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Transkript:

Minarett-Initiative: anti-liberal und schädlich dossierpolitik 19. Oktober 2009 Nummer 25 Minarettverbot Die Volksinitiative «Gegen den Bau von Minaretten» verlangt, dass der Bau von Minaretten in der Schweiz verboten wird. Die Schweiz ist ein offenes und tolerantes Land, das international respektiert und geschätzt wird. Die Forderung der Minarett-Initiative widerspricht den Grundwerten der Schweiz und verletzt unsere konfessionelle Neutralität. Sie provoziert gemässigte Muslime und gefährdet den Landesfrieden. Nach dem Gutachten des Bundesrats verstösst ein Minarettverbot zudem gegen internationale Bestimmungen hinsichtlich der Religions- und Glaubensfreiheit. Heute wird der Bau von Minaretten in der Schweiz durch das Baurecht hinreichend geregelt. Im Jahr 2008 exportierte die Schweiz Waren im Wert von 14,5 Mrd. Franken in Länder mit einer islamischen Bevölkerungsmehrheit. Sollte die Initiative am 29. November 2009 angenommen werden, drohen der Schweiz wirtschaftliche Einbussen: Boykotte Schweizer Produkte und Unternehmen sowie Ausfälle in der Tourismusbranche. Damit gefährdet die Minarett-Initiative auch Tausende Arbeitsplätze in der Schweiz. Position economiesuisse 3Demokratie, Offenheit und Toleranz gegenüber Minderheiten haben in der Schweiz jahrhundertealte Tradition. Die Minarett-Initiative setzt das Ansehen unseres Landes mutwillig aufs Spiel. Das schadet unserem liberalen Wirtschaftsstandort. 3Die Initiative ist unnötig: Wie jedes Bauwerk unterstehen die Minarette schweizerischem Baurecht. Dieses bestimmt situativ, wie hoch ein Minarett sein darf und ob es für Gebetsrufe verwendet werden darf. Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass gross angelegte Bauprojekte von Minaretten kaum eine Chance haben, bewilligt zu werden. 3Muslimische Länder sind wichtig für den Schweizer Aussenhandel und den Tourismus. Boykotte gegen Schweizer Produkte und Firmen könnten die Schweiz Milliarden kosten und Arbeitsplätze vernichten. Das ist nicht akzeptabel. economiesuisse lehnt die Initiative deshalb in aller Deutlichkeit ab.

dossierpolitik, 19. Oktober 2009 1 Minarettverbot schadet dem Ruf der Schweiz Der Bau von Minaretten soll verboten werden. Kantonale Minarettverbote hatten keine Chance. Was die Initiative «Gegen den Bau von Minaretten» verlangt Am 29. November 2009 entscheiden Stimmbürgerinnen und Stimmbürger über ein generelles Verbot von Minaretten in der Schweiz. Die Volksinitiative «Gegen den Bau von Minaretten» (Minarett-Initiative) verlangt, dass Artikel 72 der Bundesverfassung, in welchem das Verhältnis zwischen Religion und Staat geregelt wird, unter Ziffer 3 um den folgenden Wortlaut ergänzt wird: «Der Bau von Minaretten ist verboten.» Lanciert wurde die Initiative von Vertretern der SVP und EDU. Ausgelöst wurde die aktuelle Minarettkontroverse im Jahr 2006. Muslimische Gemeinschaften in Wangen bei Olten, Wil SG und Langenthal haben Anträge gestellt, ihre Moscheen um Minaretttürme zu erweitern. Dies führte zum Protest der Anwohner und hitzigen politischen Debatten. Moscheen gibt es in der Schweiz jedoch seit über 50 Jahren. Dabei haben nur die Gebetshäuser in Genf, Zürich, Winterthur und neu Wangen bei Olten ein Minarett. Probleme mit Anwohnern der drei älteren Moscheen wurden keine gemeldet. In den vergangenen Jahren haben Kantonsparlamente in Solothurn, St. Gallen und Zürich Anträge, welche den Bau von Minaretten verbieten oder einem obligatorischen Referendum unterstellen wollten, mit grosser Mehrheit abgewiesen. Die Schweiz ist ein offenes und tolerantes Land. Die Minarett-Initiative sendet falsches Signal Die Schweiz ist ein offenes und tolerantes Land, das international respektiert und geschätzt wird. Mit der Weltgemeinschaft pflegen wir freundschaftliche Beziehungen. In Konflikten verhält sich die Schweiz neutral. Deshalb wird unser Land oft von Konfliktparteien mit der Interessenvertretung beauftragt. So vertritt die Schweiz etwa die Interessen der USA im Iran und in Kuba beziehungsweise die Interessen Russlands in Georgien. Steht die Minarett-Verbotsinitiative im Einklang mit Schweizer Werten und demokratischer und humanitärer Tradition? Im Ausland, besonders in muslimischen Ländern, stösst sie auf Unverständnis und bringt den guten Ruf der Schweiz in Gefahr. Allein schon die Einreichung der Initiative hat in der muslimischen Welt für Aufruhr gesorgt. Die Initiative wird als Zeichen zunehmender Diskriminierung und Intoleranz gegenüber Musliminnen und Muslimen gewertet. Die Schweiz ist auch konfessionell neutral. Eine Annahme der Minarett-Initiative dient nicht dem Landesfrieden. Sie würde religiöse Spannungen schüren, statt die Eingliederung der muslimischen Bevölkerung in die Gesellschaft zu fördern. Ein Minarettverbot könnte gemässigte Muslime radikalisieren. Statt islamischen Fundamentalismus zu bekämpfen, würde die Initiative ihm Auftrieb geben. Die Forderung, den Bau von Minaretten in der Schweiz generell zu verbieten, verstösst gemäss Bundesrat gegen zahlreiche Bestimmungen des internationalen Rechts: namentlich gegen derart fundamentale Werte wie die Religions- und Glaubensfreiheit, das Diskriminierungsverbot sowie die Rassismusstrafnorm, die in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und dem UNO-Pakt über die bürgerlichen und politischen Rechte (UNO-Pakt II) festgehalten sind. Sollte die Schweiz den Bau von Minaretten verbieten, würde sie ihre Tradition der konfessionellen Neutralität aufgeben.

dossierpolitik, 19. Oktober 2009 2 Sieben Prozent der Schweizer Exporte gehen in muslimische Länder. Der Handel mit muslimischen Ländern ist wichtig für die Schweizer Wirtschaft. Muslimische Länder könnten Schweizer Produkte und Firmen mit Boykotten belegen. Folgen für Aussenwirtschaft und Tourismus Die Schweiz ist eine Exportnation. Im Jahr 2008 exportierten Schweizer Unternehmen Waren im Wert von 207 Mrd. Franken. Die Ausfuhren in Länder mit einer muslimischen Bevölkerungsmehrheit betrugen nach Angaben des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) 14,5 Mrd. Franken. Das entspricht einem Anteil von rund sieben Prozent am Gesamtexport. In den vergangenen Jahren sind mehrheitlich muslimische Länder Nordafrikas, des Nahen Ostens und Asiens zu wichtigen Absatzmärkten und Wirtschaftsstandorten für Schweizer Unternehmen geworden. Die Exporte in diese Länder stiegen im Jahr 2008 um 13,7 Prozent, in die übrige Welt lediglich um 4,3 Prozent (Grafik 1). Dieses Wachstumspotenzial ist wichtig für unsere Exportwirtschaft und von grosser Bedeutung für Schaffung und Erhalt von Arbeitsplätzen in der Schweiz. Ein Grossteil des weltweit geförderten Erdöls stammt aus muslimischen Ländern im Mittleren Osten. Dank des liberalen Wirtschaftssystems und anderer Standortvorteile ist die Schweiz mit Zug und Genf die internationale Drehscheibe für den Handel mit Rohöl. Welche Risiken für Schweizer Exporte birgt ein Minarettverbot? Sollte die Initiative angenommen werden, könnten muslimische Länder Schweizer Produkte und Firmen mit Boykotten belegen ähnlich wie dänische Produkte nach dem Karikaturenstreit im Jahr 2006 boykottiert wurden (siehe Kasten Seite 3). Über die Tragweite möglicher Sanktionen gegen die Schweiz lässt sich nur mutmassen. Tatsache ist, dass die Schweizer Wirtschaft weitaus internationaler ausgerichtet ist als die dänische. Ein Boykott würde sie härter treffen und das mitten in der schwersten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten und einem dramatischen Exporteinbruch von 16 Prozent im ersten Halbjahr 2009. Arbeitsplätze wären akut bedroht. Grafik 1 Schweizer Exporte in Länder mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit sind im Jahr 2008 drei Mal schneller gewachsen als die Exporte in die übrige Welt. Exporte in muslimische Länder werden für die Schweiz immer wichtiger Wachstum der Schweizer Exporte in muslimische und nicht-muslimische Länder im Vergleich (2008) 14% 12% 13.7% 10% 8% 6% 4% 4.3% 2% 0% Länder mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit Übrige Länder Quelle: SECO

dossierpolitik, 19. Oktober 2009 3 Dauerhafter Schaden für die Marke «Swiss Made». Auch der Tourismus ist vom Boykott betroffen. Von der Minarett-Initiative besonders negativ betroffen sind die Nahrungsmittelindustrie, Uhrenhersteller, Pharma, Luftverkehr und der Maschinenbau. Das Image der Schweiz und des Labels «Swiss Made» könnte in der muslimischen Welt dauerhaften Schaden nehmen. Ausserdem wäre die Schweiz bei Ausschreibungen wie etwa in Saudi-Arabien das Land plant in den nächsten zehn Jahren, über 600 Mrd. Franken unter anderem in Energie, Infrastruktur und Städtebau zu investieren benachteiligt. Muslimische Gäste machen etwa fünf Prozent der Touristen in der Schweiz aus. Falls die Minarett-Initiative angenommen würde, ergäbe sich auch ein Schaden für das Image der Schweiz als Tourismusland. Aufgrund ihrer einzigartigen Sehenswürdigkeiten und erstklassiger Qualität ist die Schweiz als Tourismusstandort bestens bekannt. Die Schwere der kurz- und mittelfristigen Auswirkungen auf den Tourismus lässt sich zum aktuellen Zeitpunkt kaum abschätzen Der dänische Karikaturenstreit und dessen Folgen Im Jahr 2006 kam es aufgrund von Karikaturen des Propheten Mohammed zu teilweise gewalttätigen Ausschreitungen, Anschlägen auf dänische Botschaften und einem gross angelegten Boykott dänischer Waren in zahlreichen muslimischen Ländern. Dänische Konsumgüter durften nicht mehr in den Iran importiert werden. Auch zahlreiche andere Staaten des Mittleren Ostens, darunter das finanzstarke Saudi-Arabien, verhängten Boykotte oder riefen dazu auf. Länder Südostasiens wie Indonesien und Malaysia folgten dem Beispiel. 50 000 Geschäfte entfernten dänische Produkte aus den Regalen. Dänische Firmen waren gezwungen, die Herkunft ihrer Produkte zu verschleiern: Statt mit «Made in Denmark» mussten Produkte mit «Made in the EU» angeschrieben werden. Ein grosser Lebensmittelhersteller verlor durch den Boykott zeitweise umgerechnet 2 Mio. Franken pro Tag. Der Schaden für die dänische Volkswirtschaft wird mit rund 7,5 Mrd. Kronen (etwa 1,6 Mrd. Franken) beziffert. 11 000 Arbeitsplätze waren vom Boykott betroffen. In der Schweiz leben gemäss Schätzungen rund 350 000 Musliminnen und Muslime. Der Bau von Minaretten untersteht schweizerischem Baurecht. Die Initiative ist unnötig Die muslimische Religionsgemeinschaft umfasst weltweit 1,5 Milliarden Menschen. In der Schweiz leben mittlerweile nach Schätzungen etwa 350 000 Musliminnen und Muslime. Deren Präsenz im öffentlichen Raum sorgt zunehmend für Verunsicherung bei einem Teil der christlichen Mehrheitsbevölkerung. Manche Schweizerinnen und Schweizer sind besorgt über Lärmimmissionen, die Gebetsrufe vom Minarett verursachen würden. Die Furcht vor Ruhestörungen durch das Minarett ist jedoch unbegründet. Wie jedes Gebäude in der Schweiz untersteht auch das Minarett dem Bau- und Raumplanungsrecht. Wer ein Minarett errichten will, muss wie bei allen anderen Bauvorhaben bei der zuständigen Behörde eine Bewilligung einholen. Um die Baugenehmigung zu erhalten, muss das Bauvorhaben eine Vielzahl von Kriterien erfüllen. Die Errichtung eines Minaretts muss insbesondere dem Zweck der Nutzungszone entsprechen und die Höhenvorschriften einhalten. Ferner verlangt in den meisten Kantonen die Ästhetikklausel, dass das Minarett in die umliegenden Bauten integriert wird und vergleichbare ästhetische Qualität wie diese aufweist. Anwohner können gegen den Bau eines Minaretts Einsprache erheben.

dossierpolitik, 19. Oktober 2009 4 Keine Gebetsrufe ohne ausdrückliche Genehmigung. Die Baubewilligung muss zu sämtlichen Einsprachen Stellung beziehen. Sie kann mit Auflagen oder Bedingungen erteilt werden, die es beispielsweise ausdrücklich verbieten, das Minarett für Gebetsrufe zu verwenden. Bleiben Gebetsrufe erlaubt, darf ihre Lautstärke die vom Bundesgesetz für Umweltschutz festgelegte Obergrenze nicht überschreiten. Damit unterliegen Gebetsrufe ähnlichen Einschränkungen wie das Läuten von Kirchenglocken. Zudem ist die Minarett-Initiative beim genauen Betrachten kaum umsetzbar. Das Minarett lässt sich nämlich nicht anhand architektonischer Merkmale definieren. Es besteht eine grosse Formenvielfalt. Je nach Region können Minarette in den verschiedensten Stilen gestaltet sein. In den meisten muslimischen Ländern dürfen Christen ihre Religion praktizieren. Wie in der Schweiz untersteht der Bau von Minaretten in unseren Nachbarstaaten dem jeweiligen Baurecht. Minarettverbot ist keine Antwort auf die Diskriminierung von Christen Die Initianten weisen darauf hin, dass die Ausübung der christlichen Religion in einigen muslimischen Staaten behindert wird. Diese Diskriminierung ist nicht von der Hand zu weisen. Allerdings verbietet einzig Saudi-Arabien die Ausübung der christlichen Religion und den Bau von Kirchen. In den meisten muslimischen Ländern gibt es jedoch Kirchen, und Christinnen und Christen haben die Möglichkeit, ihren Glauben zu praktizieren. Die Schweiz sollte sich nicht selbst in einen Topf mit Ländern werfen, welche die Trennung von Kirche und Staat nicht kennen und Menschenrechte beschneiden. Es widerspricht unseren demokratischen Grundwerten, den Bau von Minaretten zu verbieten, nur weil in einigen muslimischen Ländern der dort lebenden christlichen Bevölkerung kein Gegenrecht gewährt wird. Diese Argumentation Auge um Auge ist kurzsichtig und sendet das falsche Signal: Ein Minarettverbot in der Schweiz könnte fundamentalistische Kreise zu Vergeltungsmassnahmen gegen Christen provozieren und dadurch eine Verschlechterung ihrer Lage herbeiführen. Trotz verhältnismässig grösserer muslimischer Minderheiten wollen auch unsere Nachbarländer nichts von einem Minarettverbot wissen. Der Blick auf Deutschland, Frankreich, Italien und Österreich zeigt, dass in keinem Fall besondere Vorschriften existieren, die den Bau von Moscheen oder Minaretten betreffen. Deren Errichtung richtet sich nach den allgemeinen baurechtlichen Bestimmungen sowie den Vorgaben des Raumplanungsrechts, des Denkmal- und Stadtbildschutzes und des Lärmimmissionsrechts. In keinem dieser Staaten ist der Bau von Minaretten verboten oder stärker eingeschränkt als die Errichtung vergleichbarer Bauten anderer Religionsgemeinschaften. Einen vernünftigen Grund, weshalb es in der Schweiz anders sein sollte, gibt es nicht.

dossierpolitik, 19. Oktober 2009 5 Ein allgemeines Verbot von Minaretten widerspricht den zentralen Werten unseres Landes. Nicht im Interesse der Wirtschaft Demokratie, Offenheit und Toleranz gegenüber Minderheiten haben in der Schweiz jahrhundertealte Tradition. economiesuisse setzt sich dafür ein, dass diese liberalen Werte in unserem Land erhalten bleiben. Ein allgemeines Verbot von Minaretten widerspricht den zentralen Werten unseres Landes. Es gefährdet das Ansehen der Schweiz. Im Inland schürt die Minarett-Initiative religiöse Spannungen und gefährdet den Landesfrieden, statt die Integration der muslimischen Bevölkerung in die Gesellschaft zu fördern. Im Ausland gibt sie fundamentalistischen Kräften Auftrieb. Dadurch gefährdet sie die Sicherheit der Schweiz. Die Initiative ist unnötig: Wie jede Baute unterstehen die Minarette schweizerischem Baurecht. Dieses bestimmt situativ, wie hoch ein Minarett sein und ob es für Gebetsrufe verwendet werden darf. Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass gross angelegte Bauprojekte von Minaretten kaum die Chance haben, bewilligt zu werden. Dialog statt Ohrfeige. Auch die wirtschaftlichen Folgen der Minarett-Initiative sollte man nicht ausblenden. Die Schweiz ist eine Exportnation. Rund sieben Prozent unserer Exporte gehen in Länder mit einer muslimischen Bevölkerungsmehrheit. Die Minarett- Initiative könnte diese Staaten dazu verleiten, Schweizer Produkte und Firmen mit Boykotten zu belegen. Tausende Arbeitsplätze wären dann gefährdet. In der Schweiz leben nach Schätzungen etwa 350 000 Musliminnen und Muslime. Dass ihre zunehmende Präsenz im öffentlichen Raum einen Teil der christlichen Mehrheitsbevölkerung verunsichert, ist daher verständlich. Die Geschichte zeigt, dass gegenseitiger Respekt und nachhaltige Integration einzig auf dem Pfad des Dialogs zu erreichen sind. Wie Erfolg versprechend ist ein Dialog, der mit einer Ohrfeige wie der Minarett-Initiative beginnt? Rückfragen: urs.rellstab@economiesuisse.ch dmitrij.gawrisch@economiesuisse.ch Impressum economiesuisse, Verband der Schweizer Unternehmen Hegibachstrasse 47, Postfach, CH-8032 Zürich www.economiesuisse.ch