Dunkle Seiten der Kirchengeschichte: Kirche in der NS-Zeit

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Transkript:

FAU Erlangen-Nürnberg EWF Lehrstuhl für Religionspädagogik und Didaktik des evangelischen Religionsunterrichts Lehrstuhl für Didaktik der Geschichte Seminar: Religion und Geschichte Dozenten: Herr Dr. Hansjörg Biener (Ev.Rel.), Dr. Charlotte Bühl-Gramer (Ges.Did.) Referenten: Andrea Veth, Dominic Müller, Florian Ermann Datum: 13.01.2004 - Wintersemester 2003/2004 Dunkle Seiten der Kirchengeschichte: Kirche in der NS-Zeit Inhaltsverzeichnis: Seite: 1. Verankerung des Themas in den Lehrplänen 1 1.1 Hauptschule 1 1.2 Realschule 2 2. Hintergrundwissen: Kirche im NS-Staat 3 2.1 Die evangelische Kirche 3 2.1.1 Die Deutschen Christen 3 2.1.2 Die Bekennende Kirche und Pfarrernotbund 3 2.1.3 Bekenntnissynode von Barmen 4 2.1.4 Dietrich Bonhoeffer 4 2.1.5 Die evangelische Kirche und der Gehorsam 4 2.2 Die Katholische Kirche 4 2.2.1 Das Reichskonkordat 5 2.2.2 Enzyklika mit brennender Sorge 5 2.2.3 Die Katholische Kirche im Widerstand 5 2.3 Zeittafel 6 3. Herausarbeitung der religiösen und historischen Dimension 6 3.1 Religiöse Dimension 6 3.2 Historische Dimension 6 4. Didaktische Umsetzung 7 5. Didaktische Reflexion 8 5.1 Inhalt und Methodik 8 5.2 Fächerübergreifende Möglichkeiten 8 6. Literaturverzeichnis 8 1. Verankerung des Themas in den Lehrplänen 1.1 Hauptschule Evangelische Religion: 8.3.3 Entfremdung und Verfolgung - Verständigung und Versöhnung G/Sk/Ek 8.7.2, 8.7.4 - Verfolgung der Juden im "Dritten Reich" (Auschwitz), dazu die Haltung der Kirche; ggf. Beispiele aus dem örtlichen Umkreis - 1 -

9.3 Verantwortung wahrnehmen - Christen in der Gesellschaft 9.3.1 Christen mischen sich ein - Befreiung durch Gewalt? - Kirche und Christen im "Dritten Reich" zwischen Verherrlichung von Führer und totalitärem Staat ("Deutsche Christen"), Rückzug in den kirchlichen Raum oder Widerstand gegen menschenverachtende Politik; dazu D. Bonhoeffers Weg zu gewaltsamem Widerstand (Gewalt gegen das Böse); 9.3.2 Glaube und Politik - passt das zusammen? - christlicher Glaube zwischen Gehorsam und Widerstand: Jesu Ablehnung der Gewalt (Mt 4,1-11 oder 5, 43-48); Gehorsam gegenüber der Ordnungsmacht (Röm 13,1-7), höhere Verpflichtung gegenüber Gott (Mt 22,15-22 und Apg 5,29), evtl.: Absage an widergöttliche Macht (Offb 13,1-9); - die Notwendigkeit, in unterschiedlichen Situationen mit Hilfe des Gewissens und der Vernunft Gottes Willen zu suchen Katholische Religion: 8.4.3 Entfremdung und Verfolgung - Verständigung und Versöhnung - Juden und Christen in der Geschichte (z. B. Juden als "Sündenböcke", Ghettos, Judenpogrome) - Verfolgungen der Juden im Nationalsozialismus (Auschwitz); Geschichte: 8.7 Deutschland unter nationalsozialistischer Herrschaft und der Zweite Weltkrieg 8.7.1 Machtergreifung - "Gleichschaltung" der Parteien und Organisationen, der Länder; Beseitigung der kulturellen Vielfalt, z. B. Bücherverbrennung, Gleichschaltung der Medien 8.7.2 Verführung und Terror - Propaganda, Führerkult, Inszenierung von Politik als Massenerlebnis - Entrechtung und Verfolgung der Juden und anderer Minderheiten; "Euthanasie" EvR 8.3.3 - Verhaltensweisen zwischen Zustimmung und Widerstand 8.7.4 Totaler Krieg, Völkermord und Widerstand - Widerstand in Deutschland, u. a. 20. Juli 1944, Weiße Rose 1.2 Realschule Evangelische Religion: 9.3 Judentum: - christlicher Umgang mit Schuld angesichts Judenverfolgung und -vernichtung, insbesondere im Nationalsozialismus 10.2 Kirche in der Welt: Protestantismus und Politik Anpassung und Widerstand Beispiele aus Vergangenheit und Gegenwart - Hoffnung für morgen: Einsatz für Menschen, Anwalt der Schwachen Katholische. Religion: 9.3 Sich entscheiden können: Gewissen und Verantwortung - biblische Weisungen als Richtschnur für richtiges und verantwortungsbewusstes Handeln; Verhältnis von Norm und Gewissen: Entscheidungen treu seiner Überzeugung (Röm 14, 23; Apg 5, 21b 33) und in Verantwortung vor Gott an einem Beispiel verdeutlichen (z. B. Die Weiße Rose ) 9.6 Junge Menschen fragen nach: Kirche zwischen Anspruch und Wirklichkeit - was mir die Kirche bedeutet: die eigene Meinung äußern, vertreten und begründen; sich damit konstruktiv auseinander setzen (z. B. Kirchensteuer, Frauen in der Kirche, Papsttum); was Jugendliche in der Institution Kirche suchen - 2 -

- Licht und Schatten in der Geschichte der Kirche: z. B. Kreuzzüge Franz von Assisi, Hexenverfolgung Friedrich Spee, Missionisierung Lateinamerikas Las Casas, Judenverfolgung Edith Stein, Kirche in der NS-Zeit Rupert Mayer [vgl. EvR 9.3]; ggf. das päpstliche Schuldbekenntnis 2000 Geschichte: 9.5 Totalitäre Herrschaft, Zweiter Weltkrieg und die Folgen - Die nationalsozialistische Diktatur - Festigung der Macht, Widerstand, Verfolgung - Der Zweite Weltkrieg - Terror, Widerstand und Kollaboration in Europa - Die Bilanz von Diktatur und Krieg - Verantwortung und Schuld 2. Hintergrundwissen: Kirche im NS-Staat 2.1 Die evangelische Kirche Es ist eine Tatsache, dass Hitler in der evangelischen Kirche großen Anklang fand. Es gab nur wenige, die die Unvereinbarkeit von Christentum und NS-Ideologie erkannten. Die Menschen hofften auf eine Gesinnungsrevolution gegen den Liberalismus und den Bolschewismus. 2.1.1 Die Deutschen Christen Besonders durch eine starke Gruppierung, die "Glaubensbewegung Deutsche Christen", hatte Hitler um 1932 leichtes Spiel mit der evangelischen Kirche. 1933 rissen die Deutschen Christen die Leitung der Kirche an sich und gewannen die neuen Kirchenwahlen mit einem überwältigenden Sieg. Hitlers Bevollmächtigter für die Evangelische Kirche Ludwig Müller wurde Ende September 1933 zum Evangelischen Reichsbischof erwählt. Das Ziel der Deutschen Christen war eine fast vollständige Synthese von Nationalsozialismus und Christentum. Sie bekannten sich zum "positiven Christentum" und in ihrer neuen Lehre fanden sich zahlreiche nationalsozialistische Floskeln. Sie waren für die Reinerhaltung der Rasse und die Diskriminierung von Mitleid und Wohltätigkeit. Diese Ideen erklären auch ihre Zustimmung für den Antijudaismus und die Euthanasie-Aktion in späteren Jahren. Im November 1933 brach die Bewegung auseinander, es bildeten sich aber zahlreiche Nachfolgeorganisationen in den Jahren bis 1945. 2.1.2 Die Bekennende Kirche und Pfarrernotbund Im November 1933 wandten sich Evangelische Christen massenweise von den Deutschen Christen ab, weil bei einer Großkundgebung im Berliner Sportpalast die Abschaffung des Alten Testaments und die Verkündung eines heldisch, germanischen Jesus gefordert wurde. Viele erkannten wie weit der Glaube der Deutschen Christen mit der NS-Ideologie gleichgeschaltet war. Eine der Wurzeln der Bekennenden Kirche war der "Pfarrernotbund", der auf Initiative des Pfarrers Martin Niemöller gegründet wurde. Anlass dazu war der Beschluss Pfarrer und Kirchenbeamte jüdischer Abstammung aus ihren Ämtern in der Kirche zu entlassen. Bis Januar 1934 schlossen sich ca. 7000 evangelische Pfarrer dem Notbund an. Im Frühjahr 1934 entstand aus Protest gegen die Gleichschaltung von den Landeskirchen mit der Reichskirche die Bekennende Kirche, die sich als die einzige rechtmäßige Evangelische Kirche in Deutschland sah. Sie kämpfte gegen die Deutschen Christen und lehnte eine Unterordnung der Kirche unter Partei und NS-Staat ab. Innerhalb der Bekennenden Kirche bildeten sich jedoch bald zwei Gruppen: - 3 -

- Ein lutherischer Flügel, der sich bereit erklärte sich der Obrigkeit (= von Gott gesandt) zu unterwerfen und nur teilweise offenen Widerstand gegen den Staat leistete. - Eine Gruppe, die sich um Martin Niemöller sammelte und sich aktiv gegen nationalsozialistische Rechtsbrüche zur Wehr setzte. Viele Mitglieder der Bekennenden Kirche wurden durch Suspendierungen, Ausweisungen, Redeverbote und Verhaftungen politisch verfolgt. 2.1.3 Bekenntnissynode von Barmen Mit dieser Synode protestierten alle Widerstandleistenden Gruppen in der evangelischen Kirche (vor allem die Bekennende Kirche) gegen die nationalsozialistische Unterwanderung der Kirche und gegen den Totalitätsanspruch der Nazis. Dieses Bekenntnis wurde Richtungweisend für den ganzen Kirchenkampf. Im Mai 1936 verfasste der radikale Flügel der Bekennenden Kirche eine Denkschrift an Hitler, in der man Kritik am NS-Staat übte und gegen die Verletzung der Menschenrechte protestierte. Viele Pfarrer und Mitarbeiter der Bekennenden Kirche wurden in "Schutzhaft" genommen, gefoltert und getötet. Vor allem Martin Niemöller war ein Symbol der kirchlichen Opposition. Durch seinen Widerstand gegen die Staatsgewalt blieb er bis zum Kriegsende als persönlicher Gefangener Hitlers in Konzentrationslagern. 2.1.4 Dietrich Bonhoeffer Ein wichtiger Vertreter der bekennenden Kirche war Dietrich Bonhoeffer. Er wurde am 04.02.1906 in Breslau geboren. Der Theologe war 1933 Auslandpfarrer in London und ab 1935 im Dienst der Bekennenden Kirche. 1940 wurde er mit Redeverbot, 1941 mit Schreibverbot belegt. Er schloss sich der Widerstandsbewegung gegen Hitler an und wurde 1943 verhaftet. Nach dem fehlgeschlagenen Attentat auf Hitler vom 20.07.44 wurden Briefe von Bonhoeffer gefunden, die zeigten, dass er zum Kreis dieser aktiv politischen Widerstandleistenden Gruppe gehörte. Am 09.04.1945 ließen ihn die Nationalsozialisten im KZ Flossenbürg hinrichten. 2.1.3 Die evangelische Kirche und der Gehorsam Die Kriegführung der Nationalsozialisten blieb von der Evangelischen Kirche weitgehend unbeanstandet. Weder die Bekennende Kirche noch die Evangelische Kirche insgesamt stellte den Krieg in Frage. Natürlich gab es im Verlauf der Jahre immer weniger Möglichkeiten Stellungnahmen gegen den Krieg in Umlauf zu bringen. Doch noch in den Jahren in denen der Krieg von den Deutschen längst nicht mehr gewonnen werden konnte formulierte die Evangelische Kirche Durchhalteparolen und motivierte die Soldaten zum Opfergang. Die Kirche wollte zeigen, dass sie vorbehaltlos zu Volk und Vaterland stand. Der geistliche Vertrauensrat zum Beispiel versicherte dem Führer zu Beginn des Entscheidungskampfes im Osten "Treue und Einsatzbereitschaft" und erklärte sich bereit den Kampf "gegen den Todfeind aller Ordnung und aller abendländisch-christlichen Kulturen" aufzunehmen und mit "gewaltigen Schlägen" endlich den "Pestherd" zu unterstützen. Bis zum Ende des Krieges änderte sich die Stellung der Kirche zu den deutschen Beutezügen nicht mehr. 2.2 Die Katholische Kirche Die katholische Kirche stand dem Nationalsozialismus bis zum Jahr 1933 völlig ablehnend gegenüber. Nazis wurden nicht zu den Sakramenten zugelassen und nicht kirchlich beerdigt. Allerdings blieben mahnende und warnende Worte aus. Die Kirche äußerte sich weder gegen die germanische Rassenlehre noch gegen die heraufziehende Diktatur. Durch ein Dokument vom 28.3.1933 änderte sich jedoch die ablehnende Haltung der katholischen Kirche. Sie ermahnten ihre Gläubigen "zur Treue gegenüber der rechtmäßigen Obrigkeit und zur - 4 -

gewissenhaften Erfüllung der staatsbürgerlichen Pflichten". Diese Erklärung bewirkte, dass zahllose zuvor ratlose Katholiken jetzt dem Nationalsozialismus bedingungslos zustimmten und Gefolgschaftstreue leisteten. 2.2.1 Das Reichskonkordat Im Sommer 1933 schloss Hitler mit der Kirche das Reichskonkordat ab. Dieser Vertrag garantierte der Kirche die Freiheit des Bekenntnisses, die selbständige Ordnung kirchlicher Angelegenheiten und den Schutz katholischer Organisationen, die sich auf religiöse und karitative Zwecke beschränkten. Angesichts zahlreicher Lobsprüche von Kanzel, Katheder und Kirchenzeitungen im Bezug auf das Reichskonkordat war es für kritische Katholiken fast unmöglich ihre ablehnende Haltung offen auszusprechen. Die Kirche wurde aber immer mehr aus der Öffentlichkeit verdrängt und kirchliche Organisationen in Parteiorganisationen umgewandelt. Die Selbständigkeit der Kirche wurde immer mehr eingeschränkt. Die Hierarchie vermied jede Klage oder Anklage gegen das NS-Regime, vor allem für die Verfolgung der Juden und Kommunisten fühlten sie sich nicht verantwortlich. Die Hauptsorge der Bischöfe im Bezug auf Konzentrationslager war, wie den katholischen Häftlingen der Besuch des Gottesdienstes ermöglicht werden könnte. So mancher Priester, der Widerstand leistete, musste immer wieder erfahren, wie ihn die eigene kirchliche Obrigkeit im Stich ließ. 2.2.2 Enzyklika mit brennender Sorge Erst 1937 nahm Papst Pius Χ Ι in der Enzyklika "Mit brennender Sorge" Stellung gegen die Ideologie und Gewaltmaßnahmen der Nazis. Er kritisierte jedoch nicht den Antisemitismus und die antijüdischen Maßnahmen. Er wollte einen Angriff auf die katholische Kirche in Deutschland verhindern und auf keinen Fall die Gunst der Nazis verlieren. Nach dieser päpstlichen Enzyklika wurde der Kampf gegen die Kirche noch radikaler. Der Berliner Bischof von Preysing war einer der wenigen, der trotzdem alles versuchte, um die Bevölkerung über den Nationalsozialismus aufzuklären und der zum Widerstand aufrief. 2.2.3 Die Katholische Kirche im Widerstand Seit Herbst 1939 genügte bei Pfarrern und Religionslehrern schon eine einzige negative Bemerkung, um in "Schutzhaft" genommen zu werden. Bei Bischöfen übte man jedoch Nachsicht, um Erregungen im Kirchenvolk und im Ausland zu vermeiden, ein Umstand, den die Kirchenführer kaum nutzten. Die katholischen Bischöfe konnten sich nach Jahren immer noch nicht auf einen gemeinsamen Kurs einigen. Außer dem Berliner Bischof von Preysing zogen die Bischöfe das Schweigen dem Aufklären vor und waren auf ein friedliches Auskommen bedacht. Die tief greifenden Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Kirche waren schließlich die Ursache dafür, dass die Oberhirten zu keinem geschlossenen Widerstand fähig waren. Nur wenn es um eigene Interessen der Kirche ging fühlten sich die Bischöfe zum Eingreifen verpflichtet. So zum Beispiel bei der Aktion zur Entfernung der Schulkreuze und beim Sturm auf die Klöster. Das Regime ordnete allein 1941 die Auflösung von 123 Klöstern an. 1945 war die Kirche aus fast allen Machtpositionen vertrieben worden und das Ordensschulwesen war ebenfalls vernichtet. Auch in der katholischen Kirche gab es zu Anfang des Krieges kein Wort des Protests, im Gegenteil, die meisten Bischöfe hatten volles Verständnis für den Kriegszug gegen den Bolschewismus, den sie als den Hauptfeind des christlichen Glaubens und der Kirche sahen. Auch inmitten der grausamen Kriegshandlungen blieben kirchliche Appelle zum Frieden eine spärliche Ausnahme. Die Bischöfe lebten immer in der Angst, als Staatsfeinde verdächtigt zu werden. Deshalb klärten sie die Menschen über die Notwendigkeit des Krieges zum Nutzen des deutschen Volkes und des christlichen Glaubens auf und stärkten ihre Opferbereitschaft. - 5 -

2.3 Zeittafel 1933 Jan. Machtergreifung Hitlers März Hitlers Regierungserklärung Juli Reichskonkordat des Vatikans mit Hitler Juli Kirchenwahlen. Mehrheit der Deutsche Christen Sept. Ludwig Müller zum Reichsbischof gewählt Sept. Arierparagraph angenommen Sept. Gründung Pfarrernotbund Nov. Generalversammlung der,,deutschen Christen'' 1934 Mai Bekenntnissynode: Barmer Theologische Erklärung 1936 Mai Radikaler Flügel der BK verfasst Dokument über die Menschenrechtsverletzungen 1937 März Pius XI. schreibt Enzyklika. Vertragsverletzung Deutschlands angeprangert. 1938 Mai Nürnberger Gesetze Nov. Reichspogromnacht 1939 Feb. Papst Pius XI. gestorben Sept. Kriegsbeginn 1940 März Errichtung des KZ Auschwitz 1942 Jan. Wannenseekonferenz: Endlösung der Judenfrage 1944 Juli Attentat auf Hitler durch Stauffenberg 1945 April Tod Bonhoeffers im KZ April Selbstmord Hitlers in Berlin Mai Gesamtkapitulation des Deutschen Reiches 3. Herausarbeitung der religiösen und historischen Dimension 3.1 Religiöse Dimension - Die Schüler sollen entdecken, dass Gottes Wille angesichts neuer Situationen immer wieder neu gefunden werden muss. - Die Schüler sollen ermuntert werden, offen für Möglichkeiten der Mitverantwortung in ihrem Alltag zu sein. - Die Schüler sollen, mit Hilfe der Bearbeitung dieses Themas, die Möglichkeit bekommen, ihr persönliches Kirchenbild zu finden und/oder kritisch zu hinterfragen. - Der Blick der Schüler, soll sich kritisch auf das weltweite und zukunftsorientierte Engagement der Kirche, die sich als Anwalt der Schwachen versteht, richten. - Die Heranwachsenden sollen so zunehmend die Stimme ihres Gewissens entdecken, das sie in die Pflicht nimmt. verantwortliches Handeln 3.2 Historische Dimension - Die Schüler erkennen, dass die "Führerherrschaft" keine Institutionen und Verfahren erlaubte, mit denen unterschiedliche Ideen und Interessen zum Ausdruck gebracht und Konflikte friedlich ausgetragen werden können: gewaltsame Unterdrückung freiheitlichen Denkens und Handelns - Die Schüler lernen Motive, Ziele und Formen des Widerstands kennen und die Haltung der Widerstandskämpfer zu würdigen. - Die Schüler überdenken das Problem der individuellen Verantwortung und Möglichkeiten des Widerstandes, daraus erkennen sie, dass die Geschichte in ihr eigenes Leben hineinwirkt und sie sich der Frage nach Schuld und Verantwortung stellen müssen. - 6 -

4. Didaktische Umsetzung Am Beispiel einer Unterrichtsstunde für die 9. Klasse HS in dem Fach Evangelische Religion: 1 8.00 Bild (Geistliche mit NS-Gruß) Sammeln was noch bekannt ist (aus letzter Stunde und aus dem letzten Jahr) Gruppenerinnerung Helfender Begriff: Deutsche Christen Gründe? OH: Bild (Geistliche, NS- Gruß) 2 8.10 Gegenbewegung: Bekennende Kirche - Was war da anders? SB: Seite 80/81 Buch Seite 80/81 anschauen und lesen - Meinungen? 3 8.15 In Gruppenarbeit AB ausfüllen Die Deutschen Christen + Bekennende Kirche AB: DC + BK 4 8.25 Sammeln der Ergebnisse Abschnittweise vorlesen Wichtiges der bekennenden Kirche? Reaktionen der NS? Bedeutung wenn man bekennender Christ war? Auswirkungen? 5 8.35 Bibel: Römer 13, 1-7 vorlesen: Soll man sich nun der Obrigkeit unterordnen da sie von Gott eingesetzt ist? Was soll man tun? Kleingruppengespräch darüber Satz: Man muss Gott mehr gehorchen, als den Menschen (Apostelgeschichte 5,29) an die Tafel schreiben (oder Folie auf Overheadprojektor mit ApG 5,29 + 10 Gebote) Ja was denn nun? So.: Gott; Mo-Fr: Hitler? Handlungsvorgaben sind nicht explizit in der Bibel zu finden Verantwortliches Handeln braucht Nachdenken! 6 8.40 Pause 7 8.45 Overheadprojektor: Bild von Dietrich Bonhoeffer (+ evtl. Tondokument) Seite 82 lesen Sammeln von Infos aus dem Text Biographie erstellen, (Attentat Hinrichtung) 8 9.00 Sprechblasen ausfüllen Was hätte Dietrich Bonhoeffer wohl gesagt Antworten für Sprechblasen vorlesen 9 9.15 Zusammenschau der heute gelernten Ergebnisse a) Glaube an Gott b) Fürsorge für Mitmenschen c) Verantwortliches Handeln Wichtig ist die bestimmte Situation Mitmenschen Schützen Nach der Wahrheit muss gesucht werden! Entscheidung muss man selber treffen Aktion gefordert (nicht Passivität)! Alltagsbezug: Schüleräußerungen; was kann man selber konkret tun? Abschluss: Im Kerzenlicht spielt die Lehrkraft auf Gitarre und alle singen dazu Von guten Mächten Bibel: Röm 13,1-7 Tafel/OH: Apg 5,29 OH: Bonhoeffer-Portrait SB: Seite 82 AB: Sprechblasen Text-Blatt: Von guten 7

5. Didaktische Reflexion 5.1 Inhalt und Methodik - Vermittlung von Geschichts- und Religionsbewusstsein Gegenwartsbezug gelerntes auf Alltagssituationen übertragen (Gruppengespräch) Moralisches Bewusstsein verantwortliches Handeln im Alltag (Gruppengespräch) Identitätsbewusstsein kritische Betrachtung der eigenen Religion (AB BK + DC / Gruppenarbeit) [Kritischer Umgang mit Personifizierung Bonhoeffer] Multiperspektivität / Realitätsbewusstsein Perspektivwechsel (AB Sprechblasen - Bonhoeffer ) Politisches Bewusstsein Ohnmacht der Kirchen (AB BK + DC / Gruppenarbeit) Quellenorientierung direkter Umgang mit Quellen ( Barmer Theologische Erklärung ) 5.2 Fächerübergreifende Möglichkeiten: Verknüpfung der reli. und ges. Dimension - Besuch des Dokumentationszentrums; Konzentrationslager Dachau; - Ansehen themenbezogener Filme (Hitlers Helfer, L. Riefenstahl, Schindlers Liste) 6. Literaturverzeichnis - Lehrpläne http://www.isb.bayern.de/bf/isbl/index.htm - Robert P. Ericksen: Theologen unter Hitler ; Hanser, Carl Hanser Verlag, München Wien, 1986 - Kurt Meier: Kreuz und Hakenkreuz. Die evangelische Kirche im Dritten Reich ; Deutscher Taschenbuch Verlag, München, 1992 - Manfred L. Pirner: Zwischen Kooperation und Kampf Evangelischer Religionsunterricht und christliche Erziehung in bayerischen Schulen während der Zeit des Nationalsozialismus ; Stephans- Buchhandlung Matthias Mittelstädt, Würzburg, 1998 - Da Sein Wege ins Leben 9 ; Redaktion: Werner Haußmann; Verlag Moritz Diesterweg, Frankfurt am Main, 2000. Darin: Verantwortung wahrnehmen Christen in der Gesellschaft - Da Sein Wege ins Leben 9 Lehrerhandbuch ; Redaktion: Werner Haußmann; Verlag Moritz Diesterweg, Frankfurt am Main, 2000 - Didaktischer Kommentar H9 vom Religionspädagogischen Zentrum (RPZ) Heilsbronn, 1999; Redaktion: Landsberger, Schlumberger, Schröttel - Sammlung schriftlicher Quellen und Bildquellen: DigAM - Digitales Archiv Marburg http://www.digitales-archiv.net/ Kontakt zu Referenten: Andrea Veth andreaveth@gmx.de Dominic Müller lefthandguitar@web.de Florian Ermann Reli-und-Gschichte@kein-plan.de Version 2004-01-12 18:00 Uhr 8