- ENTWURF - Stand: 25.01.2012. Neuregelung der elterlichen Sorge bei nicht verheirateten Eltern

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Deutscher Bundestag Drucksache 17/ 17. Wahlperiode Antrag der Fraktion der SPD - ENTWURF - Stand: 25.01.2012 Neuregelung der elterlichen Sorge bei nicht verheirateten Eltern Der Bundestag wolle beschließen: I. Der Deutsche Bundestag stellt fest: Bei nicht verheirateten Eltern war die gemeinsame Sorge bis zu dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 21. Juli 2010 (1 BvR 420/09) nur mit Zustimmung der Mutter möglich. Verweigerte die Mutter ihre Zustimmung, hatte sie die Alleinsorge. Die Familiengerichte hatten nicht die Möglichkeit, die fehlende Zustimmung der Mutter zu ersetzen. Auch die Übertragung der Alleinsorge auf den Vater war unterhalb der Schwelle der Kindeswohlgefährdung bisher an die Zustimmung der Mutter gebunden. Das BVerfG hat in seiner Entscheidung gerügt, dass der nichteheliche Vater keine Möglichkeit hat, die nicht erfolgte Zustimmung der Mutter gerichtlich überprüfen zu lassen. Der Gesetzgeber ist aufgefordert, die elterliche Sorge bei nicht verheirateten Eltern neu zu regeln. Bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung kann das Familiengericht den Eltern auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge gemeinsam übertragen, wenn dies dem Kindeswohl entspricht. Soweit eine gemeinsame elterliche Sorge nicht in Betracht kommt, kann das Familiengericht dem Vater auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge übertragen, wenn zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl am ehesten entspricht. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts soll sicherstellen, dass die Belange des Kindes maßgeblich Berücksichtigung finden, aber auch dass die Zugangsvoraussetzungen zur gemeinsamen Sorge nicht zu hoch angesetzt werden. Die gesetzlich erforderliche Neuregelung muss also die Kinderrechte berücksichtigen und das Kindeswohl in den Mittelpunkt der Betrachtung stellen. Denn jedes Kind hat ein Recht darauf, dass möglichst beide Elternteile gemeinsam für seine Erziehung und Entwicklung verantwortlich sind. Dies folgt aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 18 der UN- Kinderrechtskonvention. Beide Regelungen weisen den Eltern das Recht, aber auch die Pflicht für die Erziehung und Entwicklung ihres Kindes zu. Es ist deshalb zu begrüßen, dass immer mehr nicht verheiratete Eltern gemeinsam das elterliche Sorgerecht ausüben. Diese Möglichkeit wurde durch die Kindschaftsrechtsreform 1998 erstmals überhaupt eingeführt. Die gemeinsame elterliche Sorge dient dem Wohl des Kindes, insbesondere wenn die Eltern miteinander kommunizieren können und in der Lage sind, gemeinsam am Kindeswohl orientierte Entscheidungen zu treffen. - 1 -

Eine gemeinsame Sorge kann sich in einer Vielzahl von Fällen positiv auswirken, indem sich Eltern auch nach einer Trennung für ihr Kind engagieren, häufig den persönlichen Kontakt zu ihm pflegen und auch regelmäßig ihren Unterhaltsverpflichtungen nachkommen. Auch dies ein Ergebnis der Kindschaftsrechtsreform, die die Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge bei Scheidung zum Regelfall machte. Damit hat der Gesetzgeber klargestellt, dass es für die betroffenen Kinder das Beste ist, wenn sich die Eltern auch nach einer Scheidung gemeinsam um sie kümmern. Ein Großteil der nicht miteinander verheirateten Eltern haben bereits das gemeinsame Sorgerecht. Denn nach dem Ergebnis der standardisierten Kurzbefragung von Eltern (Vorgezogener Endbericht eines vom Bundesministerium der Justiz in Auftrag gegebenen Forschungsvorhabens Gemeinsames Sorgerecht nicht miteinander verheirateter Eltern, November 2010, S. 133) geben mittlerweile 62,6 Prozent aller nicht verheirateten Mütter ihre Zustimmung zur gemeinsamen Sorge. Die übrigen 37,4 Prozent teilen sich auf in Fälle, in denen der Vater kein Interesse an einer Mitsorge hat, in denen das Sorgerecht durch einen Dritten (z.b. Jugendamt) ausgeübt wird und in denen der Vater die Mitsorge erstrebt, die Mutter dem jedoch nicht zustimmt. Vor dem Hintergrund der Zunahme von außerhalb der Ehe geborenen Kindern - ihr Anteil im Jahr 2009 betrug 61 Prozent in Ostdeutschland und 26 Prozent in Westdeutschland - erlangt eine Neuregelung der elterlichen Sorge für nicht verheiratete Mütter und Väter eine rechtlich wie auch gesellschaftlich erhebliche Bedeutung. Ziel sollte grundsätzlich die Übernahme der gemeinsamen elterlichen Sorgeverantwortung für die Kinder sein. Dies wird mit zu einer Gleichstellung von ehelichen und unehelichen Kindern beitragen. Ziel einer Neuregelung der elterlichen Sorge nicht verheirateter Eltern muss es sein, dass die Bereitschaft, gemeinsam das Sorgerecht auszuüben, durch staatliche Institutionen gefördert und eine gemeinsame Sorgeerklärung ohne Einschränkungen so einfach wie möglich abgegeben werden kann. Dies dient in einer Mehrzahl der Fälle dem Kindeswohl. Die Palette der möglichen Elternbeziehungen beginnt bei Elternpaaren, die hinsichtlich der kindesrelevanten Fragen gemeinsam und konstruktiv nach Lösungen suchen, und endet bei Eltern mit massivsten Konflikten und der Unfähigkeit, miteinander zu kommunizieren. Bei mangelnder Kooperationsbereitschaft und einem hohen Konfliktpotential zwischen den Eltern führt die gemeinsame Sorge allerdings häufig zu ständigen Auseinandersetzungen und damit zu schweren Belastungen für das Kind. Fazit: Nicht in jeder Konstellation ist die gemeinsame Sorge dem Kindeswohl zuträglich. Elterliche Sorge darf nicht nur als Entscheidungsrecht wahrgenommen werden, sondern beinhaltet auch die Pflicht zur Wahrnehmung elterlicher Verantwortung. Diese Verantwortung übt eine Mehrzahl der Eltern im Sinne des Kindeswohls gemeinsam aus. Dort, wo die Eltern sich allerdings nicht auf eine gemeinsame Verantwortungsübernahme einigen können, indem sie beide ganz oder teilweise die elterliche Sorge ausüben, ist zu beachten, dass der Elternteil, bei dem das Kind lebt, die Konsequenzen der dann gemeinsam zu treffenden Entscheidungen trägt. Die Auswahl der Schule kann zum Beispiel für diesen Elternteil erhebliche Konsequenzen für den Alltag mit sich bringen, z.b. das tägliche Bringen zur und Abholen von der Schule. Auch ein arbeitsbedingter Wohnortwechsel wird erschwert, wenn der andere sorgeberechtigte Elternteil seine Zustimmung hierfür verweigert. Streitigkeiten über die medizinische Behandlung des Kindes, über die Teilnahme am Sportunterricht oder an einer Klassenfahrt können im Einzelfall zu erheblichen Alltagsbelastungen führen. Damit es hier nicht zu ständigen Alltagskonflikten zu Lasten des Kindes kommt, muss in Fallkonstellationen, in denen sich Eltern nicht auf ein gemeinsames Sorgerecht verständigen können, im Einzelfall entschieden werden, welche Sorgerechtsregelung am besten dem Kindeswohl dient. Allgemeine schematische Lösungen sind hier dem Kindeswohl abträglich. - 2 -

Auch können sich Väter durch die bloße Nichtabgabe einer Sorgeerklärung ohne Weiteres ihrer Verantwortung nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG entziehen und so den verfassungsrechtlichen Anspruch des Kindes auf die beiden Eltern obliegende Pflicht zur elterlichen Verantwortung häufig einseitig unterlaufen. Auch hier sollte der Staat darauf hinwirken, dass sich beide Elternteile um ihre Kinder kümmern und diese in ihrer Entwicklung fördern. Zur Lösung des Problems werden derzeit hauptsächlich zwei Modelle diskutiert: die sog. Antragslösung und die Widerspruchslösung. Bei der Antragslösung kommt die Sorge zunächst allein der Mutter zu und kann, wenn die Eltern sich nicht auf eine gemeinsame Sorge einigen, auf Antrag des Vaters vom Familiengericht auf beide Eltern gemeinsam übertragen werden. Gegen diese Lösung spricht, dass ein Vater auch dann einen Antrag auf gemeinsame elterliche Sorge stellen muss, wenn er sich intensiv um das Kind kümmert und die gemeinsame Sorge augenscheinlich dem Wohl des Kindes dient. Die Widerspruchslösung sieht die gemeinsame Sorge beider Elternteile vor, die auf Antrag der Mutter vom Familiengericht in die Alleinsorge der Mutter abgeändert werden kann. Gegen die Widerspruchslösung spricht, dass eine Regellösung gesetzessystematisch nur dann sinnvoll ist, wenn sie regelmäßig zu einem guten Ergebnis führt. Übertragen auf das Sorgerecht wäre die Regellösung angemessen, wenn die überwiegende Mehrheit der nicht verheirateten Eltern regelmäßig konstruktiv und am Kindeswohl orientiert bei der das Kind betreffenden Entscheidungsfindung zusammenwirkt. Beide Positionen stehen sich unversöhnlich gegenüber. Anstatt Vätern aufzubürden, das Sorgerecht vor dem Familiengericht zu beantragen oder Mütter in die Situation zu bringen, die Aufhebung des gemeinsamen Sorgerechts beim Familiengericht zu beantragen, sollte das Jugendamt verpflichtet werden, eine familiengerichtliche Entscheidung immer dann zu beantragen, wenn die Eltern sich nicht einigen können. Der familiengerichtlichen Befassung sollen jedoch behördliche Vermittlungsversuche vorausgehen. Ziel staatlichen Handelns muss es sein, dann auf eine gemeinsame elterliche Sorge und Verantwortung hinzuwirken, wenn dies dem Kindeswohl dient. Zunächst sollen die Eltern bereits bei der standesamtlichen Registrierung des Kindes die einfache Möglichkeit erhalten, gemeinsam die elterliche Sorge zu erklären. Sollte die gemeinsame Sorge von beiden Elternteilen gewünscht sein, soll den Eltern ermöglicht werden, die gemeinsame Sorgeerklärung bereits bei der Geburtsmeldung vor dem Standesbeamten abzugeben. Können die Eltern gegenüber dem Standesamt kein dahingehendes Einvernehmen erzielen, soll das Jugendamt innerhalb einer dann folgenden Vermittlung auf eine einvernehmliche Lösung hinwirken. Ist dies nicht möglich, soll das Jugendamt eine Bewertung vornehmen und dem Familiengericht, ohne dass es des Antrags eines Elternteils bedarf, den Fall zur Entscheidung vorlegen. Die dem familiengerichtlichen Verfahren vorgeschalteten behördlichen Vermittlungsversuche dienen der Information sowie der Konfliktschlichtung und werden die Belastung der Familiengerichte durch Folgestreitigkeiten (Schulbesuch, medizinische Behandlung, Klassenfahrten u.a.) reduzieren. Eine derartige Lösung ist in erster Linie am Kindeswohl orientiert und unterstützt Eltern, gemeinsam zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen. Weder Vater noch Mutter werden in verbliebenen Konfliktfällen in die Lage gebracht, einen gerichtlichen Antrag stellen zu müssen. Dies ist im Sinne einer am Kindeswohl orientierten Entscheidung über das Sorgerecht der große Vorteil gegenüber den bisher diskutierten Lösungsansätzen. Bei der Entscheidung, ob die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl entspricht, soll das Familiengericht insbesondere berücksichtigen, ob zu erwarten ist, dass die Eltern künftig zu einer kindeswohldienlichen Kooperation bereit und in der Lage sind und - 3 -

keine Umstände vorliegen, die die Ausübung eines gemeinsamen Sorgerechts unzumutbar machen. Bei nichtehelichen Kindern, die vor Inkrafttreten dieser Neuregelung geboren sind, ist wie in der Übergangslösung des BVerfG ein Antrag des Vaters beim Familiengericht erforderlich. Hier hat das Familiengericht zudem zu berücksichtigen, ob die Eltern in der Vergangenheit in der Lage waren, über die Belange des Kindes sachlich zu kommunizieren, der antragstellende Elternteil sein Umgangsrecht in der Vergangenheit wahrgenommen und regelmäßig Unterhalt im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit gezahlt hat. Elterliche Sorge ist nicht denkbar ohne die Pflicht zur Wahrnehmung elterlicher Verantwortung. Der Blick auf das Verhalten des antragstellenden Elternteils in der Vergangenheit erleichtert die Prognose bei den Übergangsfällen, ob eine verantwortungsvolle Übernahme der elterlichen Sorge und eine einvernehmliche Ausübung desselben erwartet werden kann. Eine Übergangsregelung verhindert im Übrigen auch eine erneute familiengerichtliche Entscheidung für die Fälle, bei denen sich die Eltern einvernehmlich auf die Alleinsorge eines Elternteils verständigt haben. Erstrebt ein Elternteil die Übertragung der Alleinsorge, muss er dies beim Familiengericht beantragen. Bei der Übertragung der Alleinsorge auf den Vater ist zu berücksichtigen, dass damit regelmäßig auch ein Wechsel des Kindes vom Haushalt der Mutter in den des Vaters verbunden ist. Dies berührt auch das Bedürfnis des Kindes nach Stabilität und Kontinuität hinsichtlich seiner gewachsenen persönlichen Bindungen und seines sozialen Umfeldes. Der Mutter die Sorge zu entziehen ist daher und auch angesichts ihres Elternrechts nach den Ausführungen des BVerfG nur gerechtfertigt, wenn es zur Wahrung des väterlichen Elternrechts keine andere Möglichkeit gibt, die weniger in das mütterliche Elternrecht eingreift, und wenn gewichtige Kindeswohlgründe vorliegen, die den Sorgerechtsentzug nahelegen. II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der mit seinen Regelungen darauf hinwirkt, dass unter dem Leitgedanken des Kindeswohls die gemeinsame elterliche Sorge für nicht miteinander verheiratete Eltern grundsätzlich als Ziel angestrebt wird. Folgender Inhalt muss Schwerpunkt der Regelungen bilden: 1. Die elterliche Sorge steht nicht miteinander verheirateten Eltern gemeinsam zu, wenn sie eine gemeinsame Sorgeerklärung abgeben, einander heiraten oder das Familiengericht die gemeinsame Sorge anordnet. 2. Bei der standesamtlichen Registrierung des Kindes klärt der Standesbeamte nicht miteinander verheiratete Eltern über die Möglichkeit einer gemeinsamen Sorgeerklärung auf und fordert die Eltern auf, sich zu der gewünschten Ausgestaltung der Sorge zu äußern. Möchten beide Elternteile die gemeinsame Sorge begründen, soll die Erklärung durch Vorlage entsprechender Vordrucke gegenüber dem Standesamt ermöglicht werden. 3. In das SGB VIII soll folgende Regelung aufgenommen werden: Können die Eltern vor dem Standesamt kein Einvernehmen erzielen, werden die Eltern vom Jugendamt aufgefordert, sich innerhalb einer bestimmten Frist zu der gewünschten Ausgestaltung der Sorge zu äußern. Wird die gemeinsame Sorge von beiden Elternteilen gewünscht, ist die gemeinsame Sorgeerklärung vor dem Jugendamt abzugeben. Ist das Votum der Eltern nicht einvernehmlich, wirkt das Jugendamt im Gespräch mit den Eltern auf eine einvernehmliche Lösung hin. Kann keine einvernehmliche Lösung erzielt werden, erstellt das - 4 -

Jugendamt eine Stellungnahme und stellt beim Familiengericht einen Antrag auf Entscheidung zur elterlichen Sorge. 4. Bei nichtehelichen Kindern, die vor Inkrafttreten der Neuregelung geboren sind, ist entsprechend der Übergangslösung des BVerfG ein Antrag des Vaters auf gemeinsame Sorge beim Familiengericht erforderlich. Das Familiengericht kann die fehlende Zustimmung der Mutter zur gemeinsamen Sorge auf Antrag des Vaters ersetzen und den Eltern die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge gemeinsam übertragen, wenn die gemeinsame Sorge dem Kindeswohl entspricht. 5. Begehrt der Vater für Kinder, die vor Inkrafttreten der Neuregelung geboren sind, die alleinige Sorge, muss er dies beim Familiengericht beantragen. Das Familiengericht überträgt dem Vater die alleinige Sorge, soweit eine gemeinsame Sorge nicht in Betracht kommt und zu erwarten ist, dass die Alleinsorge des Vaters dem Kindeswohl am ehesten entspricht. 6. Die rechtlichen und tatsächlichen Folgen dieser Neuregelung sollen nach spätestens drei Jahren wissenschaftlich evaluiert werden. Über die Ergebnisse ist der Deutsche Bundestag zeitnah durch einen entsprechenden schriftlichen Bericht der Bundesregierung zu unterrichten. Berlin, den Februar 2012 Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion - 5 -