Gertrude Rohwer Abstract Alltagsvorstellungen von Schülern und Conceptual Change: Das Beispiel Globale Erwärmung Der wichtigste Faktor, der das Lernen beeinflusst ist, was der Lernende schon weiß. Man berücksichtige dies und lehre entsprechend. (Ausubel 1968)(Zit. n. Duit 2008, S.3) Diese Aussage aus dem Jahr 1968 hat in der konstruktivistisch orientierten Lehr- und Lernforschung für die naturwissenschaftlichen Fächer (Duit 2008) große Aktualität. Wissen lässt sich nicht -wie ein Goldstück an einen Lernenden weitergeben, denn Lernen ist kein passives Einlagern oder Übernehmen von Lernstoff, sondern aktives Aneignen auf der Grundlage des bereits verfügbaren Wissens und Könnens. Wird Lernen als aktive Konstruktion von Wissen auf der Basis früherer Erfahrungen und des bereits verfügbaren Vorwissens betrachtet, müssen die Alltagsvorstellungen der Schülerinnen und Schüler zu einem Wissensgebiet sehr Ernst genommen werden. In der Didaktik der Naturwissenschaften werden bereits seit den 1970er Jahren Schülervorstellungen zu unterschiedlichen Wissensgebieten untersucht, u.a. mit folgenden Erkenntnissen: 1. Schülerinnen und Schüler bringen subjektive Vorstellungen, Theorien oder Präkonzepte in den Unterricht mit, die nicht mit den von der Wissenschaft akzeptierten Vorstellungen, die Gegenstand des Unterichts sein sollen, übereinstimmen, aber durch vorausgehende Erfahrungen, Medienkonsum, Schulbücher, Erklärungen von Lehrern oder durch Alltagssprache beeinflusst sind und sich im Alltag bewährt haben. 2. Jede Schülerin und jeder Schüler macht sich ihr bzw. sein eigenes Bild von allem, was im Unterricht präsentiert wird was eine Lehrerin sagt oder an die Tafel schreibt, was bei einem Experiment zu beobachten ist, was auf einer Zeichnung zu sehen ist, etc. 3. Der wichtigste Faktor, der das Lernen beeinflusst, ist das, was die Lernenden schon wissen. Die Schülerinnen und Schüler nehmen im Unterricht nur das auf, was ihnen ihre Vorstellung oder subjektive Theorie erlaubt. Oft behalten sie ihre naiven Vorstellungen auch nach dem Unterricht bei, vor allem wenn diese plausibel sind. Das Verständnis von wissenschaftlichen Konzepten kann deshalb nur beeinflusst werden, wenn man die tiefe Verankerung und Beharrlichkeit des Vorwissens von Lernenden versteht. Alltagsvorstellungen können als großes Hindernis oder auch als wichtiger Anknüpfungspunkt für die Lernprozesse von Schülerinnen und Schüler gesehen werden. Fachliches Lernen fordert von den Schülerinnen und Schülern letztlich
einen Konzeptwechsel. Sie sollen ihr bewährtes subjektives Alltagskonzept zugunsten eines anderen wissenschaftlich fundierten Konzeptes revidieren oder gar aufgeben. Dieses gelingt nur in sehr kleinen Schritten und bereitet Schülern und Lehrern große Schwierigkeiten. (Duit 2008,S.4) Es ist für Lehrerinnen und Lehrer von grosser Bedeutung, etwas über die naiven Vorstellungen und die Erfahrungen ihrer Schülerinnen und Schüler zu wissen und bei der Planung von Unterricht und Material miteinzubeziehen. Im Workshop wird ein Unterrichtsvorhaben zum Treibhauseffekt vorgestellt, das die Thematisierung der Schülervorstellungen im Unterricht als einen ersten, wichtigen Schritt im Prozess der Veränderung von Vorstellungen durch Unterricht zeigt. In einem zweiten Schritt wird das wisssenschaftliche Konzept eingeführt und mit den Vorstellungen der Schülerinnen und Schüler verglichen. Anschließend wird bei einem Versuch das neue Kenntnisse angewendet und auf seine Plausibiltät überprüft.
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