Ökumenische Hospizgruppe Rheinbach e.v. - Beirat -

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Transkript:

Ökumenische Hospizgruppe Rheinbach e.v. - Beirat - Sterbehilfe und Sterbebegleitung Positionspapier aus christlicher Sicht Vorwort In den Niederlanden und in Belgien ist seit einiger Zeit die aktive Sterbehilfe legalisiert worden. In Frankreich werden ähnliche Möglichkeiten vorbereitet. Das Gleiche gilt offenbar für die Schweiz. Dies hat auch in Deutschland die Debatte um Tötung auf Verlangen, aktive Sterbehilfe oder Hilfe zur Selbsttötung erneut und verstärkt in Gang gesetzt. Es besteht konkreter Anlass zur Furcht, dass langfristig auch in unserem Land eine solche Gesetzgebung zu erwarten ist, auch wenn zur Zeit kein diesbezügliches Verfahren im Gange ist. Nicht, dass wir im vereinten Europa Regelungen unserer Nachbarstaaten einfach übernehmen müssen. Es ist jedoch zu befürchten und entsprechende Indizien sind bereits wahrnehmbar dass gesellschaftliche Faktoren und Tendenzen auch bei uns die Diskussion in Richtung Legalisierung der aktiven Sterbehilfe beeinflussen. Schon jetzt wird zunehmend auf den erklärten Wunsch des Menschen, auf sein Selbstbestimmungsrecht abgehoben. Und es ist auch nicht auszuschließen, dass wirtschaftliche Überlegungen die Diskussion beeinflussen. Gleichzeitig gibt es zum Glück deutlich spürbare Gegenbewegungen. Der Ausbau der Palliativmedizin ist einer, die zunehmende Bedeutung der Hospizbewegung ebenfalls. Und schließlich: Die beiden großen christlichen Kirchen in Deutschland haben sich darauf festgelegt, jede Form der aktiven Hilfe zum Sterben abzulehnen. Diese Position gilt also ökumenisch und ist eindeutig und klar. Und dennoch: Im Hinblick auf die nicht auszuschließenden gesellschaftlichen Tendenzen ist es wichtig, sich immer wieder mit der Problematik zu befassen und den christlichen Standpunkt zu hinterfragen. Begriffsbestimmungen Aktive Sterbehilfe (aktive Euthanasie) ist die gewollte, also absichtliche Tötung Kranker, Alter oder Behinderter mittels tödlicher Spritze oder tödlich wirkender Medikamente. Sie unterteilt sich in

2 aktive Sterbehilfe gegen den Willen des Betroffenen (unfreiwillige Euthanasie). Sie liegt vor, wenn Lebensfähige oder unheilbar Kranke aus irgendwelchen gesellschaftlichen Nützlichkeitsüberlegungen oder anderen Gründen durch eine Entscheidung Dritter getötet werden, aktive Sterbehilfe ohne Einwilligung des Betroffenen. Sie liegt vor, wenn der Patient keine Erklärung abgegeben hat, bzw. nicht mehr abgeben kann, aktive Sterbehilfe auf Wunsch des Betroffenen (Suicit). Sie ist die gezielte Tötung durch Dritte auf ausdrückliches Verlangen des Patienten. Passive Sterbehilfe unterscheidet sich von der aktiven Sterbehilfe durch Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen (z.b. Beatmung, künstliche Ernährung, Medikamente), wenn die Weiterbehandlung aussichtslos erscheint und eine unzumutbare Leidensverlängerung bewirken würde. Sie unterteilt sich in freiwilligen Verzicht des Kranken auf (weitere) medizinische Behandlung, indirekte Sterbehilfe. Sie liegt vor, wenn bei unheilbar Kranken schmerzstillende Medikamente verabreicht werden und dabei eine geringfügige Verkürzung der Lebenszeit in Kauf genommen wird, diese aber nicht Primärziel der Behandlung ist, Behandlungsverzicht bei zu erwartender Schwerstbehinderung. Dieser Fall liegt vor z.b. nach schwerster Hirnverletzung mit Hirntod, Behandlungsabbruch aus medizinischen oder ethischen Gründen. Sterbebegleitung will dazu beitragen, dass schwerkranke und sterbende Menschen begleitet werden und in Würde ihr Leben vollenden können, entsprechend ihrer religiös-spirituellen, rechtlichen, sozialen, psychischen und körperlichen Bedürfnisse. Gleichzeitig soll den Angehörigen in schwerer Zeit Beistand und Unterstützung zuteil werden. Problematik Die aktive Sterbehilfe verspricht Barmherzigkeit. Ein zentraler Auslöser für das Verlangen nach lebensbeendenden Maßnahmen ist der unerträgliche Schmerz des

3 schwerkranken Menschen. Da die medizinische Forschung und Praxis in unserer hoch entwickelten Gesellschaft offensichtlich noch nicht genügend dafür sorgen können, dass der unheilbar Kranke wenigstens unter erträglichen Schmerzen bis zum Tode leben kann, erscheint der Ruf nach aktiver Sterbehilfe ( Tötung auf Verlangen ) menschlich verständlich. Einem Patienten, dessen Zustand aussichtslos ist und dessen Leiden unerträglich sind, wird sich zunehmend das Verlangen nach Lebensbeendigung als einzig gangbarer Weg aufdrängen. Würde er sich auch so entscheiden, wenn sein Zustand zwar aussichtslos bliebe, sein Leiden aber durch entsprechende Maßnahmen erträglicher würde? Auch muss die Frage erlaubt sein, inwieweit der Hinweis auf das Selbstbestimmungsrecht eines unheilbar Kranken frei ist von unausgesprochenen Erwartungen und verborgenem Druck von außen 1 Wie unabhängig ist seine Entscheidung wirklich, wenn er die Angehörigen unter der Last seiner Krankheit leiden sieht, auch wenn sie ihm vielleicht ein anders Bild zu vermitteln suchen? Wenn bei fehlender Zuwendung gleichzeitig ständig über die hohen Sozialleistungen und Kosten geklagt wird, dann zeigt das Wirkung. Der seelische Druck beim Kranken wächst, das eigene Leiden und alle Probleme bei den Angehörigen mit einem Schlag zu beenden durch Beendigung seines Lebens. Wird aber der Arzt wie es in den Niederlanden gesetzlich verlangt wird - tatsächlich mit letzter Gewissheit beurteilen können, ob der Patient wirklich freiwillig und nach reiflicher Überlegung um Sterbehilfe gebeten hat, bevor er ihm die tödliche Spritze gibt? Es steht zu befürchten, dass ein regelmäßiges schnelles Nachgeben beim Wunsch nach aktiver Sterbehilfe unweigerlich ein Absinken der Kriterien, der Maßstäbe für die Sterbehilfe nach sich ziehen wird. Als Folge ist ein Aufweichen des allgemeinen Gewissens in der Gesellschaft sowie des besonderen Gewissens bei Pflegekräften und Ärzten zu befürchten. Die Neigung, kranke Mitmenschen rasch aufzugeben, wird möglicherweise zunehmen. Und wenn die moralische Grundeinstellung der Gesellschaft erstmal absinkt, werden sich leicht auch wirtschaftliche Erwägungen in Verbindung mit der aktiven Sterbehilfe einstellen. Und wie ist die Situation des Patienten zu bewerten, bei dem durch die Verabreichung starker schmerzlindernder Mittel eine geringfügige Verkürzung der Lebenszeit in Kauf genommen wird ( indirekte Sterbehilfe )? Hier treten nämlich Schmerzlinderung und Lebensdauer in Konflikt zueinander. Das Problem dieses Falles besteht nun darin, dass die Grenze zwischen Schmerzlinderung und gewollt 1 d.h.: Durch Tabuisierung des Todes in der Gesellschaft entstandene emotionale Fehlreaktionen (falsch verstandene Hilfe, Aggressivität, Frustation etc.).

4 aktiver Lebensbeendigung fließend sein kann. Gerade in den Fällen, in denen schon hohe Dosen zur Schmerzlinderung notwendig sind, wird aktiv über den Tod verfügt. Aktive Sterbehilfe? Christliche Position Jede Form aktiver Sterbehilfe ist Tötung eines Menschen und deshalb aus christlicher Sicht abzulehnen. Das Leben ist ein unveräußerliches Geschenk Gottes. Vor diesem Hintergrund dürfen Gesellschaft, Staat und Ärzte nicht nach Belieben mit unheilbar Kranken und Verzweifelten umgehen. Auch kann es nicht angehen, dass der Arzt auf der Basis von Gesetzen einem Patienten auch auf dessen ausdrücklichen Wunsch hin das Leben nimmt. Insofern ist mit großem Nachdruck die Ärzteschaft zu unterstützen, die ihrer Standespflicht nachkommt, Leiden zu vermindern und Leben zu bewahren. Natürlich muss die Medizin auf den Willen des Patienten und seine Patientenverfügung Rücksicht nehmen. Dabei gilt es aber zu unterscheiden zwischen der, auch vom Christen zu akzeptierenden passiven Sterbehilfe, also dem Verzicht auf künstliche lebensverlängernde Maßnahmen beim unheilbar Kranken, und der aktiven Sterbehilfe, also der Tötung eines Menschen. Entgegen dem niederländischen Gesetz zur aktiven Sterbehilfe gibt es andere und bessere Möglichkeiten, leidenden und sterbenden Menschen zu helfen. Der Ruf nach dem erlösenden Tod ist nicht selten der verzweifelte Schrei des Schwerstkranken nach menschlicher Nähe, nach fürsorglicher Begleitung und vor allem nach Schmerzfreiheit. Wir - Freunde, Angehörige, Pflegepersonal, Ärzte haben uns zu fragen: Nehmen wir uns genügend Zeit, um den unheilbar Kranken zu betreuen, um ihn zu ermutigen, um einfach einmal still bei ihm zu sitzen, um ihn durch unsere Gegenwart aufzurichten? Wenn es um die letzte Phase im Leben eines Menschen geht, ist nicht Sterbehilfe notwendig, sondern Sterbebegleitung. Menschenwürdige Sterbebegleitung beinhaltet einfühlsame menschliche und seelsorgliche sowie optimale medizinische Betreuung bis zum Ende, damit jeder Einzelne möglichst frei von Schmerzen, Angst und Unruhe seinen individuellen Tod sterben darf. Hinsichtlich der indirekten Sterbehilfe spricht die christliche Ethik vom sogenannten Prinzip der Doppelwirkung. Dieses Prinzip bezieht sich auf Situationen, in denen eine Handlung sowohl ethisch positive als auch ethisch negative Wirkungen zeigt. Ein solches Vorgehen ist nach christlicher Auffassung moralisch erlaubt, auch wenn sich eine negative Nebenwirkung aus der gewollten positiven Handlung ergibt. Konkret bedeutet das u.a.: Die mit der Schmerzlinderung mögli-

5 cherweise verbundene Verkürzung des Lebens ist nicht beabsichtigter Selbstzweck, sondern lediglich in Kauf genommene Nebenwirkung der Behandlung. Der moralische Unterschied liegt in der Absicht, der Intention, aus der heraus die Behandlung erfolgt. Es besteht ein wesentlicher moralischer Unterschied zwischen bewusstem Töten und Lebensverkürzung durch schmerzlindernde Mittel. Für uns Christen ist das Leben ein fundamentales Gut. Darum ist es unsere Pflicht, Leben zu erhalten und Leiden zu mildern. Letzteres ist u.a. das Anliegen der Hospizbewegung. In seiner Stellungnahme zur Legalisierung der aktiven Sterbehilfe in den Niederlanden sagte Kardinal Lehmann u.a.: Das Leben ist uns nicht frei verfügbar, sondern Geschenk Gottes. Niemand hat das Recht, über den Wert oder Unwert eines menschlichen Lebens zu entscheiden. Jeder Mensch hat seine Würde und sein Lebensrecht von Gott her. Die Legalisierung der aktiven Sterbehilfe ist ein Dammbruch, der den Respekt vor dem menschlichen Leben relativiert. Sie ist zugleich ein Kulturbruch, der gerade im werdenden Europa schädlich ist. 2 Ähnlich äußerte sich Präses Kock: Gottes Gebot Du sollst nicht töten und unsere christliche Überzeugung von der Unverfügbarkeit des menschlichen Lebens stehen der aktiven Sterbehilfe entgegen.(...) Hilfe beim Sterben ja. Hilfe zum Sterben nein! 3 Zusammenfassung und Ergänzung 1. Der Mensch hat ein Recht auf den eigenen natürlichen Tod. Dazu sind die äußeren Bedingungen für ein bewusstes, willentliches Hineingehen in den Tod durch Medizin und Gesellschaft zu schaffen. 2. Die aktive Sterbehilfe ist aus christlicher Sicht abzulehnen. Die Unverfügbarkeit und Unantastbarkeit des menschlichen Lebens müssen gewahrt 2 Kardinal Lehmann in Pressemitteilungen der Deutschen Bischofskonferenz vom 11. April 2002 3 Präses Kock in Pressemitteilungen des Landeskirchenamtes Düsseldorf 11. April 2002

6 bleiben. Kein Mensch hat das Recht, über das Leben anderer zu verfügen oder über ihren Lebenswert zu urteilen. 3. Allein dem Patienten steht es entsprechend seinem Selbstbestimmungsrecht - zu, nach umfassender Aufklärung eine vom Arzt vorgeschlagene Therapie abzulehnen oder eine begonnene abzubrechen ( passive Sterbehilfe ). 4 4. Der Einsatz von schmerzstillenden Mitteln mit dem Ziel einer besseren Lebensqualität ist in jedem Fall gerechtfertigt, auch wenn eine lebensverkürzende Wirkung nicht auszuschließen ist ( indirekte Sterbehilfe ). 5. Die Achtung vor der menschlichen Würde gebietet, keinen unheilbar Kranken zu lebensverlängernden Maßnahmen zu zwingen, wenn er diese ablehnt. Ausblick Der Mensch unserer westlichen Zivilisation muss sich wieder mit dem Sterben und dem Tod als einem natürlichen Teil des Lebens auseinandersetzen. Solange sich daran nichts ändert, kann die Grundeinstellung von Arzt und Pflegepersonal noch so positiv sein, Sterbevorgang und Tod werden immer mit Tabus belegt bleiben und gedanklich möglichst zur Seite gedrängt werden. Dabei ist zu erwarten, dass der Einzelne sein Leben noch intensiver, noch positiver lebt, wenn der Gedanke an die Unausweichlichkeit des Todes nicht ständig verdrängt wird. Es widerspricht unserer christlichen Grundeinstellung, wenn Behinderte, Schwerstkranke und Sterbende an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden. Die alltägliche Beschäftigung mit Sterben und Tod muss für uns alle eine menschliche, eine christliche Herausforderung sein. Die Hospizbewegung stellt sich dieser Herausforderung. Sie sollte darüber hinaus nicht nachlassen, sich gegenüber Staat und Gesellschaft öffentlich und deutlich hörbar gegen die aktive Sterbehilfe und für eine Erweiterung der Palliativmedizin einzusetzen. Ein Gesetzgebungsverfahren, wie es in den Niederlanden zum Abschluss gebracht wurde, muss in Deutschland von Anfang an verhindert werden. Die beiden großen christlichen Kirchen in Deutschland haben zu der angesprochenen Problematik eindeutig und unmissverständlich Stellung bezogen. Ihre bei- 4 Hinsichtl. der christl. Position hierzu vgl. Christliche Patientenverfügung, Handreichung der Deutschen Bischofskonferenz und des Rates der EKD (Nr. 15 der Reihe Gemeinsame Texte ).

7 den höchsten Repräsentanten sollen daher hier noch einmal mit einem gemeinsamen Wort zitiert werden: Das biblisch-christliche Verständnis vom Menschen beinhaltet vor allem, dass jeder und jede eine Würde besitzt, die in der Gottebenbildlichkeit des Menschen gründet, unabhängig von Vorleistungen oder Kriterien. Diese Würde muss man sich weder erwerben, noch kann sie verloren gehen oder von Dritten abgesprochen werden. (...) Menschlichem Leid (Schmerzen, Einsamkeit und Verzweiflung) dürfen wir nicht durch Tötung, sondern müssen ihm durch menschliche Zuwendung und Fürsorge begegnen. Wir wollen Leiden lindern und uns nicht der Leidenden entledigen.(...) Wir wollen Mut machen, sich für eine menschenwürdige Begleitung Kranker und Sterbender einzusetzen und sich den Tendenzen zu aktiver Sterbehilfe entgegenzustellen. 5 Nachwort Das Positionspapier kann nicht die gesamte komplexe Situation der Sterbehilfe und Sterbebegleitung darstellen. Es hat somit Schwächen. Dessen sind sich die Autoren bewusst. Es soll aber eine Hilfestellung für den Einzelnen sein, der sich mit dem Hospizgedanken beschäftigt und versucht, sich im Umgang mit Sterbenden zu positionieren. Erarbeitet vom Beirat der Ökumenischen Hospizgruppe Rheinbach e.v. 5 Kardinal Lehmann und Präses Kock im gemeinsamen Vorwort zur Textsammlung Sterbebegleitung statt aktiver Sterbehilfe, Gemeinsame Texte 17, Januar 2003, Hannover und Bonn.