Pfarrer Jörg Zimmermann Thomaskirche Bonn-Röttgen. Predigt zu Offenbarung 21, 1-5 a am

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Transkript:

Pfarrer Jörg Zimmermann Thomaskirche Bonn-Röttgen Predigt zu Offenbarung 21, 1-5 a am 21.11.2004 Ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr. Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereit wie eine geschmückte Braut für ihren Mann. Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein; und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu! Liebe Gemeinde! Es gibt wohl kaum einen biblischen Text, den ich im Laufe dieses zu Ende gehenden Kirchenjahres häufiger gelesen hätte als diese Worte aus der Offenbarung des Johannes. Und etliche unter Ihnen haben das miterlebt, denn gerade bei Trauerfeiern lese ich diese Worte sehr gerne. Sie vermögen zu trösten; ich habe das selber nach dem Verlust mir nahestehender Menschen erfahren und teile deshalb gerade diese Worte gerne mit anderen. Es sind Worte, die aufs Ganze gehen, Worte, die sich nicht mit Stückwerk begnügen: Siehe, ich mache alles neu! Eine neue Erde, ja sogar ein neuer Himmel wird angekündigt. Nichts bleibt, wie es war, alles wird neu. Nicht gerade bescheiden, was uns hier gesagt wird. Vielmehr im wahrsten Sinne des Wortes utopisch. Denn dieses griechische Wort heißt auf Deutsch soviel wie ohne Ort. Für das, was Johannes schaut und was er uns verkündet, gibt es unter den Bedingungen unserer Existenz keinen Ort, keinen Platz, keine Möglichkeit. Das sprengt alle Vorstellungen. Denn wie auch immer wir uns ein schönes, gelingendes Leben hier auf Erden vorstellen mögen: es läuft auf ein Ende zu, auf den Tod. Demgegenüber heißt es hier: der Tod wird nicht mehr sein. Oder auch in einem Bild: Das Meer ist nicht mehr. Denn das Meer, die Urflut, galt von jeher als eine fundamentale Bedrohung des Lebens. Und wer vielleicht meint, das sei doch alles nur Ausdruck eines antiken, längst überholten Weltbildes, der frage doch einmal die Menschen entlang des Jangtsekiang in China oder die Hurrikanopfer in der Karibik. Und einen kleinen Eindruck von der zerstörerischen Kraft des Wassers konnten ja auch wir in diesem Sommer bekommen... So kann das gehen: scheinbar längst überholte Bilder der biblischen Apokalypse werden in

unserer Zeit unversehens wieder zu Bildern gegenwärtiger Apokalypsen und ich fürchte, dass wir da noch Einiges vor uns haben. Das jedenfalls sollte uns deutlich sein: die Vision des Johannes betreibt in der Tat keine Flickschusterei, sondern packt das Übel an der Wurzel: Siehe, ich mache alles neu! Unbescheiden, in der Tat. Aber hier wäre Bescheidenheit auch fehl am Platze. Ja ich fordere Sie auf: machen Sie sich diese Unbescheidenheit zueigen! Ich bin manchmal gerade im Zusammenhang mit Beerdigungen manchmal erschüttert, wie klein unsere Erwartungen sind: etwa wenn ich der Vorstellung begegne: Der Verstorbene lebt in unserer Erinnerung weiter. Unsere Erinnerung?! Wie weit die wohl tragen mag? Oder schon das Wort Beerdigung als ob das letzte Ziel der Handlung das Versenken des Sarges in die Erde des Friedhofs wäre! Nein, ganz im Gegenteil: Jesus hat doch nicht gesagt: ich bin beerdigt worden, und ihr sollte auch beerdigt werden, sondern: Ich lebe, und ihr sollt auch leben! Siehe, ich mache alles neu! Liebe Gemeinde, Gott gibt uns hier eine Verheißung, ein Versprechen mit auf den Weg, das all unser Verstehen weit übersteigt. Und das ist gut so, denn unser Verstehen ist ja immer gebunden an die Begrenzungen, denen unser Leben hier auf Erden unterliegt. Es bewegt sich immer in dem Rahmen, den der Tod uns setzt. In diesem Rahmen können wir uns zwar durchaus ein Stück weit arrangieren: wir können etwa den Tod eines alten Menschen als gesegneten Abschluss eines langen, erfüllten Lebens bejahen. Wir können fast erleichtert aufatmen, wenn ein Mensch nach schwerer Krankheit durch den Tod von seinem Leiden erlöst wird. Ja es ist für unser eigenes Weiterleben wichtig und notwendig, dass wir, so gut es geht, den Tod eines geliebten Menschen irgendwie akzeptieren lernen. Und doch: ich denke, wenn wir ehrlich sind uns selbst gegenüber, wenn wir es wagen, unsere geradezu kleinbürgerliche Bescheidenheit abzulegen, die doch oft genug nur verzweifelte Unterordnung unter den Tod ist wenn wir das tun, dann merken wir: in diesem Rahmen bleiben wir letztlich unbefriedigt. Wer meint, er könne mit dem Tod seinen Frieden machen, der irrt und betrügt sich selber. Der Tod mag vordergründig manchmal eine Erlösung sein, aber im Grunde ist er der letzte Feind, wie Paulus ihn in seinem großartigen 15. Kapitel des 1. Korintherbriefes nennt, wo er über die Auferstehung der Toten schreibt. Und er sagt dort auch: Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendesten unter allen Menschen. Eine solche Hoffnung wäre keine christliche Hoffnung, sondern allenfalls ihre Biedermeier-Version. Viele von Ihnen haben im zu Ende gehenden Kirchenjahr Angehörige und Freunde verloren. Manche starben alt und lebenssatt, andere alt, aber durchaus nicht lebenssatt, wieder andere zu früh oder gar viel zu früh. Sie alle haben versucht, diesen Verlust des geliebten Menschen irgendwie zu bewältigen, auszuhalten, vielleicht auch zu deuten. Da könnte es Manchem

unter Ihnen so vorkommen, als wollte ich mit meiner Predigt diese Versuche infragestellen oder gar zerstören. Nun, das kommt drauf an: die Worte des Sehers Johannes sind in der Tat kritisch gegenüber allen Versuchen, dem Tod letztlich Heil abzugewinnen. Wer das versucht, handelt so wie ein Arzt, der eine Wunde nur oberflächlich behandelt, aber das zugrunde liegende Geschwür weiter wachsen lässt. Johannes und durch ihn Gott selber will uns mehr und Besseres bringen: Siehe, ich mache alles neu! Es geht also nicht darum, Trauernden einfach den Strohhalm abzuschneiden, an den sie sich klammern. Wohl aber geht es darum um im Bilde zu bleiben, unsere Strohhalme einer kritischen Prüfung zu unterziehen: Können wir uns an ihnen wirklich festhalten? Halten sie der Zerreißprobe stand, auch wenn es hart auf hart kommt? Ich glaube, das so manche Weltanschauung bei genauerem Hinsehen diesen Test nicht besteht, und ich möchte Ihnen das an einem heute sehr populären Beispiel zeigen: Wiedergeburt eigentlich gar keine so angenehme Vorstellung, wie das heutzutage bisweilen so aussieht in der quasifernöstlichen Modereligiosität mit ihren westlichen Anhängern. Es ist ja klar: das Fremde, Exotische, übt einen Reiz auf uns aus. Aber wenn wir die Reinkarnationslehre einmal in ihren historischen Ursprüngen betrachten, dann sehen wir: dabei geht es im Grunde genommen überhaupt nicht immer um etwas Schönes, Attraktives. Es ist vielmehr äußerst mühsam, aus dem ewigen Kreislauf von Werden und Vergehen jemals auszubrechen; der Großteil der Menschen schafft es eh nie. Demgegenüber sagt Gott durch den Mund des Johannes: Siehe, ich mache alles neu! Und zwar so, dass es nie mehr veraltet. Der vermeintlich ewige Kreislauf von Werden und Vergehen hier ist er durchbrochen! Gott verspricht, dem vermeintlich ewigen Rad in die Speichen zu fallen und es anzuhalten, ein für allemal. Und Johannes beschreibt das, was Gott da tun wird, in einem wunderschönen Bild, ja genauer: in zwei Bildern, die ineinander überfließen: er sieht zunächst die heilige Stadt, Jerusalem aber wohlgemerkt: das neue Jerusalem. Das alte Jerusalem war im Jüdischen Krieg durch die Römer zerstört worden. Und Johannes erblickt das Heil gerade nicht darin, die Stadt nun wieder von Grund auf aufzubauen. Nein, das Jerusalem, von dem er spricht, kommt von oben, aus dem Himmel. Gott selbst ist es, der alles erbaut: Siehe, ich mache alles neu! Das muss in den Ohren der Menschen damals schon ein ganz dicker Brocken gewesen sein: wie hier das irdische Jerusalem sehr eindeutig als vergänglich und für das letzte Heil irrelevant beschrieben wird. Ich war vor einigen Jahren selber dort und muss schon sagen: es gibt kaum einen Ort, der mich tiefer beeindruckt hätte als diese Stadt, das ja nicht zuletzt gleichsam die Wiege der monotheistischen Religionen darstellt. Aber nun ist das ja gerade das Tragische an Jerusalem: gerade als Wiege der

Religionen ist Jerusalem ja zu einem Ort geworden, der den Stempel des Todes trägt. Die Stadt ist ja zwar wirklich nach dem Jüdischen Krieg wieder aufgebaut worden, aber gerade ihre heutige Zerrissenheit ist sicherlich eher ein Zeichen des alten als des neuen Jerusalem, von dem Johannes spricht! Und nun geht das Bild der neuen Stadt Jerusalem über in ein anderes: diese Stadt erscheint als Braut geschmückt, bereit zur Hochzeit mit ihrem Mann. Das eine Bild, ganz aus dem öffentlichen Leben gegriffen, geht über in ein Bild, das Intimität signalisiert. Hier fällt endlich zusammen, was in unserer heutigen Welt immer wieder auseinander bricht. Das Bild einer Hochzeit wird in der Bibel oft benutzt, wenn es darum geht, von den endzeitlichen Ereignissen zu sprechen. Doch gerade an diesem Bild sind wir heute geneigt, sämtliche Bedenken, alle Zweifel und Reserven aufzuhängen, die uns in bezug auf die Vision des Johannes überhaupt bewegen mögen: ist das alles nicht nur ein frommer Wunsch, eher Traum als Wirklichkeit, so wie einer rauschenden Hochzeit in Weiß nicht selten ein überaus ernüchternder Ehealltag in Grau bis Schwarz folgt? Ein Satiriker könnte aus dem Motiv Ehe als apokalyptisches Ereignis sicher so Manches herausholen! Und genauso geht es uns doch bei dem, wovon Johannes redet: der Moment der Vision des neuen Himmels und der neuen Erde mag ja sehr schön sein, aber dann merken wir eben doch: wir leben nach wie vor in den alten Gemäuern; der Tod regiert uns immer noch. Alles Lug und Trug? Wer oder was gibt uns die Sicherheit, dass es wirklich so kommen wird? Nun, Sicherheit gibt uns niemand. Die ist im Glauben niemals zu bekommen. Aber ich meine: in dem, was Johannes schreibt, werden uns einige Hinweise gegeben, die das Ganze doch realistischer erscheinen lassen, als es zunächst aussehen mag: noch einmal: Siehe, ich mache alles neu. In diesem kleinen Sätzchen verdichtet sich die Basis des christlichen Glaubens: er erwartet Heil eben nicht von Menschen, nicht von dieser Welt, sondern er setzt seine Hoffnung auf Gott. Ich halte das für sehr vernünftig: sehen wir uns doch an, was aus all den Weltanschauungen zu werden pflegt, die auf den Menschen und auf diese Welt setzen! Ob etwa im braunen oder im roten Gewand sie haben uns gerade nicht gebracht, was sie versprochen haben, ganz im Gegenteil: sie haben uns umso deutlicher gezeigt, wie sehr der Tod unsere Erde regiert. In bezug auf Menschenmögliches ist in der Tat große Bescheidenheit angesagt endgültige Veränderung können wir allein von Gott erwarten, und da darf wiederum unsere Unbescheidenheit geradezu grenzenlos sein! Und noch etwas Anderes: der Bräutigam für das neue Jerusalem, also der, der bei uns Menschen wohnen und der uns regieren soll, er wird zwar in unseren Versen nicht beim Namen genannt, aber sowohl davor als auch danach ist von ihm die Rede: es ist kein anderer als Jesus Christus, der aber in der Offenbarung oft eine besondere Bezeichnung trägt: das Lamm. Das Lamm eigentlich das Symbol der Machtlosigkeit schlechthin, ein Tier zum

Schlachten, es wird den Sieg davontragen. Genau das, was auf den ersten Blick so realitätsfern erscheint, ist im Grunde das Geheimnis unserer Welt: wahre Stärke hat nicht derjenige, der alles an sich reißt, sondern der, der abgibt; wirklich frei ist nicht derjenige, der alle Bindungen meidet, sondern der, der sich auf andere einlässt; wahrhaft leben tut nicht derjenige, der sich ans Leben klammert und dessen einzige Sorge darin besteht, sein Leben hier auf Erden zu verlängern um jeden Preis sondern wahrhaft leben tut der, der auch den Tod auf sich nimmt, weil er weiß, was Gott durch Johannes gesagt hat: Siehe, ich mache alles neu. Liebe Gemeinde, viele von uns sind in diesem zu Ende gehenden Kirchenjahr mit Leid und Tod hautnah konfrontiert worden. Sie haben gelitten, geweint, und so mancher tut es noch. Ja Sie werden das auch in Zukunft immer wieder tun. Aber Sie alle haben auch die Botschaft von Gott gehört, bei dem nicht der Tod das letzte Wort hat, sondern das Leben. Lassen Sie sich diese Botschaft gesagt sein; halten Sie sich daran fest. Er, Gott, wird abwischen alle Tränen, auch Ihre Tränen von Ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid, noch Geschrei, noch Schmerz wird mehr sein, denn das Erste ist vergangen. Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu! Amen.