Netter's Gynäkologie 1. Auflage 2005. Buch. 480 S. Hardcover ISBN 978 3 13 141011 5 Format (B x L): 12,5 x 19 cm Weitere Fachgebiete > Medizin > Klinische und Innere Medizin > Gynäkologie, Geburtshilfe, Materno-Fetal, Hebammen Zu Inhaltsverzeichnis schnell und portofrei erhältlich bei Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft. Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, ebooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programm durch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr als 8 Millionen Produkte.
Maligne Erkrankungen 298 Definition Das Vulvakarzinom kommt am häufigsten bei älteren Frauen vor (Durchschnittsalter 65 Jahre), es ist mit 4 % der weiblichen Genitalmalignome eher selten. Der überwiegende Anteil der malignen Veränderungen sind Plattenepithelkarzinome (90 95 %), die restlichen entfallen auf Melanome, Sarkome, Malignome der Bartholin- Drüsen, maligne Schwannome, Dottersacktumoren und Basaliome. Darüber hinaus kommen auch Metastasen anderer Primärtumoren (z. B. Nierenzellkarzinom, Chorionepitheliom, Korpus- und insb. Zervixkarzinome) vor. Der Altersgipfel ist bei HPV-negativen Tumoren 77 Jahre, bei HPV-positiven Tumoren 55 Jahre. Ätiologie Die genaue Genese des Vulvakarzinoms ist nicht bekannt. Das humane Papillomavirus (HPV) wird mit der Pathogenese in Verbindung gebracht, ferner auch Syphilis- und Herpes-simplex-Infektionen, Diabetes mellitus, Übergewicht und nach Immunsuppression. Vulväre intraepitheliale Neoplasien. Präkanzerosen der Vulva sind die vulvären intraepithelialen Neoplasien (VIN): VIN I: Epitheldysplasie, die auf das untere 1ße des Epithels begrenzt ist (leichte Dysplasie), VIN II: Epitheldysplasie, die auf die unteren Ùße des Epithels begrenzt ist (mittelgradige Dysplasie), VIN III: schwere Dysplasie (erreicht das obere Epitheldrittel) und Carcinoma in situ des Vulvakarzinoms. VIN III fasst die früher gebräuchlichen Termini Carcinoma in situ, M. Bowen, M. Paget und Erythroplasie Queyrat zusammen. Klinik Die Patientinnen berichten in erster Linie über chronischen Juckreiz, teilweise mit jahrelanger Anamnese, da der Juckreiz auch schon bei Präkanzerosen auftritt. Bevorzugt werden die unbehaarten Vulvaanteile, teilweise mit perianalen Herden, befallen. Die meisten Karzinome sind im Bereich der großen Labien lokalisiert, an zweiter Stelle folgen die kleinen Labien, anschließend die Klitoris. Es finden sich Kratzdefekte und Ulzera, ferner rötliche, leicht erhabene Flecken mit oberflächlichen derben Bezirken. Ein beidseitiger Befall der Vulva durch sog. Abklatschmetastasen ist häufig. Bei kontinuierlicher Ausdehnung des Tumors kommt es zu einer Beteiligung von Urethra, Vagina, Perineum und Anus. Später können auch Blasen- und Rektumschleimhaut und schließlich die Beckenknochen infiltriert sein (s. Stadieneinteilung, S. 300). Bei fortgeschrittenem Befund zeigen sich klinisch: Knoten mit oberflächlichen Blutungen, blumenkohlartig vorwachsende Tumoren, breitflächige Verhärtungen mit derbem Randwall, zentrale Ulzerationen, blutig-seröses Sekret, geruchsintensive und superinfizierte Befunde, inguinale Lymphknotenschwellungen, Lymphödeme der Beine, Dysurie bzw. Hämaturie bei Befall von Harnröhre oder -blase. Diagnostik Dystrophien und Dysplasien der Vulva (S. 242) müssen sorgfältig und regelmäßig abgeklärt werden, da sie entarten können. Bei der Vulvoskopie wird zum leichteren Auffinden von Hyperkeratosen die Schleimhaut mit Toluidin- Blau (2 %) und Essigsäure (3 %) behandelt. Die Biopsie erfolgt dann an einer repräsentativen Stelle mit dem Skalpell oder mit einer runden Gewebestanze. Eine Biopsie mit Knipszange ist nicht sinnvoll, da hier das Gewebe häufig nicht in allen Schichten (Basalmembran durchsetzt?) beurteilbar ist. Die histologische Diagnosesicherung eines ausgedehnteren Tumors gelingt mit der Biopsie eines möglichst wenig nekrotischen Tumoranteils (Skalpell, Stanzbiopsie). Tumoren bis 2cm Größe sollten im Gesunden exzidiert werden. Zur Beurteilung der Nachbarorgane sind eine Zysto- und Rektoskopie (S. 56) indiziert, ferner auch ein i.v.-pyelogramm, um einen Harnaufstau infolge Ummantelung des Ureters auszuschließen sowie eine präoperative Darstellung des Ureters zu erhalten.
Vulvakarzinom I Intraephitheliale Neoplasie der Vulva: Umschriebene Leukoplakie und angedeutete papillöse Veränderungen Klitoriskarzinom papillöse Veränderungen Leukoplakie Sarkom an der Schamlippe vulväre Metastase eines Nierenzellkarzinoms 299
Maligne Erkrankungen 300 Stadieneinteilung TNM-Klassifikation. Die Einteilung der unterschiedlichen Stadien nach dem TNM-Prinzip wird wie folgt vorgenommen: Tis: Carcinoma in situ, T1: < 2 cm Tumor, auf Vulva und Perineum begrenzt, in Abhängigkeit von der Stromainvasion: T1a < 1 mm, T1b > 1 mm, T2: > 2 cm Tumor, auf Vulva und Perineum begrenzt, T3: unabhängig von Tumorgröße, Infiltration von unterer Urethra, Perineum, Anus, Vagina, T4: unabhängig von Tumorgröße, Infiltration der oberen Urethra, Blasen- und Rektummukosa, Knochen. Metastasierung. Typischerweise metastasiert das primäre Vulvakarzinom früh lymphogen, zunächst in die inguinalen, anschließend in die pelvinen und iliakalen Lymphknoten. Eine direkte Metastasierung in die Beckenlymphknoten erfolgt bei Sitz des Karzinoms im Bereich von Klitoris und hinterer Kommissur sowie bei vaginaler Ausdehnung jenseits des Hymenalsaums. Cave: 30 % falsch positive und negative klinische LK-Beurteilung. Neben der Tumorgröße (> 1 2 cm) und der Invasionstiefe (> 1,5 cm) ist auch die Differenzierung des Tumors ein wichtiger Prognosefaktor für die lymphogene Metastasierung. Die hämatogene Metastasierung erfolgt in Leber, Lunge und Skelett. Therapie VIN. Die lokale Exzision vulvärer intraepithelialer Neoplasien sollte mit einem Randsaum von mindestens 0,5 1 cm erfolgen. Bei multifokalen Veränderungen sind mehrere Exzisionen möglich. Bei sehr großen Läsionen ist eine oberflächliche Vulvektomie (sog. Skinning) u. U. mit Hauttransplantation notwendig. Verwendet man für die Entfernung die Laservaporisation, ist keine anschließende histologische Untersuchung möglich. Im unbehaarten Areal ist eine Eindringtiefe von 2 mm ausreichend, zur sicheren Entfernung der VIN im behaarten Bereich sollte die Eindringtiefe mind. 4 mm betragen. Operative Behandlung. Eine lokale Exzision (Randsaum mind. 1 cm) ohne inguinale Lymphonodektomie ist nur beim Stadium T1a möglich. Bei lateralem Sitz des Karzinoms sind eine lokale Exzision sowie eine ipsilaterale Lymphonodektomie durchzuführen, bei eher medialem Sitz auch kontralateral. Die En-bloc-Resektion (Vulvektomie mit inguinaler Lymphonodektomie mit schmetterlingsförmigem Hautlappen inkl. der Leistenhaut) ist aufgrund des sehr hohen Anteils an postoperativer Sekundärheilung verlassen. Heute wird sie durch die sog. Dreischnitttechnik mit separaten Schnitten in der Inguinalregion zur inguinalen Lymphonodektomie ohne Hautresektion durchgeführt. Die gefürchteten Brückenmetastasen über die Inguinalhaut treten nicht auf. Je nach Ausmaß der Invasion in die Nachbarorgane müssen diese ggf. ebenfalls zumindest teilweise entfernt werden. Die Sentinel-node-Methode zur gezielten Lymphknotenentnahme (analog zur Axilla, S. 342) ist derzeit in Erprobung. Der Nutzen einer pelvinen Lymphonodektomie ist durch die aktuellen Studien noch nicht eindeutig geklärt. Sie wird aber bei zwei oder mehr inguinal befallenen LK diskutiert. Perioperativ wird eine antibiotische Prophylaxe mit einem Cephalosporin (z. B. Cefotiam) empfohlen. Inoperabler Befund. Bei inoperablem Befund kann eine alleinige Radiotherapie des Primärtumors sowie der inguinalen Lymphknoten unter strenger Indikationsstellung versucht werden. Die Ergebnisse sind deutlich schlechter als bei operativer Sanierung, erhebliche radiogene Nebenwirkungen zwingen häufig zu einer Therapiepause. Eher ist eine elektrochirurgische Abtragung der Tumoren bis in das gesunde Gewebe anzustreben, mit nachfolgender offener Wundbehandlung. Eine postoperative Strahlentherapie ist bei nicht im Gesunden operiertem Tumor oder zu geringem Randsaum indiziert. Prognose 5-Jahres-Überlebensrate. Bei Stadium N0 ist die Prognose mit 90 % noch gut, sobald jedoch die inguinalen Lymphknoten Metastasen aufweisen, sinkt die 5-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit rapide auf 45 %, bei pelvinen LK-Metastasen auf 25 % und bei Fernmetastasen auf 10 %. Lokalrezidiv. Vulväre Rezidive sind häufig, daher sollte in den ersten 3 Jahren vierteljährlich eine Nachsorge durchgeführt werden.
Vulvakarzinom II Karzinom auf dem Boden einer Leukoplakie Kleines Vulvakarzinom: Kleine Ulzeration innerhalb eines Leukoplakiebezirks Lokale Exzision eines kleinen Vulvakarzinoms und Deckung des Defekts mit einem Schwenklappen a Defekt Ulkus Leukoplakie für die Deckung vorgezeichnetes Hautareal b in den Defekt hineingeschwenktes Gewebe a Defekt nach Exzision b nach Deckung mit einem Schwenklappen 301