Position. Anforderungen an eine moderne Tarifpolitik - Gebote und Hemmnisse

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Transkript:

Position Anforderungen an eine moderne Tarifpolitik - Gebote und Hemmnisse Stand: Dezember 2016

Vorwort Vorwort Gebote und Hemmnisse für eine erfolgreiche Tarifpolitik Im Rahmen der verfassungsrechtlich garantierten Tarifautonomie obliegt die kollektive Gestaltung von Arbeitsbedingungen den Tarifvertragsparteien: Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften verhandeln Betriebe und Beschäftigte entscheiden im Rahmen der Koalitionsfreiheit, ob sie Tarifverträgen unterfallen oder nicht. Ziel einer erfolgreichen Tarifpolitik ist es, langfristig Arbeitsplätze und Wertschöpfung am Standort Bayern und Deutschland zu bewahren und neu zu schaffen. Hierzu zählt auch, die Tarifautonomie als wesentlichen Baustein der sozialen Marktwirtschaft und Stärke des Wirtschaftsstandortes Deutschland zu erhalten und vor staatlichen Eingriffen zu schützen. Die Akzeptanz des Flächentarifvertrags nimmt jedoch ab, ebenso wie die Tarifbindung. Gleichzeitig greifen Gesetzgeber und Politik immer stärker in die Tarifautonomie ein, wie mit der Einführung des Mindestlohns oder der Erleichterung von Allgemeinverbindlicherklärungen. Wir müssen daher einen neuen tarifpolitischen Weg einschlagen, sonst drohen die Abkehr des Mittelstands und der mittelständisch geprägten Unternehmen vom Flächentarifvertrag, Beschäftigungsverluste und vermehrte Verlagerungen ins Ausland. Erforderlich ist eine, die Unternehmen dabei unterstützt, aktuellen Herausforderungen wie Globalisierung und Digitalisierung gerecht zu werden. Mit starren Tarifen und einengenden Regulierungen gelingt dies nicht. Wettbewerbsfähige und wirtschaftlich erfolgreiche Unternehmen mit sicheren und attraktiven Arbeitsplätzen in unserer Region das muss unser gemeinsames Ziel als Tarifvertragsparteien sein. Wir zeigen in unserem Positionspapier die Gebote und Hemmnisse hierfür auf. Bertram Brossardt 01. Dezember 2016

Inhaltsverzeichnis Inhalt 1 Tarifpolitische Gebote... 1 1.1 Schere zwischen Lohn- und Produktivitätsentwicklung muss mittelfristig wieder geschlossen werden... 1 1.2 Beschäftigungsanstieg muss fortgesetzt werden... 1 1.3 Unternehmen müssen stets für einen Abschwung gewappnet sein... 1 1.4 Unternehmen müssen flexibel auf höhere Volatilitäten reagieren können... 2 1.5 Zunehmende Konkurrenz aus den Schwellenländern beachten... 3 2 Tarifpolitische Hemmnisse... 5 2.1 Begrenzung qualitativer Tarifpolitik... 5 2.1.1 Ausrichtung auf Mindestbedingungen... 5 2.1.2 Keine Übertragung gesellschaftspolitischer Aufgaben auf Arbeitgeber... 5 2.2 Es darf nicht mehr verteilt werden als erwirtschaftet wurde... 6 2.3 Inflationsrate darf nicht zum Verteilungsspielraum hinzugerechnet werden.. 6 2.4 Internationale Wettbewerbsfähigkeit des Standorts darf nicht verschlechtert werden... 6 2.5 Gute Konjunktur darf nicht zu dauerhaften Kostenbelastungen führen... 7 Ansprechpartner... 9

Tarifpolitische Gebote 1 1 Tarifpolitische Gebote Tarifpolitik muss den Unternehmen Flexibilität und Kostensicherheit gewähren 1.1 Schere zwischen Lohn- und Produktivitätsentwicklung muss mittelfristig wieder geschlossen werden Lohnpolitische Orientierungsgröße ist der gesamtwirtschaftliche Produktivitätsfortschritt. Nur das, was erwirtschaftet wird, kann auch verteilt werden. Nach den übermäßigen Tariferhöhungen in den 1990er-Jahren sind die Tarifvertragsparteien in vielen Branchen wieder auf einen einigermaßen produktivitätsorientierten Kurs eingeschwenkt. Seit der Wirtschaftskrise wurde der Pfad der produktivitätsorientierten Lohnpolitik verlassen. Während die gesamtwirtschaftliche Produktivität erstmals in der Nachkriegsgeschichte in den Jahren 2008 und 2009 zurückging, stiegen die Tariflöhne weiter. Nach dem Aufholprozess der Jahre 2010 und 2011 ist die gesamtwirtschaftliche Produktivität kaum mehr gewachsen. Der Anstieg der Tarifentgelte aber setzte sich nahezu ungebremst fort. Die Tarifvertragsparteien müssen zu einer produktivitätsorientierten Lohnpolitik zurückkehren und dafür sorgen, dass die Schere zwischen Lohn- und Produktivitätsentwicklung mittelfristig wieder geschlossen wird. Dies würde langfristig zu einer höheren Akzeptanz von Tarifverträgen führen. 1.2 Beschäftigungsanstieg muss fortgesetzt werden Seit gut zehn Jahren erleben wir unterbrochen durch die Wirtschaftskrise im Jahr 2009 / 2010 einen stetigen und kräftigen Beschäftigungsaufbau. Viele Unternehmen wollen auch weiterhin neue Arbeitsplätze schaffen. Angesichts der großen Unsicherheit auf den Märkten agieren die Unternehmen zwar etwas vorsichtiger, die Beschäftigungspläne bleiben per Saldo aber positiv. Überhöhte Tarifabschlüsse, die zu einem dauerhaften Kostenschub führen, veranlassen Unternehmen möglicherweise, diese Pläne zu revidieren. Dann würde der Beschäftigungsanstieg gestoppt. 1.3 Unternehmen müssen stets für einen Abschwung gewappnet sein Die Erinnerungen an das Jahr 2008 sind noch präsent. Auch damals zeichnete sich nach dem Boom der Jahre 2005 bis 2007 eine normale konjunkturelle Abkühlung ab. Doch die Finanzmarktkrise, die in der Lehman-Pleite gipfelte, führte zur sprichwörtlichen Schockstarre bei Investoren und Konsumenten und ließ die globale Nachfrage innerhalb kürzester Zeit einbrechen.

2 Tarifpolitische Gebote Position Anforderungen an eine Auch derzeit sind die Risiken und Unsicherheiten hoch. Vor allem die weitere Entwicklung der Schuldenproblematik in der Eurozone und des Brexit sowie deren Auswirkungen auf die Finanzmärkte verunsichern Investoren und Verbraucher. Die Unternehmen müssen stets für einen möglichen Abschwung gerüstet sein. Die letzte Krise hat gezeigt, wie wichtig gerade auch für die Beschäftigungssicherung eine ausreichende Liquiditäts- und Eigenkapitalbasis der Unternehmen hierfür ist. Die Tarifpolitik darf dies nicht durch übermäßige Kostensteigerungen gefährden. 1.4 Unternehmen müssen flexibel auf höhere Volatilitäten reagieren können Die Wirtschaftsentwicklung wird zunehmend volatiler. Die Schwankungen bei Nachfrage, Preisen und anderen Rahmenbedingungen sind groß und nehmen zu. Die höhere Volatilität geht einher mit einem schnelleren Tempo im Wirtschaftsgeschehen. Kundenbedürfnisse ändern sich ebenso rasant wie technologische Entwicklungen. Gleichzeitig nimmt die Komplexität zu. Dies ergibt sich schon allein aus der zunehmenden Anzahl von globalen Märkten mit ihren differenzierten Bedürfnissen, Kundenwünschen und technischen Anforderungen. Von den Unternehmen verlangen diese Trends einen permanenten Anpassungs- und Innovationsprozess. Gefragt sind zunehmend kundenspezifische Lösungen. Dazu gehört auch die verstärkte Ergänzung des Produkts mit Dienstleistungen (hybride Wertschöpfung). Unsere Unternehmen mit Inlandsproduktion haben wenig Chancen, im Bereich der Low-Tech-Massenproduktion zu konkurrieren. Innovation und Differenzierung sind die Aspekte, mit denen sie sich im Wettbewerb behaupten können. Um diesen Herausforderungen gewachsen zu sein, benötigen die Unternehmen ein hohes Maß an Flexibilität. Die Tarifpolitik muss den Betrieben diese Flexibilität ermöglichen, zum Beispiel durch verstärkte Nutzung von Öffnungsklauseln in Tarifverträgen, vermehrte Vereinbarung von Differenzierungselementen in Tarifabschlüssen, vermehrten Ersatz von Tabellenerhöhungen durch Einmalzahlungen, erfolgsabhängige Ausgestaltung von tarifvertraglichen Bestandteilen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Ziel muss ein atmender Tarifvertrag sein, der den einzelnen Betrieben Gestaltungsraum zur Berücksichtigung der jeweiligen wirtschaftlichen Lage des Betriebes lässt.

Tarifpolitische Gebote 3 1.5 Zunehmende Konkurrenz aus den Schwellenländern beachten Die dynamisch wachsenden Schwellenländer bieten nicht nur neue Absatzchancen, sie entwickeln sich zunehmend zu Konkurrenten für unsere Unternehmen und unseren Standort. Der Wettbewerbsdruck aus den Schwellenländern nimmt kontinuierlich zu. Die Produzenten aus Asien oder Lateinamerika holen technologisch schnell auf und konkurrieren mit unseren Unternehmen auf dem Weltmarkt. Gerade in unseren industriellen Bereichen wie dem Maschinenbau oder der Elektroindustrie gibt es leistungsstarke Konkurrenz aus den Schwellenländern. So ist China bereits der größte Lieferant von Maschinen in die USA und hat Japan und Deutschland überholt. Unsere Unternehmen sind sich dieser Herausforderung bewusst. Auf die Frage, woher in Zukunft die größten Konkurrenten kommen werden, nannten in einer Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) 15 Prozent der bayerischen Unternehmen die BRIC-Länder (Brasilien, Russland, Indien, China). Tarifpolitik muss Unternehmen dabei unterstützen, diese Herausforderung zu bewältigen. Hierfür ist es unerlässlich, flexibel reagieren zu können und die Kosten im Griff zu halten.

Tarifpolitische Hemmnisse 5 2 Tarifpolitische Hemmnisse Tarifpolitik darf die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen nicht gefährden 2.1 Begrenzung qualitativer Tarifpolitik In vielen Branchen wurden in den vergangenen Jahren verstärkt neben den üblichen Entgelttarifverträgen auch Tarifverträge über qualitative Themen z. B. Zeitarbeit, Übernahme Auszubildender, Altersvorsorge etc. vereinbart. Qualitative Tarifpolitik muss in Zukunft auf das notwendige Mindestmaß begrenzt werden. Tarifverträge müssen wieder auf Ihre ursprüngliche Funktion, dem Setzen von Mindestbedingungen, zurückgeführt werden. Auch eine weitere Übernahme gesellschaftspolitischer Aufgaben durch die (tarifgebundenen) Arbeitgeber ist abzulehnen. 2.1.1 Ausrichtung auf Mindestbedingungen Den Betrieben fehlt aktuell oftmals die Flexibilität, auf individuelle Situationen oder Veränderungen am Markt schnell reagieren zu können. Dies kann den Abbau von Arbeitsplätzen zur Folge haben oder im Extremfall sogar die Existenz des ganzen Betriebs gefährden. Um den Anforderungen an die globalisierte Wirtschaft gerecht zu werden, müssen die Flächentarifverträge zu ihrem ursprünglichen Zweck der Festlegung von Mindestarbeitsbedingungen zurückgeführt werden. Weiter müssen überholte Regelungen, die nicht mehr der heutigen Arbeitswelt entsprechen, gestrichen werden. Flächentarifverträge dürfen nicht mit Themen überfrachtet werden. Nur dann ist auch gewährleistet, dass der Tarifvertrag für alle Betriebe vom kleinen und mittleren Betrieb bis hin zum Großunternehmen die passenden Arbeitsbedingungen regelt. Alle über dieses Mindestniveau an Arbeitsbedingungen hinausgehenden Leistungen müssen auf betrieblicher Ebene unter Berücksichtigung der jeweiligen wirtschaftlichen Situation geregelt werden können. Bei Aufrechterhaltung der Gestaltung von Mindestarbeitsbedingungen müssen zukünftig Regelungsdichte und Regelungstiefe von Flächentarifverträgen zu Gunsten einer betriebsnäheren, flexiblen Anwendungsmöglichkeit zurückgenommen werden. 2.1.2 Keine Übertragung gesellschaftspolitischer Aufgaben auf Arbeitgeber Gesamtgesellschaftliche Aufgaben dürfen nicht auf die Betriebe abgewälzt werden. Alles andere würde zu einer Verschlechterung der Kostensituation unserer Unternehmen führen und damit der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der bayerischen Wirtschaft schaden.

6 Tarifpolitische Hemmnisse Position Anforderungen an eine 2.2 Es darf nicht mehr verteilt werden als erwirtschaftet wurde Die Höhe der Lohnkosten beeinflusst das Beschäftigungsniveau. Auch auf dem Arbeitsmarkt gilt das Gesetz von Angebot und Nachfrage. Steigt der Preis für Arbeit, sinkt die Nachfrage nach Arbeitskräften; sinkt dagegen der Preis, entstehen neue Arbeitsplätze. Orientierungsgröße für Lohnerhöhungen ist der Anstieg der Arbeitsproduktivität. Dieses Konzept der produktivitätsorientierten Lohnpolitik geht zurück auf den Sachverständigenrat zur Begutachtung der wirtschaftlichen Entwicklung. Im Kern heißt das, dass die Entlohnung des Faktors Arbeit in dem Maße steigen kann wie auch die Arbeitsleistung steigt. Wird der Produktivitätsgewinn überschritten, wirkt dies tendenziell negativ auf die Beschäftigung. 2.3 Inflationsrate darf nicht zum Verteilungsspielraum hinzugerechnet werden Die Lohnformel vieler Gewerkschaften beinhaltet neben dem gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritt auch die Inflationsrate. Der Anstieg der Verbraucherpreise zähle mit zum Verteilungsspielraum, weil die höheren Preise den Unternehmen zu Gute kämen. Die Gewerkschaftsargumentation ist jedoch falsch. Ein Großteil der Preissteigerung ist einerseits auf höhere Importpreise, zum Beispiel für Energie, Rohstoffe und Nahrungsmittel zurück zu führen, andererseits auf erhöhte administrative Preise und indirekte Steuern. Diese Preissteigerungen fließen nicht den Unternehmen zu, sondern dem Ausland bzw. dem Staat. Zum Teil sind die Unternehmen sogar selbst von den höheren Preisen betroffen vor allem bei Rohstoffen und Energie. 2.4 Internationale Wettbewerbsfähigkeit des Standorts darf nicht verschlechtert werden Die Globalisierung bedeutet Chance und Herausforderung: Einerseits öffnen sich neue, wachstumsstarke Absatzmärkte, andererseits entstehen neue Konkurrenten. Ob und wie diese Chancen genutzt und die Herausforderungen erfolgreich gemeistert werden können, hängt von der internationalen preislichen Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen und des Standorts Bayern ab. Jedes zweite Unternehmen in Bayern hat mindestens einen Standort im Ausland, weitere planen entsprechende Gründungen. Während bei der Investitionsentwicklung im Inland schon seit längerem kaum Dynamik zu erkennen ist, fahren Unternehmen an ihren Auslandsstandorten einen klar expansiven Kurs. Die internationale Verteilung der Wertschöpfungsketten schreitet voran. Insbesondere im Mittelstand besteht dabei die Gefahr, dass neben der Produktion der komplette Betrieb ins Ausland verlagert wird.

Tarifpolitische Hemmnisse 7 Bestimmt wird die Wettbewerbsfähigkeit durch die Lohnstückkosten. Deutschland muss hier mit erheblichen Nachteilen kämpfen. Die deutsche Industrie hat weltweit die sechsthöchsten Arbeitskosten. Zwar weisen die deutschen Industriebetriebe auch eine überdurchschnittliche Produktivität auf, der Vorsprung reicht aber nicht aus, den Kostennachteil auszugleichen. Im Schnitt der anderen Industrieländer sind die Lohnstückkosten um elf Prozent niedriger als in Deutschland. Nachdem der Lohnstückkostennachteil von 2000 bis 2007 etwas abgebaut werden konnte, verschlechtert sich die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands seit 2008 wieder stetig. Da die Produktivität kaum steigt, schlagen sich die steigenden Arbeitskosten nahezu 1:1 in höheren Lohnstückkosten nieder, die deutlich schneller zunehmen als bei unseren Wettbewerbern. Die Lohnstückkosten sind der entscheidende Parameter im internationalen Wettbewerb. Die Tarifpolitik beeinflusst diese Größe erheblich. Eine falsche Tarifpolitik mit überzogene Kostensteigerungen verringert somit die Chancen und erhöht die Risiken der Globalisierung für unsere Unternehmen. 2.5 Gute Konjunktur darf nicht zu dauerhaften Kostenbelastungen führen Die Konjunktur ist ein vergleichsweise kurzfristiges Phänomen mit Schwankungen nach oben und nach unten. Deshalb kann die aktuelle konjunkturelle Entwicklung kein Maßstab für dauerhafte Lohnerhöhungen sein. Selbstverständlich sollen die Beschäftigten in konjunkturell guten Phasen am wirtschaftlichen Erfolg teilhaben. Doch dies darf nicht über eine auf Dauer angelegte Erhöhung der Lohntabellen erfolgen. Denn auf Aufschwung- und Boomphasen folgen stets konjunkturelle Schwächephasen und Abschwünge. Die auf ein hohes Niveau angehobenen Löhne müssen dann trotz der schlechteren Lage von den Unternehmen weiter gezahlt werden. Richtig ist es, Beschäftigte in Form von Einmalzahlungen an einer guten Konjunktur teilhaben zu lassen. In Phasen der konjunkturellen Abkühlung dürfen die Unternehmen nicht zusätzlich durch übermäßige Lohnkostensteigerungen belastet werden. Dies gilt insbesondere für exportorientierte Branchen.

Ansprechpartner / Impressum 9 Ansprechpartner Nicola Ehricke Geschäftsführerin Leiterin Tarif / Kollektive Arbeitsbedingungen / Arbeitswissenschaft Telefon 089-551 78-129 Telefax 089-551 78 91-129 nicola.ehricke@vbw-bayern.de Friedbert Warnecke Tarif / Kollektive Arbeitsbedingungen / Arbeitswissenschaft Telefon 089-551 78-123 Telefax 089-551 78 91-123 friedbert.warnecke@vbw-bayern.de Impressum Alle Angaben dieser Publikation beziehen sich grundsätzlich sowohl auf die weibliche als auch auf die männliche Form. Zur besseren Lesbarkeit wurde meist auf die zusätzliche Bezeichnung in weiblicher Form verzichtet. Herausgeber: vbw Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. Max-Joseph-Straße 5 80333 München www.vbw-bayern.de vbw Dezember 2016