Der Emissionshandel und. die Emissionsrechtewirtschaft. Aspekte, die zu einer veränderten Diskussion des Politikinstruments Emissionshandel führen



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Transkript:

Der Emissionshandel und die Emissionsrechtewirtschaft Aspekte, die zu einer veränderten Diskussion des Politikinstruments Emissionshandel führen RWTH Aachen Institut für Politische Wissenschaft Betreuung: PD Dr. Manfred Schmitz vorgelegt als: Magisterarbeit von: Christiane Müller Matrikelnummer: 238057 Aachen, März 2007

Hiermit danke ich Jan-Peter Voss, der die Idee zur Untersuchung der Emissionsrechtewirtschaft hatte, der mich bei der Erstellung dieser Arbeit angeleitet hat, Struktur und Konzept mit mir entwickelt hat, dessen Ideen und Formulierungen an zahlreichen Stellen in diese Arbeit eingeflossen sind, kurzum der diese Arbeit überhaupt erst ermöglicht hat. Außerdem danke ich dem Öko-Institut in Berlin für die Bereitstellung aller Ressourcen, die ich zur Recherche und Entwicklung des Konzepts dieser Arbeit benötigt habe, einen interessanten Einblick in das Arbeitsfeld der Umweltpolitik und eine wunderbare Zeit in Berlin. Nicht zuletzt danke ich PD Dr. Manfred Schmitz der RWTH Aachen für die Betreuung dieser Magisterarbeit. Aachen, 20. März 2007

Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung... 7 2 Der Emissionshandel - die klassische Theorie... 10 2.1 Wie funktioniert der Emissionshandel?... 10 2.2 Entstehung des Emissionshandels... 11 2.3 Klassische ökonomische Instrumentendiskussion: Das Konzept des Emissionshandels... 12 3 Der Emissionshandel in der Realität... 15 3.1 Umsetzung des Handels... 16 3.1.1 Transaktionskosten... 16 3.1.2 Institutioneller Rahmen... 21 3.2 Umsetzung des Politikinstrumente: Implementationsdefizite... 23 3.3 Konzept der Handels- und Regulierungskosten... 31 3.3.1 Handelskosten... 33 3.3.2 Regulierungskosten... 36 3.3.3 Einbeziehung der Handels- und Regulierungskosten in die Instrumentendiskussion des Emissionshandels... 40 3.4 Zwischenfazit... 41 4 Die Emissionsrechtewirtschaft ein neuer Wirtschaftssektor geschaffen durch den Emissionshandel... 44 4.1 Wie entsteht die Emissionsrechtewirtschaft aus dem Emissionshandel: die Struktur der monetären Ströme... 47 4.2 Wer sind die Akteure der Emissionsrechtewirtschaft, was sind ihre Tätigkeiten und wie sind ihre Beziehungen untereinander: eine qualitative Branchenanalyse... 49 4.2.1 Die Händler: Intermediaries, Broker, eigene Handelsabteilungen in Unternehmen, Börsen... 51 4.2.2 Unternehmens- und Rechtsberatung (Consultants, Legal advice)... 58 4.2.3 Projektmanagement/Projektentwicklung... 62 4.2.4 Verifizierungs- und Zertifizierungsunternehmen (Verifier)... 63 4.2.5 Investment Fonds... 64 4.2.6 Wissenschaftliche Institute, Unternehmen, die Forschungsaufträge bekommen oder Beratungsleistung erbringen, Universitäten... 65 4.2.7 Staatliche- und nichtstaatliche Autoritäten und Institutionen, die für die Umsetzung des Emissionshandels zuständig sind... 68 4.2.8 Messen/Informationsdienste... 71 4.2.9 Interessenverbände/Interessenvertretungen... 72 4.3 Wie sind die Interessenvertretungen der Emissionsrechtewirtschaft aufgebaut und verbunden: eine Darstellung der Netzwerke... 78 4.4 Wie groß ist der wirtschaftlicher Einfluss der Emissionsrechtewirtschaft: eine quantitative Branchenstruktur... 81 iv

5 Fazit... 91 6 Anhang... 97 6.1 Investment Fonds... 97 6.2 Mitglieder der IETA International Emissions Trading Association Stand September 2006... 107 6.3 Mitgliederauflistung der Arbeitsgruppe AGE Emissionshandel zur Bekämpfung des Treibhauseffekts... 108 6.4 Daten der Graphiken Markt- und Transaktionsvolumen... 111 7 Literaturangaben... 119 v

Abbildungsverzeichnis Abbildung 3-1: Graphik Transaktionskosten... 19 Abbildung 3-2: Strukturierung Handels- und Regulierungskosten... 33 Abbildung 4-1: Monetäre Ströme der Emissionsrechtewirtschaft... 48 Abbildung 4-2: Struktur und monetäre Ströme Emissionsrechtewirtschaft... 50 Abbildung 4-3: Netzwerk der Interessenvertretungen der Emissionsrechtewirtschaft am Beispiel Großbritanniens... 79 Abbildung 4-4: Kumuliertes Marktvolumen der Emissionshandelssysteme... 85 Abbildung 4-5: Kumuliertes Transaktionsvolumen der Emissionshandelssysteme... 86 Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Auflistung Investment Fonds... 97 Tabelle 2: Mitglieder der IETA International Emissions Trading Association... 107 Tabelle 3: Daten US Acid Rain Program... 111 Tabelle 4: Daten US NOx Budget Trading Program... 112 Tabelle 5: Daten US RECLAIM Program (NOx)... 113 Tabelle 6: Daten Denmark CO2 Quota Act... 114 Tabelle 7: Daten UK Emissions Trading System... 115 Tabelle 8: Daten EU Emissions Trading System... 116 Tabelle 9: Vergleichsdaten Umsatz deutsche Pharmaindustrie... 116 Tabelle 10: Daten Marktvolumen Emissionshandel... 117 Tabelle 11: Daten Transaktionsvolumen Emissionshandel... 117 vi

1 Einleitung Der Emissionshandel ist ein relativ neues Politikinstrument. Es wurde erstmals im Laufe der 70er Jahre in den USA eingesetzt. Vom Einsatz in der US-amerikanischen Luftreinhaltepolitik hat es sich über internationale Klimapolitik bis nach Europa ausgebreitet. Heute ist der Zertifikatehandel 1, die vom regulierten Gut unabhängige Bezeichnung des Politikinstruments, ein Standardinstrument der Umweltpolitik. Emissionshandel wird oft als unkompliziertes, effizientes Politikinstrument diskutiert 2, welches sehr populär ist. 3 Staatliche Regelungsaufgaben, so das Konzept, werden durch die Selbststeuerungsmechanismen des Marktes ersetzt. Mit der Verteilung einer begrenzten Menge an Emissionsrechten ist es der Industrie selbst überlassen, die besten Wege zu finden, um ihre Emissionen zu kontrollieren. In der Realität ist der schlanke Regelungsansatz aus dem ökonomischen Lehrbuch aber mit sehr viel weiter reichenden institutionellen Veränderungen verbunden. Mit der Verteilung von Emissionsrechten werden vollkommen neue Märkte geschaffen. Das beinhaltet die Formierung neuer Organisationen, Institutionen und sozialer Praktiken. Dabei geht es um die Entstehung eines neuen Wirtschaftssektors mit allen dazugehörigen Einrichtungen und Prozessen wie Börsen, Broker, Nachrichtenagenturen, Forschungsinstitute, spezialisierte Berater, Aufsichtsbehörden etc. Selbst in der Fachliteratur finden sich nur unzureichende Erläuterungen über den Emissionshandel. Die schlanken Regeln des Politikinstruments aus dem Lehrbuch sind bildlich gesprochen - nur die Spitze des Eisbergs, aus der Nähe betrachtet befindet sich jedoch ein weitaus größerer Teil des Eisbergs versteckt unter Wasser. Einige wichtige Aspekte, die weitreichende Auswirkungen auf das Politikinstrument haben, werden außer Acht gelassen. 1 Im weiteren Text werden die Begriffe Zertifikatehandel und Emissionshandel synonym benutzt. Dies ist zulässig, da der Zertifikatehandel bis zum heutigen Zeitpunkt fast ausschließlich zur Regulierung von Emissionen verwendet wird. U.a. wurde der Emissionshandel aber auch zur Begrenzung der Besiedelung ökologisch wertvoller Gebiete genutzt. (New Jersey Pinelands Protection Act of 1979, Vgl. Emissions Trading Market Study, Report to the Ontario Ministry of Environment, Toronto Juli, 2003, p. 36) 2 Vgl. Feess, Eberhard: Umweltpolitik und Umweltökonomie, 1998, S. 119-130 7

Dieser Tendenz soll hier entgegengewirkt werden: Im Rahmen dieser Arbeit wird untersucht, wie sich die Diskussion um das Politikinstrument Emissionshandel verändert, wenn die oben erwähnten Aspekte einbezogen werden. Es wird dargestellt wie das Instrument auf erweiterte Weise in der Theorie verstanden werden kann und welche veränderten Einschätzungen und Erkenntnisse sich für die Instrumentendiskussion entwickeln. Die Bedeutung der Transaktionskosten wird diesbezüglich besonders hervorgehoben, da diese in der klassischen Diskussion weitestgehend vernachlässigt werden 4, in der Realität jedoch einen einflussreichen Wirtschaftssektor schaffen. Im zweiten Kapitel dieser Arbeit wird das Konzept des Politikinstruments Emissionshandel erklärt. Es wird dargestellt, wie der Emissionshandel üblicherweise diskutiert wird; wie die Spitze des Eisbergs somit aussieht. Das darauf folgende Kapitel zeigt die Aspekte auf, die in der Betrachtung des Emissionshandels oftmals vernachlässigt werden. Es wird deutlich, dass die klassische ökonomische Instrumentendiskussion zu kurz greift und den Emissionshandel als Instrument nur unzureichend darstellt 5, dass also die Spitze des Eisbergs nur der Anfang ist. In Kapitel 3.3 wird daraufhin eine erweiterte Instrumentendiskussion unter Einbeziehung der vorher diskutierten Punkte vorgenommen. An dieser Stelle soll versucht werden, ein vollständiges Bild davon zu entwickeln, was das Politikinstrument Emissionshandel - jenseits der Darstellung des ökonomischen Lehrbuchs - beinhaltet. Verschiedene politische, ökonomische und soziologische Diskussionsstränge werden in diesem Konzept zusammengeführt. Dies ermöglicht es, den Teil des Eisbergs, der versteckt unter Wasser liegt, in der Theorie zu erahnen. Anschließend wird ein Aspekt der erweiterten Instrumentendiskussion, quasi ein Teil des versteckten Eisbergs, qualitativ und quantitativ analysiert. Im Rahmen dessen wird 3 Vgl. Offener Brief aus dem Jahre 2003 an den Präsidenten EU Kommission http://www.eceee.org/eceees_views/euets_statement2003_11_20.doc, 25.1.07 4 Vgl. Böhringer, C. und Löschel, A.: Market Power in International Emissions Trading: The Impacts of U.S. Withdrawl from the Kyoto Protocol, ZEW Discussion Paper No. 01-58, Mannheim und Klepper, G. und Peterson, S.: Trading Hot Air: The Influence of Permit Allocation Rules, Market Power and the US Withdrawl from the Kyoto Protocol, Working Paper, Kiel 2002 nach: Eckermann, F, Hunt, A., Stronzik, M. und Taylor, T.: The Role of the Transaction Costs and Risk Premia in the Determination of Climate Change Policy Responses, Hrsg. ZEW Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH Discussion Paper No. 03-59, S. 3 5 Vgl. Howlett, Michael, Ramesh, M.: Policy Instrumente, Policy Lernen und Privatisierung, 1993, S. 247 8

erklärt, wie die Transaktionskosten des Emissionshandels Werte generieren, die zur Entwicklung eines neuen Wirtschaftssektors, der Emissionsrechtewirtschaft, geführt haben. Im empirischen Teil dieser Arbeit wird eine Strukturierung des Wirtschaftssektors Emissionsrechtewirtschaft vorgenommen und einige Unternehmen werden beispielhaft beschrieben. Durch eine Darstellung der Vernetzung der Interessenverbände soll die Organisierung der Wirtschaftsbranche schematisch dargestellt werden. Des Weiteren wird die Entwicklung der Emissionsrechtewirtschaft anhand einer graphischen Darstellung des Markt- und Transaktionsvolumens der Emissionsmärkte verdeutlicht, um eine Vorstellung der Größenordnung, der wirtschaftlichen Interessen und des Einflusspotenzials dieses Wirtschaftszweiges zu erhalten. Nachdem aufgezeigt wurde, wie die Branche strukturiert ist und wie sie sich entwickelt hat, wird abschließend zusammengefasst, welche Bedeutung die Emissionsrechtewirtschaft in der politikwissenschaftlichen Instrumentendiskussion einnehmen sollte. Ein erster Eindruck über den Umfang, die wirtschaftliche Macht und die Vernetzung des Wirtschaftszweiges lässt auf eine erhebliche politische Einflussposition schließen. Dies lässt die Vermutung zu, dass die Akteure der Emissionsrechtewirtschaft versuchen auf die Verbreitung und Ausgestaltung des Politikinstruments einzuwirken, um ihre wirtschaftlichen Interessen durchzusetzen. Der Emissionshandel wird in der öffentlichen Debatte meist als die Lösung präsentiert, um Umweltpolitik in einer effizienten Weise zu gestalten und somit den Zielkonflikt zwischen wirtschaftlichen und ökologischen Interessen zu überwinden. 6 Die in dieser Arbeit diskutierten Aspekte des Politikinstruments und die Komplexität bzw. Dynamik der wirtschaftlichen Auswirkungen des Emissionshandels unterscheiden das Instrument jedoch erheblich von der Darstellung im Lehrbuch. Diese Eigenschaften sollten, bei aller Euphorie über den Emissionshandel als den neuen Star 7 unter den Politikinstrumenten, stärker als bisher in eine Diskussion des Instruments mit einbezogen werden. 6 Vgl. http://www.umweltdaten.de/uba-info-presse/hintergrund/emissionshandel.pdf, S. 2, 25.1.07 7 Vgl. offener Brief aus dem Jahre 2003 an den Präsidenten den damaligen EU Komission Romano Prodi http://www.eceee.org/eceees_views/euets_statement2003_11_20.doc, 25.1.07 9

2 Der Emissionshandel - die klassische Theorie Wenn das Politikinstrument Emissionshandel diskutiert oder mit anderen umweltpolitischen Instrumenten verglichen wird, beziehen sich die Argumente der Befürworter meist auf die prognostizierten gesamtwirtschaftlichen Kostenvorteile der klassischen ökonomischen Theorie des Zertifikatehandels. Ein Politikinstrument funktioniert jedoch nicht ausschließlich wie im hoch stilisierten Modell. Die Modelle der klassischen ökonomischen Instrumentendiskussion lassen zusätzliche Kosten, die durch den Handel mit den Emissionszertifikaten entstehen, außer Acht. Außerdem ändern sich viele Voraussetzungen bei der Übertragung des Modells in die Realität. In der Praxis müssen Institutionen geschaffen werden, um das Instrument umzusetzen. Während der Anpassung an das bestehende politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche System werden darüberhinaus oftmals Abänderungen und Sonderregelungen des Konzepts vorgenommen, die erheblich von den Voraussetzungen des ökonomischen Modells abweichen. 2.1 Wie funktioniert der Emissionshandel? Durch das System des Emissionshandels wird Luftverschmutzung bzw. die Emission von Schadstoffen auf ein Höchstmaß begrenzt. Es werden Zertifikate ausgegeben die zum Ausstoß von Luftschadstoffen in einem gewissen Umfang berechtigen. Ein bisher unbegrenzt vorhandenes öffentliches Gut, die unbelastete saubere Luft wird durch den Zertifikatehandel geschützt und die Emission von Schadstoffen erhält durch die Knappheit der Zertifikate einen monetären Wert. Der Politik stehen mehrere Instrumente zur Verfügung, um ihre umweltschützenden Restriktionen umzusetzen. Im Falle einer Auflage (Vorschrift) werden Emissionshöchstgrenzen für die einzelnen Unternehmen erlassen; bei einer (Öko-)Steuer oder (Umwelt-)Abgabe wird der Verschmutzung ein Preis beigemessen und beim Zertifikatehandel bzw. Emissionshandel wird eine gesamte Emissionshöchstgrenze festgelegt. Diese ist in Form einzelner Emissionszertifikate aufgeteilt die an die emittierenden Unternehmen ausgegeben werden. Durch die Zertifikate wird das öffentliche Gut saubere Luft bzw. Recht zur Emission einer gewissen Menge von Schadstoffen zu einem privaten Gut. Unternehmen, die keine Zertifikate oder nicht ausreichend Zertifikate besitzen, sind von der Nutzung bzw. 10

Emission ausgeschlossen. Die Unternehmen können die Zertifikate allerdings untereinander handeln. Je nachdem, wie knapp die Zertifikate bzw. Gesamtemissionen bemessen sind, ergibt sich ein höherer oder niedrigerer Marktpreis für die Emissionszertifikate. 8 Es entwickelt sich somit ein neuer Markt: der Emissionshandelsmarkt. Die Akteure des Marktes sind einerseits Unternehmen, die Schadstoffe emittieren für die sie die Emissionszertifikate benötigen, andererseits baut sich um diese Akteure herum eine komplette Infrastruktur anderer Dienstleistungsanbieter auf. Dies sind Energiebörsen an denen die Zertifikate gehandelt werden, Zwischenhändler von Emissionszertifikaten oder spezialisierte Unternehmensberatungen, die Unternehmen im Bezug auf den Emissionshandel beraten. Der Emissionshandel schafft somit nicht nur einen neuen Markt auf dem die Zertifikate gehandelt werden, sondern auch eine neue Branche, die diesbezügliche Dienstleistungen anbietet. 2.2 Entstehung des Emissionshandels Das theoretische Konzept des Emissionshandels wurde von dem US-amerikanischen Ökonomen John Dales bereits in den 60er Jahren entwickelt. Erste praktische Ansätze wurden unabhängig davon 1972 von der US-amerikanischen Umweltbehörde Environmental Protection Agency (EPA) innerhalb der Gesetzesverordnung Clean Air Act (CAA) umgesetzt. Diese flexiblen Mechanismen zur Einhaltung der erlaubten Emissionsmenge wurden 1986 im EPA Emissions Trading Program offiziell gesetzlich festgeschrieben. Obwohl das Politikinstrument des Emissionshandels gerade in seiner Anfangszeit kritisch betrachtet wurde, weil es nach Ansicht eines Teils der Öffentlichkeit die Umwelt käuflich machen würde, wurde in den 90er Jahren das umfangreiche US Acid Rain Progam eingeführt. Das theoretische ökonomische Konzept und die praktischen Erfahrungen der EPA flossen in diesem, bis zum heutigen Zeitpunkte existierenden, Programm zusammen. 9 Seitdem wurden in den USA mehrere regionale Emissionshandelsprogramme entwickelt. Diese beschränken sich zum großen Teil auf die Schadstoffe, die den so genannten sauren Regen verursachen (z.b. SO 2, NOx etc.). 8 Vgl. Feess, Eberhard: Umweltpolitik und Umweltökonomie, 1998, S. 71-130 9 Vgl. Voß, Jan-Peter: Policy instruments as innovation in governance: The case of emissions trading; Berlin 2006, S.4-5 11

International bekannt wurde das Konzept des Emissionshandels vor allem durch die Diskussion des Kyoto-Protokolls in der Weltöffentlichkeit. In dem Protokoll verpflichtet sich ein Großteil der Industrienationen, ihren CO 2 -Ausstoß zu begrenzen. Die Europäische Union hat sich entschieden einen Teil, der ihr durch das Kyoto-Protokoll auferlegten Reduktionsverpflichtung durch die Implementierung eines EU-weiten Emissionshandelsmarktes umzusetzen. Dieser wurde zu Beginn des Jahres 2005 eingeführt. In diesem Emissionshandelssystem können alle verpflichteten Unternehmen innerhalb der EU ihre CO 2 -Emissionszertifikate handeln. 10 Obwohl das Konzept des Emissionshandels aus der US-amerikanischen Politik stammt und die USA den Emissionshandel zu einer Voraussetzung für ihre Teilnahme am weltweiten Klimaschutz gemacht hatten, stiegen sie 2001 aus dem Kyoto-Prozess aus. Der US-Präsidenten George W. Bush argumentierte, dass die Klimaschutzmaßnahmen des Kyoto-Protokolls den wirtschaftlichen Interessen der USA im Wege ständen. 11 Es finden sich jedoch auch in den USA einige Unternehmen, die sich freiwillig zu einer Reduktion von CO 2 verpflicht haben und CO 2 -Emissionszertifikaten in einem kleinen freiwilligen US-amerikanischen Emissionsmarkt handeln. 12 Einzelne Fachleute vermuten eine baldige Einführung eines nationalen US-amerikanischen CO 2 -Handelssystems, dessen Reduktionsbestrebungen jedoch vermutlich unter denen der Kyoto-Vereinbarungen liegen werden. 13 2.3 Klassische ökonomische Instrumentendiskussion: Das Konzept des Emissionshandels Nach dem ökonomischen Konzept hat der Emissionshandel zwei Zielsetzungen. Er begrenzt die Emission eines Luftschadstoffes auf ein vorher festgelegtes Höchstmaß und führt zu einer Internalisierung externer Effekte. Diese Zielsetzungen werden, laut dem 10 Vgl. http://www.umweltbundesamt.at/fileadmin/site/umweltthemen/industrie/pdfs/was_ist_kyoto- Protokoll.pdf, 26.10.06, S.1-4 11 Vgl. http://www.ikzm-oder.de/download.php?fileid=2745, 25.01.07 12 Vgl. http://www.chicagoclimatex.com/, 25.01.07 13 mündliche Aussage von Eduardo Piquero, Projektentwicklung von CDM und JI Projekten, MGM international, 28.09.06 12

ökonomischen Modell, mit den gesamtwirtschaftlich geringsten Kosten erreicht. Das Instrument arbeitet demnach kosteneffizient. Das Höchstmaß an Schadstoffausstoß in einem Emissionshandelsystem 14 wird durch die limitierte Ausgabe von Zertifikaten, die zum Schadstoffausstoß berechtigen, begrenzt. Die Zertifikate werden von regionalen, staatlichen oder supranationalen Instanzen nach verschiedenen Verfahren an die am Emissionshandel beteiligten Unternehmen vergeben. Die Unternehmen können Schadstoffe in dem Maße, wie sie Zertifikate besitzen, emittieren. Stoßen sie weniger Schadstoffe aus als sie Berechtigungszertifikate besitzen, können sie die überschüssigen Emissionszertifikate an andere Unternehmen verkaufen. Emittiert ein Unternehmen eine größere Menge als die Menge, für die es Zertifikate besitzt, muss es Zertifikate in entsprechendem Umfang zukaufen. Die staatliche Behörde reguliert somit lediglich die Gesamtmenge der Emission, sie erlässt keine Emissionshöchstgrenzen für die einzelnen schadstoffausstoßenden Anlagen. Die letztendliche Höhe der Emission des einzelnen Unternehmens bzw. der einzelnen Anlage variiert durch den freien Handel mit den Emissionszertifikaten. Internalisierung externer Effekte bedeutet, dass die Schädigung der Umwelt, durch die Bepreisung eines Schadstoffes, in die Produktionsfunktion des schadstoffverursachenden Unternehmens einfließt. In Bezug auf den Emissionshandel bedeutet dies, dass die Emission bzw. Verschmutzung der Luft zum Produktionsfaktor wird und einen Preis erhält. Dies lässt wiederum den Preis des Endproduktes ansteigen. Er ist umso höher je schadstoffintensiver der Produktionsprozess des Produktes ist. Der höhere Preis lässt theoretisch die Nachfrage nach dem Produkt und damit die letztendlich produzierte Menge des umweltschädigenden Produktes sinken. Da die Unternehmen Zertifikate gewinnbringend am freien Markt verkaufen könnten, stellt selbst der Verbrauch eventuell kostenlos zugeteilter Zertifikate für das Unternehmen einen betriebswirtschaftlichen Kostenfaktor dar. 15 Der Schadstoff bzw. die Emission des Schadstoffes erhält somit einen Preis und die vorher festgelegte Gesamtemissionsmenge wird nicht überschritten. 14 Diese Ausarbeitung bezieht sich lediglich auf die am weitesten verbreiteten cap-and-trade Emissionshandelssyteme 15 Vgl. Feess, Eberhard: Umweltpolitik und Umweltökonomie, 1998, S. 49-51 13

Welche Menge an Schadstoffen emittiert wird, ist dem Unternehmen und seiner Kosten- Nutzenanalyse selbst überlassen und wird nicht von der entsprechenden staatlichen Instanz, wie bei einer Auflage, vorgeschrieben. Der Emissionshandel wird deshalb als marktwirtschaftliches Politikinstrument bezeichnet. Der Begriff marktwirtschaftlich bezieht sich nicht, wie man vielleicht vermuten könnte, auf den marktwirtschaftlichen Handel mit den Emissionszertifikaten, sondern auf die Kosteneffizienz bzw. Effektivität des Instruments. Kosteneffizienz bedeutet, dass jedes Unternehmen mit denselben Grenzvermeidungskosten (eingesparte Grenzkosten der Schadstoffvermeidung) produziert. Kann ein Unternehmen günstiger Schadstoffe vermeiden als ein anderes, wird es die Menge Schadstoffe, die es durch z.b. eine Umstellung oder Modernisierung des Produktionsprozesses vermeiden kann, in Form der Emissionszertifikate gewinnbringend verkaufen. Ein anderes Unternehmen, welches sehr hohe Schadstoffvermeidungskosten hat, bei dem z.b. die Umstellung des Produktionsprozesses nur unter enormer Ressourcenaufwendung möglich wäre, kann dann dem ersten Unternehmen die Zertifikate abkaufen. Die gewünschte Umweltqualität, die durch die gesamte Anzahl der ausgegebenen Zertifikate festgelegt ist, kann somit durch eine optimale Allokation der Emissionszertifikate auf die kostengünstigste bzw. kosteneffiziente Art erreicht werden. 16 Jedes Unternehmen vermeidet den Ausstoß von Schadstoffen und investiert z.b. in umweltfreundlichere Produktionstechnik, solange wie dies günstiger für das Unternehmen ist als den Preis für die Emissionszertifikate zu zahlen bzw. auf den Gewinn durch einen Verkauf der Zertifikate zu verzichten. Unternehmen, die mit geringem Aufwand Emissionen einsparen können, werden Investitionen tätigen, um die entsprechenden Kosten für die Emissionszertifikate zu sparen. Unternehmen, die Emissionen nur unter erheblich größerem Aufwand einsparen können, werden mehr emittieren und die entsprechenden Marktpreise für zusätzliche Zertifikate entrichten. Dies bedeutet, dass nach dem klassischen ökonomischen Modell des Zertifikatehandels die Emissionen zu den geringsten volkswirtschaftlichen Kosten reduziert werden. Sie werden bei den Unternehmen eingespart, die sie am günstigsten vermeiden können. 16 Vgl. Feess, Eberhard: Umweltpolitik und Umweltökonomie, 1998, S. 71-130 14

3 Der Emissionshandel in der Realität Nachdem im vorherigen Kapitel die ökonomische Instrumentendiskussion des Emissionshandels dargestellt wurde, sollen nun anhand kritischer Literatur die Aspekte aufgezeigt werden, die diese klassische Darstellung vernachlässigt. Nach der Betrachtung der Spitze des Eisbergs werden in diesem Kapitel Hinweise gesucht, was sich bezüglich des Emissionshandels noch unter Wasser verbergen könnte. Abschließend werden in Unterpukt 3.3 diese Aspekte in einer Struktur zusammengefasst. Ökonomische Modelle, wie der Emissionshandel, lassen sich nie exakt in die Realität übertragen. 17 Die einzelnen Akteure agieren nicht ausschließlich nach den rationalen Kriterien, die das Modell vorgibt. In der Realität sind sie ebenfalls nicht perfekt informiert, wie es die meisten Modelle voraussetzen. Zudem werden viele Sonderregelungen bei der Implementierung des Politikinstruments geschaffen. Entweder, um das Modell an die individuellen Umstände des vorhandenen Systems anzupassen, oder auf Druck von Interessengruppen. Die Ausgestaltung des Politikinstruments richtet sich dann nach Marktmacht bzw. politischem Machteinfluss der einzelnen Gruppen und nicht nach der größtmöglichen Effizienz des Instruments. Es fallen zudem Transaktionskosten an, die in der konventionellen Instrumentendiskussion vernachlässigt werden. Diese sind umso höher, je komplexer das System ist. Außerdem werden in der ökonomischen Theorie die Institutionen und Kontrollprozesse vernachlässigt, die zum Funktionieren eines Marktes notwendig sind. Auch diese verursachen zusätzliche Kosten. Die ökonomischen Analysen, die die Kosteneffizienz bzw. Effektivität marktwirtschaftlicher Instrumente wie dem Emissionshandel vorhersagen und sie mit konventionellen Politikinstrumenten (Auflagen, Vorschriften) vergleichen, beruhen auf höchst stilisierten Modellen. 18 Sie prognostizieren die Kosteneinsparungen durch Emissionshandel ohne die Einschränkungen einzubeziehen, denen ein Teil der Effektivität bzw. Effizienz des Politikinstruments während der Anpassung an die Realität zum Opfer fällt. So wurde zum Beispiel für das Emissionshandelsprogramm zur Bekämpfung des sauren 17 Vgl. Eliadis, Paul, Hill, Margret, Howlett, Michael: Designing Government; From Instrument to Governance, McGill University Press, Canada 2005, S. 361 15

Regens in den USA (US Acid Rain Program) eine Kosteneinsparung von 3 Milliarden US Dollar prognostiziert. 19 Aufgrund mangelnden Handels mit den Emissionszertifikaten konnten jedoch nur Einsparungen von 1 Milliarde US Dollar umgesetzt werden. 20 Natürlich treten diese Abweichungen einer Modellrechnung und der Anwendung eines Politikinstruments in der Realität auch bei anderen Instrumenten zwangsläufig auf. Eine perfekte Information ist in der Praxis zum Beispiel nie gegeben. Die angesprochenen Aspekte sollen hier jedoch nicht im Vergleich zu Implementationsdefiziten anderer Modelle gewertet werden. Es soll lediglich ihre Signifikanz in Bezug auf eine Betrachtung des Politikinstruments Emissionshandel dargestellt und in Kapitel 3.3 ein Schema entworfen werden, um sie in eine zukünftige theoretische Instrumentendiskussion mit einbeziehen zu können. 3.1 Umsetzung des Handels 3.1.1 Transaktionskosten Neben den bereits erwähnten Faktoren, die eine exakte Übertragung des theoretischen Modells Emissionshandel in die angewandte Politik erschweren, nehmen die Transaktionskosten eine besondere Position ein. Diese Kosten des Handels mit Emissionszertifikaten werden in der klassischen Diskussion nicht berücksichtigt, obwohl sie zusätzliche Kosten verursachen und zu Verlusten der Effektivität des Politikinstruments führen. Es ist nur wenig eindeutiges Datenmaterial zur tatsächlichen Höhe von Transaktionskosten in Emissionshandelsystemen vorhanden, jedoch vermuten einige Wissenschaftler, dass die Transaktionskosten die Effektivität des Emissionshandels erheblich reduzieren. 21 18 Vgl. Hahn, R.W. and Stavins, R.N.: Economics Of The Envirionment: Economic Incentives for Envirionmental Protection: Integrating Theory and Practice, 1992, S. 464 19 Vgl. ICF, Inc.: Analysis of Six and Eight Million Ton 30-Year/NSPS and 30-Year/1.2 Sulfur Dioxide Emission Reduction Cases, Washington D.C., 1986, nach: Stavins, R.N: Economic Incentives For Environmental Regulation, 1997, S. 12 20 Vgl. Hahn, R.W. and May, C.: The Behaviour of the Allowance Market: Theory and Evidence, 1994, in: Electricity Journal, Volume 8 nach: Stavins, R.N: Economic Incentives For Environmental Regulation, 1997, S. 12 21 Vgl. Mullins, F. and Baron, R.: International GHG emissions trading: Policies and Measures for common action, 1997, Working Paper 9, Paris: OECD/IEA und Rao, P.K.: The Economics of Transaction Costs: Theory Methods and Application, 2003, New York, Palgrave Macmillan in Crals, Evy: Tradable Rights and Transaction Costs: A Comparative Analysis of Alternative Policy Instruments for Emissions, Road Use and Public Deficits, 2005 Erfurt, S. 85 16

Das Konzept der Transaktionskosten wurde 1937 von dem berühmten Ökonomen Ronald Coase vorgestellt. Coase gab jedoch nur vage Beschreibungen seiner Vorstellung von Transaktionskosten; als die Kosten der Entdeckung der relevanten Preise. 22 Nachdem das Konzept auch von anderen Ökonomen aufgegriffen wurde, definierte Coase sein Konzept einige Jahre später erneut als: to carry our a market transaction, it is necessary to discover who it is one wishes to deal with, to inform people that one wishes to deal and on what terms, to conduct negotiations leading up to a bargain, to draw up the contract, to undertake the inspection needed to make sure that the terms of the contract are being observed and so on. 23 Nach heutigem Verständnis sind Transaktionskosten die Kosten, die bei dem Tausch zweier Güter für die Organisation und Durchführung der Transaktion anfallen. Dies können Kosten sein, die bei der Suche nach einem geeigneten Tauschpartner anfallen oder bei der Prüfung des Objektes. 24 Es können auch Verhandlungskosten oder Kosten für eine Beratung durch Rechtsexperten sein. 25 Transaktionskosten treten in drei Formen auf: (1) als Input von Ressourcen des Käufers oder Verkäufers (z.b. Kosten für eine Rechtsberatung), (2) als Zeit, die für die Informationsbeschaffung aufgewendet werden muss oder (3) als Preisdifferenz zwischen dem Einkaufs- und dem Verkaufspreis auf einem Handelsplatz (z.b. an der Börse oder beim Gebrauchtwagenhändler). 26 Transaktionskosten fallen in einem gewissen Rahmen bei jeder Transaktion auf dem Markt an. Auch die Zeit, die ein Kunde im Supermarkt investiert, um zwei Produkte zu vergleichen, und schließlich das von ihm favorisierte zu wählen, kann zu Transaktionskosten im Sinne von Informationskosten gezählt werden. Die Transaktionskosten erhöhen die Kosten für die Beteiligten des Handels. Durch einen höheren Gesamtpreis verringert sich dementsprechend die Nachfrage nach den 22 Vgl. Crals, E.: Tradable Rights and Transaction Costs: A Comparative Analysis of Alternative Policy Instruments for Emissions, Road Use and Public Deficits, 2005 Universität Erfurt, S. 53 23 Coase, R.H.: The Problem of Social Cost, Journal of Law and Economics 3, S.1-44, S.15 in: Crals, E.: Tradable Rights and Transaction Costs: A Comparative Analysis of Alternative Policy Instruments for Emissions, Road Use and Public Deficits, 2005 Universität Erfurt, S. 53 24 Vgl. Emissions Trading Market Study, Report to the Ontario Ministry of Environment, Toronto Juli, 2003, S. 34 25 Vgl. Coase, R.H.: The Nature of the Firm in: Economica, New Series 4, S. 386-405 nach: Eckermann, F, Hunt, A., Stronzik, M. und Taylor, T.: The Role of the Transaction Costs and Risk Premia in the Determination of Climate Change Policy Responses, S. 1 17

Emissionszertifikaten und folglich reduziert sich auch der Handel. Hohe Transaktionskosten halten manche Unternehmen gänzlich vom Handel am Zertifikatemarkt ab. Die Kosteneffizienz des Emissionshandels entsteht jedoch gerade durch eine optimale Allokation der Emissionszertifikate durch einen größtmöglichen Handel. Der Effekt tritt nur ein, wenn die Emissionen genau bei dem Unternehmen eingespart werden, bei dem es die geringsten Kosten verursacht. Deswegen wirkt eine Einschränkung des Handels dementsprechend der Kosteneffizienz des Instruments entgegen. Andererseits vermindert sich die wirtschaftliche Effizienz des Politikinstruments durch das Entstehen der Transaktionskosten als zusätzliche Kosten an sich. Dieser Effekt wird in Abbildung 3-1 dargestellt. Ohne die Einbeziehung von Transaktionskosten befindet sich das Marktgleichgewicht im Schnittpunkt der Angebotskurve (Supply, S) und Nachfragekurve (Demand, D). Im Marktgleichgewicht ergibt sich der Preis (Price) P0 und die Abnahmemenge (Abatement) Q0. Werden die Transaktionskosten (Transaction costs TC) mit einbezogen, verschiebt sich das Angebot nach links. Dies hat zur Folge, dass der Preis der Zertifikate steigt (da die Transaktionskosten mit einbezogen werden) und die Abnahmemenge sinkt (P1 und Q1). 27 Die Kosteneffizienz des Emissionshandels verringert sich demnach durch die Höhe der Transaktionskosten. 28 26 Vgl. Emissions Trading Market Study, Report to the Ontario Ministry of Environment, Toronto Juli, 2003, p. 34 27 Vgl. Eckermann, F, Hunt, A., Stronzik, M. und Taylor, T.: The Role of the Transaction Costs and Risk Premia in the Determination of Climate Change Policy Responses, S. 3 28 Vgl. Eckermann, F, Hunt, A., Stronzik, M. und Taylor, T.: The Role of the Transaction Costs and Risk Premia in the Determination of Climate Change Policy Responses, S. 2 18

Abbildung 3-1: Graphik Transaktionskosten Quelle: Eckermann, F, Hunt, A., Stronzik, M. und Taylor, T.: The Role of the Transaction Costs and Risk Premia in the Determination of Climate Change Policy Responses, Hrsg. ZEW Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH Discussion Paper No. 03-59, S. 3 Am Beispiel des regionalen, auf den Großraum Los Angeles, begrenzten Emissionshandelsystems RECLAIMS errechnet Ganhadharan 29, dass die Transaktionskosten den Zertifikatehandel um 32% verringern. Im US Lead Permit Program, welches in den 80er Jahren in den USA eingesetzt wurde, um den Gehalt von Blei in Benzin schrittweise zu mindern, wurden die Transaktionskosten von Kerr und Mare auf 10% des Handelspreises geschätzt. 30 Es ist zu vermuten, dass die Transaktionskosten der frühen Emissionshandelsysteme erheblich höher waren, da das Internet nicht zur Informationsbeschaffung und als Kommunikationsmittel genutzt werden konnte. Jedoch sind sie auch in der heutigen Zeit noch ein signifikanter Faktor, der die Effizienz von Emissionshandelssystemen mehr oder weniger verringern kann. Bei der Höhe der Transaktionskosten kommt es auf das individuelle Design und die Größe des Emissionshandelssystems sowie die Stufe der Standardisierung des Handels- und bürokratischen Prozes- 29 Vgl. Gangadharan, L.: Transaction Cost in Pollution Markets, 2000, S. 601-602 30 Vgl. Kerr, S. und Mare, D.: Market Efficenciency in Tradable Permit Markets with Transaction Costs: Empirical Evidence from the United States Lead Phasdown, University of Maryland, College Park, Mimeographed in: Gangadharan, L.: Transaction Cost in Pollution Markets, 2000, S. 601-602 19

ses an. 31 Bei größeren, nationalen Emissionshandelsmärkten, wie dem US NOx Emissionshandel, betragen die Transaktionskosten laut einer amerikanischen Marktstudie 32 immerhin noch 1 bis 5% des Handelspreises. Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung hingegen schätzt die Transaktionskosten auf ca.10% in der Anfangsphase eines Emissionshandelssystems. Im Laufe des Programms können die Transaktionskosten nach ihren Angaben, aufgrund von Lerneffekten und bestehenden institutionellen Strukturen, jedoch auf ca. 2% des Handelspreises sinken. 33 Bereits in der Literatur über die ersten Emissionshandelssysteme wurde angemerkt, dass die realisierten Kosteneinsparungen der Emissionshandelsysteme (geringere Kosten des Emissionshandels im Gegensatz zum üblichen Politikinstrument der Vorschrift/Auflage) weit hinter den Erwartungen zurückblieben. Als Grund wurden Transaktionskosten und hohe administrative Hürden vermutet. 34 Jedoch wurden die Transaktionskosten auch in den folgenden Instrumentendiskussionen und Analysen des Emissionshandels größtenteils außer Acht gelassen. 35 Der Vorteil einer hohen Kosteneffizienz des Emissionshandels wurde weiterhin als ein großer Vorteil anderen Politikinstrumenten gegenüber hervorgehoben, ohne den mindernden Einfluss der Transaktionskosten mit einzubeziehen. 31 Vgl. Eckermann, F, Hunt, A., Stronzik, M. und Taylor, T.: The Role of the Transaction Costs and Risk Premia in the Determination of Climate Change Policy Responses, S. 4 und Crals, Evy: Tradable Rights and Transaction Costs: A Comparative Analysis of Alternative Policy Instruments for Emissions, Road Use and Public Deficits, 2005 Erfurt, S. 91 32 Vgl. LECG Emissions Trading Market Study, Report to the Ontario Ministry of Environment, Toronto Juli, 2003, S. 38 33 Vgl. Eckermann, F, Hunt, A., Stronzik, M. und Taylor, T.: The Role of the Transaction Costs and Risk Premia in the Determination of Climate Change Policy Responses, S. 25 34 Vgl. Atkinson, S. und Tietenberg, T.: Market Failure in Incentive-Based Regulation: The Case of Emission Trading, Journal of Environmental Economics and Management, Volume 21 (1991), S. 17-31 und Liroff, R. A.: The Evolution of Transferrable Emission Privileges in the United States, presented at the Workshop on Economic Mechanisms for Environmental Protection, Poland 1989 und Hahn, R.W. und Hester, G.L.: Marketable Permits: Lessons for Theory and Practice, Ecology Law Quaterly 16 (1989), S. 361-406 nach: Emissions Trading Market Study, Report to the Ontario Ministry of Environment, Toronto Juli, 2003, p. 34 35 Vgl. Böhringer, C. und Löschel, A.: Market Power in International Emissions Trading: The Impacts of U.S. Withdrawl from the Kyoto Protocol, ZEW Discussion Paper No. 01-58, Mannheim und Klepper, G. und Peterson, S.: Trading Hot Air: The Influence of Permit Allocation Rules, Market Power and the US Withdrawl from the Kyoto Protocol, Working Paper, Kiel 2002 nach: Eckermann, F, Hunt, A., Stronzik, M. und Taylor, T.: The Role of the Transaction Costs and Risk Premia in the Determination of Climate Change Policy Responses, S. 3 20