Korrekte Bemessung passiver und aktiver Power Quality Filter zur Reduzierung von Netzoberwellen

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Transkript:

Nordstrasse 11 4542 Luterbach Switzerland T +41 32 681 66 26 F +41 32 681 66 30 www.schaffner.com energy efficiency and reliability Fachbeitrag Korrekte Bemessung passiver und aktiver Power Quality Filter zur Reduzierung von Netzoberwellen Auszug Die stetige Zunahme nicht-linearer Lasten am Netz, wie z.b. Frequenzumrichter zur Drehzahlregelung von Motoren, wirft Fragen nach der Zuverlässigkeit der Netzqualität oder Power Quality auf. Viel Aufmerksamkeit wird in diesem Zusammenhang den harmonischen Oberwellen gewidmet, da diese die Netzinfrastruktur überlasten, Anlagen ausser Gefecht setzen und Energie verschwenden. Zur Eindämmung dieser Oberwellenprobleme werden passive und aktive Oberwellenfilter eingesetzt. Beide Technologien haben ihre Daseinsberechtigung. Die Schwierigkeit liegt in der korrekten Bemessung oder Selektion der Oberwellenfilter, die für eine zufriedenstellende Performance zentral ist. Dieser Fachbeitrag erklärt, welche Messgrössen für die Wahl aktiver und passiver Oberwellenfilter geeignet sind und welche Fehler es zu vermeiden gilt. Andrzej Pietkiewicz, Ph.D., Project Manager Innovation Center Stefan Melly, Business Development Manager 17. Juli 2008 1/15

2/15 Netzqualität und Oberwellen Die Belastung der Netzinfrastruktur durch Oberwellen hat in den vergangenen Jahren markant zugenommen. Oberwellenströme werden durch sog. nicht-lineare Lasten verursacht. Eine nicht-lineare Last ist ein elektrischer Verbraucher, der bei sinusförmiger Spannungsversorgung einen nichtsinusförmigen Strom vom Netz bezieht. Diese Oberwellenströme fliessen zusätzlich zur aktiven Sinuswelle, sorgen für Zusatzverluste der elektrischen Installationen und können zu thermischer Überlast führen. Fliessen oberwellenbehaftete Ströme durch die Netzimpedanz, so entsteht ein Spannungsabfall, der die Qualität der Netzspannung kompromittiert. Sensitive Verbraucher, wie z.b. medizinische Geräte oder IT Infrastruktur, können durch die Versorgung mit einer verzerrten Netzspannung in ihrer Funktion beeinträchtigt werden. Zum Lösen dieser Problematik und zur Erfüllung nationaler und internationaler Normen werden heute auf allen Ebenen der Netzinfrastruktur Massnahmen zur Oberwellenreduktion eingesetzt. Im Rahmen dieses Artikels wollen wir uns ausschliesslich auf passive und aktive Oberwellenfilter für den Einsatz in Niederspannungsanlagen konzentrieren.

3/15 Gängige Topologien nicht-linearer Lasten Für die weiteren Betrachtungen konzentrieren wir uns auf die B6 Gleichrichterbrücke. Dem Dreiphasengleichrichter kommt deswegen eine zentrale Bedeutung zu, weil weltweit ein Grossteil der elektrischen Energie von Verbrauchern mit dieser Eingangsschaltung bezogen wird. Als typische Anwendung kann der Frequenzumrichter zur Drehzahlregelung von Motoren genannt werden, der seit Jahren mit hohen Zuwachsraten in fast allen Industrien zum Einsatz kommt. Die gängigsten B6 Gleichrichter Topologien sind in Bild 1 dargestellt. Topologie A enthält keinerlei magnetische Bauteile zur Stromglättung. Topologie B wird mit einer vorgeschalteten Induktivität L ac, üblicherweise einer geblechten Netzdrossel, betrieben. Topologie C hat eine eingebaute DC Drossel L dc, wie sie oftmals in Umrichtern höherer Leistung integriert ist. Bei allen drei Topologien ist auf der linken Seite das Netz inkl. Netzimpedanz schematisch dargestellt. Rechts repräsentiert die konstante Leistungssenke P=const die vom DC-AC Inverter und Motor bezogene Wirkleistung, die beispielhaft als 20kW angenommen wird. U 3 U 2 U 1 Z line i C dc P = const A U 3 U 2 U 1 Z line i L ac C dc P = const B U 3 L dc U 2 U 1 Z line i C dc P = const C Bild 1: Gängige Topologien nicht-linearer Lasten (B6 Gleichrichterbrücken): A ohne Verdrosselung; B mit Netzdrossel L ac ; C mit Zwischenkreisdrossel L dc.

4/15 Bild 2 zeigt den Eingangsstrom i für die Topologien A, B und C bei Versorgung durch ein symmetrisches Drehstromnetz. Z line stellt die Ersatzimpedanz bestehend aus Verteiltransformator, Netzleitung, Sicherungen usw dar, die wir für unser Beispiel als halb induktiv und halb ohmsch betrachten (L=18uH; R=6mOhm). Ferner werden folgende Werte angenommen: Zwischenkreiskondensator C dc : 2000uF AC Netzdrossel (Topologie B) L ac : 500uH (2%) DC Zwischenkreisdrossel (Topologie C) L dc : 1mH Bild 2: Eingangsstrom i (weiss) und seine aktiven i a (grün) und reaktiven i b (rot) Anteile für die Topologien A, B und C aus Bild 1. Alle angegebenen Werte sind in A RMS. Hinweis: Die Aufspaltung der Kurvenformen in den Bildern 2 und 6 wurden mittels speziell entwickelter LabVIEW-basierender Software der Firma Schaffner vorgenommen, die erstmals auf der IEEE International SPEEDAM 2008 vorgestellt wurde (Virtual Laboratory for Harmonics Filtering Visualization).

5/15 Die nicht-sinusförmigen Ströme i (weisse Kurven aus Bild 2), die von der sinusförmigen Spannungsquelle bezogen werden, können in zwei orthogonale Anteile, i a (aktiv) und i b (reaktiv), aufgeteilt werden: i i a i b Der aktive Strom i a (grün), der Wirkstrom, ist eine mit der Spannung phasengleiche sinusförmige Grundschwingung. Dieser Stromanteil ist als einziger an der Übertragung von Wirkleistung beteiligt. Der reaktive Strom i b (rot) oder Blindstrom ist somit der verbleibende Stromanteil, also die Differenz zwischen der weissen und der grünen Kurve. Dieser Anteil schiebt ausschliesslich Blindleistung zwischen der Quelle und der Last hin und her und trägt nichts zur Übertragung von Wirkleistung bei. Das Spektrum des Blindstroms setzt sich aus Oberwellen und reaktiven Anteilen der Grundschwingung zusammen. In den Kurven aus Bild 2 sind die reaktiven Anteile der Grundschwingung jedoch vernachlässigbar. Der Blindstrom i b besteht hauptsächlich aus der 5., 7., 11., 13., 17., 19., 23. und 25. Oberwelle, wobei höherfrequente harmonische Oberwellen (>25. Oberwelle) ebenfalls vernachlässigbar sind. Der reaktive Stromanteil verursacht Zusatzverluste in der Netzleitung und führt zu nicht-sinusförmigen Spannungsabfällen über der Netzimpedanz, die schlussendlich für die Verformung der Netzspannung und somit für schlechte Power Quality verantwortlich sind. Daher kann man sagen, dass der Blindstrom kontraproduktiv und somit weitestgehend zu eliminieren ist. Die Aufteilung von nicht-sinusförmigen Strömen (von einer sinusförmigen Spannungsquelle bezogen) in aktive und reaktive Anteile wurde zum ersten Mal von S. Fryze (1932) vorgeschlagen.

6/15 Bild 3: Oberwellenspektrum des Eingangsstroms i aus Bild 2 für die Topologien A, B und C. Zusätzlich zu den Oberwellen (blaue Balken) sind in der Tabelle die Grenzwerte der Norm EN61000-3-12 (weisse Felder) sowie die tatsächlichen Werte für den THD, die individuellen Oberwellen (5., 7., 11., 13.) und PWHD ersichtlich. Dabei ist der rote Hintergrund ein Indikator für einen Normenverstoss, der grüne Hintergrund für eine Normkonformität. Ganz rechts im Bild ist ein Schieber zur Selektion des R sce Parameters (R sce =120 im Beispiel) zu sehen.

7/15 Die RMS Werte der Ströme i, i a, i b mit der Bezeichnung I, I a, I b können anhand der folgenden Formel in Bezug gebracht werden: I 2 2 I a I b 2 Man stellt fest, dass der Blindstrom I b je nach Topologie deutlich unterschiedliche Werte aufweist. In unserem Beispiel sind es RMS Ströme von 45,5A, 17,4A und 13,9A (Bild 2). Dieser Blindstrom beeinflusst den Eingangsstrom I erheblich. Im Beispiel verändert sich der RMS Wert des Eingangsstroms topologieabhängig (bei gleichbleibender Ausgangsleistung) von 53,4A auf 31,1A. Einzig der Wirkstrom I a bleibt in allen drei Topologien mehr oder weniger unverändert (28,0A resp. 27,8A). Oben aufgeführte Beobachtungen legen den Schluss nahe, dass der RMS Wert des Wirkstroms I a (der proportional zu der von der Spannungsquelle bezogenen Wirkleistung ist) im Falle von nicht-linearen Lasten wie z.b. dem Brückengleichrichter deutlich vom Wert des Eingangstroms I abweichen kann. Das heisst, es ist nicht möglich, den Wirkstrom I a zu bestimmen, wenn bloss der Eingangsstrom I bekannt ist. Am einfachsten wird der Wert I a gemäss der bezogenen Wirkleistung berechnet: I a P 3 U p n P: vom Drehstromnetz bezogene Wirkleistung U p-n : RMS Wert der Spannung zwischen Phase und Neutralleiter Der Wert der Wirkleistung P kann wie folgt berechnet werden: P P M P M : vom Motor bezogene Wirkleistung η: Wirkungsgrad des Umrichters (typisch 0,96)

8/15 Der ideale Oberwellenfilter Zum besseren Verständnis kann der Oberwellenfilter als ideales Bauteil betrachtet werden, das den Blindstrom i b vollständig zu eliminieren vermag, also die Oberwellen eliminiert und Phasengleichheit für die Grundwelle herstellt. Somit verwandelt dieser Filter den nicht-sinusförmigen Eingangsstrom in einen sinusförmigen und also auch die nicht-lineare Last in eine lineare, die ausschliesslich Wirkstrom i a bezieht. Wenn wir einen verlustfreien Betrieb des Filters annehmen, so werden sich die bezogene Wirkleistung aufgrund des Filters und daher auch der Wirkstrom i a nicht ändern resp. erhöhen. Bild 4: ECOsine Oberwellenfilter der Firma Schaffner für nicht-lineare Lasten Die kürzlich eingeführten ECOsine Filter für Applikationen mit B6 Gleichrichterbrücke am Eingang entsprechen dem neusten Stand der Technik und kommen den Eigenschaften eines idealen Oberwellenfilters sehr nahe. Oberwellenströme werden auf einen Gesamtoberwellengehalt (THID) von ca. 3,5 bis 5,0% reduziert also fast vollständig eliminiert. Dabei arbeitet der Filter mit einer Effizienz von 98,5 bis 99,4% (je nach Modell) tatsächlich fast verlustfrei. Bild 5 zeigt, wie ECOsine Oberwellenfilter unabhängig der Gleichrichtertopologie seriell zwischen der Netzleitung und der nicht-linearen Last installiert werden.

9/15 Bild 5: B6 Gleichrichterbrücken der Topologien A, B und C mit netzseitig angeschlossenem ECOsine Oberwellenfilter. Hinweis: Passive Oberwellenfilter müssen direkt am Eingang einer nicht-linearen Last (oder Gruppe nicht-linearer Lasten) angeschlossen werden. Aufgrund der Spannungsverzerrung am Filterausgang, die durch den nicht-sinusförmigen Spannungsabfall über der Reihenimpedanz des Filters auftritt, ist die Versorgung anderer Verbraucher am Filterausgang nicht zweckmässig.

10/15 Auf Bild 6 ist nun die Kurvenform des Eingangsstroms einer Phase beim Einsatz von ECOsine Oberwellenfiltern bei allen drei Gleichrichtertopologien dargestellt. Bild 6: Der Eingangsstrom i (weiss) und seine aktiven i a (grün) und reaktiven i b (rot) Bestandteile für die Topologien A, B und C mit ECOsine Oberwellenfilter am Eingang.

11/15 Wichtige Erkenntnisse Beim Einsatz von seriellen, passiven Oberwellenfiltern wie ECOsine am Eingang der Gleichrichterbrücke können die folgenden wichtigen Erkenntnisse gewonnen werden: 1. In den Kurvendiagrammen (Bild 6) ist kaum noch Blindstrom i b (rot) zu sehen. Topologie Blindstrom i b ohne Filter Blindstrom i b mit Filter A 45,5 A rms 1,1 A rms B 17,4 A rms 1,2 A rms C 13,9 A rms 1,2 A rms 2. Die RMS Werte des Eingangsstroms i (weiss) sind reduziert, die Stromform ist fast sinusförmig (frei von Oberwellen). Topologie Eingangsstrom i ohne Filter Eingangsstrom i mit Filter A 53,4 A rms 28,3 A rms B 32,8 A rms 28,3 A rms C 31,1 A rms 28,3 A rms 3. Der Wirkstrom i a (grün) is praktisch unverändert geblieben. Topologie Wirkstrom i a ohne Filter Wirkstrom i a mit Filter A 28,0 A rms 28,3 A rms B 27,8 A rms 28,3 A rms C 27,8 A rms 28,3 A rms Hinweis: Der Stromanstieg kommt daher, dass ein Oberwellenfilter niemals ideal, sondern immer leicht verlustbehaftet ist. Aufgrund der minimalen Filterverluste ist der Anstieg der Wirkleistung beim Einsatz von ECOsine jedoch vernachlässigbar.

12/15 Korrekte Bemessung passiver Oberwellenfilter Die oben gewonnenen Erkenntnisse machen die Problematik offensichtlich: die Bemessung des Oberwellenfilters muss aufgrund der Spezifikationen der nicht-linearen Last ohne Oberwellenfilter gemacht werden. Beim Vergleich der beiden nachfolgenden Tabellen wird klar, dass sich der Eingangsstrom der nicht-linearen Last nicht für die Auslegung des Oberwellenfilters wie z.b. Schaffner ECOsine eignet, da er sich topologiebedingt verändert. Gleichrichter Eingangsstrom I Wirkstrom I a Blindstrom I b Ausgangs-Wirkleistung [kw] A (ohne Drosseln) 53,4 28,0 45,5 20 B (mit L ac ) 32,8 27,8 17,4 20 C (mit L dc ) 31,1 27,8 13,9 20 Tabelle 1: Bemessung der nicht-linearen Last (Topologien A, B, C) ohne Oberwellenfilter. Die Werte in roter Schrift sind in der Regel aus den Spezifikationen der Last nicht ersichtlich. Gleichrichter Eingangsstrom I Wirkstrom I a Blindstrom I b Ausgangs-Wirkleistung [kw] A (ohne Drosseln) 28,3 28,3 1,1 20 B (mit L ac ) 28,3 28,3 1,2 20 C (mit L dc ) 28,3 28,3 1,2 20 Tabelle 2: Bemessung des passiven Oberwellenfilters für Topologien A, B und C. Die Werte in roter Schrift sind in der Regel aus den Spezifikationen von Oberwellenfiltern nicht ersichtlich. Tatsächlich sind nur gerade der Wirkstrom I a und die Wirkleistung P für alle drei Topologien identisch und somit für die Wahl des Filters geeignet. Leider ist der Wirkstrom I a (an und für sich der Eingangsnennstrom des Oberwellenfilters) in der Regel anhand der Spezifikationen nicht-linearer Lasten (z.b. Frequenzumrichter) nicht bekannt. Die einzige spezifizierte Grösse, die sich uneingeschränkt zur Selektion des passiven Filters eignet, ist daher die Wirkleistung P des nicht-linearen Verbrauchers. Um die Filterselektion so einfach wie möglich zu gestalten, spezifiziert Schaffner die ECOsine Oberwellenfilter anhand der Eingangsleistung von Frequenzumrichtern und nicht, wie andere Hersteller vergleichbarer Produkte, anhand des Eingangsstroms.

13/15 Korrekte Bemessung aktiver Oberwellenfilter Im Gegensatz zu den passiven Oberwellenfiltern werden aktive Filter parallel zur Netzleitung installiert (sog. Shunt Filter). Bei der Betrachtung von Bild 7 fällt auf, dass nur die Topologien B und C dargestellt sind. Der Grund dafür ist, dass der Wirtschaftlichkeit halber parallel angeschlossene Aktivfilter magnetische Bauteile an der Last benötigen. Dies wird klar, wenn man sich nochmals die Kurvengrafiken in Bild 2 vor Augen führt. Ohne magnetische Bauteile (Topologie A) wäre der vom Aktivfilter zu korrigierende Blindstromanteil so hoch, dass der Filter massiv überdimensioniert werden müsste. Bild 7: B6 Gleichrichterbrücken der Topologien B und C mit parallel angeschlossenem aktiven Oberwellenfilter (Shunt Filter). Stellt man sich der Einfachheit halber einen idealen Shunt Filter gemäss der Topologien B und C in Bild 7 vor, erkennt man, dass der Netzstrom dem Wirkstrom i a aus Bild 2 (B und C) entspricht der Kompensationsstrom des Filters dem Blindstrom i b aus Bild 2 (B und C) entspricht der Eingangsstrom des Gleichrichters dem Eingangsstrom i aus Bild 2 (B und C) entspricht Diese Aussagen stimmen unter der Voraussetzung, dass die Netzimpedanz Z line im Vergleich zu den Impedanzen von L ac (Topologie B) und L dc (Topologie C) vernachlässigbar ist. In unserem Beispiel ist diese Voraussetzung vollumfänglich erfüllt.

14/15 Bei der Bemessung aktiver Oberwellenfilter sieht man sich mit einer ähnlichen Problematik konfrontiert wie bei den passiven Versionen: man muss die Dimensionierung des Filters anhand der Gleichrichterparameter ohne Filter vornehmen. Tabelle 3 listet wichtige Parameter für die Topologien B und C (ohne Filter) auf. Die einzige Grösse, die tatsächlich von Nutzen ist, ist der Blindstrom I b, der den wichtigsten Parameter des aktiven Filters beschreibt: den benötigten Kompensationsstrom. Gleichrichter Eingangsstrom I Wirkstrom I a Blindstrom I b Ausgangs-Wirkleistung [kw] B (mit L ac ) 32,8 27,8 17,4 20 C (mit L dc ) 31,1 27,8 13,9 20 Tabelle 3: Bemessung des aktiven Oberwellenfilters für Topologien B und C. Die Werte in roter Schrift sind in der Regel aus den Spezifikationen der Last nicht ersichtlich. Im Gegensatz zum passiven Oberwellenfilter unterscheidet sich die Dimensionierung des aktiven Oberwellenfilters für die Topologien B und C. Der benötigte Kompensationsstrom für Topologie B ist 17,4A rms, für Topologie C bloss 13,9A rms. Der Komplettheit halber sei an dieser Stelle erwähnt, dass der benötigte Kompensationsstrom ohne magnetische Bauteile (Topologie A) 45,5A rms betragen würde. Unglücklicherweise ist der Wert des Blindstroms I b aus der Spezifikation der nicht-linearen Last in der Regel nicht ersichtlich. Der Wert des Blindstroms muss daher mathematisch wie folgt berechnet werden: I b I 2 3 P U p n 2 I: rms des Eingangsstroms der nicht-linearen Last ohne Oberwellenfilter P: Wirkleistung der Last U p-n : Spannung P-N am Netz All diese Werte sind aus der Spezifikation der nicht-linearen Last bekannt. Für unser Beispiel wäre das dann: 2 20000 I b (32.8) 17.4 (Topologie B) 3 240 2 20000 I b (31.1) 13.9 (Topologie C) 3 240 2 2 Die berechneten Resultate stimmen exakt mit den Werten aus Bild 2 überein, die mittels FFT (Fourier Transformation) ermittelt wurden.

15/15 Schlussfolgerung Die korrekte Bemessung passiver und aktiver Oberwellenfilter kann, aufgrund unbekannter Parameter der nicht-linearen Last, schnell zu Missverständnissen führen. Die korrekte Bemessung ist jedoch zentral für die Erzielung des bestmöglichen Kosten/Nutzen-Verhältnisses, d.h. zur gewünschten Reduktion der Stromoberwellen mit minimalem Filteraufwand. Da einige Peripheriegeräte von Umrichtern wie z.b. EMV-Filter, Netzdrosseln oder Ausgangsfilter anhand des Eingangsstroms i bemessen und selektiert werden, wird oft fälschlicherweise angenommen, dass dies auch für Oberwellenfilter zweckmässig ist. Die korrekte Vorgehensweise ist jedoch die Bemessung des passiven Filters anhand der aufgenommenen Wirkleistung P der Last, für die Selektion des aktiven Filters gemäss des berechneten Blindstroms I b. Literaturhinweise 1. Fryze, S. (1932) Wirk-, Blind- und Scheinleistung in elektrischen Stromkreisen mit nichtsinusförmigem Verlauf von Strom und Spannung, Elektrotechnische Zeitschrift, June, 596-9. 2. A. Pietkiewicz, Virtual Laboratory for Harmonics Filtering Visualization, Proceedings of IEEE International Symposium on Power Electronics, Electrical Drives, Automation and Motion, (SPEEDAM 2008), Ischia, Italy, p.508-512. 3. IEC 61000-3-12: Electromagnetic compatibility (EMC) Part 3-12: Limits for harmonics current produced by equipment connected to public low-voltage systems with input current >16A and < 75A per phase. IEC, Aug. 2004. 4. Engineering Recommendation G5/4-1 Planning levels for harmonic voltage distortion and the connection of nonlinear equipment to transmission systems and distribution networks in the United Kingdom. Energy Network Association, Oct. 2005. 5. IEEE Recommended Practices and Requirements for Harmonic Control in Electrical Power Systems. IEEE Std 519-1992