Hochschule Darmstadt



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Transkript:

Studiengang Bachelor of Science Hochschule Darmstadt - Fachbereich Informatik einvoicing im Supply Chain Management am Beispiel der Netfira Software Abschlussarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Bachelor of Science (B.Sc.) vorgelegt von Jonathan Hildebrand Referent : Prof. Dr. Jens Peter Akelbein Korreferent : Prof. Dr. Arnim Malcherek

Studiengang Bachelor of Science Seite II von 5 Eigenständigkeitserklärung Ich versichere hiermit, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig verfasst und keine anderen als die im Literaturverzeichnis angegebenen Quellen benutzt habe. Alle Stellen, die wörtlich oder sinngemäß aus veröffentlichten oder noch nicht veröffentlichten Quellen entnommen sind, sind als solche kenntlich gemacht. Die Zeichnungen oder Abbildungen in dieser Arbeit sind von mir selbst erstellt worden oder mit einem entsprechenden Quellennachweis versehen. Diese Arbeit ist in gleicher oder ähnlicher Form noch bei keiner anderen Prüfungsbehörde eingereicht worden. Darmstadt, den 29. Januar 2015 Jonathan Hildebrand Anmerkungen zur besseren Lesbarkeit Zur Verbesserung der Lesbarkeit wird in diesem Bericht meist die männliche Form verwendet (z.b. der Kunde ). Dies inkludiert auch die weiblich Form. Zur weiteren Verbesserung wurde nicht in jeder Verwendung die Netfira GmbH oder die Netfira Software ( Netfira Enterprise Buyer und Netfira Enterprise Seller ), sondern oft nur Netfira verwendet. Die Bedeutung ist dabei stets aus dem Kontext zu erlesen. Da Zitate aus Gesetzestexten nur durch die Angabe von Paragraphen, Absatzoder Satznummern eindeutig wiederzufinden sind, wurden Gesetze in dieser Form zitiert und nicht in der für andere Quellen üblichen Zitationsform mit Seitenzahlen. Seite II

Studiengang Bachelor of Science Seite III von 5 Abstract Der Kern dieser Thesis beschreibt die Arbeit, welche im Rahmen eines Praktikums in der Netfira GmbH geleistet wurde. Diese Arbeit bestand darin, den aktuellen Stand der Netfira Software in Bezug auf rechtliche Anforderungen, Standardisierungen und im Vergleich zu einigen Konkurrenzprodukten zu erfassen. In dieser Anforderungsanalyse (Requirements Engineering) wurden sinnvolle Erweiterungsmöglichkeiten der Software gesucht. Die Entwicklung einer Schnittstelle für das neue Rechnungsformat ZUGFeRD wurde dafür ausgewählt. Im Anschluss daran wurde diese Schnittstelle programmiert und in dieser Arbeit dokumentiert. Durch die unterschiedlichen Anforderungen von Mittelstand und Konzernen haben sich verschiedene Standards und auch sehr unterschiedliche Software-Lösungen für die elektronische Rechnungsverarbeitung entwickelt. Diese, sowie die aktuelle Gesetzeslage werden in der Arbeit beschrieben, um sowohl die Netfira Software, als auch den Markt für einvoicing-software in Deutschland zu beschreiben. Seite III

Studiengang Bachelor of Science Seite IV von 5 Inhaltsverzeichnis Eigenständigkeitserklärung... II Anmerkungen zur besseren Lesbarkeit... II Abstract... III 1 Einleitung 1 2 einvoicing und Supply Chain Management 2 3 Rechtliche Anforderungen 4 3.1 EU-Richtlinie 2010/45/EU des EU-Rates... 5 3.2 Umsatzsteuergesetz (UStG) 14... 6 3.2.1 Definition einer Rechnung... 6 3.2.2 Gewährleistung durch innerbetriebliches Kontrollverfahren... 6 3.2.3 Gewährleistung durch elektronische Signatur oder EDI... 7 3.2.4 Zustimmung des Empfängers... 7 3.2.5 Pflichtangaben für klassische und elektronische Rechnungen... 8 3.2.6 Aufbewahrungspflicht für Rechnungen... 8 3.3 Umsatzsteueranwendungserlass (UStAE)... 8 3.3.1 Art und Weise der Zustimmung zur elektronischen Rechnungsstellung.. 9 3.3.2 Zulässige Übertragungsarten... 9 3.3.3 Gewährleistung der inhaltlichen Ordnungsgemäßheit... 9 3.3.4 Gewährleistung der Echtheit (=Authentizität)... 10 3.3.5 Gewährleistung der Unversehrtheit des Inhalts (= Integrität)... 10 3.3.6 Gewährleistung der Lesbarkeit... 10 3.3.7 Innerbetriebliches Kontrollverfahren mit verlässlichem Prüfpfad... 10 3.4 Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GdPdU)... 11 3.4.1 Teil I: Datenzugriff... 12 3.4.2 Teil II: Prüfbarkeit digitaler Unterlagen... 12 3.4.3 Teil III: Archivierung digitaler Unterlagen... 13 3.5 Grundsätze ordnungsgemäßer DV-gestützter Buchführungs-systeme (GoBS)... 14 3.5.1 Anforderungen der Abgabenordnung... 15 3.5.2 Dokumentation des Verfahrens und der Technik... 15 3.5.3 Wiedergabe der Daten... 16 3.5.4 Scannen... 16 4 einvoicing Standards 17 4.1 Notwendigkeit von Standards für elektronische Rechnungen... 17 4.1.1 Volkswirtschaftliche Vorteile... 17 Seite IV

Studiengang Bachelor of Science Seite V von 5 4.2.1 Betriebswirtschaftliche Vorteile... 18 4.2 Datenformate im einvoicing... 18 4.2.1 Systemische und bilaterale Datenformate... 18 4.2.2 Unstrukturierte und strukturierte Datenformate... 19 4.2.3 Branchenübergreifende Datenformate... 20 4.2.4 Branchenspezifische Datenformate... 23 5 Durchführung einer Marktanalyse 24 5.1 Lösungen zur Realisierung von einvoicing... 24 5.2 Beispielprodukte für einvoicing... 26 6 Durchführung eines Requirements Engineering 28 6.1 Einordnung von Netfira in den Markt... 28 6.2 Erfüllung der rechtlichen Anforderungen... 30 6.3 Weiterentwicklung durch Einsatz und Auswahl eines Standards... 31 7 Entwicklung der Netfira ZUGFeRD-Import Schnittstelle 34 7.1 Umgebung... 34 7.2 Technische Umsetzung... 34 7.2.1 XML aus PDF/A-3 extrahieren... 35 7.2.2 XPath-Ausdrücke erstellen... 36 7.2.3 Invoice Number Funktion... 37 7.2.4 Datum und Datums-Format Funktion... 39 7.2.5 Rechnungskopfdaten auslesen... 41 7.2.6 Rechnungspositionsdaten auslesen... 41 7.2.7 Nutzung aus dem Netfira Portal... 43 7.3 Software-Tests... 44 8 Fazit 47 Literaturverzeichnis 49 Anhang 51 1. Abkürzungsverzeichnis... 51 2. ZUGFeRD_1p0_EXTENDED_Warenrechnung Beispielrechnung... 53 3. ZUGFeRD_1p0_EXTENDED_Kostenrechnung Beispielrechnung... 53 Seite V

Studiengang Bachelor of Science Seite 1 von 53 1 Einleitung In vielen Bereichen der Wirtschaft ist die Informatik treibende Kraft für Veränderungen. Um Geschäftsprozesse zu optimieren werden diese immer wieder an den aktuellen Stand der Technik angepasst. Um diese ständige Weiterentwicklung in gesellschaftlich vereinbarten Grenzen zu halten und gleiche Bedingungen zu schaffen, regelt die Gesetzgebung immer wieder neu, wie diese technische Möglichkeiten genutzt werden dürfen. Auch die Art und Weise, wie Unternehmen Rechnungen stellen und verarbeiten, hat sich in den letzten Jahren stark geändert. Um einen reibungslosen Wertschöpfungsprozess (Supply Chain Management) sicherzustellen, muss der Teilprozess Rechnungsstellung in den Gesamtprozess eingebunden werden. Um die Supply Chain weiter zu optimieren müssen die Einzelprozesse jedoch tiefer mit vor- und nachgestellten Prozessen verankert werden. Dies ermöglichen neue Gesetze und neue Standardisierungen im Bereich des einvoicing. Die Netfira GmbH, in welcher diese Arbeit durchgeführt wurde, passte sich ebenfalls an die neuen Bedingungen und Möglichkeiten an. In dieser werden die wichtigsten gesetzlichen Veränderungen und Standardisierungen im Bereich der elektronischen Rechnung (einvoicing) vorgestellt und ein Einblick in den Markt für einvoicing-lösungen gegeben. Durch die Entwicklung einer Schnittstelle für das neue ZUGFeRD-Rechnungsformat wird damit anhand der Netfira Lösung gezeigt, wie sich Unternehmen an die neuen Bedingungen anpassen und neu geschaffene Möglichkeiten nutzen können.

Studiengang Bachelor of Science Seite 2 von 53 2 einvoicing und Supply Chain Management Zur fachlichen Einordnung von einvoicing und Supply Chain Management werden diese Begriffe nachfolgend definiert und in einen Zusammenhang zueinander gestellt. Aufgrund der hohen Relevanz der gesetzlichen Grundlagen für die Praxis, wird die Definition von einvoicing in diesem Kontext aus dem Umsatzsteuergesetz übernommen. Nach 14 des Umsatzsteuergesetzes ist Eine elektronische Rechnung ( ) eine Rechnung, die in einem elektronischen Format ausgestellt und empfangen wird. Demnach zählen sowohl einfachste Formen, wie in einer E-Mail formulierte Rechnungen (ohne Anhang), bis hin zu Softwaresystemen zur vollautomatischen, standardisierten Rechnungsabwicklung inklusive Rechnungsprüfung. Die rechtlichen Anforderungen an die technisch unterschiedlich realisierten elektronischen Rechnungen unterscheiden sich zwar kaum, jedoch ist der Aufwand, diese Anforderungen in dem jeweiligen Rechnungsformat einzuhalten unterschiedlich hoch. In der Wirtschaft stellt einvoicing einen Teilprozess des Supply Chain Managements dar. Im Gabler Wirtschaftslexikon wird Supply Chain Management wie folgt definiert: Supply Chain Management [(SCM)] bezeichnet den Aufbau und die Verwaltung integrierter Logistikketten (Material- und Informationsflüsse) über den gesamten Wertschöpfungsprozess, ausgehend von der Rohstoffgewinnung über die Veredelungsstufen bis hin zum Endverbraucher. ( ) Supply Chain Management setzt v.a. die Integration der Informationsverarbeitung zwischen den Partnern der Supply Chain voraus. Dazu sind geeignete Schnittstellen oder Services zum Informationsaustausch zwischen den Stufen der Supply Chain zu schaffen. [SIEPE- 2014]. In dieser Arbeit geht es vor allem um diese Informationsverarbeitung, die Schnittstellen und Services. Im Supply Chain Management tritt das einvoicing im Gesamtprozess erst spät ein. Der Rechnungsstellung gehen meist folgende Prozesse voraus:

Studiengang Bachelor of Science Seite 3 von 53 Mit Ausnahme von Bestandskunden muss der Verkäufer dem Käufer zunächst sein Angebot in Form von Werbung oder Auflistung seines Produktkatalogs zukommen lassen. Anschließend finden die Bestellung und die Bestellbestätigung statt. Erst mit der Lieferung erfolgt die Rechnungsstellung. Die gesamte Transaktion endet mit der Zahlung. Unter Umständen erfolgt im Anschluss weiterer Support oder es kommt zu Reklamationen oder Inanspruchnahme der Garantie. Die Umsetzung von einvoicing in der Praxis wird in der folgenden Arbeit anhand der Netfira GmbH erläutert. Netfira bezeichnet sowohl das Unternehmen Netfira GmbH, als auch die gleichnamige Software, welche im Rahmen dieser Arbeit analysiert und weiterentwickelt wurde. Netfira ist ein Anbieter für Supply Chain Enablement Software und zertifizierter SAP-Partner.

Studiengang Bachelor of Science Seite 4 von 53 3 Rechtliche Anforderungen Die elektronische Rechnungsstellung wird von verschiedenen Normen geregelt. Viele dieser Normen haben das Ziel, die rechtlichen Anforderungen an elektronische Rechnungen an die der klassischen Papierrechnungen anzugleichen. In anderen werden die doch notwendigen eigenen Vorschriften geregelt, da bei elektronischer Datenverarbeitung zwangsläufig andere Fragestellungen und Probleme auftreten als in der klassischen Buchhaltung. Trotz der verbesserten gesetzlichen Akzeptanz der elektronischen Rechnungen bleibt ihr noch ein großes Manko: sie muss vom Rechnungsempfänger akzeptiert werden. Die Anerkennung der elektronischen Rechnungen durch das Finanzamt ist für Unternehmen vor allem bei Steuerprüfungen und für den Vorsteuerabzug wichtig. Die Akzeptanz von elektronischen Rechnungen durch die Kunden ist für die Sicherung des Umsatzes wichtig. Der Vorsteuerabzug beschreibt das Recht eines Unternehmens, die an Lieferanten bereits gezahlte Umsatzsteuer von der eigenen Umsatzsteuerschuld abzuziehen. Damit wird sichergestellt, dass die Umsatzsteuer nur vom Endverbraucher bezahlt wird. Werden Gesetze in Bezug auf die (elektronische) Rechnungsstellung missachtet, so kann dieses Recht verwehrt oder Strafzahlungen verhängt werden. Aufgrund der Tatsache, dass die Anerkennung elektronischer Rechnungen in der Praxis oft von fallspezifischen Einzelheiten und dem zuständigen Finanzamt abhängt, werden in den anschließenden Kapiteln nur die wichtigsten Vorschriften erläutert. Da sich die Gesetzeslage in diesem Kontext auch immer wieder an den aktuellen Stand der Technik anpasst, werden in den Kapiteln 3.5 und 3.6 die relevanten Änderungen im Zeitraum von 2010 bis Ende 2014 zusammengefasst. Auf die in den Gesetzestexten jeweils verwiesenen weiteren Gesetze (wie z.b. Signaturgesetz, De-Mail-Gesetz, Abgabenordnung, Handelsgesetzbuch) wird aufgrund der Komplexität nur begrenzt eingegangen.

Studiengang Bachelor of Science Seite 5 von 53 3.1 EU-Richtlinie 2010/45/EU des EU-Rates Die Richtlinie 2010/45/EU des Rates zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem hinsichtlich der Rechnungsstellungsvorschriften wurde am 13. Juli 2010 vom Rat der Europäischen Union herausgegeben. Die Richtlinie legt die Gleichbehandlung von elektronischen Rechnungen und Papierrechnungen fest. Als Anforderungen an elektronische Rechnungen legt sie die Echtheit, Unversehrtheit und Lesbarkeit der Rechnung fest. Des Weiteren soll die Akzeptanz von elektronischen Rechnungen weiter erhöht werden, indem jedem Unternehmen freigestellt wird, wie es die gesetzlichen Anforderungen an eine Rechnung gewährleistet. Bei einer elektronischen Rechnung kann dies zwar weiterhin mit Hilfe einer elektronischen Signatur erfolgen, dies ist jedoch nicht mehr vorgeschrieben. Durch die Abschaffung der Signaturpflicht, welche in der Praxis mit hohem technischem Aufwand verbunden ist, wird die Voraussetzung für die Verbreitung von einvoicing im Mittelstand geschaffen. Als großen Unterschied zur klassischen Rechnung legt die Richtlinie hingegen fest, dass elektronische Rechnungen vom auch Empfänger akzeptiert werden müssen. [EU-KO-2014] Die Richtlinie sollte bis zum 1. Januar 2013 von den Mitgliedsstaaten umgesetzt werden. In Deutschland wurde diese Richtlinie durch das Steuervereinfachungsgesetz (StVereinfG) am 1. Juli 2011 realisiert. Das Steuervereinfachungsgesetz baut viele Bürokratievorschriften in mehreren deutschen Gesetze ab (Umsatzsteuergesetz, Einkommenssteuergesetz, Abgabenordnung u.v.m.). Unter Artikel 5 des StVereinfG werden die von der EU-Richtlinie 2010/45/EU geforderten Änderungen umgesetzt, indem 14 Abs. 1 und 3 des deutschen Umsatzsteuergesetzes geändert werden. Diese Änderungen werden im folgenden Kapitel erläutert.

Studiengang Bachelor of Science Seite 6 von 53 3.2 Umsatzsteuergesetz (UStG) 14 Das Umsatzsteuergesetz ist das bedeutendste Gesetz in Bezug auf Rechnungen. In 14 UStG ist das Ausstellen von Rechnungen geregelt. Die wichtigsten Vorschriften hierbei sind: 3.2.1 Definition einer Rechnung Rechnung ist jedes Dokument, mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, gleichgültig, wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr bezeichnet wird. Die Echtheit der Herkunft der Rechnung, die Unversehrtheit ihres Inhalts und ihre Lesbarkeit müssen [durch den Rechnungsempfänger] gewährleistet werden. Echtheit der Herkunft bedeutet die Sicherheit der Identität des Rechnungsausstellers. Unversehrtheit des Inhalts bedeutet, dass die nach diesem Gesetz erforderlichen Angaben nicht geändert wurden [ 14 Abs. 1 Satz 1-3 UStG]. Hier wird also definiert was sichergestellt werden muss: Der Rechnungsempfänger muss die Echtheit der Herkunft (= Sicherheit der Identität des Rechnungsstellers), die Unversehrtheit des Inhalts (= erforderliche Rechnungs-Angaben sind nicht geändert worden) und die Lesbarkeit des Inhalts sicherstellen. Wie dies sichergestellt werden muss, wird in folgenden Absätzen sowie zusätzlich in der Erläuterungen zum Umsatzsteueranwendungserlass definiert. 3.2.2 Gewährleistung durch innerbetriebliches Kontrollverfahren Jeder Unternehmer legt fest, in welcher Weise die Echtheit der Herkunft, die Unversehrtheit des Inhalts und die Lesbarkeit der [empfangenen] Rechnung gewährleistet werden. Dies kann durch jegliche innerbetriebliche Kontrollverfahren erreicht werden, die einen verlässlichen Prüfpfad zwischen Rechnung und Leistung schaffen können [ 14 Abs. 1 Satz 4-5 UStG]. Seit der Änderungen im Jahr 2011 stellt das Umsatzsteuergesetz nun jedem Unternehmen frei, in welcher Art und Weise die oben genannten Anforderungen gewährleistet werden können. Ob das jeweilige Verfahren des Unternehmens jedoch in der Praxis akzeptiert wird, hängt vom zuständigen Finanzamt ab. Bedingungen dafür sind im Umsatzsteueranwendungserlass näher beschrieben.

Studiengang Bachelor of Science Seite 7 von 53 3.2.3 Gewährleistung durch elektronische Signatur oder EDI Unbeschadet anderer nach Absatz 1 zulässiger Verfahren gelten bei einer elektronischen Rechnung die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit des Inhalts als gewährleistet durch 1. eine qualifizierte elektronische Signatur oder eine qualifizierte elektronische Signatur mit Anbieter- Akkreditierung nach dem Signaturgesetz ( ) oder 2. elektronischen Datenaustausch (EDI) nach Artikel 2 der Empfehlung 94/820/EG der Kommission vom 19. Oktober 1994 ( ), wenn in der Vereinbarung über diesen Datenaustausch der Einsatz von Verfahren vorgesehen ist, die die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit der Daten gewährleisten 1 [ 14 Abs. 3 UStG]. Damit erlaubt das Umsatzsteuergesetz auch nach Veröffentlichung des Steuervereinfachungsgesetzes weiterhin die qualifizierte elektronische Signatur sowie klassische EDI-Verfahren. Vor 2011 war die Verwendung eines der beiden Verfahren die Voraussetzung für den Versand von elektronischen Rechnungen. Die qualifizierte elektronische Signatur wurde beim Erstellen der elektronischen Rechnung (durch ein Computerprogramm oder durch Scannen) generiert und dem Dokument beigefügt. Dieses digitale Zertifikat verschlüsselt Eigenschaften vom Ersteller sowie eine Prüfsumme des Dokuments und schließt somit Änderungen am Dokument aus. Dieses Zertifikat musste vom Empfänger wieder entschlüsselt werden um die Authentizität und Integrität des Dokuments zu prüfen. Mit Electronic Data Interchange (EDI) werden standardisierte Datenformate auf welche sich meist Konzerne oder Branchen vertraglich festlegen bezeichnet, um vollautomatisierten elektronischen Geschäftsverkehr zu ermöglichen. In Kapitel 4.2.1 Systemische und bilaterale Daten-Formate wird näher darauf eingegangen. 3.2.4 Zustimmung des Empfängers Rechnungen sind auf Papier oder vorbehaltlich der Zustimmung des Empfängers elektronisch zu übermitteln. Eine elektronische Rechnung ist eine Rechnung, die in einem elektronischen Format ausgestellt und empfangen wird [ 14 Abs. 1 Satz 1 Auf die in den Gesetzestexten jeweils verwiesenen weiteren Gesetze (wie z.b. EU-Empfehlungen, Signaturgesetz, De-Mail-Gesetz, Abgabenordnung, Handelsgesetzbuch) wird aufgrund der Komplexität nur begrenzt eingegangen.

Studiengang Bachelor of Science Seite 8 von 53 6-7 UStG]. Die Zustimmung des Empfängers ist für den Einsatz von einvoicing Lösungen essentiell, da wie bereits erwähnt, ohne diese kein IT-System von Nutzen sein kann. Wie diese Zustimmung genau zu erfolgen hat wird im Umsatzsteueranwendungserlass näher beschrieben. 3.2.5 Pflichtangaben für klassische und elektronische Rechnungen Das UStG schreibt zehn Pflichtangaben für jede postalische und elektronische Rechnung vor. Dazu gehören unter anderem Name und Anschrift des Rechnungsstellers und empfängers, die Gesamtsumme sowie geleisteten Waren oder Dienstleistungen. Da in diesem Abschnitt der Fokus auf den Änderungen von 2011 liegt, und da sich diese Pflichtangaben nicht geändert haben werden diese hier nicht abgedruckt sondern können im 14 Abs. 4 UStG nachgelesen werden. 3.2.6 Aufbewahrungspflicht für Rechnungen Sowohl der Rechnungssteller als auch der Rechnungsempfänger müssen postalische und elektronische Rechnungen 10 Jahre aufbewahren. Über den gesamten Zeitraum müssen die Echtheit der Herkunft, die Unversehrtheit des Inhalts und die Lesbarkeit der Rechnung wie oben erläutert sichergestellt sein. [Vgl. 14b Abs. 1 UStG] Dass elektronische Rechnungen auch elektronisch aufbewahrt werden müssen und wie dies zu geschehen hat wird weder im UStG noch im UStAE festgelegt. Dies und Weiteres wird in den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung (GoB), den Grundsätzen ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme (GoBS) und den Grundsätzen zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GdPdU) näher bestimmt. 3.3 Umsatzsteueranwendungserlass (UStAE) Der Umsatzsteueranwendungserlass ist kein förmliches Gesetz, sondern eine Steuerrichtlinie. Der Erlass regelt die Umsetzung des Umsatzsteuergesetzes in den Finanzbehörden, für welche sie bindend sind. Der Steuerpflichtige kann die Einhaltung der Richtlinie durch die Finanzbehörden verlangen, muss diese jedoch

Studiengang Bachelor of Science Seite 9 von 53 nicht zu seinen Ungunsten hinnehmen. Der Umsatzsteueranwendungserlass regelt: 3.3.1 Art und Weise der Zustimmung zur elektronischen Rechnungsstellung Laut UStAE muss lediglich Einvernehmen darüber bestehen, dass die Rechnung elektronisch übermittelt wird. Wie dieses Einvernehmen hergestellt wird, ist nicht geregelt - als Beispiel wird das Aufnehmen eines Passus in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen genannt - Es genügt aber auch, dass die Beteiligten diese Verfahrensweise tatsächlich praktizieren und damit stillschweigend billigen [FI- NAN-2015: UStAE 14.4 Abs. 1 Satz 5]. 3.3.2 Zulässige Übertragungsarten Der Rechnungsaussteller ist vorbehaltlich der Zustimmung des Rechnungsempfängers frei in seiner Entscheidung, in welcher Weise er elektronische Rechnungen übermittelt. Elektronische Rechnungen können z. B. per E-Mail (ggf. mit Bilddatei-oder Textdokumentanhang) oder De-Mail (vgl. De-Mail-Gesetz vom 28. 4. 2011, BGBl. I S. 666), per Computer-Fax oder Faxserver, per Web-Download oder per EDI übermittelt werden [FINAN-2015: UStAE, 14.4 Abs. 2]. Im Gegensatz zum UStG genehmigt der UStAE an dieser Stelle sehr deutlich die Nutzung verschiedener technischer Datenformate und Übertragungsprotokolle und lässt dem Rechnungssteller damit alle technischen Freiheiten. 3.3.3 Gewährleistung der inhaltlichen Ordnungsgemäßheit Papier-und elektronische Rechnungen werden ordnungsgemäß übermittelt, wenn die Echtheit der Herkunft, die Unversehrtheit des Inhalts und die Lesbarkeit der Rechnung gewährleistet sind; sie sind auch inhaltlich ordnungsgemäß, wenn alle erforderlichen Angaben nach 14 Abs. 4 und 14a UStG enthalten sind [FINAN- 2015: UStAE, 14.4 Abs. 3 Satz 1]. Eine elektronische Rechnung ist somit eine inhaltlich korrekte Rechnung, sobald alle 14 Abs. 4 in zehn Pflichtangaben für Rechnungen enthalten sind.

Studiengang Bachelor of Science Seite 10 von 53 3.3.4 Gewährleistung der Echtheit (=Authentizität) Die Echtheit der Herkunft einer Rechnung ist gewährleistet, wenn die Identität des Rechnungsausstellers sichergestellt ist [FINAN-2015: UStAE, 14.4 Abs. 3 Satz 2]. 3.3.5 Gewährleistung der Unversehrtheit des Inhalts (= Integrität) Die Unversehrtheit des Inhalts einer Rechnung ist gewährleistet, wenn die nach dem UStG erforderlichen Angaben während der Übermittlung der Rechnung nicht geändert worden sind [FINAN-2015: UStAE, 14.4 Abs. 3 Satz 3]. 3.3.6 Gewährleistung der Lesbarkeit Eine Rechnung gilt als lesbar, wenn sie für das menschliche Auge lesbar ist; Rechnungsdaten, die per EDI-Nachrichten, XML-Nachrichten oder anderen strukturierten elektronischen Nachrichtenformen übermittelt werden, sind in ihrem Originalformat nicht lesbar, sondern erst nach einer Konvertierung [FINAN-2015: UStAE, 14.4 Abs. 3 Satz 4]. Das bedeutet, es ist zulässig, Rechnungsbestände z.b. in Datenbanken abzulegen. Die Datenbank-Datei (z.b. SQL) ist in ihrer eigentlichen Form nicht direkt menschenlesbar. Wird diese zur Zeit der Prüfung jedoch durch einen Datenbankviewer sichtbar gemacht, so ist dies zulässig. 3.3.7 Innerbetriebliches Kontrollverfahren mit verlässlichem Prüfpfad Die Echtheit, Unversehrtheit und Lesbarkeit müssen durch ein innerbetriebliches Kontrollverfahren gewährleistet werden [vgl. FINAN-2015: UStAE, 14.4 Abs. 4]. Als innerbetriebliches Kontrollverfahren im Sinne des 14 Abs. 1 UStG ist ein Verfahren ausreichend, das der Unternehmer zum Abgleich der [empfangenen] Rechnung mit seiner Zahlungsverpflichtung einsetzt, um zu gewährleisten, dass nur die Rechnungen beglichen werden, zu deren Begleichung eine Verpflichtung besteht. Der Unternehmer kann hierbei auf bereits bestehende Rechnungsprüfungssysteme zurückgreifen. Es werden keine technischen Verfahren vorgegeben, die der Unternehmer verwenden muss [FINAN-2015: UStAE, 14.4 Abs. 5]

Studiengang Bachelor of Science Seite 11 von 53 Ein innerbetriebliches Kontrollverfahren erfüllt die Anforderungen des 14 Abs. 1 UStG, wenn es einen verlässlichen Prüfpfad beinhaltet, durch den ein Zusammenhang zwischen der Rechnung und der zu Grunde liegenden Leistung hergestellt werden kann. Dieser Prüfpfad kann z.b. durch (manuellen) Abgleich der Rechnung mit vorhandenen geschäftlichen Unterlagen (z.b. Kopie der Bestellung, Auftrag, Kaufvertrag, Lieferschein oder Überweisung bzw. Zahlungsbeleg) gewährleistet werden. Das innerbetriebliche Kontrollverfahren und der verlässliche Prüfpfad unterliegen keiner gesonderten Dokumentationspflicht. Eine inhaltlich zutreffende Rechnung ( ) rechtfertigt die Annahme, dass bei der Übermittlung keine die Echtheit der Herkunft oder die Unversehrtheit des Inhalts beeinträchtigenden Fehler vorgekommen sind [FINAN-2015: UStAE, 14.4 Abs. 5]. Die im UStG-Vorgabe innerbetriebliches Kontrollverfahren mit verlässlichem Prüfpfad wird somit im UStAE zwar konkretisiert aber auch relativiert. Sie verlangt lediglich das Abgleichen der Rechnung mit den tatsächlich gelieferten Waren und Leistungen. Damit sind alle Verfahren von der vollautomatisierten Rechnungsprüfung in ERP-Systemen bis hin zur alt-bekannten Rechnungseingangsprüfung durch Kontrollieren und Abhaken der einzelnen Positionen mit Zettel und Stift rechtlich legitim. Darin zeigt sich, dass der im Steuervereinfachungsgesetz angestrebte Bürokratieabbau tatsächlich zu großen Erleichterungen in der Praxis geführt hat. 3.4 Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GdPdU) Die GdPdU sind ebenso wie die Grundsätze ordnungsgemäßer DV-gestützter Buchführungssysteme (GoBS) am 1. Januar 2015 durch die Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD) ersetzt worden. Die Schilderung der rechtlichen Lage in dieser Arbeit ist somit für einvoicing Lösungen bis zum 31. Dezember 2014 gültig. Die GdPdU vom Bundesministerium der Finanzen wurden im Januar 2002 veröffentlicht und gelten für steuerliche Außenprüfungen, die nach dem 31. Dezember

Studiengang Bachelor of Science Seite 12 von 53 2001 begonnen haben. Diese regeln, wie die Buchführungsdaten der Finanzbehörde im Fall einer Steuerprüfung zur Verfügung gestellt werden müssen. Da im Jahr 2002 der Vorsteuerabzug aus elektronischen Rechnungen mit qualifizierter elektronischer Signatur durch das Signaturgesetz ermöglicht wurde, mussten die Prüfungsmethoden der modernen IT-Buchführung angepasst werden. 3.4.1 Teil I: Datenzugriff Diese Regelungen betreffen das IT-System vor allem bei der Archivierung und Verwaltung von elektronischen Rechnungen. Dabei muss das Datenverarbeitungssystem die Unveränderbarkeit des Datenbestandes gewährleisten [vgl. FINAN-2001: GdPdU Teil I Abs. 2a]. Dies könnte technisch durch das Einräumen von Nur-Lese- Berechtigungen (read only) ermöglicht werden. Des Weiteren kann die Finanzbehörde unter Umständen eine Datenträgerüberlassung der steuerlich relevanten Daten (z.b. elektronische Rechnungen) verlangen. Dazu sind diese Daten, sowie alle zur Auswertung dieser Daten benötigten Informationen (z.b. über die Dateistruktur, die Datenfelder sowie interne und externe Verknüpfungen) in maschinell auswertbarer Form zu überlassen [vgl. FINAN-2001: GdPdU Teil I Abs.2c]. Das bedeutet, dass selbst die Dokumentation des IT-Systems rechtlichen Anforderungen genügen muss. Diese Anforderungen müssen bei der Programmierung oder Auswahl eines IT-Systems zur Verwaltung von elektronischen Rechnungen beachtet werden um rechtliche Nachteile zu vermeiden. 3.4.2 Teil II: Prüfbarkeit digitaler Unterlagen In Teil II werden weitere Einzelheiten zur elektronischen Signatur geregelt. Da die elektronische Signatur zwar nicht mehr verpflichtend ist, jedoch weiterhin verwendet werden darf, gelten diese Bestimmungen auch heute noch: Der Originalzustand des übermittelten ggf. noch verschlüsselten Dokuments muss jederzeit überprüfbar sein [FINAN-2001: GdPdU Teil II Abschnitt 1]. [Vor] (..) einer weiteren Verarbeitung der elektronischen Abrechnung [muss] die qualifizierte elektronische Signatur im Hinblick auf die Integrität der Daten und die Signaturberechtigung geprüft werden und das Ergebnis dokumentiert (..) [werden]

Studiengang Bachelor of Science Seite 13 von 53 [FINAN-2001: GdPdU Teil II Abschnitt 1]. Da die Signatur immer auf der Empfängerseite geprüft werden muss, muss das Empfängersystem auch fähig sein, Signaturen zu prüfen, selbst wenn der Empfänger beim Versenden von Rechnungen keine Signaturen ausstellt. Dies muss bei der Zustimmung zum Empfang von elektronischen Rechnungen beachtet werden. [Die] (..) Speicherung der elektronischen Abrechnung [hat] auf einem Datenträger [zu erfolgen], der Änderungen nicht mehr zulässt. Bei einer temporären Speicherung auf einem änderbaren Datenträger muss das DV-System sicherstellen, dass Änderungen nicht möglich sind [FINAN-2001: GdPdU Teil II Abschnitt 1] [Bei] (..) Umwandlung (Konvertierung) der elektronischen Abrechnung in ein unternemenseigenes Format (sog. Inhouse-Format) [müssen] beide Versionen archiviert und nach den GoBS mit demselben Index verwaltet werden sowie die konvertierte Version als solche gekennzeichnet (..) [werden] [FINAN-2001: GdPdU Teil II Abschnitt 1]. Wenn also aus einer eingegangenen PDF-Rechnung die Rechnungsdaten extrahiert werden und in einem Datenbankeintrag gespeichert werden, so muss auch die originale PDF-Datei gespeichert werden. Der Signaturschlüssel, das qualifizierte Zertifikat des Empfängers und bei Einsatz von Kryptographietechniken die verschlüsselte und entschlüsselte Version sowie der Schlüssel zur Entschlüsselung der elektronischen Rechnungen müssen aufbewahrt werden [vgl. FINAN-2001: GdPdU Teil II Abschnitt 1]. Der Prozess des Rechnungseingangs, der Archivierung und der eventuellen Konvertierung sowie die weitere Verarbeitung müssen protokolliert werden [vgl. FINAN-2001: GdPdU Teil II Abschnitt 1]. [Die] (..) Übertragungs-, Archivierungs- und Konvertierungssysteme [müssen] den Anforderungen der GoBS, insbesondere an die Dokumentation, an das interne Kontrollsystem [s. Kapitel 3.3 UStAE], an das Sicherungskonzept sowie an die Aufbewahrung entsprechen [FINAN-2001: GdPdU Teil II Abschnitt 1]. 3.4.3 Teil III: Archivierung digitaler Unterlagen In Teil III ist die Archivierung digitaler Unterlagen (also auch Rechnungen) näher vorgeschrieben:

Studiengang Bachelor of Science Seite 14 von 53 Originär digitale Unterlagen nach 146 Abs. 5 AO sind auf maschinell verwertbaren Datenträgern zu archivieren. [Somit dürfen die] ( ) originär digitalen Unterlagen (..) nicht ausschließlich in ausgedruckter Form oder auf Mikrofilm aufbewahrt werden [FINAN-2001: GdPdU Teil III Abschnitt 1]. Nicht ausreichend ist auch die ausschließliche Archivierung in maschinell nicht auswertbaren Formaten (z.b. pdf-datei) [FINAN-2001: GdPdU Teil III Abschnitt 1]. Spätestens hier wird deutlich, dass für die Verwaltung von elektronischen Rechnungen ein bestimmter IT-Aufwand nötig ist. PDF-Dateien sind in der Regel nicht als solche maschinell auswertbar, da die Daten in nicht strukturierter Form vorliegen. Sie dienen meist nur als Grundlage für darauf aufbauende IT-Systeme, welche den Inhalt der PDF-Dateien z.b. über Optical Character Recognition (OCR, optische Zeichenerkennung) erkennen und in maschinell verarbeitungsfähige Datenstrukturen speichern, z.b. in indexierte Datenbanken. Eine Ausnahme bildet das in dieser Arbeit in Kapitel 4.2 vorgestellte ZUGFeRD-Format, welches ein PDF- Format mit maschinell auswertbaren Daten darstellt. 3.5 Grundsätze ordnungsgemäßer DV-gestützter Buchführungssysteme (GoBS) Die GoBS sind ebenso wie die GdPdU am 1. Januar 2015 durch die Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD) ersetzt worden. Die Schilderung der rechtlichen Lage in dieser Arbeit ist somit für einvoicing Lösungen bis zum 31. Dezember 2014 gültig. Die GoBS wurden 1995 von der Arbeitsgemeinschaft für wirtschaftliche Verwaltung e.v. (AWV) erarbeitet. Sie erweitern die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführungssysteme (GoB) um Besonderheiten bei der Verwendung von IT-Systemen in der Buchhaltung. Die GoBS wurden im BMF-Schreiben (Bundesministerium der Finanzen) am 7. November 1995 veröffentlicht. Hält ein Unternehmen die GoBS nicht ein, so ist der Anspruch auf Vorsteuerabzug nicht verletzt [FINAN-2012 SEITE 3]. Da jedoch die Nichtakzeptanz des Buchführungsverfahrens durch das Finanzamt zu hohen Kosten führen kann (z.b. durch