Prosensas Fortsetzung der Entwicklung des Exon-51 Skippings mit Drisapersen nach der enttäuschenden klinischen Phase-III Prüfung.

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Transkript:

Ein neuer Forschungsbericht von April 2015 Dr. rer. nat. Günter Scheuerbrandt Prosensas Fortsetzung der Entwicklung des Exon-51 Skippings mit Drisapersen nach der enttäuschenden klinischen Phase-III Prüfung. Im Januar 2013 schickte ich Ihnen meinen letzten Forschungsbericht, in dem ich Ihnen auf 23 Seiten die therapeutische Technik Exon-Skipping erklärte. In dem heutigen neuen Text beschreibe ich Ihnen, was die Firma Prosensa Therapeutics in Leiden in den Niederlanden, die jetzt zur Firma BioMarin Pharmaceutical Inc. in San Rafael, USA, gehört, trotz aller ernsten Schwierigkeiten, in den letzten zwei Jahren getan hat, um das mögliche Exon-Skipping-Medikament Drisapersen zu einer wirksamen Therapie der Duchenne-Muskeldystrophie weiter zu entwickeln. (Das englische Verb to skip, überspringen, benutze ich hier wie ein deutsches: skippen, geskippt, und das Substantiv auch ohne Änderung: das Skipping.) Damit Sie diesen neuen Text besser verstehen, sollten Sie meinen Bericht von 2013 noch einmal lesen (wenn nötig, bittre anfordern). Drisapersen für das Skippen von Exon 51. Wie die meisten von Ihnen wissen, ist Exon- Skipping der am weitest entwickelte Forschungsweg zu einer Duchenne-Therapie. Es ist jedoch immer noch nicht wissenschaftlich einwandfrei bewiesen, daß möglichen Medikamente, die diese Technik verwenden, tatsächlich den Muskelabbau der Duchenne-Muskeldystrophie so verlangsamen, damit die wichtigsten Zulassungsbehörden FDA (US Food and Drug Administration) und EMA (European Medicines Agency) sie als wirksame Behandlung von Duchenne-Patienten gestatten würden. Drisapersen heißt das Antisense-Oligo mit der 2-O-Methyl-Struktur, das geeignet ist, die Basen -Sequenz des Exons 51 zu ignorieren über sie zu skippen, die in der Messenger-RNA die genetische Information für die Biosynthese des Proteins Dystrophin enthält. Das Skippen von Exon 51 unter den insgesamt 79 Exons des Dystrophin-Gens wurde gewählt, weil damit etwa 13%, die größte Gruppe aller Duchenne-Jungen, behandelt werden könnte, bei denen nur ein einzelnes Exon geskippt werden müßte. Zwischen 2006 und 2009 hat Prosensa mehrere klinische Prüfungen an einer kleinen Zahl von Patienten ohne Placebo-Kontrolle durchgeführt, in denen bewiesen wurde, daß Drisapersen sicher ist und Exon 51 skippen kann, wenn es lokal in einen einzigen Muskel oder systemisch in die Blutbahn von Patienten injiziert wird. Die klinische Phase-III Studie mit Drisapersen ohne einwandfreies Ergebnis. Nach den positiven Ergebnissen dieser ersten klinischen Prüfungen, erhielt die große internationale pharmazeutische Firma GlaxoSmithKline (GSK) von Prosensa eine exklusive weltweite Lizenz für die weitere Entwicklung und Vermarktung von Drisapersen (und vier anderen potentiellen Skipping-Medikamenten). Die von der FDA und der EMA vorgeschriebene entscheidende Doppelblindstudie mit einer großen Zahl von Patienten wurde dann von GSK zwischen 2010 und 2013 mit 186 noch gehfähigen 5- bis 12-jährigen Patienten an 45 klinischen Zentren in 21 Ländern durchgeführt. Am 20. September 2013 teilten jedoch GSK und Prosensa mit, daß bei den 125 Patienten, die 6 mg/kg Drisapersen 48 Wochen lang in wöchentlichen subkutanen (unter die Haut) Injektionen bekommen hatten, der von Duchenne verursachte Muskelabbau nicht signifikant, nicht genügend deutlich, verlangsamt werden konnte. Der Muskelabbau wurde mit der 6-Minuten-Geh-Entfernung gemessen, d.h. durch die Entfernung in Metern, die die Patienten in 6 Minuten gehen können. Auf Englisch wird dies abgekürzt 6MWD geschrieben: 6 minutes walking distance. Zum besseren Verständnis dieses Ergebnis zeige ich Ihnen hier den Text eines Diapositivs, das Prosensa bei einer Internet-Diskussion am 8. Oktober 2013 zeigte. Die farbigen Linien zeigen die durchschnittlichen 6MWDs, die zum Anfang der Studie auf null gesetzt wurden. Die blaue Linie zeigt die 6MWDs der 61 Jungen, die ein Placebo erhalten hatten. Die grüne Linie zeigt die 6MWDs der 125 Jungen, die jede Woche mit 6 1

mg/kg Drisapersen behandelt wurden. Die nicht behandelten Jungen hatten in 48 Wochen 52,7 Meter ihrer 6MWD von etwa 300 bis 500 Metern verloren. Die behandelten Jungen hatten in der gleichen Zeit 42,3 Meter ihrer 6MWD verloren. Das heißt, die Wirksamkeit der Drisapersen-Behandlung betrug nur 10,4 Meter in 48 Wochen. Um signifikant zu sein, hätte sie aber mindestens 30 Meter sein müssen. Signifikant bedeutet, das Risiko beträgt weniger als 5%, daß das Ergebnis durch einen Zufall verursacht wurde. Internationale Phase-III Placebo-kontrollierte beweisende Klinische Studie mit Drisapersen, 48 Wochen. 2010-2013. Meßmethode: 6-Minuten Geh-Distanz (6MWD). Was sind die Gründe dafür, daß Drisapersen nicht genügend wirksam war? Prosensa muß allein weiterarbeiten. In mehreren Internet-Diskussionen, Webinars, Ende 2013 informierte Prosensa und GSK die Duchenne-Gemeinschaft, daß sie entschlossen sind, herauszufinden, warum Drisapersen den Fortschritt der Krankheit in dieser Phase-III Studie nicht signifikant verlangsamen konnte. Sie sagten: Wir planen jetzt, zusätzliche Analysen durchzuführen, um unser Wissen zu verbessern und um uns für die nächsten Schritte mit dem klinischen Programm zu entscheiden. Dazu werden wir die Daten des Drisapersen-Programms neu zusammenstellen, um zu sehen, ob sich bei einer verschiedenen Gruppierung der Patienten eine verbesserte Wirksamkeit der Behandlung mit Drisapersen nachweisen läßt. Bevor aber vorläufige Ergebnisse dieser neuen Untersuchungen bekannt wurden, die den Mißerfolg der so entscheidenden Phase-III Studie aufklären sollten, entschieden GSK und Prosensa am 13. Januar 2014, ihre Partnerschaft zu beenden, die sie 2009 begonnen hatten. GSK teilte mit, daß es jetzt besser wäre, wenn eine auf seltene Krankheiten und auf Duchenne spezialisierte Firma das Programm weiterführen würde. Prosensa erhält deswegen von GSK alle Rechte an Drisapersen und auch an allen anderen Duchenne-Programmen zurück. Dr. Hans Schikan, der Präsident von Prosensa, fügte hinzu: Prosensa ist jetzt in einer günstigen strategischen Lage, alle DMD-Programme fortzuführen mit Drisapersen und 5 weiteren Substanzen, von denen drei schon in klinischer Entwicklung sind. Wir werden weiter eng zusammenarbeiten mit Patientengruppen, Investoren, Universitäten und Zulassungsbehörden, damit sichergestellt wird, daß wir alles tun, um für die Duchenne-Jungen wirksame Behandlungen zu entwickeln. Vorläufige Ergebnisse der Suche nach den Gründen für den Mißerfolg von Drisapersen. Am 16. Januar 2014 teilte Prosensa die ersten Ergebnisse der Drisapersen-Untersuchungen mit nach dem Ende der Phase-III klinischen Studie. Die Testergebnisse der 186 Teilnehmer wurden auf zwei Gruppen aufgeteilt, eine, die die 79 Patienten enthielt, die 5 bis 7 Jahre alt waren, und die andere, die mit 107 Patienten, die älter als 7 Jahre waren und noch gehen konnten. Der therapeutische Effekt der jüngeren Patienten betrug 21 Meter, das war besser als der Effekt von 10,4 Meter für alle 186 Jungen der gesamten Studie. Für die älteren betrug der Effekt 7 Meter. Das heißt, der therapeutische Effekt der jüngeren Pa- 2

tienten war größer als der der älteren, doch auch er war immer noch nicht signifikant. Diese Ergebnisse der Phase-III Studie und der anderen mit Placebo kontrollierten Studien sowie der langzeit offenen Studien deuten darauf hin, daß eine frühe Behandlung bei Duchenne bei 7 und weniger Jahre alten Patienten sowie eine mehr als ein Jahr lange Behandlung aller Patienten zu einer signifikanten Verzögerung des Verlaufs der Krankheit führen sollte. Um festzustellen, ob eine lange Behandlung über mehrere Jahre wirksamer sein würde, wurden die 12 Patienten, die 2008/09 an der Phase- II-Studie mit der systemischen Injektion von Drisapersen teilnahmen, ohne Placebo-Kontrolle in einer Verlängerungsstudie weiterbehandelt. Nach 177 Wochen (3,4 Jahren) mit einer Unterbrechung von 8 Wochen nach dem Ende der Phase- III-Studie war die durchschnittliche 6MWD nur 25 Meter zurückgegangen im Vergleich mit dem Gehverlust von 40-60 Metern pro Jahr, wie sie in früheren allgemeinen Verlaufsstudien gemessen wurden. (Zwei der Jungen konnten nach 60 Wochen Behandlung nicht mehr gehen, als sie 11 und 12 Jahre alt waren.) Dies ist ein sehr ermutigendes Ergebnis, das zeigt, daß Drisapersen bei langer Behandlung den Verlauf der Krankheit verlangsamen kann. Vier der 10 Jungen konnten nach 177 Wochen immer noch gehen, obwohl sie 13 bis 15 Jahre alt waren. Das folgende Bild zeigt die individuellen 6MWD der 12 Jungen in dieser Langzeitstudie, die immer noch fortgeführt wird. Ein abgekürzter Weg zur Genehmigung von Drisapersen. Vor vielen Jahren hatte Drisapersen in den USA, der EU, in Australien und Japan orphan drug status erhalten, d.h. sie sind ein Waisenkind, um das sich niemand kümmert, und deswegen müssen die daran arbeitenden Firmen weniger Steuern zahlen. Im Juni 2013, also bevor das enttäuschende Ergebnis der Phase-III-Studie bekannt wurde, verlieh die FDA den Titel Breakthrough Therapy an Drisapersen, weil diese Therapie einen wissenschaftlichen Durchbruch versprach, die auch zu einem beschleunigten Zulassung führen sollte. Nach einem Treffen mit der FDA am 14. Mai 2014 erhielt Prosensa am 2. Juni einen Guidance Letter, einen wegweisenden Brief, mit zwei Bedingungen, die erfüllt werden müßten, um ein schneller als übliches Verfahren zur Zulassung zu beginnen. Die erste Bedingung war, daß Prosensa eine genügend große neue Studie zur Bestimmung des natürlichen Verlaufs, der natural history, der Duchenne-Muskeldystrophie durchführt. Dies würde es ermöglichen, den therapeutischen Effekt von Drisapersen und anderen potentiellen Exon-Skipping-Medikamenten festzustellen ohne eine mit Placebo-Kontrolle durchgeführte große klinische Studie, wenn trotz aller historischer Unsicherheiten und anderer Faktoren, die die Ergebnisse beeinflussen könnten, eben doch ein deutlicher therapeutischer Vorteil gesehen wird. Die zweite Bedingung war, daß eine mit Placebo kontrollierte klinische Studie mit einem anderen Exon-Skipping-Medikament durchgeführt wird, das eine ähnliche chemische Struktur und einen ähnlichen Wirkungsmechanismus hat wie 3

Drisapersen. Die positiven Ergebnisse sollten aber nicht nur mit dem 6-Minuten-Gehtest erhalten werden, sondern auch durch einen deutlichen Hinweis darauf, daß neu erscheinendes Dystrophin die Funktionsverbesserung der Muskeln gebracht hat und damit den klinischen Erfolg. Diese beiden Bedingungen werden erfüllt. Die erste Bedingung wird erfüllt durch eine große natural-history-studie, an der Prosensa aktiv beteiligt ist, und in die die vorgesehenen 269 Duchenne-Patienten bereits aufgenommen sind. Die Ergebnisse werden gegen Ende 2016 erwartet. Einzelheiten dieser Studie stehen im Internet unter https:// www.clinicaltrials.gov/ct2/results? term=duchenne und der Studiennummer NCT 00468832. Um den ersten Teil der zweiten Bedingung zu erfüllen, führt Prosensa bereits Phase-I/II klinische Studien zum Skippen der Exons 44, 45 und 53 durch (deren trials.gov -Nummern sind NCT02329769 für Exon 44; NCT 01826474 für Exon 45, NCT 01957059 für Exon 53). Das Skippen der Exons 52 und 55 ist bereits in fortgeschrittener vorklinischer Entwicklung. Dazu kommt das neue Projekt PROSPECT, bei dem mehrere Exons gleichzeitig nicht wie in früheren Experimenten mit einem Cocktail verschiedener Antisense-Oligos geskippt werden, sondern mit einem speziell konstruierten Oligo, das sich an identische Sequenzen innerhalb vieler verschiedener Exons anlagert. Mit dieser Multi-Exon-Technik wird bereits vorklinisch experimentiert, wie es beim World Muscle Society Congress vom 7.-11. Oktober 2014 in Berlin mitgeteilt wurde. Zum Beispiel konnte man im Laboratorium an Kulturen von Myotuben den Vorläufern der Muskelzellen von zwei Patienten mit den Deletionen der Exons 12 16 und 22 29 zeigen, daß mehrere geskippte Messenger-RNAs erhalten wurden, die bis zu 30% in frame waren, so daß wieder neue, aber verkürzte Dystrophin-Proteine entstehen konnten, die wahrscheinlich zu Becker-Muskeldystrophie führen würde. Studien an mdx-mäusen laufen bereits, mit denen man durch einen proof of concept, einen Grundsatzbeweis, feststellen will, ob die Technik auch in lebendem Muskelgewebe funktioniert. Diese neue Technik würde Therapien bringen für Patienten mit seltenen Mutation in der Region der Exons 10 40 des Dystrophins und somit zwischen 5 und 13% aller Patienten helfen. Ein neues Testverfahren für Dystrophin. Was die Messung des therapeutischen Effekts mit Dystrophin in klinischen Studien betrifft, die Teil der zweiten Bedingung der FDA war: Prosensa veröffentlichte am 22. September 2014 die Ergebnisse einer Arbeit von 9 ihrer Angestellten mit dem wörtlich übersetzten Titel: Eine empfindliche, reproduzierbare und objektive Immufluoreszenz-analytische Methode für Dystrophin in einzelnen Fasern von Patienten mit Duchenne Muskeldystrophie Beekman C, et al, PLoS ONE 2014, 9, e107494. Diese Arbeit kann kostenlos aus dem Internet heruntergeladen werden: http://journals.plos.org/plosone/article?id=10.13 71/ journal.pone.0107494. Ein Ergebnis dieser neuen halbautomatischen Methode mit hoher Genauigkeit ist, daß die Menge des Dystrophins in verschiedenen Muskeln eines Menschen verschieden ist und auch von der Lage der Muskelfaser im Muskel abhängt. Die Autoren stellen am Ende ihrer Arbeit fest: Die Wahl und die genau definierte Herkunft der Muskelproben sollte bei klinischen Studien berücksichtigt werden, wenn Biopsie- Material auf Dystrophin-Gehalt analysiert werden soll und die Ergebnisse interpretiert werden müssen, Deswegen müssen Biopsie-Proben, die man vergleichen möchte, vor und nach einer Behandlung von eng benachbarten Stellen im gleichen Muskel entnommen werden. Der 6-Minuten-Geh-Test ist einfach durchzuführen, benötigt keine invasiven Prozeduren und mißt die Muskelfunktion unabhängig davon, ob neues und funktionsfähiges Dystrophin vorhanden ist oder nicht. Der Nachteil dieses Tests ist, daß er nur mit Patienten durchgeführt werden kann, die ihn verstehen und die noch unabhängig gehen können. Deswegen kann der Test nur ein outcome measure, ein Wirkungsmaß, in klinischen Studien sein, wenn die Patienten 5 bis 12 Jahre alt sind. Der Vorteil eines Dystrophin-Tests ist es, daß er anzeigt, ob Exon Skipping oder eine andere potentielle Therapie tatsächlich den genetischen Schaden repariert, den die Mutation verursacht hat, so daß funktionsfähiges Dystrophin während der Studie in den Muskelzellen wieder neu entstanden ist. 4

Für einen Dystrophin-Tests wird aber eine kleine Menge von Muskelgewebe gebraucht, die man normalerweise in einer kleinen Operation einer Biopsie unter Vollnarkose gewinnen muß, und das geht nicht ohne Risiko. Wegen der emotionalen Belastung für die Familie werden, wenn überhaupt, meistens nur zwei Dystrophin- Analysen durchgeführt, eine vor Beginn einer klinischen Studie und die zweite nach ihrem Ende. Deswegen wird trotz seiner Nachteile meistens nur der 6-Minuten Geh-Test in klinischen Studien durchgeführt. Gleitender Antrag auf Zulassung. Ende 2014 hat Prosensa eine rolling New Drug Application (NDA) für Drisapersen bei der FDA in den USA gestellt. Ein solcher gleitender Antrag bedeutet, daß fertige Teile davon schon an die FDA geschickt werden können, bevor alle Ergebnisse der ganzen klinischen Studie zur Verfügung stehen. Die FDA kann dann den Antrag von Zeit zu Zeit überprüfen und Informationen liefern, die zu einer möglichst frühen Zulassung führen können. Re-dosing Drisapersen. Nachdem Prosensa im Januar 2014 die vorläufigen Ergebnisse der Drisapersen-Untersuchungen nach den Ursachen der enttäuschenden Phase-III klinischen Studie mitteilte, begann die Firma ein re-dosing program, eine Behandlungswiederholung für Patienten die früher an bereits beendeten Drisapersen-Studien teilgenommen hatten und an denen, die wegen der Phase-III-Probleme unterbrochen wurden. Re-dosing bedeutet, daß viele dieser Patienten noch einmal Drisapersen bekommen können in einer neu konzipierten klinischen Studie. Die Belastung durch die erneute Teilnahme an diesem offenen Programm ohne Placebo- Kontrolle wird deutlich niedriger für die Familien und die Patienten sein als zuvor, denn die Patienten werden in den ersten vier Wochen möglichst in den gleichen Zentren behandelt, in denen sie schon vorher behandelt wurden. Danach soll home-dosing eingerichtet werden, so daß z.b. der Hausarzt die Injektionen durchführen kann. Da es das Ziel dieses Programms ist, daß die Jungen so schnell wiemöglich wieder Drisapersen bekommen können, werden in dieser Studie keine Biopsien notwendig sein. Am 17. September 2014 teilte Prosensa mit, daß die ersten Jungen in Nordamerika und Europa mit dem re-dosing begonnen haben. Die Firma versucht jetzt nach Möglichkeiten, dieses Programm auch in verschiedenen Ländern durchzuführen, damit den meisten Patienten, die bereits an Drisapersen-Studien teilgenommen hatten, das re-dosing angeboten bekommen. Die Kliniker in den Zentren werden regelmäßig über den Stand des neuen Programms in ihren Ländern informiert werden. Es ist sehr zeitaufwendig, solch eine Studie zum organisieren, denn jedes Land hat ihre eigenen, oft komplizierten Vorschriften für die Erlaubnis, klinische Studien an Kindern durchzuführen. Patienten in Europa, die für die erste re-dosing Gruppe in Frage kommen, sind diejenigen, die an der Langzeitstudie PRO051-CLIN-02 teilgenommen hatten. Das neue Programm wird in Europa durchgeführt in Belgien von Dr. Nathalie Goemans an der Universitätsklinik in Löwen (Leuven) und in Schweden von Dr. Mar Tulinius an der Universitätsklinik in Göteborg Prosensa wird weitere Informationen über diese neue Studie laufend veröffentlichen. Familien mit Patienten, die in Frage kommen und die an einem re-dosing interessiert sind, sollten das klinische Zentrum kontaktieren, in dem ihre Kinder schon zuvor mit Drisapersen behandelt wurden. Zusammenschluß mit BioMarin. Am 24. November teilte Prosensa mit, daß die Firma BioMarin Pharmaceutical Inc. in San Rafael nördlich von San Franciscos Golden-Gate Brücke in Kalifornien Prosensa übernehmen wird. BioMarin ist eine multinationale biopharmazeutische Firma mit mehr als 1.300 Mitarbeitern in 40 Ländern, die sich auf Medikamente für Patienten mit seltenen genetischen Krankheiten spezialisiert hat. Sie bietet bereits 5 zugelassene Medikamente an und hat 7 in klinischen Prüfungen. Die fünf Zugelassenen sind: Naglazyme, Aldurazyme und Vimizym gegen drei Typen von Mucopolysaccharidosen (VI, I, und IVA), Kuvan für PKU, und Firdapse für Lambert Eaton Myastenisches Syndrom. Drei Medikamente sind in Phase-III Studien für PKU, erblichen Brustkrebs, und Pompe-Krankheit, eines in Phase-II Studie gegen Achondroplasie, und eine in Phase-I Stu- 5

die gegen eine Form der Batten-Krankheit. Innerhalb der BioMarin-Organisation wird Prosensa in Leiden bleiben mit Dr. Scott Clarke als Präsident (Chief Executuve Officer) während Dr. Hans Schikan ein unabhängiges Aufsichtsratmitglied (Independent Supervisory Board Member) von Prosensa sein wird. Im Februar und März 2015 ist die Vereinigung der beiden Firmen abgeschlossen worden, womit, wie Dr. Schikan kommentierte, der zukünftige Erfolg von Prosensas Orphan-Skipping-Medikamenten garantiert wird von einer bedeutenden Firma für seltene-krankheiten mit ihrer Erfahrung und ihrem Engagement, um Drisapersen und unsere nächsten Skipping-Produkte den Patienten in die Hände zu legen, die sie so dringend brauchen. Ich schließe diese neue Zusammenfassung von Prosensas Exon-Skipping-Forschungen während der vergangenen zwei Jahre mit einer Stellungnahme von BioMarin: Wir wissen und verstehen, daß Patienten mit seltenen Krankheiten nicht viel Zeit haben, deshalb bemühen wir uns, so schnell wie möglich die notwendigen Therapien für sie zu entwickeln. Der Erfolg und das Tempo unserer Forschung, Entwicklung, Produktion und Vermarktung erlauben uns, Medikamente beschleunigt fertigzustellen. Die Erfahrung hat gezeigt, daß wir neue Behandlungen deutlich schneller als von der Pharmaindustrie im Allgemeinen entwickeln und vermarkten können, das gehört zu unserer Aufgabe. Wir von BioMarin werden das große Wissen über seltene Krankheiten und die umfangreichen Erfahrungen mit ihnen, die wir in fast 20 Jahren erworben haben, zusammen mit Einsatz und Elan nutzen, um eine zuverlässige und schnelle Behandlung anbieten zu können für diese schlimme Krankheit Duchenne. Dr. rer. nat. Günter Scheuerbrandt. gscheuerbrandt@t-online.de 13 April 2015 6