«Zürich ist ein starker Standort bei allen Ansiedlungsfragen»

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Transkript:

Spezialthema Interview «Zürich ist ein starker Standort bei allen Ansiedlungsfragen» Die Unternehmenssteuerreform III wird die Schweizer Steuerlandschaft grundlegend verändern. Auch wenn der Kanton Zürich weniger abhängig ist von kantonalen Steuerprivilegien für Spezialgeschäfte, werde er durch die Veränderungen unter Druck geraten: Der Rechtsanwalt und Steuerexperte Harun Can äussert sich im Gespräch über Chancen und Risiken der Steuerreform. Harun Can ist Partner bei der Anwaltskanzlei Schellenberg Wittmer AG. Er ist Spezialist für Schweizer und internationale Steuerfragen und arbeitet im Rahmen von Ansiedlungsgeschäften mit der Standortförderung des Kantons Zürich zusammen. Er studierte Rechtswissenschaften an der Universität St. Gallen und absolvierte an der London School of Economics den Master of Laws. Bemerken Sie im Vorfeld der Unternehmenssteuerreform III bereits eine Veränderung bei Firmen, die eine Ansiedlung in der Schweiz oder Zürich ins Auge fassen? Harun Can: Ja, diese Veränderung spüren wir. Es herrscht mehr Unsicherheit bei Unternehmen, auch bei den bereits ansässigen. Verunsicherung herrscht aber auch im europäischen Raum, zum Beispiel in Irland, Luxemburg oder Holland, weil auch innerhalb der EU Reformen anstehen. Wegen dieser Unsicherheit ist es wichtig, dass der politische Prozess der Unternehmenssteuerreform III in der Schweiz relativ rasch voranschreitet, damit die Unternehmen Planungssicherheit haben. Ein Effekt dieser Unsicherheit ist, dass die Anfragen für Ansiedlungen gesunken sind, das merken nicht nur wir. Aber trotz dieser Effekte im Vorfeld der Reformen sind wir als Schweiz im internationalen Standortwettbewerb immer noch vorne mit dabei, das heisst wir sind noch auf der sogenannten Short List. Die Reform birgt viel Konfliktpotenzial: Die Schweiz ist von der EU unter Druck, weil sie die kantonalen Steuerprivilegien für Spezialgeschäfte abschaffen muss. Gleichzeitig soll sie steuerlich attraktiv bleiben. Was wird sich für einen Kanton wie Zürich mit der Reform verändern? Zürich ist ein starker Standort bei allen Ansiedlungsfragen, und die Steuern sind nur einer von vielen attraktiven Faktoren, die der Kanton zu bieten hat. Deshalb sind Steuern hier auch weniger wichtig als in anderen Kantonen. Amerikanischen Kunden sage ich jeweils: «Je mehr Kuhglocken Sie hören, umso tiefer sind die Steuern» das ist natürlich sehr klischiert, aber Regionen wie Zürich haben eben einen ganzen Strauss an attraktiven Vorteilen zu bieten wie erstklassige Infrastruktur mit einem internationalen Flughafen, gut ausgebildetes Personal aus erstklassigen Ausbildungszentren, kulturelles Angebot oder die hohe Lebensqualität. Im Vergleich zu anderen Kantonen wie Zug, Schaffhausen oder Basel- Stadt ist der Kanton Zürich zudem relativ gesehen weniger abhängig von den kantonalen Privilegien für Spezialgeschäfte (sprich Holdingtätigkeiten und Handelstätigkeiten im Ausland), das heisst die anstehenden Reformen beziehungsweise Abschaffung dieser Privilegien in den nächsten Jahren fallen in Zürich auf den ersten Blick auch weniger stark ins Gewicht. Zürich wird aber zu spüren bekommen, wenn andere Kantone wie Zug die Gewinnsteuer auf 12 bis 10 Prozent senken für alle Gesellschaften als Kompensationsmassnahme zum Erhalt der dort ansässigen Spezialgeschäfte. Hier bestehen bereits heute kantonale Unterschiede bei der Gewinnsteuer und das Gefälle könnte kurz- und mittelfristig noch erheblich grösser werden. Zusammengefasst kann man sagen, dass Zürich durch grundlegende Reformen in der Schweizer Steuerlandschaft zumindest in einer Übergangsphase unter Druck geraten wird, weil Steuersenkungen von 21 auf 12 Prozent für alle Gesellschaften in Zürich aufgrund des Finanzhaushaltes und trotz Unterstützung durch den Bund nicht umsetzbar sein werden. 10 Zürcher Wirtschaftsmonitoring, Oktober 2014

Spezialthema Interview Welche der geplanten Massnahmen (Lizenzbox, Senkung Gewinnsteuer, Kapitalgewinnsteuer, Schrauben am Finanzausgleich) erachten Sie als besonders zielführend für den Kanton Zürich und die Schweiz? Eine wichtige und nachhaltige Massnahme ist die Förderung der Innovation, weil daraus Geschäftsideen und Patente entstehen können. Der Know-how-Transfer, die Zusammenarbeit zwischen Forschung und Wirtschaft hat übrigens noch viel Potenzial in Zürich. Kantone wie Basel-Stadt, mit der Pharmaindustrie, werden eine attraktive Lizenzbox zur Förderung dieser Innovationen einführen wollen aber auch für Zürich wäre eine attraktive Lizenzbox zu empfehlen, weil sonst die Gefahr besteht, dass Unternehmen mit Erträgen aus Immaterialgüterrechten (z. B. Patenten) in Kantone abwandern, die eine attraktivere Lizenzbox anbieten. Hier ist allerdings zu sagen, dass die Lizenzboxen aufgrund der staatlichen Beihilfediskussion in der EU allenfalls in der Schweiz gar nicht eingeführt werden können. Auch die zinsbereinigte Gewinnsteuer könnte interessant sein für Zürich, weil sie aufgrund der tieferen Besteuerung von Zinseinkünften Finanzunternehmen anzieht und eine Abwanderung verhindert. Schliesslich wird es für Zürich beim Finanzausgleich wichtig sein, dass die Zentrumslasten abgegolten sind und die Gewinnsteuerunterschiede trotz den Senkungen langfristig zwischen den Kantonen nicht zu gross sind. Die Unternehmenssteuerreform III ist sehr komplex und sie wird nur erfolgreich sein, wenn sie mehr oder weniger ausgabenneutral ausgestaltet ist. Ansonsten wird sie meiner Meinung nach nicht mehrheitsfähig sein, denn die Bürgerinnen und Bürger der Schweiz werden nicht bereit sein, eine finanzielle Mehrbelastung oder einen staatlichen Leistungsabbau persönlich zu tragen, um Steuerausfälle bei Unternehmen im Finanzhaushalt zu kompensieren. Bei der Lizenzbox werden Steuer vorteile auf Unternehmensgewinne aus Patenten oder Forschung gewährt. Die zinsbereinigte Gewinnsteuer erlaubt den Abzug eines Teils der Eigenkapital kosten vom steuerbaren Gewinn. Wie schätzen Sie den zukünftigen Steuerwettbewerb unter den Kantonen ein? In einer Übergangsphase wird sich der Steuerwettbewerb unter den Kantonen möglicherweise verschärfen, wenn das Gewinnsteuergefälle untereinander zunimmt und ein stärkerer Abwanderungsdruck in Tiefsteuerkantone besteht. Dieses Gefälle sollte sich dann durch den interkantonalen Finanzausgleich aber wieder ein wenig nivellieren. Zürich steht im Schweizer Steuerwettbewerb nicht schlecht da, und ich gehe davon aus, dass dies auch nach der Reform so sein wird. Zudem fällt in Zürich wie erwähnt der Faktor Steuern nicht so stark ins Gewicht wie in anderen Kantonen. Wie schätzen Sie die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz im internationalen Vergleich ein? Aus heutiger Sicht ist dies keine einfache Frage. Die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz hängt davon ab, inwiefern international gleich lange Spiesse geschaffen werden, etwa in Bezug auf staatliche Beihilfen (sprich Subventionen) durch Steuervergünstigungen, wie sie heute in Ländern wie Irland, Luxemburg oder die Niederlande wohl zu Unrecht gewährt werden. Nicht nur die Schweiz befindet sich in einem Reformprozess, auch die EU setzt hier an. Damit die internationale Wettbewerbsfähigkeit bestehen bleibt, müssen die Spielregeln insbesondere im Steuerbereich, welche man der Schweiz aufdrängt, auch innerhalb der EU und der OECD gleich angewendet werden. Ich bin eher optimistisch, dass dies insbesondere auf OECD-Ebene geschehen wird. Im Verhältnis zur EU bin ich skeptischer, weil die EU und ihre 28 Mitgliedstaaten Eigeninteressen verfolgen werden und wir keine starke Verhandlungsposition haben. Bis anhin waren zudem die Schweizer Behörden auf Bundes- und Kantonsebene im Rahmen ihres Ermessensspielraums wirtschaftsfreundlich und es ist sehr wichtig, dass sie es auch in Zukunft sein werden. Im kommenden Reformprozess müssen die Behörden und Politiker bei der Ausarbeitung von konkreten Änderungen weiter umsichtig agieren. Denn es geht ja nicht nur um mobile Unternehmen, sondern auch um die ansässigen Betriebe, unseren Werkplatz. Ein zu attraktives Steuerumfeld setzt auch die ansässigen Unternehmen unter Druck, weil Reaktionen aus dem Ausland erfolgen werden. Ein gutes Beispiel war die Reaktion Italiens, als es gewisse in der Schweiz ansässige Gesellschaften mit kantonalen Steuerprivilegien im Kampf gegen den Steuerwettbewerb auf eine Black List setzte und damit in der Schweiz ansässige Unternehmen, welche in Italien tätig waren, massiv benachteiligte. Ich glaube schliesslich insgesamt, dass die Schweiz als Standort attraktiv bleiben wird, weil sie so viele gute Standortfaktoren und einen soliden Föderalismus zu bieten hat. Irene Tschopp, Kommunikation Zürcher Wirtschaftsmonitoring, Oktober 2014 11

Spezialthema Bericht Die Ausgestaltung der Unternehmenssteuerreform III beeinflusst die Standortattraktivität Der Umbau des Schweizer Steuersystems mit der Unternehmenssteuerreform III wird weitreichende Veränderungen mit sich bringen. Um die steuerliche Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, ist ein Paket an neuen Massnahmen notwendig. Politischer Prozess und Zielsetzung Die OECD bekämpft bereits seit den 1980er-Jahren offiziell schädliche Steuerpraxen. Doch erst die Defizite und Schulden fast aller westlichen Staaten nach der Finanzkrise haben Mehrheiten für bisher kaum möglich gehaltene Reformen rund um Steuerfragen in Fahrt gebracht. Die EU und die Schweiz stehen betreffend USR III bereits seit 2007 im Dialog und der Bundesrat hat 2008 das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) mit der Ausarbeitung einer Vorlage beauftragt. Die damals vorgesehenen Massnahmen reichten jedoch nicht aus, um die internationale Akzeptanz welche seither weiter abgenommen hat wiederherzustellen. Darum hat das EFD 2012 eine paritätische Projektorganisation USR III von Bund und Kantonen eingesetzt, um Vorschläge zur Anpassung des Unternehmenssteuersystems mit folgenden drei Zielen zu erarbeiten: Internationale Akzeptanz Steuerliche Wettbewerbsfähigkeit (im Standortwettbewerb) Fiskalische Ergiebigkeit und Ausgewogenheit im föderalen System Die drei Ziele stehen jedoch in einer konfliktären Beziehung zueinander, wodurch sich das Globalziel einer optimalen Positionierung in diesem Spannungsfeld ergibt. Im Dezember 2013 ging der Bericht über Massnahmen zur Stärkung der steuerlichen Wettbewerbsfähigkeit der Projektorganisation an das EFD, welches nach Konsultation der Kantone und unter Einbezug zwischenzeitlicher internationaler Entwicklungen einen Bericht erstellen und mit der Projektorganisation auf eine Vernehmlassungsvorlage bis September 2014 hin arbeitet. Neben der engen Zusammenarbeit von Bund und Kantonen fanden auch Hearings und Workshops mit Vertretern aus Wirtschaft und Wissenschaft statt. Die EU und die OECD fordern von der Schweiz eine Gleichbehandlung in der Besteuerung von in- und ausländischen Unternehmenserträgen, die Abschaffung der Privilegierung bestimmter Gesellschaftsformen und das Überdenken von Steuererleichterungen. Kritisiert werden insbesondere die kantonalen Steuerstatus für Holding-, Verwaltungs- und gemischte Gesellschaften. Eine ersatzlose Abschaffung dieser Steuerstatus hätte gravierende finanzielle Folgen für die Schweiz sowie mehr Firmenabwanderungen und weniger Neuansiedlungen zur Folge. Die vom Bund angekündigte Unternehmenssteuerreform III (USR III) soll dazu beitragen, dass die Schweiz im internationalen Standortwettbewerb trotz Aufgabe der Steuerstatus nicht in den Hintergrund gedrängt wird. Bisher in Gesprächen mit der EU noch nicht berücksichtigt sind im Gegensatz zu Steuererleichterungen auch direkte Subventionen für Unternehmen, welche anders als in der Schweiz in vielen Ländern zur Anwendung kommen und genauso eine Verzerrung im Standortwettbewerb darstellen. Arbeitsplätze und Steuereinnahmen in Gefahr Unter anderem aufgrund der vorteilhaften Standortbedingungen haben sich in der Vergangenheit viele internationale Unternehmen für den Standort Schweiz entschieden. Solche Entscheide werden, neben vielen attraktiven Standortfaktoren, auch durch die Steuerthematik beeinflusst. Denn Steuern bilden einen sehr wichtigen Faktor im Rahmen der finanziellen Unternehmensführung bzw. Konzernsteuerung. Globale Konzerne analysieren in regelmässigen Abständen Investitionsentscheide, wozu auch die Wahl von Investitionsstandorten zählt. Die durch internationale Statusgesellschaften ausgeübten Aktivitäten sind sehr mobil und bei unvorteilhaften Standortbedingungen könnte ein schrittweiser Abbau von schweizerischen Niederlassungen und Investitionsverlagerungen ins Ausland die Folge sein, was Arbeitsplätze und Steuereinnahmen gefährdet. Hinzu kommen die steuerlichen Auswirkungen bei den betroffenen Arbeitnehmern sowie bei den vor- und nachgelagerten Unternehmen entlang der Wertschöpfungsketten. Gerade bei internationalen Gesellschaften, die mobile Aktivitäten ausüben, spielt das Kriterium der Steuerbelastung im globalen Wettbewerb eine zentralere Rolle als für die übrigen Unternehmen. Eine erhöhte Steuerbelastung lässt sich in ihrem Fall nur beschränkt durch nichtsteuerliche Standortfaktoren wie Innovationsstärke, Hochschulen und Forschungseinrichtungen, Lebensqualität, Infrastruktur usw. kompensieren. Unterschiedliche Betroffenheit von Kantonen und Gemeinden Die Gesellschaften mit kantonalem Steuerstatus leisten sowohl auf Kantonsund Gemeinde- als auch auf Bundesebene einen wesentlichen Finanzierungsbeitrag der Staatstätigkeit. Auf Kantons- und Gemeindeebene sind es rund zwei Milliarden Franken beziehungsweise 20 % der jährlichen Gewinnsteuereinnahmen, wobei der kantonale Steuerstatus der gemischten Gesellschaft (Geschäftstätigkeiten überwiegend auslandbezogen) die grösste finanzielle Bedeutung hat. Die Abbildung nebenan oben zeigt die grossen Unterschiede in der fiskalischen Bedeutung der Statusgesellschaften für die einzelnen Kantone. Die Zahlen berücksichtigen jedoch keine indirekten Effekte aufgrund von Steuerausfällen bei Arbeitnehmern und Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette von Statusgesellschaften. Auf Ebene Bund betragen die 12 Zürcher Wirtschaftsmonitoring, Oktober 2014

Spezialthema Bericht jährlichen Einnahmen von Unternehmen mit kantonalem Steuerstatus rund 3.6 Mrd. Franken, was 48 % der gesamten jährlichen Gewinnsteuereinnahmen von Kapital gesellschaften und Genossenschaften ausmacht. Kantone mit einem hohen Anteil an Einnahmen von Statusgesellschaften und hohen allgemeinen Gewinnsteuersätzen sind von der Abschaffung der Steuerstatus finanziell stark betroffen und können Steuersenkungen zur Verhinderung von Abwanderung nicht aus eigener Kraft vornehmen. Falls die USR III dazu führt, dass die Kantone im internationalen Standortwettbewerb für hochmobile und volkswirtschaftlich bedeutende Unternehmen nicht mehr kompetitiv sind, könnten die Kantone ihre generellen Gewinnsteuersätze senken. Auch hier sehen sich die Kantone mit ganz unterschiedlichen Ausgangslagen konfrontiert, wie die Abbildung unten verdeutlicht. Die Kantone können jedoch erst abschliessend über eine Senkung des Gewinnsteuertarifs urteilen, wenn die neuen unternehmenssteuerlichen Massnahmen bekannt sind. Eine allgemeine Gewinnsteuersenkung wirkt allerdings wenig gezielt und wäre mit einem deutlichen Rückgang der Ergiebigkeit bei der Unternehmensbesteuerung verbunden. Kantone mit einem tiefen Anteil an Einnahmen von Statusgesellschaften und hohen al lgemeinen Gewinnsteuersätzen erleiden einen geringeren möglichen Verlust, so dass sich für sie daraus keine Notwendigkeit für eine allgemeine Gewinnsteuersenkung ergibt. Sie können jedoch dennoch unter Druck kommen, wenn andere Kantone mit Steuersenkungen reagieren, um steuerlich attraktiv zu bleiben. Im Falle von neuen Steuer senkungsrunden ein Phänomen, welches in der Schweiz in den vergangenen Jahren zum Stillstand gekommen ist können sie nicht aus eigener Kraft mit Steuersenkungen reagieren. Unternehmenssteuerliches Massnahmenpaket Internationale Konzerne sind insbesondere an Headquarterstandorten mit einem attraktiven Gesamtpaket interessiert, weshalb die Schweiz auch weiterhin attraktive Rahmenbedingungen im Bereich der Unternehmensbesteuerung bieten muss. Die Einführung von neuen Regelungen für mobile Erträge würde es der Schweiz ermöglichen, zielgerichtet für solche internationale und gewinnintensive Gesellschaften in wertschöpfungsintensiven Branchen steuerlich attraktiv zu bleiben. Die Lizenzbox ist als zentrale Ersatzmassnahme für den abzuschaffenden speziellen Steuerstatus vorgesehen. Sie ist im Ausland gängig, wie beispielsweise in England, Irland, Luxemburg, Belgien oder den Niederlanden, und die Praxis in der EU erlaubt der Schweiz diesbezüglich Spielräume. Diese Innovationsförderung soll Unternehmen Steuervorteile auf ihren Gewinnen aus Patenten oder der Forschung gewähren, was auch für einheimische Firmen gilt. Nicht nur für den Kanton Basel-Stadt mit seiner Pharmaindustrie ist diese Mass- Zürcher Wirtschaftsmonitoring, Oktober 2014 13

Spezialthema Bericht Dr. Matthias Inauen Als Leiter Firmenansiedlungen begleitet Dr. Matthias Inauen Unternehmen von der Erst evaluation über den Standort entscheid und operativen Start hinaus. Zudem ist die Bestandespflege mit ansässigen Unternehmen zentraler Bestandteil seiner Arbeit bei der Standortförderung. nahme von grosser Bedeutung, sondern für alle Kantone als Instrument im Standortwettbewerb. Der Knackpunkt liegt in der Definition der für die Lizenzbox relevanten Erträge, was einen direkten Einfluss auf die Standortattraktivität und die internationale Akzeptanz hat. Entscheidend für die Akzeptanz innerhalb der OECD ist es, dass die wirtschaftliche Substanz am Ort der Besteuerung ist. Firmen sollen demnach ihre Gewinne dort versteuern, wo sie auch forschen oder produzieren. Diese Haltung geht auf das Projekt namens Base Erosion and Profit Shifting (BEPS) zurück, mit dem die OECD globale Konzerne wie Apple, Google oder Starbucks dazu bringen will, am Ort der Gewinnerwirtschaftung Steuern zu zahlen. Aufgrund der unsicheren internationalen Entwicklung ist heute noch unklar, ob und wie attraktiv eine Lizenzbox ausgestaltet werden kann. Vor dem Hintergrund der OECD-Arbeiten prüft auch die EU die verbreitete Lizenzbox in ihren Mitgliedsländern und will bis Herbst 2014 die akzeptierten Kriterien für Lizenzboxen definieren. Eine Output-Förderung von Forschung und Entwicklung ist aus volkswirtschaftlicher Sicht jedoch sicherlich zu begrüssen. Ein weiterer möglicher Baustein im Massnahmenpaket ist die Einführung einer auf das überdurchschnittliche Eigenkapital beschränkten zinsbereinigten Gewinnsteuer. Durch diese würde für die Unternehmen neu ein Teil der Eigenkapitalkosten steuerlich abzugsfähig, wodurch der Einfluss von steuerlichen Aspekten auf die Unternehmensfinanzierung dank Abbau der steuerlichen Bevorzugung der Fremdkapitalfinanzierung vermindert wird. Neben der Aufrechterhaltung der steuerlichen Rahmenbedingungen für Holding- und Finanzierungsgesellschaften würden damit auch Anreize zur Erhöhung des Eigenkapitals in den Unternehmen gesetzt, was volkswirtschaftlich sinnvoll erscheint. Während Economiesuisse die zinsbereinigte Gewinnsteuer als sinnvoll erachtet, wird die Massnahme bisher von der Mehrheit der Kantone abgelehnt, weil genauere Analysen zum Kosten-Nutzen-Verhältnis, zur Nachhaltigkeit der internationalen Akzeptanz und zur administrativen Vollziehbarkeit noch ausstehend sind. Weitere diskutierte Massnahmen sind steuer bilanzmässige Aufwertungen beim Zuzug von Unternehmen aus dem Ausland, Erleichterungen bei der Kapitalsteuer, die Abschaffung der Emissionsabgabe auf Eigenkapital oder die erwähnte Senkung der kantonalen Gewinnsteuersätze. Für Unternehmen, die ihren Steuerstatus verlieren und nicht von einer Lizenzbox profitieren können, ist auch die steuerunwirksame Offenlegung von stillen Reserven von grosser Bedeutung. Aufgrund der starken finanziellen Auswirkungen auf gewisse Kantone muss schliesslich auch der Ressourcenausgleich des nationalen Finanzausgleichs angepasst und es müssen Massnahmen zur Gegenfinanzierung der Mindereinnahmen mit dem Bund festgelegt werden. Rasche Rechts- und Planungssicherheit für Unternehmen zentral Das Reformziel der steuerlichen Wettbewerbsfähigkeit ist für den Standort Schweiz wie auch als Signal für betroffene und ansiedlungsinteressierte Unternehmen von grosser Bedeutung. Als offene und kleine Volkswirtschaft ist die Schweiz darauf angewiesen, im internationalen Wettbewerb als Unternehmensstandort erfolgreich zu sein und auf internationale Akzeptanz zu stossen. Doch auch die zeitliche Dimension der Reform ist entscheidend, da die Wiederherstellung der Rechts- und Planungssicherheit für die Unternehmen unabdingbar ist. Ein Inkrafttreten neuer Regelungen ist zwischen 2018 und 2020 zu erwarten. Mittel- und langfristig wird es zu weiteren Anpassungen kommen, da sich auch das internationale Umfeld ständig ändert. Zudem sind nicht nur die Entwicklungen in der EU, OECD oder G-20 zu berücksichtigen, sondern auch unilaterale Aussensteuervorschriften von Ländern, mit denen die Schweiz intensive Geschäftsbeziehungen pflegt. Die Unternehmenssteuerreform III wird die Standortattraktivität massgeblich beeinflussen und ist eine der komplexesten Steuerreformen in der Geschichte der modernen Schweiz. Nichtdestotrotz kann die Schweiz die Reform dank guter Rahmenbedingungen wie politische Stabilität, gesunde Staatsfinanzen, qualifizierte Arbeitskräfte usw. aus einer Position der Stärke angehen. Dr. Matthias Inauen, Leiter Firmenansiedlungen Standortförderung 14 Zürcher Wirtschaftsmonitoring, Oktober 2014

Wirtschaftsmonitoring Kanton Zürich Konjunktur Quelle 2013 IV/2013 I/2014 II/2014 Bruttoinlandprodukt, real BAK Basel, VgV. 2.0 Warenexporte, nominell, saisonbereinigt Eidg. Zollverwaltung, VgV. 5.8 1.9 0.2 Bauvorhaben, saisonbereinigt SBV, VgV. 4.7 3.3 2.1 9.6 Logiernächte (Hotel- und Kurbetriebe), BfS, VgV. 2.8 0.1 1.3 saisonbereinigt Beschäftigung und Arbeitsmarkt Beschäftigung, saisonbereinigt BfS, VgV. 1.1 0.1 0.2 0.4 Arbeitslose, saisonbereinigt SECO, VgV. 7.8 0.6 0.8 0.1 Arbeitslosenquote, saisonbereinigt SECO 3.2 3.3 3.3 3.3 Unternehmen Neueintragungen im Handelsregister, Creditreform, VgV. 6.1 8.0 12.1 saisonbereinigt Branchenentwicklung Zürich Branche Quelle 2012 2013 2014 2015 Finanzsektor, BAK Basel, VgV. 1.5 2.8 2.7 2.8 Unternehmensbez. Dienstleistungen, BAK Basel, VgV. 1.4 2.4 2.1 2.0 Öffentliche Dienstleistungen, BAK Basel, VgV. 1.5 3.3 2.7 2.9 Grosshandel, BAK Basel, VgV. 0.9 0.6 2.4 3.3 Investitionsgüterindustrie, BAK Basel, VgV. 1.4 1.0 0.9 2.2 * Baugewerbe, BAK Basel, VgV. 3.4 3.6 2.2 1.0 Schweiz Konjunktur Quelle 2013 IV/2013 I/2014 II/2014 Bruttoinlandprodukt, real SECO, VgV., annualisiert 1.9 0.4 2.0 0.0 Warenexporte, nominell, saisonbereinigt Eidg. Zollverwaltung, VgV. 0.3 0.7 2.0 0.6 Bauvorhaben, saisonbereinigt Schw. Baumeisterverband, VgV. 5.0 1.1 9.2 5.0 Logiernächte (Hotel- und Kurbetriebe), BfS, VgV. 2.2 0.8 0.3 saisonbereinigt Detailhandelsumsätze, Index, BfS, VgV. 1.8 0.9 0.4 0.9 real, ohne Treibstoffe, saisonbereinigt Beschäftigung und Arbeitsmarkt Beschäftigte, saisonbereinigt BfS, VgV. 1.4 0.2 0.1 0.1 Arbeitslose, saisonbereinigt SECO, VgV. 0.9 0.1 0.0 0.8 Arbeitslosenquote SECO 3.2 3.2 3.2 3.2 Löhne, Quartalsschätzung nominal BfS, Vjp. 0.7 0.7 0.7 0.8 VgV. = Veränderung gegenüber der Vorperiode in % Vjp. = Veränderung gegenüber Vorjahresperiode in % Sqe. = Stand bei Quartalsende Zürcher Wirtschaftsmonitoring, Oktober 2014 15