TVT. Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.v. Merkblatt Nr. 86. Zur Enthornung von Rindern

Ähnliche Dokumente
Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.v. Maulkorbgewöhnung beim Hund. Merkblatt Nr. 71. Merkblatt zur Maulkorbgewöhnung

TVT. Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.v. Merkblatt Nr. 86. Zur Enthornung von Rindern

TVT. Verhalten beim Aufeinandertreffen mit einem freilaufenden Hund. Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.v. Merkblatt Nr.

TVT Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.v. Resolution zum Problem der frei lebenden (verwilderten) Hauskatzen. Merkblatt Nr.

Stressfrei enthornen ABCD. Sprechen Sie mit Ihrem Tierarzt! Wann enthornen? Enthornungstechniken. Geeignete Medikamente für Landwirte und Tierärzte

Horntragende Kühe im Laufstall - eine ständige Herausforderung

Merkblatt zur Kälberenthornung

TVT Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.v. Versorgungsstationen für Tiertransporte. Merkblatt Nr. 58

Merkblatt Nr. 43. Mindestanforderungen an Katzenhaltungen. TVT Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.v.

Tierschonendes Enthornen beim Kalb

Tiergerechte Haltung. Sozialverhalten von Ziegen. Dominanzbeziehungen. Anforderungen an die Haltung von Ziegen mit Hörnern

Merkblatt zur Kälberenthornung

Bericht Hörner-Umfrage St.Gallen, im September 2014

TVT Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.v. Merkblatt Nr. 148

Informationspapier Mastrinder und Kälber

Schonendes Veröden der Hornanlage bei neugeborenen Kälbern

TVT Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.v. Empfehlungen zur Haltung von Hauskatzen Merkblatt Nr. 43 Erarbeitet vom Arbeitskreis 2 (Kleintiere)

Behornte Kühe im Laufstall gewusst wie

TVT. Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.v. Tierschutzaspekte bei der Euthanasie von Pferden. Merkblatt Nr. 109

Dossier zum Projekt «Horn auf!» KAGfreiland, August 2010

Tierwohl Eingriffe beim Nutztier

Haltung von Ziegen im Laufstall. S. Waiblinger, C. Menke

STS-MERKBLATT. Haltung von Mutterkühen mit Hörnern

TVT Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.v. Merkblatt Nr. 51. Elektrische Hunde-Erziehungshilfen (z. B. Telereizgeräte )

Enthornung. mögliche praktische Durchführung.

Entmistungsschieber im Milchvieh-Laufstall: Für Kühe ein Problem?

Merkblatt* zur tierschutzgerechten Haltung von Versuchstieren Schafe und Ziegen. Merkblatt Nr. 42 (Stand: März 1995) ( (Stand: MNä

Weidezugang und Stallgestaltung für Milchkühe

TVT. Nottötung von Wildtieren. Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.v. Merkblatt Nr. 124

TVT Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.v. Merkblatt Nr. 77. Fütterung von Schalenwild aus Sicht des Tierschutzes

Merkblatt Nr Einsatz von Pferden bei Festumzügen

Tatsächlich sieht, wer mit dem

Die Weiterentwicklung von Tierwohl und Tierschutz- Verschiedene Spannungsfelder und die Quadratur des Kreises. Bauernverband Sachsen-Anhalt e.v.

Schonendes Veröden der Hornanlage von neugeborenen Kälbern

Laufstall für Kühe mit Hörnern

Stress - Auswirkungen. Stress und Sozialverhalten. Stress bei Milchkühen in verschiedenen Melkstandtypen Ergebnisse einer Praxisuntersuchung

Ständige Erreichbarkeit des Futters sichert hohe Futteraufnahmen

Eingriffe beim Nutztier ein Überblick

Rechtsvorschriften zum Enthornen von jungen Kälbern durch die Tierhalterin oder den Tierhalter

Persönliches Budget in Werkstätten für behinderte Menschen Die Notwendigkeit von Change Management

Checkliste Rinder. Umsetzung des Tierschutzgesetzes anhand praktischer Beispiele - Rinder

Die Österreichische Tierärztekammer (ÖTK) dankt für die Übersendung des Entwurfes und erstattet dazu folgende. S t e l l u n g n a h m e 1 :

Tierschutz beim Rindvieh auf Sömmerungsbetrieben

Rinder Haltung Stall Technik GENEU

Klassenarbeit - Rind. 5. Klasse / Biologie

STS-MERKBLATT. Stall mit Melkroboter NUTZTIERE TIERGERECHTE UND KOSTENGÜNSTIGE STÄLLE / TKS 1.20

Neues TVT-Merkblatt zum Einsatz von Pferden bei Festumzügen

Botschaft zur Volksinitiative «Für die Würde der landwirtschaftlichen Nutztiere (Hornkuh-Initiative)»

Dr. E. Leisen, Dr. P. Heimberg, LWK NRW, Nevinghoff 40, Münster, Tel: (0251) ,

Anlage zum Schreiben des StMUV Antworten auf Ihre Fragen zu Medikamentengebrauch und dokumentation beim Veröden der Hornanlage bei Kälbern

Physiologische Grundlagen zur Verordnung (EG) Nr. 1/2005 des Rates vom über den Schutz von Tieren beim Transport

Hunde im Schulalltag. Grundlagen und Praxis. Andrea Beetz. Mit 15 Abbildungen. Ernst Reinhardt Verlag München Basel

Übersicht. Laufstallhaltung von Rindern - Überbelegung und anderes Was sagen uns die Tiere? Überbelegung ein Problem? Überbelegung was heißt das?

TVT. Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.v.

STS-MERKBLATT DAS VERHALTEN VON RINDERN

STS-MERKBLATT. Kälber brauchen die Milch ihrer Mütter

«

Betriebsspezifischer MAP-Verminderungsplan

Aktuelle Tierschutzbestimmungen 10 % - Regelung. TIERSCHUTZ - NUTZTIERE Gesetzliche Grundlagen. Keine Übergangsfrist. Keine Übergangsfrist

STS-MERKBLATT. Die Kuh produziert nicht nur Milch, sondern sie ist auch Herdentier und Raufutterverzehrer. DAS VERHALTEN VON RINDERN

Was unser Baby sagen will

ALDI Haltungs-Transparenz von ALDI Nord. Stand: Juni 2018 ALDI Haltungs-Transparenz Juni 2018 Seite 1/5

Hörner im Laufstall das geht!

Argumente zur Hornkuh-Initiative Warum braucht das Rind Hörner?

Verhalten von Milchkühen bei eingeschränktem. Fressplatzangebot

In der Ostschweiz am Sonntag vom 19. August 2018 erschien ein ausführlicher Artikel darüber. Sie finden ihn auf unserer Website hier.

Gesetzesbrüche in der tierhaltenden Landwirtschaft. Mahi Klosterhalfen Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt 1

Hüftgelenksdysplasie des Hundes

Ruhestandspferde im Haupt- und Landgestüt Marbach

Beurteilung der Tiergerechtheit Konzepte und Begriffsdefinitionen

Wussten Sie, dass... ohne Kalb keine Milch

Behornte Kühe richtig halten: auf das Management kommt es an

Der richtige Umgang mit ihnen sichert eine hohe Arbeitsleistung

STS-MERKBLATT. Tiergerechte und kostengünstige Ställe TKS Wasserbüffel im Laufstall

B. PACKUNGSBEILAGE 1

Planungsgrundlagen Rinderhaltung

Mädchen spielen mit Puppen Jungen auch?

STS-MERKBLATT. Laufstall für Ziegen geschickt strukturiert TIERGERECHTE UND KOSTENGÜNSTIGE STÄLLE TKS 5.1

Vermögenseinlagen stiller Gesellschafter, Genußrechtskapital und nachrangige Verbindlichkeiten als haftendes Eigenkapital von Kreditinstituten

Führt die Enthornung von Kälbern zu chronischen Schmerzen?

Aktuelle Entwicklungen im Tierschutzrecht. Friedhelm Jaeger

Anbindehaltung in Bayern Sicht des Bayerischen Bauernverbandes

Mobbing am Arbeitsplatz

Frankenberger/Gschrey/Bauer. Der Aufsichtsrat der Genossenschaft

Herausforderungen und Perspektiven der heimischen Milcherzeugung

Hochleistung und Fruchtbarkeit vereinbar oder nicht?

Frischluft für Kühe im Winterhalbjahr

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes. Punkt 5 der 970. Sitzung des Bundesrates am 21. September 2018

Robert Obwegs Stallbau

Erhebungsbogen Klauengesundheit:

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes. Punkt 5 der 970 Sitzung des Bundesrates am 21. September 2018

Viviane Theby. Verstärker verstehen. Über den Einsatz von Belohnung im Hundetraining

2 Allgemeine Folgerung aus der Rechtsgrundlage

Die 45-kg-Tour. Natürlich ist keine Herde wie die andere, aber 45 kg Milch zu melken, basiert immer auf den gleichen Praktiken.

Sicherheit im Umgang mit Rindvieh

Tiere artgerecht halten

TVT. Kind und Hund. Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.v. Wie sind Verletzungen von Kindern durch Hunde zu verhindern? Merkblatt Nr.

Block Rind. Gliederung. Abliegen und Aufstehen. Natürlicher Tagesablauf. Liegeverhalten des Rindes. Wahl des Liegeplatzes Vorab intensive Prüfung!

Führungsstile im Vergleich. Kritische Betrachtung der Auswirkungen auf die Mitarbeitermotivation

Transkript:

TVT Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.v. Zur Enthornung von Rindern Merkblatt Nr. 86

TVT e. V. 2 Inhaltsverzeichnis 1. Gesetzliche Bestimmungen 2. Gründe für die Enthornung 3. Grundlagen für die Bewertung der Enthornung 3.1 Sozialstruktur und Verletzungsgefahr 3.2 Bedeutung der Hörner im Sozialverhalten und Auswirkungen der Enthornung 3.3 Voraussetzungen zur Haltung behornter Kühe im Laufstall 3.4 Belastung durch die Enthornung 4. Empfehlungen zur Durchführung der Enthornung von Kälbern unter 6 Wochen 4.1 Altersgrenze 4.2 Personen 4.3 Methoden 4.4 Schmerzausschaltung - Lokalanästhesie - Sedation - Postoperative Schmerzreduktion Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.v. TVT, 2012, TVT- Bramscher Allee 5, 49565 Bramsche. Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung der TVT unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen sowie die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

TVT e. V. 3 Zur Enthornung von Rindern Merkblatt Nr. 86 erarbeitet vom AK 1 (Nutztierhaltung) Verantwortliche Bearbeiterin: Dr. Susanne Waiblinger Verantwortlicher Bearbeiter der Überarbeitung: Prof. Dr. Thomas Richter Stand: Febr. 2012 PRÄAMBEL Der Arbeitskreis Nutztiere der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz (AK 1 der TVT) lehnt die Anpassung von Tieren an die Haltungsbedingungen mittels chirurgischer Methoden grundsätzlich ab. Für alle Fälle der 5 (3) und 6 (3) des Tierschutzgesetzes wird vom Gesetzgeber ein Ausstiegsszenario innerhalb eines realistischen Zeitrahmens gefordert. Zum Ausstieg aus dem Enthornen der Kälber bestehen zwei realisierbare Möglichkeiten. Erstens können mit dem heutigen Wissen und in modernen Laufställen auch horntragende Rinder mit vertretbarem Risiko gehalten werden. Zweitens stehen für die wichtigsten Milchviehrassen genetisch hornlose Bullen zur Verfügung (bei der für Fleischrinder üblichen Mutterkuhhaltung spielt das Enthornen ohnehin keine nennenswerte Rolle und kann unterbleiben). Da die Hornlosigkeit dominant vererbt wird, kann in überschaubarer Zeit die Milchkuhpopulation hornlos gezüchtet werden, Mastbullen der Milch- bzw. Zweinutzungsrassen können auch heute schon behornt gehalten werden. Solange jedoch das Enthornen in Einzelfällen erlaubt ist, werden die nachfolgenden Hinweise gegeben. 1. GESETZLICHE BESTIMMUNGEN Auf Grund des Tierschutzgesetzes vom 18. Mai 2006 gilt nach 6 (1) grundsätzlich ein Amputationsverbot, d.h. auch ein Verbot der Enthornung. Eine Ausnahme ist nach 5 (3) Nr. 2 (in Zusammenhang mit 6 (1) Nr. 3) für das Enthornen von unter 6 Wochen alten Rindern gegeben, hier jedoch nur, wenn der Eingriff im Einzelfall für die vorgesehene Nutzung des Tieres zu dessen Schutz oder zum Schutz anderer Tiere unerlässlich ist. Nach Teutsch (1987) ist die Forderung nach Unerlässlichkeit die strengste aller Einschränkungen. Sie geht damit über die Notwendigkeit hinaus, soll an den Ernst der Entscheidung erinnern und an die ethische Verantwortung der beteiligten Personen appellieren. Da keine Erläuterungen bestehen, wann eine Enthornung als unerlässlich anzusehen ist, wird davon ausgegangen, dass der Gesetzgeber eine Einzelfallbewertung anstrebt. Die Enthornung von über 6 Wochen alten Rindern ist nach 6 (1) Nr. 1a nur bei tierärztlicher Indikation, z.b. einer Hornfraktur, erlaubt, jedoch nicht zur Anpassung an das Hal-

TVT e. V. 4 tungssystem. Milchkühe dürfen also z.b. wegen einer Umstallung vom Anbinde- in den Laufstall nicht enthornt werden. 2. GRÜNDE FÜR DIE ENTHORNUNG Als Begründung für die Enthornung werden zum einen die gegenseitigen Verletzungen der Tiere durch Hornstöße angegeben, zum anderen die Unfallgefahr für den Menschen. Zwar bergen die Hörner unbestritten eine zusätzliche Verletzungsgefahr, eine Enthornung schützt jedoch nicht generell vor Unfällen mit Rindern. Das Risiko von Unfällen mit Rindern sollte durch die Vermittlung von Wissen über das Verhalten der Tiere und den richtigen Umgang, der Förderung einer guten Beziehung zwischen Mensch und Tier, sowie durch geeigneten Stallbau gesenkt werden. 3. GRUNDLAGEN FÜR DIE BEWERTUNG DER ENTHORNUNG 3.1 Sozialstruktur und Verletzungsgefahr Die Sozialstruktur in Rinderherden ist gekennzeichnet durch soziale Bindungen zwischen den Tieren einschließlich der Dominanzbeziehungen. Rinder auf der Weide halten eine Individualdistanz von 0,5 bis 10 m ein. Soziale Bindungen werden deutlich im gemeinsamen Ruhen und Grasen und häufigerem gegenseitigem Belecken. Unterlegene Tiere weichen den dominanten Tieren normalerweise aus. Daher kommt es auf der Weide nach Ausbildung einer Rangordnung nur selten zu Auseinandersetzungen. Im Stall steigt dagegen deren Häufigkeit, bedingt durch die begrenzte Anzahl von Liegeplätzen, Fressplätzen und anderen Ressourcen auf relativ engem Raum, an. Die Häufigkeit an Auseinandersetzungen und die Auswirkungen auf rangniedere Tiere hängen dabei insbesondere ab von der Belegungsdichte bzw. dem Bewegungsraum, der Anzahl und Verteilung der Ressourcen und eventueller Einschränkungen der Ausweichmöglichkeiten der Tiere voreinander. So können z.b. Sackgassen oder defekte Fressgitter, wodurch einzelne Tiere nicht ausweichen können, ein erhöhtes Verletzungsrisiko durch Auseinandersetzungen verursachen. Da gesundheitliche Probleme mit massiven Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit aus der vor allem in den ersten 100 Laktationstagen häufigen negativen Energiebilanz der Milchkühe resultieren, sollten die wichtigen Ressourcen Futter und Liegeplatz auch aus ökonomischem Interesse auch dem rangniedrigsten Tier uneingeschränkt zur Verfügung stehen. 3.2 Bedeutung der Hörner im Sozialverhalten und Auswirkungen der Enthornung Rangbestimmende Faktoren sind bei behornten Tieren vor allem die Größe der Hörner und das Alter, während bei enthornten Tieren das Gewicht der Haupteinflussfaktor ist. Hierdurch können in behornten Herden ältere Tiere ihre Rangposition leichter behaupten, was die gesamte Herdenstruktur stabilisiert. Hörner erfüllen wichtige Funktionen sowohl beim Rangkampf (hier kann das ganze Körpergewicht eingesetzt werden, nachdem ein Abrutschen der Köpfe durch die Hörner erschwert wird), als auch beim Drohen, wobei die Hörner als Imponierorgan Rangauseinandersetzungen verhindern können.

TVT e. V. 5 3.3 Voraussetzungen zur Haltung behornter Kühe im Laufstall Die wesentlichen Voraussetzungen sind (1) Stallbau: ausreichendes Platzangebot, insbesondere ausreichende Gangbreiten (hinter Futtertisch und Tränken mind. 3,5 m, besser 4,0 m; zwischen Liegeboxen mind. 2,5 m, besser 3,0 m) keine Sackgassen, bei Liegeboxen evtl. flexibles Nackenband und Ausbildung des Kopfraums als Fluchtgang, keine Überbelegung der Fress- oder Liegeplätze (d.h. mind. ein Fressplatz/eine Liegebox pro Tier, besser 1,2 ), ausreichend Tränkestellen (mind. 1/20-25 Tiere bei Trogtränken; 1/15 Tiere bei Schalentränken; bei beiden ausreichende Durchflussgeschwindigkeit von 20 l/min vorausgesetzt), ggf. Kraftfutterautomaten in ausreichender Zahl (mind. 1/20-25 Tiere); vollschließende Tür hinten, keine Parallelogramm-Fressgitter (Querrohr über dem Nacken), sondern Palisadenfressgitter, am besten verschließbar. (2) Management Durch ein falsches Herdenmanagement kann es zu Problemen kommen. Eine Grundvoraussetzung ist, dass der Betriebsleiter Problemen im Sozialverhalten vorbeugt, diese erkennt und sie behebt. Zu nennen sind: Maßnahmen bei aggressiven Tieren (z.b. keine Weiterzucht, evtl. Umgruppierung in neue Gruppe, Merzen des Tieres), Vermeiden von Konkurrenzsituationen: z.b. Grundfutter ständig in gleichbleibender Qualität zur Verfügung; Gabe begehrter Futtermittel möglichst bei fixierten Tieren, zumindest an allen Fressplätzen, vorübergehendes Entfernen brünstiger Kühe, die die Herde beunruhigen (pro 50 Kühe müssen mindestens 2 Separationsboxen zur Verfügung stehen), hohe Herdenstabilität, d.h. wenig Umgruppierungen, notwendige Eingliederungen möglichst zu den trockenstehenden Kühen oder auf der Weide; neuen Tieren die Möglichkeit geben, den Stall ohne Herde kennen zu lernen (z.b. während Fixierung im Fressgitter) die Umstellungsphase vom Anbinde- auf den Laufstall ist besonders kritisch. Hier muss sich der Landwirt Zeit nehmen zur Eingewöhnung der Tiere und zur ständigen Beobachtung, um Probleme sofort abstellen zu können. (3) Mensch-Tier-Beziehung Eine gute MenschTier-Beziehung minimiert das Unfallrisiko, da die Tiere weniger erschrecken und leichter handhabbar sind. Wichtig sind: frühe, positive Gewöhnung an Menschen -bereits mit Kälbern ruhiger Umgang, füttern, streicheln, den Kühen angenehme Erfahrungen bieten, negativen Umgang soweit als möglich meiden,

TVT e. V. 6 ruhiger, aber bestimmter Umgang - den Tieren Zeit lassen beim Treiben, konsequentes, für die Tiere voraussehbares Verhalten, sich Zeit nehmen zum Beobachten der Tiere. Eine Grundvoraussetzung für eine Haltung behornter Kühe im Laufstall ist die Bereitschaft des Landwirtes für diese Haltung und für notwendige Managementmaßnahmen. 3.4 Belastung durch die Enthornung Die gesetzlichen Bestimmungen tolerieren nach erfolgter Abwägung der Unerlässlichkeit bis zum Alter von 6 Wo einen Eingriff ohne Schmerzausschaltung; dies spiegelt jedoch nicht die Erkenntnisse über die Schmerzhaftigkeit des Eingriffs wieder. Bei Jungtieren wird oft von einem verminderten Schmerzempfinden ausgegangen. Diese Annahme trifft nach neueren Erkenntnissen nicht zu. Die Entfernung der Hornanlagen von Kälbern stellt unabhängig vom Alter einen schmerzhaften, belastenden Eingriff dar. Nach der Enthornung zeigen die Kälber als Schmerzreaktionen häufig Kopfschütteln, Hinterhandschlagen, Rückwärtslaufen, Ohrenschlagen, Nahrungsverweigerung und apathisches Stehen mit gesenktem Kopf. Längerandauernde Schmerzen können im Verlauf der Wundheilung insbesondere bei - relativ häufigen - Wundinfektionen auftreten. 4. EMPFEHLUNGEN ZUR DURCHFÜHRUNG DER ENTHORNUNG VON KÄLBERN UNTER 6 WOCHEN 4.1 Altersgrenze Möglich und sinnvoll ist die Enthornung von normal entwickelten gesunden Kälbern mit 2 Wochen. Bei kleinen oder krankheitsgeschwächten Kälbern kann der gesetzliche Rahmen bis 6 Wochen ausgenutzt werden. 4.2 Personen Die Durchführung der Enthornung kann nach 6 (1) Satz 3 Tierschutzgesetz von Personen mit entsprechenden Kenntnissen ausgeführt werden, d.h. auch vom Landwirt selbst. 4.3 Methoden Nur die thermische Enthornung mittels Brennstab ist vertretbar, Ätzstifte sind abzulehnen. Es ist besonders auf den einwandfreien Zustand der Geräte und die möglichst schonende Durchführung zu achten. Die Geräte sind zu überprüfen bezüglich ausreichender Hitzeentwicklung und Zustand des Brennzylinders. Der Grat muss scharf und frei von Haut- und Haarresten sein. Es kann zu Stummelhornbildung bei ungenügender Hitzeeinwirkung kommen bzw. zur Schädigung tiefer liegenden Gewebes bei zu intensiver oder zu langer Hitzeeinwirkung.

TVT e. V. 7 4.4 Schmerzausschaltung Eine Enthornung ohne Schmerzausschaltung ist auf Grund der Schmerzbelastung der Kälber abzulehnen. Als Schmerzausschaltung ist in jedem Falle eine Leitungsanästhesie kombiniert mit Sedation und postoperativer Schmerzreduktion zu setzen. Eine lokale Schmerzausschaltung reduziert bei Kälbern die Schmerzbelastung während der Enthornung und in den ersten Stunden nach der Enthornung deutlich, d.h. es treten wesentlich weniger belastungsanzeigende Verhaltensweisen auf und ein Anstieg von Cortisol, Vasopressin und der Herzfrequenz wird im wesentlichen verhindert. Die Injektion des Lokalanästhetikums selbst führt zu keiner nennenswerten Belastung. Die alleinige Gabe des Sedativums Xylazin verhindert Schmerzreaktionen der Tiere nicht. Zudem hält die analgetische Wirkung von Xylazin nur ca. 20 min an, während die Wirkdauer des Lokalanästhetikums, z. B. Lidocain, bei 60-90 min (mit Sperrkörper bis 240 min) liegt. Bei Verwendung von Xylazin kehrt demnach noch in der Zeit intensivsten Schmerzes die Schmerzempfindung zurück. Lokalanästhesie Dosierung: 1,0-1,5 ml Procain-HCl 2%/Seite. Injektionsstelle: Ziel ist die Leitungsanästhesie des Ram. cornualis des N. lacrimalis, der den Hornansatz innerviert (Abb. 1). In der Mitte der Verbindungslinie zwischen Hornansatz und äußerem Augenwinkel findet sich das durch die Haut leicht tastbare Loch im Schädel, aus dem der das Horn versorgende Nerv austritt (Ram. cornualis des N. lacrimalis aus dem Foramen supraorbitale). In der Mitte zwischen dieser Austrittsstelle und dem Hornansatz wird mit einer dünnen Einmalkanüle das Lokalanästhetikum knapp oberhalb des Schädelknochens deponiert. Durch leichtes Massieren mit dem Daumen wird das Lokalanästhetikum im Gewebe verteilt. Wirkungseintritt: der Schmerzausschaltung erst etwa 10 min nach Verabreichung, deshalb mit der Enthornung warten und eine Sensibilitätsüberprüfung zur Wirksamkeitskontrolle durchführen! Sedation Zusätzlich vor Beginn: 0,3 bis 0,5 ml Xylazin 2% i..m. (ev. i.v.) injizieren.

TVT e. V. 8 Postoperative Schmerzreduktion Zur postoperativen Schmerzreduktion ist ein nichtsteroidales Antiphlogistikum (NSAID) zu injizieren. X Austrittstelle des Nerven Injektionsstelle Abb. 1: Schematische Darstellung der Injektionsstelle für das Lokalanästhetikum

TVT e. V. 9 Werden Sie Mitglied in der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz e.v. Die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz wurde im Jahre 1985 gegründet, um der Schutzbedürftigkeit des Tieres in allen Bereichen und Belangen Rechnung zu tragen. Gerade der Tierarzt mit seinem besonderen Sachverstand und seiner Tierbezogenheit ist gefordert, wenn es gilt, Tierschutzaufgaben kompetent wahrzunehmen. Dieses geschieht in Arbeitskreisen der TVT, die zu speziellen Fragenkomplexen Stellung nehmen. Jede Tierärztin und jeder Tierarzt sowie alle immatrikulierten Studenten der Veterinärmedizin können Mitglied werden. Der Mitgliedsbeitrag beträgt 80,- DM/ 40,- jährlich. Insbesondere für Studenten kann auf Antrag Ermäßigung gewährt werden. Durch Ihren Beitritt stärken Sie die Arbeit der TVT und damit das Ansehen der Tierärzte als Tierschützer. Unser Leitspruch lautet: Im Zweifel für das Tier. Weitere Informationen und ein Beitrittsformular erhalten Sie bei der Geschäftsstelle der TVT e. V. Bramscher Allee 5 49565 Bramsche Tel.: 0 54 68 92 51 56 Fax: 0 54 68 92 51 57 E-mail: geschaeftsstelle@tierschutz-tvt.de www.tierschutz-tvt.de