studie Ausbildungsreport 2015 Rheinland-Pfalz rheinland-pfalz-saarland.dgb.de/jugend

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Transkript:

studie Ausbildungsreport 2015 Rheinland-Pfalz rheinland-pfalz-saarland.dgb.de/jugend

Impressum Herausgeberin: DGB-Jugend Rheinland-Pfalz Leonie Hein Kaiserstraße 26 30 55116 Mainz Redaktion: Leonie Hein, Maria Leurs Datenanalyse: isoplan, Dr. Schreiber & Kollegen GbR, Heinrich-Böcking-Str. 7, 66121 Saarbrücken Gestaltung: Heiko von Schrenk / schrenkwerk.de Druck: Druckhaus Dresden GmbH Titelfoto: goodluz / Fotolia.de 2 Ausbildungsreport 2015 Rheinland-Pfalz

Inhalt Vorwort 4 1. Forderungen 5 2. 5 Jahre Ausbildungsreport Rheinland-Pfalz 7 3. Studienergebnisse 10 3.1 Gesamtbewertung nach Ausbildungsberufen 10 3.2 Fachliche Qualität der Ausbildung im Betrieb 11 3.2.1 Einhalten des Ausbildungsplans 11 3.2.2 Verrichten von ausbildungsfremden Tätigkeiten 13 3.2.3 Fachliche Anleitung und Betreuung durch Ausbilder/-innen 13 3.2.4 Ausbildungsnachweis 15 3.3 Vorzeitige Vertragslösungen 16 3.4 Ausbildungszeiten und Überstunden 17 3.4.1 Wöchentliche Arbeitszeit, Überstunden, Arbeitszeiten bei minderjährigen Auszubildenden 17 3.4.2 Arbeitszeiten bei minderjährigen Auszubildenden 18 3.4.3 Anrechnung des Berufsschulunterrichts auf die Arbeitszeit 20 3.5 Ausbildungsvergütung 21 3.6 Ausbildung aus der Sicht der Auszubildenden 22 3.6.1 Die fachliche Qualität im Betrieb 22 3.6.2 Zufriedenheit mit dem Ausbilder/der Ausbilderin 23 3.6.3 Die fachliche Qualität in der Berufsschule 24 3.6.4 Zufriedenheit durch Interessenvertretung 24 3.6.5 Übernahme nach der Ausbildung 25 4. Schwerpunkt: Junge Menschen mit Migrationshintergrund in der Ausbildung 27 4.1. Auszubildende mit Migrationshintergrund 27 5. Zusammenfassung 32 6. Methode 34 7. Abbildungsverzeichnis 35 8. Anhang 36 Ausbildungsreport 2015 Rheinland-Pfalz 3

Vorwort Liebe Leserin, lieber Leser, ob Industrie, Handwerk oder Handel der Unternehmenslandschaft in Deutschland geht es im europäischen Vergleich gut. Ein großer Teil dieses beständigen Erfolgs wird von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erwirtschaftet. Viele dieser Beschäftigten haben eine duale Ausbildung abgeschlossen. Das deutsche Ausbildungssystem gilt international als Vorzeigemodell und wird sogar als Argument angeführt, um die vergleichsweise geringe Jugendarbeitslosigkeit hierzulande zu erklären. Aber ist hier wirklich alles Gold, was glänzt? Der Ausbildungsreport des DGB fragt jetzt bereits zum fünften Mal nach, wie es um die Ausbildungs - qualität in den rheinland-pfälzischen Betrieben bestellt ist. Wird die Ausbildung der internationalen Anerkennung gerecht? Oder zeichnet sich bei genauem Hinsehen doch ein differenzierteres Bild ab? Um die Ausbildungsrealität in unserem Bundesland abbilden zu können, hat die DGB-Jugend Rheinland-Pfalz während ihrer Berufsschultour für den diesjährigen Report knapp 1.500 Auszubildende befragt. Bevor es gleich zu den Ergebnissen geht, ist uns eines zu erwähnen noch wichtig: Ziel des DGB-Ausbildungsreports ist es nicht, Ausbildungsbranchen oder -betriebe anzuklagen oder zu diffamieren. Unser Ziel ist, dass allen jungen Menschen die Chance auf einen guten Einstieg ins Berufsleben gegeben wird. Und dass eine Ausbildung auch hält, was sie verspricht! Der vorliegende DGB-Ausbildungsreport kann hier Orientierung bieten und als Gradmesser dienen, indem er aufzeigt, wo die Qualitätsstandards eingehalten werden und an welchen Stellen es Nachholbedarf gibt. Erheblichen Nachholbedarf haben Wirtschaft und Politik, wenn es darum geht Ausbildungsplätze zu schaffen. In Rheinland-Pfalz leben 70.000 junge Menschen zwischen 20 und 29 Jahren ohne Berufsausbildung kann sich unser Bundesland das vor dem Hintergrund des viel zitierten Fachkräftemangels leisten? Außerdem mündeten im Jahr 2014 in Rheinland-Pfalz über 14.000 junge Menschen in Maßnahmen im Übergangsbereich zwischen Schule und Ausbildung ein, obwohl ein großer Teil von ihnen eigentlich eine Aus - bildung angestrebt hat. Diese Zahlen sind entschieden zu hoch. Daher braucht Rheinland-Pfalz dringend eine gesetzlich geregelte Ausbildungsplatzgarantie, die sicherstellt, dass alle Ausbildungsinteressierten eine faire Chance auf einen qualitativ hochwertigen Ausbildungsplatz bekommen. Ebenso fordern wir weiter eine solidarische Ausbildungsfinanzierung. Denn wer nicht ausbildet, der sollte einen solidarischen Beitrag leisten, um gute Ausbildung und Ausbildungsbetriebe zu fördern und zu unterstützen. Dietmar Muscheid Vorsitzender DGB Rheinland-Pfalz Was sich noch aus den Ergebnissen des DGB-Ausbildungsreports 2015 ableiten lässt, finden Sie auf den nächsten Seiten. Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre! Leonie Hein DGB-Jugend Rheinland-Pfalz 4 Ausbildungsreport 2015 Rheinland-Pfalz

1. Forderungen Die DGB-Jugend Rheinland-Pfalz fordert eine solidarische Ausbildungsfinanzierung. Der sogenannte Fachkräftemangel ist in aller Munde und dennoch erhalten Jahr für Jahr tausende aus - bildungsinteressierte junge Menschen keinen betrieblichen Ausbildungsplatz. Die Zahl derjenigen Jugend - lichen, die nach der Schule in Maßnahmen statt in betrieblicher Ausbildung landen, ist nach wie vor viel zu hoch. Allein in Rheinland-Pfalz gibt es 73.600 junge Menschen zwischen 20 und 29 Jahren, die keine Ausbildung haben und sich derzeit auch in keinerlei Bildungsgang befinden das ist in dieser Generation mehr als jede_r Sechste! (Quelle: Mikrozensus 2013) Gleichzeitig sinkt die Quote der Betriebe, die überhaupt ausbilden immer weiter ab und lag zuletzt nur noch bei einem Fünftel. (Quelle: Statistisches Bundesamt 2013) Dieses Fünftel der Betriebe bildet für den gesamten Arbeitsmarkt aus bleibt aber auf den Kosten für die betriebliche Ausbildung sitzen. Die DGB-Jugend fordert: Die duale Ausbildung muss soli - darisch finanziert werden! Betriebe, die nicht ausbilden, sollen in einen Fond einzahlen, aus dem qualitativ hochwertige Ausbildung in ausbildungsbereiten Betrieben gefördert werden kann! Die DGB-Jugend Rheinland-Pfalz fordert die Betriebe auf, jungen Menschen eine Perspektive zu geben und sie nach der Ausbildung zu übernehmen. Zu wenige Auszubildende haben eine Übernahmegarantie im Betrieb. Für viele endet die Ausbildung mit der Perspektive Arbeitsplatzsuche oder gar Arbeitslosigkeit. Nicht einmal ein qualifizierter Berufsabschluss bietet heutzutage noch eine Garantie für eine gesicherte berufliche Zukunft. Vielmehr sind gerade junge Menschen stärker denn je von prekärer bzw. atypischer Beschäftigung bedroht. Übernahme sichert jungen Menschen Zukunftsperspektiven und die dringend notwendige Berufserfahrung. Auch hier gilt: Wem an Fachkräftesicherung und Mitarbeiter_innenbindung gelegen ist, übernimmt gerade in Zeiten des demografischen Wandels unbefristet. Wer die Übernahme verweigert, nimmt der jungen Generation die Chancen auf einen guten Start ins Berufsleben. Die DGB-Jugend fordert, dass alle Auszubildenden zeitnah, aber spätestens sechs Monate vor Ende der Ausbildung, über ihre Übernahmemöglichkeiten informiert werden. Ausbildung und Übernahme gehören zusammen. Die DGB-Jugend Rheinland-Pfalz fordert eine Verbesserung der Qualität der Ausbildung. Die Qualität der Ausbildung spielt bei der Sicherung von Fachkräften eine wichtige Rolle. Viele Betriebe klagen über fehlende Auszubildende und Fachkräfte, gleichzeitig stellen wir Mängel in der Qualität der Ausbildung fest. Ausbildung muss als Investition in die Zukunft begriffen werden. Mit der Entscheidung des Betriebs, selbst für den fachlichen Nachwuchs zu sorgen, müssen auch entsprechend hohe Qualitätskriterien verbunden sein genauso wie bei allen anderen betrieblichen Investitionen. Denn jede Firma ist nur so gut wie die Summe ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir fordern Kammern auf, Missstände in einzelnen Betrieben schneller zu erkennen und zu beseitigen. Ausbildungsreport 2015 Rheinland-Pfalz 5

1. Forderungen Die Betriebe beklagen in diesem Zusammenhang häufig eine mangelnde»ausbildungsreife«der Jugend - lichen. Die Betriebe selbst haben allerdings in vielen Fällen erhebliche Defizite in der Ausbildung. Immer wieder werden die Auszubildenden kaum ausgebildet sondern eher»ausgebeutet«. Sie werden als billige Arbeitskräfte im Betrieb und für Tätigkeiten regulärer Beschäftigter eingesetzt, statt in einem wirklichen Lernverhältnis betreut zu werden. Betriebe können nicht zu Beginn einer Ausbildung voraussetzen, was erst am Ende der Ausbildung steht: eine Fachkraft, die ihren Arbeitsplatz vollständig beherrscht. Diejenigen, die leichtfertig und pauschal von einem Fachkräftemangel reden, sollten einsehen, dass in Zeiten des demo - grafischen Wandels der Fachkräftebedarf nur mit gut ausgebildeten und motivierten jungen Menschen gedeckt werden kann. Dafür müssen sich Betriebe auch schwächeren Jugendlichen zuwenden und diese intensiv fördern. Die DGB-Jugend Rheinland-Pfalz sieht ein klares Votum für betriebliche Mitbestimmung. Auch diese Studie zeigt: Wo Gremien der betrieblichen Mitbestimmung über die Ausbildungsqualität wachen, fühlen sich junge Menschen besser aufgehoben und besser ausgebildet. Die Gewerkschaften informieren Auszubildende über die Bedeutung der Jugend- und Auszubildendenvertretungen und über Mitbestimmungsmöglichkeiten in den rheinland-pfälzischen Berufsschulen, z.b. während der Berufsschultouren. Diese Kooperationen sind sinnvoll und sollten ausgebaut werden. 6 Ausbildungsreport 2015 Rheinland-Pfalz

2. 5 Jahre Ausbildungsreport Rheinland-Pfalz 2015 veröffentlicht die DGB-Jugend Rheinland-Pfalz zum fünften Mal einen Ausbildungsreport. Dieses Jubiläum nehmen wir zum Anlass, um auf ausgewählte Ergebnisse im Zeitverlauf zurückzublicken. Insgesamt zeigt sich, dass sich die Ausbildungsqualität in den vergangenen fünf Jahren relativ konstant entwickelt hat. Das ist einerseits positiv, da die Zufriedenheit mit der Ausbildung insgesamt recht hoch ist. Andererseits gibt es nach wie vor einen relativ hohen Prozentsatz von Betrieben, in denen im Bereich der Qualität der beruflichen Ausbildung diverse Mängel bestehen. Gerade vor dem Hintergrund des demografischen Wandels ist es jedoch die Aufgabe aller Betriebe, qualitativ hochwertig auszubilden. Die Auszubildenden von heute sind die Fachkräfte von morgen! Entwicklung der Ausbildungszufriedenheit 74% 72% 70% Abbildung 1: Entwicklung der Ausbildungszufriedenheit 2011: 73,9% 2012: 75,5% 2013: 69,8% 2014: 71,7% 2015: 70,2% Der Großteil der Auszubildenden ist mit der Ausbildung»zufrieden«oder sogar»sehr zufrieden«. Das ist erfreulich, kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass erstens die Ausbildungszufriedenheit im Zeitverlauf tendenziell abnimmt und zweitens ein relevanter Anteil von Auszubildenden mit der Ausbildung mehr oder weniger unzufrieden ist. Entwicklung der Überstunden 42% 40% 38% Abbildung 2: Entwicklung der Überstunden 2011: 42,2% 2012: 37,7% 2013: 39,2% 2014: 37,9% 2015: 37,8% Ausbildungsreport 2015 Rheinland-Pfalz 7

2. 5 Jahre Ausbildungsreport Rheinland-Pfalz Der Anteil der Auszubildenden, der angibt»regelmäßig«überstunden zu machen ist über die vergangenen fünf Jahre relativ konstant. Er liegt mit im Schnitt knapp unter 40 Prozent viel zu hoch, angesichts der Tatsache, dass Überstunden in der Ausbildung nicht vorgesehen sind. Entwicklung Ausbildungsfremde Tätigkeiten 16% 14% 12% 10% 2011: 9,7% 2012: 16,6% 2013: 11,9% 2014: 12,3% 2015: 9,4% Abbildung 3: Entwicklung Ausbildungsfremde Tätigkeiten Der Anteil der Auszubildenden, die angeben»immer«oder»häufig«tätigkeiten verrichten zu müssen, die eindeutig nicht zu ihrer Ausbildung gehören, schwankt in den vergangenen fünf Jahren zwischen 9,4 und 16,6 Prozent. De facto werden diese Azubis nicht ausgebildet, sondern als billige Arbeitskräfte eingesetzt. Addiert man den Anteil derjenigen, die»manchmal«ausbildungsfremde Tätigkeiten verrichten müssen, so ergibt sich ein relativ konstanter Wert von ca. 34 Prozent der Auszubildenden, die einen relevanten Teil ihrer Ausbildungszeit nicht ausgebildet werden. 8 Ausbildungsreport 2015 Rheinland-Pfalz

2. 5 Jahre Ausbildungsreport Rheinland-Pfalz Entwicklung Verfügbarkeit Ausbilder_in 11% 9% 7% Abbildung 4: Entwicklung Verfügbarkeit Ausbilder_in 2011: 9,0% 2012: 7,3% 2013: 11,1% 2014: 9,6% 2015: 10,0% Auch die Verfügbarkeit der Ausbilder_in am Ausbildungsplatz schwankt in den vergangenen fünf Jahren um einige Prozentpunkte. Auf fünf Jahre zurückblickend lässt sich sagen, dass für ca. 10 Prozent der Aus - zubildenden in Rheinland-Pfalz ihr_e Ausbilder_in selten bis nie zur Verfügung steht. Zählt man die durchschnittlich 7,5 Prozent Auszubildende hinzu, die in den vergangenen Jahren angegeben haben, gar keine_n Ausbilder_in zu haben, lässt sich festhalten, dass mehr als jede_r sechste Auszubildende selten bis überhaupt nicht am Ausbildungsplatz betreut wird. Ausbildungsreport 2015 Rheinland-Pfalz 9

3. Studienergebnisse Gesamtbewertung nach Ausbildungsberufen Berufe mit den besten Bewertungen Berufe mit mittleren Bewertungen Berufe mit den schlechtesten Bewertungen Industriemechaniker_in Bankkaufmann_frau Elektroniker_in für Betriebstechnik Mechatroniker_in Elektroniker_in Kaufmann_frau im Großund Außenhandel Fachkraft für Lagerlogistik Kaufmann_frau für Büromanagement Fachinformatiker_in KFZ-Mechatroniker_in Industriekaufmann_frau Zerspanungsmechaniker_in Anlagenmechaniker_in Friseur_in Metallbauer_in Maler_in und Lackier_in Kaufmann_frau im Einzelhandel Medizinische_r Fachangestellte_r Verkäufer_in Koch_Köchin Tischler_in Hotelfachmann_frau Zahnmedizinische_r Fachangestellte_r Fachverkäufer_in im Lebensmittelhandwerk Abbildung 5: Gesamtbewertung nach Ausbildungsberufen Gute Arbeit basiert auf einer guten Ausbildung. Doch»gute Ausbildung«was ist das? Die rechtlichen Grundlagen der Ausbildungsqualität finden sich im Berufsbildungsgesetz, dem Jugendarbeitsschutzgesetz sowie dem Betriebsverfassungsgesetz. Gut ausgebildet werden kann nur, wem eine fachlich und didaktisch kompetente Betreuung gewährleistet wird. Vor diesem Hintergrund beleuchtet der Ausbildungsreport folgende Kriterien für eine gute Ausbildung: Ausbildungsinhalte, Arbeitszeiten, Vergütung und die Einschätzung der Auszubildenden selbst. Ein Schwerpunkt liegt dieses Jahr zudem auf der Situation Auszubildender mit Migrationshintergrund. 3.1 Gesamtbewertung nach Ausbildungsberufen Die Bewertung der Ausbildungsqualität ist stark abhängig vom jeweiligen Ausbildungsberuf bzw. der Branche. Wie der Ausbildungsreport 2015 zeigt, gibt es zwischen diesen erhebliche Unterschiede. Insgesamt zeigt sich, dass die Ausbildungsqualität mit der Betriebsgröße tendenziell steigt, wohingegen kleine und Kleinstbetriebe häufig stark nach Auftragslage und weniger nach betrieblichem Ausbildungsplan einsetzen. Somit sind Auszubildende in kleinen Betrieben häufiger mit ausbildungsfremden Tätigkeiten beschäftigt, worunter die fachliche Anleitung leidet. Berufe mit den besten Bewertungen sind in diesem Jahr Industriemechaniker_innen, Bankkaufleute, Elektroniker_innen für Betriebstechnik und Mechatroniker_innen. Nach wie vor große Probleme bestehen im Handel, bei Auszubildenden in Arztpraxen, im Bereich des Hotel- und Gaststättengewerbes sowie bei Tischler_innen. 10 Ausbildungsreport 2015 Rheinland-Pfalz

3. Studienergebnisse Auffällig ist, dass die am schlechtesten bewerteten Berufe zum allergrößten Teil deckungsgleich mit denjenigen Ausbildungsberufen sind, die in der Statistik der Bundesagentur für Arbeit Jahr für Jahr am meisten unbesetzte Ausbildungsstellen aufweisen. 1 Es zeigt sich also, dass die Qualität der beruflichen Ausbildung der Schlüssel zur Attraktivität eines Ausbildungsberufes ist. Es liegt in der Hand der Betriebe und der Kammern, Ausbildungsmängel zu beheben und die duale Ausbildung in allen Berufsfeldern zu einer attraktiven Perspektive für junge Menschen zu machen. 3.2 Fachliche Qualität der Ausbildung im Betrieb Die inhaltliche Ausgestaltung der Berufsausbildung ist entscheidend: Die Auszubildenden sollen nicht im Betrieb»einfach so mitlaufen«, sondern tatsächlich die für ihren Beruf nötigen Kompetenzen vermittelt bekommen. In die Bewertung der fachlichen Qualität der Ausbildung im Betrieb gehen Antworten auf die Fragen nach der Einhaltung des Ausbildungsplans, nach der Verrichtung von ausbildungsfremden Tätig - keiten, dem Vorhandensein und der Verfügbarkeit von Ausbilderinnen und Ausbildern sowie dem korrekten Führen des Berichtshefts als Nachweis des Fortschritts der Berufsausbildung. 1 vgl. TOP 10 der unbesetzten Ausbildungsstellen in der Statistik der Bundesagentur für Arbeit S.21 https://statistik.arbeitsagentur.de/sta tistikdaten/detail/201509/iiia5/ausbausbildungsstellenmarkt-mitzkt/ausbildungsstellenmarkt-mit-zkt- 07-0-201509-pdf.pdf 3.2.1 Einhalten des Ausbildungsplans Für jeden Beruf gibt es einen rechtlich bindenden Ausbildungsrahmenplan. Dieser muss vom Betrieb in einen betrieblichen Ausbildungsplan übersetzt werden. Der betriebliche Ausbildungsplan beschreibt detailliert, was zu welchem Zeitpunkt in der Ausbildung erlernt werden soll, damit etwa der angehende Friseur auch tatsächlich Haare schneidet und nicht nur den Boden kehrt. Wird der Ausbildungsplan nicht Ein Ausbildungsplan für den betrieblichen Teil meiner Ausbildung liegt mir vor ja 60,0% nein 40,0% Abbildung 6: Ein Ausbildungsplan für den betrieblichen Teil meiner Ausbildung liegt mir vor Ausbildungsreport 2015 Rheinland-Pfalz 11

3. Studienergebnisse Ich kenne meinen Ausbildungsplan gut 40,7% etwas 37,3% sehr gut 16,5% überhaupt nicht 5,5% Abbildung 7: Ich kenne meinen Ausbildungsplan eingehalten, führt das bei vielen Auszubildenden schnell zu Schwierigkeiten. Bereits in der Berufsschule bekommen diese Auszubildenden dann zu spüren, dass andere Auszubildende einen Wissensvorsprung aus der betrieblichen Praxis mitbringen. Nur knapp zwei Drittel (60 Prozent) der Auszubildenden haben bei der Befragung angegeben, dass ihnen überhaupt ein Ausbildungsplan vorliegt. Von den Azubis mit Ausbildungsplan kennen knapp zwei Drittel (57,2 Prozent) die Inhalte des Ausbildungsplans»gut«oder sogar»sehr gut«. Andererseits: Deutlich mehr als ein Drittel (42,8 Prozent) der Azubis sind mit den Inhalten ihrer Ausbildung»überhaupt nicht«oder nur»etwas«vertraut. Wer aber nicht weiß, was er oder sie lernen soll, kann auch nicht selbst darauf achten, dass dieser Plan eingehalten wird. 12 Ausbildungsreport 2015 Rheinland-Pfalz

3. Studienergebnisse Ich muss Tätigkeiten verrichten, die eindeutig nicht zu meiner Ausbildung gehören selten 35,0% nie 31,2% manchmal 24,4% Abbildung 8: Ich muss Tätigkeiten verrichten, die eindeutig nicht zu meiner Ausbildung gehören häufig 6,7% immer 2,6% 3.2.2 Verrichten von ausbildungsfremden Tätigkeiten Das Berufsbildungsgesetz (BBiG) regelt eindeutig, dass die Ausbildung (ausschließlich!) zum Erlernen aller Kompetenzen des jeweiligen Berufes bestimmt ist. Viel zu oft werden Auszubildende während ihrer Ausbildungszeit jedoch zu Tätigkeiten herangezogen, die nichts mit ihrer eigentlichen Ausbildung zu tun haben und viele leiden darunter. Ihnen fällt es als junge Beschäftigte auf der untersten betrieblichen Hierarchieebene besonders schwer dagegen vorzugehen. Wenn Auszubildende zu häufig zur Verrichtung ausbildungsfremder Tätigkeiten herangezogen werden, lässt sich eine gute Ausbildungsqualität kaum noch gewährleisten. Oft hat dies zur Folge, dass die betroffenen Auszubildenden nur mit großen Mühen ihre Ausbildungsprüfungen bestehen. Und selbst wenn die Abschlussprüfung erfolgreich bestanden wurde, müssen diese Auszubildenden befürchten, dass fehlende Kompetenzen in einem neuen Betrieb aufgedeckt werden mit allen damit verbundenen negativen Konsequenzen für sie. 9,3 Prozent der befragten Auszubildenden geben an,»immer bzw. häufig«mit ausbildungsfremden Tätigkeiten befasst zu sein. 3.2.3 Fachliche Anleitung und Betreuung durch Ausbilder/-innen Das BBiG definiert eindeutig, wie die fachliche Anleitung auszusehen hat. In der Ausbildungspraxis wird jedoch in einigen Betrieben davon abgewichen. Nach 28 Abs. 1 BBiG darf nur ausbilden, wer dazu»persönlich und fachlich geeignet ist«. Zwar geben 92,5 Prozent der Befragten an, eine Ausbilderin oder einen Ausbilder zu haben, doch bei 10 Prozent der befragten Auszubildenden ist der/die Ausbilder_in»selten«bis»nie«und bei weiteren 12,9 Prozent nur»manchmal«präsent. In der Praxis herrscht dann»learning by doing«ohne fachliche Anleitung vor. Intensives Erklären und»sich Zeit nehmen«für Nachfragen sind jedoch unerlässliche Kriterien für eine nachhaltige und qualitativ hochwertige Berufsausbildung. Von den Ausbildungsreport 2015 Rheinland-Pfalz 13

3. Studienergebnisse Auszubildenden, die regelmäßig Kontakt zu ihren Ausbilder_innen haben, geben 77,1 Prozent der Befragten an, dass sie»immer«oder»häufig«arbeitsvorgänge gut erklärt bekommen. Leider fühlen sich 10 Prozent»selten«bzw.»nie«fachlich gut betreut. Hier wird angesichts des prognostizierten Fachkräftebedarfs Potential verschenkt. Meine Ausbilder_in steht am Ausbildungsplatz zur Verfügung immer 46,5% häufig 30,6% manchmal 12,9% selten 7,8% nie 2,2% Abbildung 9: Meine Ausbilder_in steht am Ausbildungsplatz zur Verfügung Meine Ausbilder_in erklärt mir Arbeitsvorgänge zu meiner vollsten Zufriedenheit häufig 35,5% immer 34,7% manchmal 15,8% selten 9,5% nie 4,6% Abbildung 10: Meine Ausbilder_in erklärt mir Arbeitsvorgänge zu meiner vollsten Zufriedenheit 14 Ausbildungsreport 2015 Rheinland-Pfalz

3. Studienergebnisse 3.2.4 Ausbildungsnachweis In den meisten Ausbildungsordnungen ist das Führen von schriftlichen Ausbildungsnachweisen (= Berichtsheften) als Teil der Berufsausbildung vorgeschrieben. Die Auszubildenden sollen in ihren Berichtsheften alle Tätigkeiten eintragen, die sie während der Ausbildung im Betrieb oder in der Berufsschule ausgeübt haben. Über die Inhalte der Ausbildung und den Unterricht in der Berufsschule wird so ein genauer wöchentlicher Ausbildungsnachweis geführt. Das Berichtsheft dient damit als Dokumentation und ist als Nachweis für die Zulassung zur Abschlussprüfung notwendig. Der Ausbildungsnachweis ist bei Streitfällen, zum Beispiel wenn die Abschlussprüfung nicht bestanden wurde, der einzige Nachweis über die tatsächlich absolvierten (und nicht absolvierten) Ausbildungsabschnitte. Da das Führen des Berichtsheftes Bestandteil der Ausbildung ist, muss der Arbeitgeber den Auszubildenden die Möglichkeit geben, es während der Arbeitszeit auszufüllen. Trotz der eindeutigen Regelung führt deutlich mehr als ein Drittel (40,6 Prozent) der Auszu - bildenden das Berichtsheft»nie«während der Arbeitszeit. Mein Berichtsheft führe ich während der Arbeitszeit häufig 9,3% manchmal 10,5% selten 8,5% immer 31,1% nie 40,6% Abbildung 11: Mein Berichtsheft führe ich während der Arbeitszeit Ausbildungsreport 2015 Rheinland-Pfalz 15

3. Studienergebnisse Ich habe schon mal eine Ausbildung abgebrochen nein 85,5% ja 14,5% Abbildung 12: Ich habe schon mal eine Ausbildung abgebrochen 3.3 Vorzeitige Vertragslösungen Die Unzufriedenheit vieler Jugendlicher an ihrem Ausbildungsplatz spiegelt sich auch in der Zahl an vor - zeitigen Vertragsauflösungen wieder: Fast jede/r vierte (26,1 Prozent 2 ) Auszubildende in Rheinland-Pfalz bringt die Ausbildung nicht zu Ende. 3 14,5 Prozent der befragten Azubis in Rheinland-Pfalz haben ange - geben, schon mal eine Ausbildung abgebrochen zu haben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nur junge Menschen befragt wurden, die bereits wieder in einem Ausbildungsverhältnis stehen. Auszubildende geben ihr Ausbildungsverhältnis nicht»einfach so«auf. In aller Regel wird zuvor das Gespräch mit dem/der Vorgesetzten gesucht. Auszubildende bitten Betriebs- bzw. Personalräte oder Jugendund Auszubildendenvertretungen um Unterstützung oder schalten die Gewerkschaften wie auch die zuständigen Kammern als Mittler ein. Ist ein Ausbildungsverhältnis aber erst einmal zerrüttet, hilft häufig nur noch eine vorzeitige Auflösung des Ausbildungsverhältnisses. Eine Verbesserung der Ausbildungsqualität in der betrieblichen Praxis könnte sicher eine Vielzahl der Ausbildungsabbrüche verhindern. In der Folge würden große Zeitverluste, Unsicherheiten und Kosten erspart bleiben sowohl für die Jugendlichen als auch für die Ausbildungsbetriebe. 2 Vgl. Datenreport zum Berufs - bildungs bericht 2014, S. 177 3 Vertragslösungen sind vor Ablauf der im Berufsausbildungsvertrag genannten Ausbildungszeit gelöste Ausbildungsverträge. Hierbei ist zu beachten, dass eine Vertragslösung nicht unbedingt einen endgültigen Abbruch der Berufsausbildung bedeutet; auch Betriebs- oder Berufswechsel innerhalb des dualen Systems können mit Vertrags - lösungen einhergehen. Zu einer vorzeitigen Lösung des Vertrags kann es sowohl seitens des Auszubilden - den, als auch des Ausbildungs - betriebes oder in beiderseitigem Einvernehmen kommen. Die Gründe für Vertragslösungen sind vielfältig und mitunter komplex. Sie reichen von Betriebsschließungen und gesundheitlichen Gründen, revidierten Berufswahl entschei - dungen bis hin zu Konflikten zwischen Ausbildern und Auszubildenden. (Quelle: www.bibb.de/de/wlk59122.htm) 16 Ausbildungsreport 2015 Rheinland-Pfalz

3. Studienergebnisse 3.4 Ausbildungszeiten und Überstunden Auszubildende sind keine Arbeitnehmer_innen im herkömmlichen Sinne. Sie haben einen Ausbildungsvertrag unterschrieben und sind laut Berufsbildungsgesetz im Betrieb, um den Ausbildungsberuf zu erlernen sie sind also in einem Lernverhältnis. Dafür sind grundsätzlich keine Überstunden notwendig, was auch durch die Ausbildungsrahmenpläne inhaltlich wie zeitlich abgesichert ist. 3.4.1 Wöchentliche Arbeitszeit, Überstunden, Arbeitszeiten bei minderjährigen Auszubildenden Auszubildende tun sich schwer damit, Überstunden abzuschlagen. Oft mussten sie zahlreiche Bewerbungen schreiben, um diesen Ausbildungsplatz zu bekommen. Demnach wollen sie einen guten Eindruck machen, um nach Beendigung der Ausbildung in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen zu werden. So gehören überlange Arbeitszeiten und von vornherein fest eingeplante Überstunden für viele Auszubildende zum Arbeitsalltag, obwohl sie in der Ausbildung eigentlich keinen Platz haben. Nehmen die Überstunden im Betrieb überhand, ist nicht nur die Gesundheit der Auszubildenden, sondern auch die schulische Aus - bildung gefährdet. Wer bis in die Nacht schuftet, kann am nächsten Morgen nicht ausgeschlafen im Berufsschulunterricht sitzen und findet auch nicht genügend Zeit, sich auf Prüfungen vorzubereiten, geschweige denn, sich zu erholen. Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) sieht für alle volljährigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in 3 vor:»die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer darf acht Stunden nicht überschreiten.«damit Überstunden während der Ausbildung möglichst gar nicht entstehen, besagt 17 im BBiG, dass die Mehrarbeit besonders zu vergüten oder durch Freizeit auszugleichen ist. Doch zwischen Theorie und (Ausbildungs-)Praxis Ich mache regelmäßig Überstunden nein 62,2% ja 37,8% Abbildung 13: Ich mache regelmäßig Überstunden Ausbildungsreport 2015 Rheinland-Pfalz 17

3. Studienergebnisse Regelungen des Überstundenausgleichs im Betrieb Bezahlung 11,4% Freizeitausgleich 56,9% weder noch 17,7% weiß nicht 13,8% Abbildung 14: Regelungen des Überstundenausgleichs im Betrieb klafft eine große Lücke. Wenn es hinsichtlich des Überstundenausgleichs keine klaren innerbetrieblichen Regelungen gibt (z.b. durch Betriebs- bzw. Dienstvereinbarungen) wagen viele Auszubildende nicht, nach einem entsprechenden Ausgleich zu fragen. 37,8 Prozent der befragten Auszubildenden geben an, regelmäßig Überstunden zu machen. Dabei leistet mehr als jede/r Vierte der befragten Auszubildenden wöchentlich über fünf Mehrstunden ab. Erschreckend ist, dass nur bei etwas mehr als zwei Dritteln (68,4 Prozent) der Auszubildenden der Überstundenausgleich geregelt ist:»kostenlose«überstunden ohne Freizeitausgleich werden häufig als»normal«angesehen und gehören für 17,7 Prozent der befragten Auszubildenden zum Alltag. 3.4.2 Arbeitszeiten bei minderjährigen Auszubildenden Für Auszubildende, die noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet haben, gelten besondere Regelungen. Im Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG) ist unter anderem festgelegt, dass minderjährige Auszubildende grundsätzlich maximal 40 Stunden wöchentlich und maximal acht Stunden täglich arbeiten dürfen. Auch wenn Überstunden geleistet werden müssen, dürfen diese Zeiten von einigen Ausnahmen abgesehen nicht überschritten werden ( 8 JArbSchG). Bei Auszubildenden unter 18 Jahren gibt es viel zu viele Verstöße gegen das Jugendarbeitsschutzgesetz: 16,7 Prozent der befragten minderjährigen Auszubildenden gaben an, durchschnittlich mehr als 40 Stunden pro Woche zu arbeiten. Knapp ein Drittel aller befragten minderjährigen Auszubildenden machen regelmäßig Überstunden. Von ihnen ist eine wöchentliche Mehrarbeit von mehr als sechs Stunden für jede/n Vierte/n der befragten Minderjährigen (28,1 Prozent) Ausbildungsrealität. 18 Ausbildungsreport 2015 Rheinland-Pfalz

3. Studienergebnisse Ich habe Arbeitszeiten über 40 Stunden nach Alter unter 18 83,3% 16,7% über 18 81,6% 18,4% Abbildung 15: Ich habe Arbeitszeiten über 40 Stunden nach Alter bis 40 Stunden über 40 Stunden Ich mache regelmäßige Überstunden nach Alter unter 18 71,8% 28,2% über 18 59,9% 40,1% Abbildung 16: Ich mache regelmäßige Überstunden nach Alter nein ja Ausbildungsreport 2015 Rheinland-Pfalz 19

3. Studienergebnisse 3.4.3 Anrechnung des Berufsschulunterrichts auf die Arbeitszeit Gemäß 15 BBiG hat der Ausbildungsbetrieb seine Auszubildenden für die Teilnahme am Berufsschul - unterricht freizustellen. Trotzdem wenden sich immer wieder Auszubildende an die DGB-Jugend und ihr Onlineberatungsforum»Dr. Azubi«, weil sie aus der Berufsschule in den Betrieb beordert werden. So betrachten einige Betriebe die Arbeitszeiten als rein betriebliche Zeiten, d.h. Auszubildende dürfen ihre Berufsschulzeiten nicht auf die wöchentliche Arbeitszeit anrechnen. 17,2 Prozent der Befragten in Rheinland-Pfalz geben an, dass sie schon Zeiten des Berufsschulunterrichts im Betrieb nacharbeiten mussten. Den Berufsschulunterricht muss ich nacharbeiten nie 82,7% manchmal/selten 11,3% immer/häufig 5,9% Abbildung 17: Den Berufsschulunterricht muss ich nacharbeiten 20 Ausbildungsreport 2015 Rheinland-Pfalz

3. Studienergebnisse 3.5 Ausbildungsvergütung Die Vergütung sollte ein finanzielles Auskommen der jungen Menschen ermöglichen, damit der Schritt in die weitestgehende Unabhängigkeit vom Elternhaus gelingen kann. Denn mit dem Ausbildungsbeginn steht oftmals ein Umzug in eine eigene Wohnung bzw. ein eigenes Zimmer, teilweise sogar in eine andere Stadt an. Hinzu kommen Kosten für den öffentlichen Nahverkehr oder die Anschaffung eines eigenen Fahrzeugs. Zudem stellt eine regelmäßige Vergütung eine Anerkennung für die geleistete Arbeit dar. Das BBiG schreibt eine»angemessene«bezahlung für die Auszubildenden fest. In 17 Abs. 1 BBiG heißt es, die Ausbildungsvergütung ist»nach dem Lebensalter der Auszubildenden so zu bemessen, dass sie mit fortschreitender Berufsausbildung, mindestens jährlich, ansteigt.«häufig ist die Frage der Ausbildungsvergütung tarifvertraglich geregelt. Für tarifgebundene Ausbildungs - betriebe sind die tariflichen Vergütungen verbindliche Mindestbeträge, d.h. niedrigere Zahlungen sind unzulässig, übertarifliche Zuschläge dagegen möglich. Bei nicht tarifgebundenen Betrieben dürfen die in ihrer Branche und Region geltenden tariflichen Ausbildungsvergütungen nach derzeitiger Rechtsprechung um bis zu 20 Prozent unterschritten werden. Die Höhe der Ausbildungsvergütung ist sehr unterschiedlich. Das Bundesinstitut für Berufsbildung belegt:»aktuell reichen die Vergütungen für viele Auszubildende nicht zur Finanzierung ihrer Lebensführung aus. Über ein Viertel von ihnen nimmt die Belastung eines Nebenjobs auf sich teilweise zur Deckung der Kosten ihrer Grundversorgung, teilweise aber auch zur Erfüllung zusätzlicher Wünsche.«(»Ausbildung aus Sicht der Auszubildenden«, BIBB Report 14/10, 2010). Meine Ausbildungsvergütung (Brutto) bis 250 Euro 0,7% 250 500 15,1% 500 750 48,9% 750 1.000 30,8% über 1.000 4,6% Abbildung 18: Meine Ausbildungsvergütung (Brutto) Ausbildungsreport 2015 Rheinland-Pfalz 21

3. Studienergebnisse 3.6 Ausbildung aus der Sicht der Auszubildenden Wie beurteilen Auszubildende ihre Ausbildung? Sind sie zufrieden mit der fachlichen Qualität ihrer Aus - bildung im Betrieb und in der Berufsschule? Fühlen sie sich unter- oder überfordert? Empfinden sie ihre Behandlung als korrekt? Wie hoch ist der Anteil derer, die in ihrer Branche bzw. ihrem Ausbildungsberuf verbleiben möchten? Die hier vorliegenden Ergebnisse zeigen einen differenzierten, subjektiven Einblick in den Ausbildungsalltag junger Menschen. 20,2 Prozent der befragten Auszubildenden sind mit ihrer Aus - bildung»(sehr) zufrieden«; 6,8 Prozent»sehr«oder»eher unzufrieden«. Mit meiner Ausbildung bin ich insgesamt zufrieden zufrieden 50,0% sehr zufrieden 20,2% teilweise zufrieden 23,0% eher unzufrieden 5,2% sehr unzufrieden 1,6% Abbildung 19: Mit meiner Ausbildung bin ich insgesamt zufrieden 3.6.1 Die fachliche Qualität im Betrieb Gut drei Viertel (67,2 Prozent) der befragten Auszubildenden in Rheinland-Pfalz sind mit der fachlichen Qualität in ihrem Ausbildungsbetrieb zufrieden und bewerten sie mit»gut«oder»sehr gut«. Das bedeutet, dass diese Jugendlichen sich gut aufgehoben fühlen und mit dem Niveau ihrer Ausbildung zufrieden sind. Jede_r Zehnte (10,2 Prozent) bewertet die fachliche Qualität mit»ausreichend«oder»mangelhaft«. 22 Ausbildungsreport 2015 Rheinland-Pfalz

3. Studienergebnisse Fachliche Qualität der Ausbildung im Betrieb gut 41,0% sehr gut 26,2% befriedigend 22,6% Abbildung 20 Fachliche Qualität der Ausbildung im Betrieb ausreichend 7,8% mangelhaft 2,4% 3.6.2 Zufriedenheit mit dem Ausbilder/der Ausbilderin Gut drei Viertel der Befragten (77,2 Prozent) geben an, von ihren Ausbilderinnen und Ausbildern»immer«oder»häufig«korrekt behandelt zu werden, 14,3 Prozent der Befragten fühlen sich nur»manchmal«korrekt behandelt. 8,5 Prozent der befragten Auszubildenden sind mit der Behandlung durch ihre/n Ausbilder/-in unzufrieden. Ich werde von meinem Ausbilder korrekt behandelt häufig 34,7% immer 42,5% manchmal 14,3% Abbildung 21: Ich werde von meinem Ausbilder korrekt behandelt selten 6,0% nie 2,5% Ausbildungsreport 2015 Rheinland-Pfalz 23

3. Studienergebnisse 3.6.3 Die fachliche Qualität in der Berufsschule Die Berufsschule spielt im Rahmen der dualen Ausbildung eine wichtige Rolle, die keinesfalls unterschätzt werden darf. Neben dem Betrieb ist sie der zweite, eigenständige Lernort für die Auszubildenden. Sie erweitert die vorher erworbene allgemeine Bildung, vermittelt eine berufliche Grund- und Fachbildung und vertieft das im Betrieb erlangte praktische Wissen. Darüber hinaus kann guter Unterricht für viele Auszu - bildende dazu beitragen, eventuell fehlende Ausbildungsinhalte und mangelnde fachliche Anleitung im Betrieb über die theoretische Wissensvermittlung wenigstens teilweise kompensieren zu können. Zudem bietet die Berufsschule den Auszubildenden die Möglichkeit, ihren Wissensstand mit dem anderer Mit - schüler_innen aus anderen Betrieben zu vergleichen. Auch können Lehrerinnen und Lehrer im Fall von Defiziten oder anderen Problemen im Ausbildungsalltag als Vermittlerinnen und Vermittler fungieren. Gut die Hälfte der befragten Auszubildenden (53,9 Prozent) bewertet die fachliche Qualität des Unterrichts in der Berufsschule als»gut«oder»sehr gut«; 16,1 Prozent der befragten Auszubildenden bewertet die Unterrichtsqualität nur als»ausreichend«oder»mangelhaft«. Fachliche Qualität der Berufsschule gut 45,6% befriedigend 29,9% sehr gut 8,3% ausreichend 11,2% mangelhaft 4,9% Abbildung 22: Fachliche Qualität der Berufsschule 3.6.4 Zufriedenheit durch Interessenvertretung Eine Interessenvertretung im Betrieb, also eine Jugend- und Auszubildendenvertretung oder ein Betriebsbzw. Personalrat, erweist sich für viele Auszubildende als hilfreich. Dort finden die Auszubildenden Kolleginnen und Kollegen, an die sie sich bei Problemen wenden können. Betriebsrät_innen und Personal - rät_innen, welche die internen Strukturen des Betriebs bereits gut kennen, können helfen die Positionen der Auszubildenden rechtlich abzusichern. Es lässt sich ein Zusammenhang zwischen den Aussagen zur Gesamtzufriedenheit mit der Ausbildung und dem Vorhandensein einer Interessenvertretung im Betrieb 24 Ausbildungsreport 2015 Rheinland-Pfalz

3. Studienergebnisse Zufriedenheitsgrad mit/ohne Interessenvertretung sehr zufrieden 15,0% 28,7% zufrieden 44,8% 57,2% teilweise zufrieden 10,6% 30,2% eher unzufrieden 2,3% 7,5% Abbildung 23: Zufriedenheitsgrad mit/ ohne Interessenvertretung sehr unzufrieden 1,2% 2,5% mit Interessenvertretung ohne Interessenvertretung feststellen. Auszubildende aus Betrieben mit betrieblicher Interessenvertretung sind deutlich zufriedener als jene, die mit ihren Problemen im Betrieb allein sind. 85,9 Prozent der befragten Auszubildenden aus Betrieben mit Interessenvertretung sind»(sehr) zufrieden«mit ihrer Ausbildung, von den befragten Auszubildenden aus Betrieben ohne Interessenvertretung sind nur 59,8 Prozent»(sehr) zufrieden«mit ihrer Ausbildung. Umgekehrt formuliert: Jede_r zehnte Auszubildende ohne Interessenvertretung (10 Prozent) im Betrieb ist»eher«oder»sehr unzufrieden«mit der Ausbildung. In den Betrieben mit Interessenvertretung sind dies nur 3,5 Prozent. 3.6.5 Übernahme nach der Ausbildung Eine sichere Zukunftsperspektive ist für junge Menschen sehr wichtig. Eine in Aussicht gestellte Übernahme bedeutet in der Regel eine gute berufliche Perspektive für die Auszubildenden. Auch wird damit die Wertschätzung des Betriebes gegenüber seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zum Ausdruck gebracht. Der Aspekt der Übernahme nach abgeschlossener Berufsausbildung ist daher für viele Auszubildende ein wichtiges Kriterium zur Einschätzung der eigenen Ausbildungszufriedenheit. Zum Zeitpunkt der Befragung wissen 62,7 Prozent der befragten Auszubildenden noch nicht, ob sie im Anschluss an ihre Ausbildung vom Ausbildungsbetrieb übernommen werden. Für 8,9 Prozent der Befragten ist bereits klar, dass es für sie nach der Ausbildung keine berufliche Zukunft im Ausbildungsbetrieb gibt. Ausbildungsreport 2015 Rheinland-Pfalz 25

3. Studienergebnisse 61,4 Prozent der Befragten geben an, auch künftig weiter in ihrem Ausbildungsberuf tätig sein zu wollen. Ein erheblicher Teil (18,5 Prozent) davon kann sich jedoch nicht vorstellen, weiterhin in seinem Ausbildungsbetrieb tätig zu sein. Zum Befragungszeitpunkt können gleichzeitig nur 28,4 Prozent der befragten Auszubildenden bereits sicher sagen, dass sie in ihrem Ausbildungsbetrieb übernommen werden. Das zeigt den hohen Grad an Unsicherheit, mit dem sich junge Menschen heutzutage beim Eintritt in das Berufsleben konfrontiert sehen. Ich werde nach der Ausbildung übernommen weiß nicht 62,7% ja 28,4% nein 8,9% Abbildung 24: Ich werde nach der Ausbildung übernommen Nach meiner Ausbildung möchte ich im erlernten Beruf weiter tätig sein ja, aber nicht im selben Betrieb 18,5% nein 15,8% ja 42,9% weiß nicht 22,8% Abbildung 25: Nach meiner Ausbildung möchte ich im erlernten Beruf weiter tätig sein 26 Ausbildungsreport 2015 Rheinland-Pfalz

4. Schwerpunkt: Junge Menschen mit Migrationshintergrund in der Ausbildung Betrachtet man vorliegende Forschungsergebnisse zu den Ausbildungschancen von jungen Menschen mit Migrationshintergrund 4, so zeigt sich, dass die Aussichten junger Migrant_innen auf einen Ausbildungsplatz im dualen System nach wie vor deutlich schlechter sind, als die von Jugendlichen ohne Migrations - hintergrund. Nicht zuletzt der Berufsbildungsbericht 2015 gelangt daher auch zu dem Ergebnis, dass»nach wie vor erheblicher Handlungsbedarf zur Verbesserung der Ausbildungschancen junger Menschen mit Migrationshintergrund besteht«. 5 4 vgl. u.a. BIBB-Report 6/2014 Einmündungschancen in duale Berufsausbildung und Ausbildungs - erfolg junger Migranten und Migrantinnen Ergebnisse der BIBB- Übergangsstudie 2011 5 vgl. Berufsbildungsbericht 2015, S. 62 6 vgl. u a. BIBB-Report16/20111: Junge Menschen mit Migrations - hintergrund: Trotz intensiver Ausbildungsstellensuche geringere Erfolgsaussichten 7 vgl. Statistisches Bundesamt: Fachserie 1, Reihe 2.2 Bevölkerung und Erwerbstätigkeit, Bevölkerung mit Migrationshintergrund, Wiesbaden 2013 Der vorliegende Ausbildungsreport greift diese Thematik in seinem diesjährigen Schwerpunkt auf. Im Fokus stehen dabei jene jungen Menschen mit Migrationshintergrund, denen es trotz der bestehenden strukturellen Benachteiligungen 6 gelungen ist, einen Ausbildungsplatz zu erhalten. Zum einen wird der Frage nachgegangen, ob zwischen den Gruppen der Auszubildenden mit und ohne Migrationshintergrund strukturelle Unterschiede, beispielsweise bezüglich des gewählten Ausbildungsberufs, bestehen. Zum anderen wird untersucht, inwiefern bei der Bewertung der Ausbildungsqualität Unterschiede zwischen beiden Gruppen festzustellen sind. 4.1 Auszubildende mit Migrationshintergrund Im Zuge der Befragungen für den Ausbildungsreport 2015 wurde erstmals auch das Merkmal»Migrationshintergrund«mit erfasst. Die definitorische Abgrenzung erfolgte dabei analog zum Mikrozensus, wonach zu den Menschen mit Migrationshintergrund»alle Ausländer und eingebürgerte ehemalige Ausländer, alle nach 1949 als Deutsche auf das heutige Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Zugewanderte, sowie alle in Deutschland als Deutsche Geborene mit zumindest einem zugewanderten oder als Ausländer in Deutschland geborenen Elternteil«7 zählen. Auszubildende mit Migrationshintergrund ohne Migrations - hintergrund 71,2% mit Migrations - hintergrund 28,8% Abbildung 26: Auszubildende mit Migrationshintergrund Ausbildungsreport 2015 Rheinland-Pfalz 27

4. Schwerpunkt: Junge Menschen mit Migrationshintergrund in der Ausbildung Anteil der Migrant_innen in den bewerteten Berufen Berufe mit den besten Bewertungen 21,2% 78,8% Berufe mit mittleren Bewertungen 23,4% 76,6% Berufe mit den schlechtesten Bewertungen 39,0% 61,0% mit Migrationshintergrund ohne Migrationshintergrund Abbildung 27: Anteil der Migrant_innen in den bewerteten Berufen Gemäß der Definition verfügen 28,8 Prozent der befragten Auszubildenden in Rheinland-Pfalz über einen Migrationshintergrund. Der Anteil liegt damit leicht über der bundesweiten Quote von 27 Prozent. Zwischen den Ausbildungsberufen variieren die Anteile der Auszubildenden mit Migrationshintergrund jedoch erheblich. Während in den Ausbildungsberufen mit den besten Bewertungen (vgl. Kapitel 3.1) der Anteil der Azubis mit Migrationshintergrund bei 21,2 Prozent liegt, ist die Quote bei den Berufen mit den besten Bewertungen mit 39 Prozent fast doppelt so hoch. Vor diesem Hintergrund sind etwaige Unterschiede bei der Bewertung der Ausbildungsqualität zwischen Auszubildenden mit und ohne Migrationshintergrund in erster Linie im Kontext der jeweiligen berufsstrukturellen Rahmenbedingungen zu betrachten. Dies wird auch durch Ergebnisse vorliegender Studien bestätigt, wonach die Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Ausbildungsabschlusses weniger vom Migrationshintergrund selbst als vielmehr von den jeweiligen Ausgangs- und Rahmenbedingungen beeinflusst wird. 8 Es ist also festzustellen, dass junge Menschen mit Migrationshintergrund insbesondere beim Zugang zu Ausbildung nach wie vor diskriminiert werden. Hierzu zählt auch, dass Auszubildende mit Migrationshintergrund deutlich seltener eine Ausbildung in ihrem Wunschberuf (28,3 Prozent) absolvieren als Azubis ohne Migrationshintergrund (34 Prozent). Demgegenüber sind sie deutlich häufiger in einen Beruf eingemündet, den sie ursprünglich nicht geplant hatten (25,2 Prozent gegenüber 18,7 Prozent), bzw. der letztlich nur eine Notlösung darstellte (7,2 Prozent gegenüber 3,7 Prozent). Diese Befunde decken sich auch mit dem subjektiven Empfinden der Jugendlichen. So hat etwa jede_r zehnte Auszubildende mit Migrationshintergrund (10,4 Prozent) in Rheinland-Pfalz das Gefühl, bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz wegen seiner_ihrer Herkunft oder Staatsangehörigkeit benachteiligt worden zu sein. 8 vgl. BIBB-Report 6/2014 Einmündungschancen in duale Berufsausbildung und Ausbildungs - erfolg junger Migranten und Migrantinnen Ergebnisse der BIBB- Übergangsstudie 2011, S. 3 28 Ausbildungsreport 2015 Rheinland-Pfalz

4. Schwerpunkt: Junge Menschen mit Migrationshintergrund in der Ausbildung Mein Ausbildungsberuf war bei der Berufswahl mein Wunschberuf 28,3% 34,0% einer von mehreren interessanten Berufen 39,3% 43,7% eine Alternative, die ich eigentlich nicht geplant hatte 18,7% 25,2% eine Notlösung 7,2% 3,7% Abbildung 28: Mein Ausbildungsberuf war bei der Berufswahl mit Migrationshintergrund ohne Migrationshintergrund Insgesamt zeigen sich zwischen Auszubildenden mit und ohne Migrationshintergrund in verschiedenen Bereichen mehr oder weniger stark ausgeprägte Unterschiede bei der Bewertung der Ausbildungsqualität. Beispielsweise geben nur 37 Prozent der Auszubildenden mit Migrationshintergrund an, von ihrem Ausbilder»immer«korrekt behandelt zu werden, gegenüber 44,9 Prozent der Auszubildenden ohne Migrationshintergrund. Differenziert man diese Frage aber wiederum nach den drei Gruppen der am besten, mittleren und am schlechtesten bewerteten Berufen, so gleichen sich die Werte teilweise an. Zwar beträgt der Unterschied in der Gruppe der am schlechtesten bewerteten Berufe immer noch fast 7 Prozent (29,8 Prozent der Auszubildenden mit Migrationshintergrund fühlen sich hier»immer korrekt behandelt«gegenüber 36,7 Prozent der Auszubildenden ohne Migrationshintergrund). Vergleicht man diese jedoch mit der Gruppe der am besten bewerteten Berufe beträgt der Unterschied über 20 Prozent (34 Prozent aller Auszubildenden in den am schlechtesten bewerteten Berufen gegenüber 54,8 Prozent aller Auszubildenden in den am besten bewerteten Berufen fühlen sich»immer korrekt behandelt«). Dennoch fühlt sich jede_r fünfte Auszubildende mit Migrationshintergrund in Rheinland-Pfalz aufgrund seiner Herkunft oder Staatsangehörigkeit in der Ausbildung benachteiligt. Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, dass es zwar eindeutige Unterschiede bei der Bewertung der Ausbildungsqualität zwischen Auszubildenden mit und Auszubildenden ohne Migrationshintergrund gibt. Diese sind jedoch zu großen Teilen auf die strukturelle Benachteiligung junger Migrant_innen beim Zugang zu Ausbildung zurückzuführen. Es fällt ihnen schwerer, einen Ausbildungsplatz zu finden, der ihren persönlichen Wünschen entspricht. Zudem münden junge Migrant_innen überdurchschnittlich häufig in Berufe ein, die von den Auszubildenden durchschnittlich schlechter bewertet werden. Ausbildungsreport 2015 Rheinland-Pfalz 29

4. Schwerpunkt: Junge Menschen mit Migrationshintergrund in der Ausbildung Ich habe das Gefühl, in meiner Ausbildung wegen meiner Herkunft oder Staatsangehörigkeit benachteiligt zu werden (nur Auszubildende mit Migrationshintergrund) nie 80,0% selten 7,8% manchmal 8,2% häufig 4,1% Abbildung 29: Ich habe das Gefühl, in meiner Ausbildung wegen meiner Herkunft oder Staatsangehörigkeit benachteiligt zu werden (nur Auszubildende mit Migrationshintergrund) Diskriminierungserfahrungen im Rahmen der Ausbildung aufgrund von Herkunft oder Staatsangehörigkeit gehören leider noch immer zur alltäglichen Erfahrungen vieler junger Migrant_innen in Deutschland und das, obwohl sie zum großen Teil hier geboren wurden und/oder die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Berücksichtigt man, dass im Rahmen des Ausbildungsreports nur jene Migrant_innen befragt wurden, die sich erfolgreich um einen Ausbildungsplatz bemüht haben, lässt sich erahnen, dass sich die Situation für all jene, die bereits an dieser Hürde scheitern, noch deutlich schlechter gestaltet. Bestätigt werden die schlechteren Einmündungschancen junger Migrant_innen in eine duale Berufsausbildung durch verschiedene Studien 9, wobei sich zeigt, dass dabei die Diskriminierung durch Betriebe einen von vielen wesentlichen Faktoren darstellt. Eine wichtige Rolle spielen in diesem Zusammenhang negative Zuschreibungsmerkmale gegenüber einer kollektiven Gruppe der Migrant_innen, die eine intensive Auseinandersetzung mit dem_der individuellen Bewerber_in selbst verhindern. Natürlich gibt es neben der Diskriminierung im betrieblichen Umfeld noch viele weitere Gründe für die schlechten Einmündungsquoten junger Migrant_innen, wie z.b. die durchschnittlich niedrigeren Schul - abschlüsse. Insgesamt landen so in jedem Jahr etwa die Hälfte aller Bewerber_innen mit Migrationshintergrund im sogenannten Übergangssystem, welches sie mitunter für mehrere Jahre von dem fernhält, was sie eigentlich anstreben: eine duale Berufsausbildung. Wie der Ausbildungsreport zeigt, hört die Diskriminierung jedoch mit dem Beginn der Ausbildung nicht auf, was sich letztlich auch in der Ausbildungszufriedenheit insgesamt widerspiegelt. Ansatzpunkte zur Verbesserung der Ausbildungssituation von Jugendlichen mit Migrationshintergrund sind insbesondere auf zwei Ebenen zu sehen: Zum einen bedarf es auf Seiten der Arbeitgeber Veränderungen beim Einstellungsverhalten und beim Umgang mit Auszubildenden mit Migrationshintergrund, um diesen einen Zugang auch zu attraktiven Ausbildungsberufen zu erleichtern und jeglicher Form von Diskriminierung noch konsequenter entgegenzutreten. Zum anderen gilt es, die noch immer vorhandenen strukturellen Benachteiligungen im 9 vgl. u.a. Beicht, Ursula/Walden, Günter (2014): BIBB-Report 5/2014: Einmündungschancen in duale Berufsausbildung und Ausbildungserfolg junger Migranten und Migrantinnen 30 Ausbildungsreport 2015 Rheinland-Pfalz

4. Schwerpunkt: Junge Menschen mit Migrationshintergrund in der Ausbildung Bildungssystem abzubauen, um Jugendlichen mit Migrationshintergrund den Zugang zu höheren Bildungsabschlüssen zu erleichtern und so die individuellen Voraussetzungen einer Ausbildungsaufnahme zu verbessern. Neben diesen mittel- und langfristigen Zielen bedarf es zudem einer betrieblichen Antidiskriminierungs - politik, die auf Einstellungs- und Verhaltensänderungen ausgerichtet ist. Sie muss erkennbar in konkreten Betriebsvereinbarungen sein, auf die Kompetenzen von Gewerkschaften, Betriebs- und Personalräten sowie Jugend- und Auszubildendenvertretungen sollte dabei unbedingt zurückgegriffen werden. Nicht zuletzt bedarf es Maßnahmen, die Migrant_innen selbst dazu befähigt und sie unterstützt, gegen Diskriminierung vorzugehen, wo immer sie erfahren wird. Ausbildungsreport 2015 Rheinland-Pfalz 31