Publikum
Kunstbegriff: - materiell-qualitativer Kunstbegriff - formal-typologischer Kunstbegriff - kommunikationstheoretischer (offener) Kunstbegriff
Rezension des Kritikers Henscheids aus Anlass einer Neuausgabe des Romans Und sagte kein einziges Wort von Heinrich Böll: - steindummer, kenntnisloser und talentfreier Autor - einer der verlogensten, ja korruptesten Autoren - z. T. pathologischer, z. T. ganz harmloser Knallkopf - widerwärtiger Dreck
Schranken der Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG Verfassungsimmanente Schranken: Einschränkungen durch kollidierendes Verfassungsrecht, d. h. durch andere Grundrechte bzw. durch mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtsgüter. Insbesondere: Die Menschenwürde, das allgemeine Persönlichkeitsrecht, die Religionsfreiheit, der Jugendschutz, die Eigentumsordnung, die Staatssicherheit, etc.
Schranken der Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG Bei der Kollision ist nach dem Prinzip der praktischen Konkordanz ein Gleichgewicht zu finden, in dem die widerstreitenden Normen optimal zur Geltung kommen. Wesensgehalt der Kunstfreiheit bleibt dabei stets unantastbar.
Schranken-Schranke : Verhältnismäßigkeitsgrundsatz - Geeignetheit, - Erforderlichkeit, - Angemessenheit
Anwendung der Grundrechte im Privatrecht? Wortlaut des Art. 1 Abs. 3 GG: Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht
Mittelbare Drittwirkung: Grundrechte als Wertordnung, welche auf die Auslegung der Vorschriften des Privatrechts einwirkt
Kollidierendes Verfassungsrecht: - Menschenwürde, - allgemeines Persönlichkeitsrecht, - Religionsfreiheit, - Jugendschutz, - Eigentumsordnung, - Staatsicherheit
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i.v.m. Art. 1 Abs. 1 GG Träger: - natürliche Personen, - juristische Personen, soweit sie nach ihrem Wesen einen Rechtsschutz bedürfen, aber: Unternehmenspersönlichkeitsrecht umstritten - Wert- und Achtungsanspruch auch bei Verstorbenen (postmortaler Achtungsanspruch) aus Art. 1 GG
Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts: - die Intim-, Privat- und die Geheimsphäre, - die persönliche Ehre, - das Verfügungsrecht über die Darstellung der eigenen Person, - das Recht am eigenen Bild und am gesprochenen Wort, - das Recht, von der Unterschiebung nicht getaner Äußerungen verschont zu bleiben, - das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, - das Recht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme
Intimsphäre: - engster Persönlichkeitsbereich, - stärkster Schutz, - keine Abwägung, daher absoluter Schutz, - zur Intimsphäre gehören vor allem alle Vorgänge aus dem Bereich der Sexualität
Privatsphäre: - Reichweite des Persönlichkeitsschutzes ist auf dieser Ebene aufgrund einer Güter- und Interessenabwägung zu ermitteln - Zu unterscheiden: - häuslicher Bereich, - räumliche Sphäre außerhalb des häuslichen Bereichs in einer örtlichen Abgeschiedenheit, - Bereiche außerhalb des räumlich-gegenständlichen Bereichs
Geheimsphäre: - vor allem Schutz von Kommunikation und Dokumentation - Unterschied zur Intimsphäre: kein absoluter Schutz
Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts: - die Intim-, Privat- und die Geheimsphäre, - die persönliche Ehre, - das Verfügungsrecht über die Darstellung der eigenen Person, - das Recht am eigenen Bild und am gesprochenen Wort, - das Recht, von der Unterschiebung nicht getaner Äußerungen verschont zu bleiben, - das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, - das Recht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme
Persönliche Ehre: - Schutz vor Herabsetzung und Kränkung, insbesondere durch: - Schmähkritik, - Formalbeleidigung, - sonstige Erwähnung in ehrverletzendem Zusammenhang
Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts: - die Intim-, Privat- und die Geheimsphäre, - die persönliche Ehre, - das Verfügungsrecht über die Darstellung der eigenen Person, - das Recht am eigenen Bild und am gesprochenen Wort, - das Recht, von der Unterschiebung nicht getaner Äußerungen verschont zu bleiben, - das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, - das Recht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme
Das Verfügungsrecht über die Darstellung der eigenen Person: - grundlegend: Lebach-Entscheidung Keine Gefährdung der für die soziale Existenz eines Menschen lebenswichtige Chance, sich in die freie Gesellschaft wieder einzugliedern (Resozialisierung)
Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts: - die Intim-, Privat- und die Geheimsphäre, - die persönliche Ehre, - das Verfügungsrecht über die Darstellung der eigenen Person, - das Recht am eigenen Bild und am gesprochenen Wort, - das Recht, von der Unterschiebung nicht getaner Äußerungen verschont zu bleiben, - das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, - das Recht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme
Das Recht am eigenen Bild: Unterscheiden zwischen Aufnahme und Veröffentlichung: Veröffentlichung eines Bildnisses ist als spezialgesetzliche Regelung Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrecht in 22, 23 Kunsturhebergesetz (KUG) geregelt
Abbildungsfreiheit im Sinne von 23 Abs. 1 KUG: - Grundsatz: Ohne Einwilligung, keine Veröffentlichung des Bildnisses ( 22 Satz 1 KUG) außer: - Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte - Bilder, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen, - Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben, - Bildnisse, die nicht auf Bestellung angefertigt sind, sofern die Verbreitung oder Schaustellung einem höheren Interesse der Kunst dient
23 Abs. 1 Nr. 1 KUG: - Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte: - absolute Personen der Zeitgeschichte, - relative Personen der Zeitgeschichte
Absolute Personen der Zeitgeschichte: Diejenigen Personen, die durch ihr gesamtes Wirken auf Dauer im öffentlichen Interesse stehen. Beispiele: Angehörige regierender Königshäuser, Staatsoberhäupter, Sportler, Künstler, Wissenschaftler etc. Veröffentlichung möglich ohne Einholung der Einwilligung, sofern ein öffentliches Informationsinteresse besteht. Grenze: Intimsphäre
Relative Personen der Zeitgeschichte: Diejenigen Personen, die nur eine begrenzte Zeit im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehen, Aufgrund: eines relevanten Ereignisses, Kraft ihrer Abstammung oder Kraft ihres Amtes. Veröffentlichung ohne Einwilligung nur soweit die Bilder in Bezug zu dem Ereignis stehen, durch welche die Person im öffentlichen Interesse steht und die Veröffentlichung aktuell ist Grenze: Intimsphäre
Kollision Kunstfreiheitsgarantie und allgemeines Persönlichkeitsrecht: Das Kunstwerk entfaltet Wirkung auf sozialer Ebene. Insbesondere dann, wenn wahre und unwahre Fakten miteinander vermischt werden und dabei Persönlichkeitsdaten von realen Personen verwendet werden.
Entscheidend dabei: Mephisto-Entscheidung: - Inwieweit ist die reale Figur ( Urbild ) objektiviert bzw. das Abbild verselbständigt worden? - Dabei: Erkennbarkeit der dargestellten Person für einen nicht unbedeutenden Leserkreis
Weiterentwicklung der Grundsätze der Mephisto- Entscheidung Esra-Entscheidung: - Einführen eines Bagatellvorbehalts: schwerwiegende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts - Erkennbarkeit der dargestellten Person nunmehr für einen mehr oder minder großen Bekanntenkreis
Schwerwiegende Beeinträchtigung: - Autor legt dem Leser nahe, den Inhalt des Werks auf eine bestimmte Person zu beziehen und - Intensität der Persönlichkeitsrechtsverletzung (in der Esra-Entscheidung bejaht bei Schilderungen aus eigenem Erleben)
Beispiel: Der Baader Meinhof Komplex Quelle: Constantin-Film, Produktion/ Drehbuch: Bernd Eichinger, Regie: Uli Edel Szene: Ermordung des Herrn Jürgen Ponto Entscheidung des LG Köln vom 9. Januar 2009 28 O 765/08
Rechtsfolgen einer Persönlichkeitsverletzung: - Beseitigung der Beeinträchtigung, - Unterlassung, - Schmerzensgeld bei besonders schwerwiegenden Verletzungen, - Geldentschädigungen soweit Beeinträchtigung nicht in anderer Weise beseitigt werden kann, - Lizenzgebühren (Urheberrecht), - Gegendarstellung (Presserecht)
Grundrechtskonkurrenz Meinungsäußerung vs. Kunst Künstlerische Aussagen bedeuten, auch wenn sie Meinungsäußerungen enthalten, gegenüber diesen ein aliud. Insoweit ist Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gegenüber Art. 5 Abs. 1 GG eine lex specialis (Mephisto-Entscheidung)
Fazit: - Definition von Kunst ist unmöglich; sie besteht aus drei Elementen, die nur kombiniert die hinreichenden Gesichtspunkte bieten, um im Einzelfall zu entscheiden, ob die Kunstfreiheit ihrem Schutzbereich nach tangiert ist. - Die Kunstfreiheit ist entgegen des Gesetzwortlautes nicht vorbehaltlos gewährt. - Äußerungen, die künstlerisch verarbeitet werden, sind von der Kunstfreiheit erfasst.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!