Übungsfall 1. Teil I. Welches Recht ist auf den Rahmenvertrag anwendbar?



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Transkript:

Prof. Dr. K. P. Berger, LL.M. GK Internationales Privatrecht Teil I Übungsfall 1 Das Handelsunternehmen H mit Sitz in Schweden ist europaweit vertreten und möchte frischen Wind in das Geschäft in den Niederlanden bringen. Dafür soll eine alte Filiale dort geschlossen und eine neue eröffnet werden. Für die Neueröffnung wendet sich der zuständige Vertreter der H an das Unternehmen M mit Sitz in Deutschland, das sich auf Filialgründungen internationaler Handelsketten in Deutschland und den Benelux-Staaten spezialisiert hat. M besitzt einige vielversprechende Grundstücke in den Niederlanden, die als Standorte für H in Betracht kommen. H hatte bereits bei der letzten Filialgründung in Deutschland mit M zusammengearbeitet. Der Vertrag war damals auf ausdrücklichen Wunsch der H schwedischem Recht unterstellt worden, um das strenge deutsche AGB- Recht zu meiden. Am 28.06.2010 treffen sich die zuständigen Vertreter der H und M auf einem der Grundstücke der M in den Niederlanden. Sie schließen einen Rahmenvertrag für ihre Kooperation. Der Vertrag enthält keine Rechtswahlklausel. In dem Rahmenvertrag vereinbaren H und M Folgendes: M soll eine Marktanalyse in den Niederlanden durchführen, um unter ihren Grundstücken den besten Standort für die neue Filiale der H zu ermitteln. Dieses Grundstück wird H dann von M pachten; die genauen Konditionen können aber erst vereinbart werden, wenn das Grundstück feststeht. Außerdem soll M ein Gutachten zu den zu erwartenden Kosten ausarbeiten, insbesondere den in den Niederlanden anfallenden Steuern. Weiterhin vereinbaren H und M, dass H ihre alten Filialräumlichkeiten in den Niederlanden als Büro an M vermieten wird. Die jeweils anfallenden Miet- bzw. Pachtzinsen sollen gegeneinander verrechnet werden können. Auch hier muss man sich über die genauen Konditionen aber noch einigen. Bei diesem Vertrag äußert der Vertreter der H nicht den Wunsch, schwedisches Recht anzuwenden. Welches Recht ist auf den Rahmenvertrag anwendbar? Teil II Der Russe X wohnt in Deutschland und betreibt dort ein Unternehmen. Am 15.01.2010 erscheint ein Artikel in der Tageszeitung The New York Times (Verlagssitz: New York, USA), in dem X namentlich erwähnt und als Goldschmuggler und Täter einer Unterschlagung in Deutschland bezeichnet wird. Sein Unternehmen in Deutschland sei nach Berichten der amerikanischen und deutschen Ermittlungsbehörden Teil der russischen organisierten Kriminalität. Der X persönlich habe Verbindungen zum organisierten Verbrechen in Russland und ihm sei die Einreise in die USA untersagt. Der Artikel ist nicht nur in der Druckversion der Zeitung verfügbar, sondern wird am selben Tag in den internationalen Internetauftritt der New York Times eingestellt (Serverstandort: New York, USA) und dort im Online-Archiv zum Abruf bereitgehalten. Zuhause in Deutschland liest X den Online-Artikel und sieht sich in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt. Er klagt vor deutschen Gerichten gegen den Verlag auf Unterlassung der Internetveröffentlichung und verlangt die Anwendung deutschen Rechts auf seinen Fall. Wird das zuständige deutsche Gericht deutsches Recht anwenden?

Lösungsskizze Fall 1 A. Hier könnte ein Sachverhalt mit Auslandsberührung vorliegen, sodass das anwendbare Recht gem. Art. 3 EGBGB nach den Vorschriften des internationalen Privatrechts zu bestimmen wäre. Die beteiligten Unternehmen haben ihre Sitze in verschiedenen Staaten (Schweden und Deutschland) und verhandeln über Aspekte einer Filialgründung in einem dritten Staat (Niederlande). Ein Sachverhalt mit Auslandsberührung liegt also vor. Das anwendbare Recht ist nach den Vorschriften des internationalen Privatrechts zu bestimmen. B. Vereinheitlichtes Sachrecht, das auf den vorliegenden Fall Anwendung finden könnte, ist nicht ersichtlich. C. Zu prüfen ist daher, welche Kollisionsnorm auf den Sachverhalt Anwendung findet. I. (Grobqualifikation:) H und M haben einen Vertrag geschlossen, d.h. zwischen ihnen besteht ein vertragliches Schuldverhältnis. II. Gemäß Art. 3 Nr. 1 EGBGB ist vorrangig zu prüfen, ob die Rom I oder Rom II- Verordnungen anwendbar sind. Hier könnte die Rom I-VO anwendbar sein, Art. 3 Nr. 1 b) EGBGB. 1. Dafür müsste zunächst der sachliche Anwendungsbereich eröffnet sein. Nach Art. 1 I gilt die Rom I-VO für vertragliche Schuldverhältnisse in Zivil- und Handelssachen, die eine Verbindung zum Recht mehrerer Staaten aufweisen. Wie oben gezeigt, berührt der Fall das Recht mehrerer Staaten. Der Begriff des vertraglichen Schuldverhältnisses isd Rom I-VO ist gemeinschaftsrechtlich-autonom auszulegen. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist darunter jede freiwillig eingegangene Verpflichtung zu verstehen (Rspr zu Art. 5 Nr. 1 Brüssel I-VO, zuletzt EuGH 2005 I 481). H und M haben den Rahmenvertrag freiwillig miteinander geschlossen. Zwischen ihnen besteht also ein vertragliches Schuldverhältnis gem. Art. 1 I Rom I-VO. Es ist auch im Bereich der Zivil- und Handelssachen angesiedelt. Da keine der Ausnahmen nach Art. 1 II Rom I-VO einschlägig ist, ist der sachliche Anwendungsbereich der Rom I-VO eröffnet Anm: Die Prüfung, ob eine Ausnahme des Art. 1 II lit. i) Rom I-VO einschlägig ist (vorvertragliche Schuldverhältnisse) (weil M und H sich verpflichten, erst zu einem späteren Zeitpunkt zu pachten bzw. zu mieten), ist zu verneinen, da diese Verpflichtungen ja bereits einen Vertrag darstellen und nicht mehr unter Verhandlungen vor Abschluss eines Vertrags fallen. 2. Weiterhin müsste der zeitliche Anwendungsbereich eröffnet sein. Nach Art. 28 findet die Rom I-VO Anwendung auf Verträge, die nach dem 17.12.2009 geschlossen wurden. H und M einigten sich am 28.06.2010, sodass der zeitliche Anwendungsbereich der Rom I-VO eröffnet ist. III. Zwischenergebnis: Die Rom I-VO ist anwendbar D. Bestimmung des anwendbaren Rechts nach der Rom I-VO 1 I. D und F könnten eine Rechtswahl getroffen haben, Art. 3. 1. Eine ausdrückliche Rechtswahl, Art. 3 I S. 2, 1. Alt., wurde nicht getroffen 2. Sie könnte sich eindeutig aus den Umständen des Falles ergeben, Art. 3 I S. 2, 2. Alt. Mehrere Indizien müssten dafür zweifelsfrei auf dieselbe Rechtsordnung verweisen. a) Relativ starkes Indiz: vorherige Abwicklung eines gleichartigen Vertrages nach bestimmtem, nämlich schwedischem Recht 1 Alle folgenden Artt. sind, soweit nicht anderweitig gekennzeichnet, solche der Rom I-VO.

b) Aber: Ausdrücklich, um deutsches Recht zu meiden. Unklar, von der Anwendbarkeit welchen Rechts H diesmal ausging c) Außerdem wurde Vertrag in den Niederlanden geschlossen. Daher verbleiben Zweifel. Die Umstände des Falles weisen nicht eindeutig genug auf eine Rechtsordnung hin. d) ZE: Keine konkludente Rechtswahl Anmerkung: A. A. nur bei guter Argumentation vertretbar. Dann sollte ein Hilfsgutachten erstellt werden. II. Mangels einer Rechtswahl ist die objektive Anknüpfung nach der Rom I-VO zu prüfen. 1. Der Vertrag könnte einem der in Art. 4 I genannten Vertragstypen zuzuordnen sein. Allerdings besteht der Rahmenvertrag offensichtlich aus mehreren Elementen: Die Verpflichtungen der M, eine Marktanalyse und ein Kostengutachten zu erstellen, könnten Dienstleistungsverträge isv Art. 4 I lit. b) sein. Die Versprechen der H, zukünftig ein Grundstück der M in den Niederlanden zu pachten und ihr außerdem eine alte Filiale zu vermieten, könnten Verträge über Miete bzw. Pacht unbeweglicher Sachen isv Art. 4 I lit. c) sein. Ungeachtet dessen, ob die einzelnen Elemente tatsächlich unter die genannten Vertragstypen subsumierbar sind, zeigt die Auflistung, dass der Vertrag als Ganzes jedenfalls nicht einem der Typen des Art. 4 I zuzuordnen ist. Er ist ein Mischvertrag und muss daher nach Art. 4 II angeknüpft werden. Anm.: Dieser Lösungsvorschlag ist zeitsparend. Es kann hier auch vertieft geprüft werden, wenn man trotzdem zu einer vollständigen Lösung gelangt, ohne hier einen zu starken Schwerpunkt zu setzen. Die Marktanalyse und das Gutachten sind Dienstleistungen isv Art. 4 I lit. b). Es sollte thematisiert werden, dass die Verpflichtungen der H und M zur zukünftigen Pacht bzw. Miete Vorverträge darstellen ( genaue Konditionen müssen noch vereinbart werden ) und daher nicht direkt unter Art. 4 I lit c) subsumierbar sind. Sollte dies nicht erkannt werden, führt es aber zu keinem abweichenden Lösungsweg, da Art. 4 II auch für den Fall anwendbar ist, dass der Vertrag mehrere der in Art. 4 I genannten Vertragstypen umfasst. 2. Bestimmung der charakteristischen Leistung, Art. 4 II a) Mangels Anknüpfungsmöglichkeit nach Art. 4 I ist gemäß Art. 4 II die für den Vertrag charakteristische Leistung zu ermitteln. Charakteristisch ist diejenige Leistung, die dem betr. Vertragstyp seine Eigenart verleiht und seine Unterscheidung von anderen Vertragstypen ermöglicht; idr die Leistung, für die Zahlung geschuldet wird. b) H schuldet M Zahlung für die Erstellung der Marktanalyse und des Gutachtens. Nach der Regelvermutung wären diese Leistungen charakteristisch für den Vertrag. Hier könnte sich aber eine andere Wertung daraus ergeben, dass die weiteren Elemente des Rahmenvertrages ebenso starkes Gewicht haben. Die Marktanalyse dient allein dem Zweck, ein Grundstück auszusuchen, das H von M pachten wird. Die Verpflichtung des H zur zukünftigen Pacht ist daher mindestens ebenso gewichtig wie die vorangehende Marktanalyse. Hinzu kommt die Verpflichtung des M, zukünftig Räumlichkeiten von H zu mieten. Die beiden letztgenannten Verpflichtungen sind als zukünftige Dauerschuldverhältnisse finanziell wertvoll für die jeweiligen Gläubiger und daher aus ihrer Sicht ebenso prägend für den Vertrag wie die anderen Leistungen. Die verschiedenen Elemente stehen deshalb nebeneinander unter dem Dach des Rahmenvertrages. Gerade diese Rahmenfunktion ist die entscheidende Eigenart des Vertrages, die ihn von anderen Verträgen abgrenzt. Darin sind

aber jedenfalls im vorliegenden Fall - beidseitige Leistungen enthalten; eine charakteristische Leistung ist nicht auszumachen. 3. Da sich eine vertragscharakteristische Leistung nicht ermitteln lässt, unterliegt der Vertrag dem Recht des Staates, zu dem er die engste Verbindung aufweist, Art. 4 IV. Dabei ist zu fragen, wo der Vertrag bei Würdigung aller Umstände seinen räumlichen Schwerpunkt hat. - Die noch zu schließenden Pacht- bzw. Mietverträge werden in den Niederlanden belegene Grundstücke zum Gegenstand haben. - Die Marktanalyse und das Kostengutachten müssen niederländische Sachund Rechtsgegebenheiten berücksichtigen. - Der Vertrag wurde in den Niederlanden geschlossen. - Diese Umstände sprechen dafür, dass der räumliche Schwerpunkt des Vertrages in den Niederlanden liegt. Anm.: Nicht zulässig ist es, wenn Bearbeiter hier auf den früher einmal geschlossenen Vertrag abstellen, der schwedischem Recht unterlag. Für Art. 4 IV ist allein der räumliche Schwerpunkt des Vertrages maßgeblich. Auch auf Art. 4 III kann nicht abgestellt werden, da dieser eine Anknüpfung nach Art, 4 I oder II voraussetzt. II. Rechtsfolge und Ergebnis: Nach Art. 4 IV Rom I-VO findet niederländisches Recht auf den Vertrag Anwendung (Sachnormverweisung, Art. 20 Rom I-VO). Fall 2 Hinweis: Der Fall ist angelehnt an die Entscheidung BGH NJW 10, 1752 (Internationale Zuständigkeit für Klage gegen Internetveröffentlichung der New York Times). A. Ein Sachverhalt mit Auslandsberührung liegt vor, sodass das anwendbare Recht nach den Vorschriften des internationalen Privatrechts zu ermitteln ist, Art. 3 EGBGB. B. Vorrangiges vereinheitlichtes Sachrecht ist nicht ersichtlich. C. Bestimmung der einschlägigen Kollisionsnorm I. Grob-Qualifikation: Die behauptete Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (PKR) des X fällt in das Recht der unerlaubten Handlung / Deliktsrecht. II. Vorrangig könnte die Rom II-VO anwendbar sein, Art. 3 Nr. 1 a) EGBGB - Grds.: Anwendbarkeit auf alle außervertraglichen Schuldverhältnisse, Art. 1 I Rom II-VO, wenn das schadensbegründende Ereignis ab dem 11.09.2009 eingetreten ist, Art. 31, 32 Rom II-VO hier (+) - Aber: Ausnahmetatbestand des Art. 1 Abs. 2 lit. g): Schuldverhältnisse aus Verletzung der Persönlichkeitsrechte und Verleumdung - ZE: Die Rom II-VO ist nicht anwendbar III. Daher sind nach Art. 3 a.e. EGBGB die Vorschriften des EGBGB anwendbar IV. (Fein-Qualifikation: Welche Kollisionsnorm genau ist anwendbar?) Hier macht X einen Unterlassungsanspruch aus Verletzung seines PKR geltend. Dieser fällt in das Recht der unerlaubten Handlung. Das anwendbare Recht ist daher nach Maßgabe der Art. 40-42 EGBGB zu ermitteln. D. Anknüpfung nach Art. 40-42 EGBGB I. X und der Verlag der New York Times haben nicht von der Möglichkeit einer Rechtswahl, Art. 42 EGBGB, Gebrauch gemacht. II. Sie haben auch keinen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt gem. Art. 40 II 1 EGBGB.

III. Nach Art. 40 I 1 EGBGB ist Deliktsstatut dann grds das Recht des Handlungsortes, d.h. das Recht des Ortes, an dem die für den Eintritt der Rechtsgutsverletzung maßgebliche Ursache gesetzt wurde. Bei Internetdelikten wird teilweise vertreten, dass dies der Ort sei, an dem die Information eingespeist wurde, d.h. der Standort des PCs. (vgl. Spickhoff, BeckOK EGBGB Art. 40 Rn. 43 m.w.n.). Der fragliche PC steht in New York, USA. Nach dieser Ansicht liegt der Handlungsort also in New York, USA. Nach anderer Ansicht (z.b. LG Düsseldorf NJW-RR 1998, 979) ist der Handlungsort bei Internetdelikten dagegen der Standort des Servers. Mangels Angaben im Sachverhalt wird man davon ausgehen können, dass der Server hier auch in New York, USA steht. Auch diese Ansicht kommt also zu dem Ergebnis, dass der Handlungsort in New York, USA, liegt. Eine Streitentscheidung ist entbehrlich. IV. Nach Art. 40 I 2 EGBGB kann der Verletzte aber das Recht des Erfolgsortes zum anwendbaren Recht bestimmen. X könnte also deutsches Recht wählen, wenn Deutschland Erfolgsort isv Art. 40 I 2 EGBGB ist. Erfolgsort ist der Ort, an dem das geschützte Rechtsgut (Interesse) verletzt wird. Bei Massenmedien oder im Internet ist das jeder vorhersehbare Verbreitungsort (Kropholler, IPR, 6. Aufl. 2006, S. 542). Neuerdings BGH speziell bei PKR- Verletzungen über das Internet: Erfolgsorte sind dort, wo eine Interessenkollision tatsächlich eingetreten sein kann, d.h. abhängig von den konkreten Umständen des Falles, insbes. vom Inhalt der beanstandeten Meldung. Die Kenntnisnahme von der Meldung muss nach den Umständen des Falles im Inland erheblich näher liegen, als dies auf Grund der bloßen Abrufbarkeit des Angebots der Fall wäre (vgl. BGH NJW 10, 1752, Rn. 20 Anm.: Die Entscheidung erging zur Zuständigkeit deutscher Gerichte nach 32 ZPO. Dabei setzte sich der BGH mit der Frage auseinander, was der Erfolgsort bei PKR-Verletzungen im Internet ist und griff dabei auf die zu Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ vertretenen Ansichten zurück. Es ist zu erwarten, dass der BGH im Interesse einer harmonischen Auslegung auch den Erfolgsort isv Art. 40 I 2 EGBGB wie in der hier zitierten Entscheidung bestimmen wird. Das kann aber letztlich nicht mit vollständiger Sicherheit vorhergesagt werden. Hier: angegriffene Äußerungen weisen Bezug zu Deutschland (D) auf: - Der in D wohnhafte X wurde namentlich genannt - Seine Firma in D ist auch Gegenstand der Berichterstattung - Es wird auf Berichte deutscher Strafverfolgungsbehörden Bezug genommen - Außerdem: New York Times ist international anerkanntes Presseerzeugnis, das weltweiten Interessentenkreis ansprechen und erreichen will (BGH aao Rn. 22) - Nach Ansicht des BGH: Inlandsbezug der Äußerungen legt ein erhebliches Interesse deutscher Internetnutzer an ihrer Kenntnisnahme nahe; durch sie wird die Achtung, die der in D wohnhafte und geschäftlich tätige X in seinem Lebenskreis in D genießt, jedenfalls auch in D gestört bzw. gefährdet; Deutschland = (auch) Erfolgsort (+) V. X hat damit wirksam deutsches Recht zum anwendbaren Recht bestimmt. E. Ergebnis: Das zuständige Gericht wird deutsches Recht anwenden. Anm.: Die Lösung muss nicht so nahe an den BGH angelehnt sein wie hier. Vertretbar ist auch eine Lösung ähnlich der von Fuchs/Hau/Thorn, Fälle zum IPR, 4. Aufl. 2009, S. 46ff. (Fall 5 Caroline von M.): (Potenzielle) PKR-Verletzung über das Internet führt zu einer Vielzahl von möglichen Erfolgsorten (Streudelikt). Einschränkung der möglichen Erfolgsortsrechte

nach h.m. über die sog. Mosaikbeurteilung: das Recht eines Erfolgsortes entscheidet über den geltend gemachten Anspruch nur insoweit, als die Persönlichkeit dort verletzt wurde; erst das Zusammensetzen aller Erfolgsortrechte (Mosaik) schützt die Persönlichkeit in ihrer Gesamtheit. Ggf. kritische Auseinandersetzung mit Mosaikbeurteilung: Pro: Gleichlauf zwischen internationaler Zuständigkeit und anwendbarem Recht, Pressefreiheit des jeweiligen Staates wird nach dem jeweiligen Recht beurteilt und dadurch geschützt. Contra: Wortlaut des Art. 40 I 2 EGBGB schließt Bestimmung mehrerer Rechte aus, eine solche führte außerdem mglw. zu Wertungswidersprüchen und würde die Gerichte übermäßig beanspruchen. Ggf. Vorschlag einer Alternativlösung, z.b. Schwerpunktbetrachtung: allein maßgeblicher Erfolgsort ist am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Trägers des verletzten Rechtsguts. Hier: Deutschland.