Umgang mit sexualisierter Gewalt in der DLRG-Jugend. Hilfestellung für ehrenamtliche Mitarbeiter/innen

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Transkript:

Umgang mit sexualisierter Gewalt in der DLRG-Jugend Hilfestellung für ehrenamtliche Mitarbeiter/innen

Einleitung Dieses vorgelegte Informationspapier soll den Mitarbeiter/innen der DLRG-Jugend Hilfestellung für den Umgang mit dem Thema sexualisierte Gewalt und ihrer Prävention bieten. Was ist sexueller Missbrauch, was ist sexualisierte Gewalt? Bei der Auseinandersetzung mit dem Thema sexualisierter Gewalt ist oft die Rede von sexuellem Missbrauch. Dieser Begriff verdeutlicht eine wichtige Grundlage sexualisierter Gewalt, welche in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle nicht von fremden Menschen verübt wird, sondern von Personen die dem Kind gut bekannt sind. In dreiviertel der Fälle sind es Familienangehörige, Freunde der Familie, Betreuungspersonen o.ä., welche das vorhandene Vertrauensverhältnis missbrauchen und ihre Macht- oder Autoritätsposition für die Befriedigung eigener Bedürfnisse ausnutzen. Der Begriff sexualisierte Gewalt verweist darauf, dass es sich hier nicht um eine gewalttätige Form von Sexualität sondern um eine Gewaltausübung in sexualisierter Form handelt. Von sexualisierter Gewalt kann jedes Kind und jede/r Jugendliche betroffen sein, unabhängig von Herkunft, Schichtzugehörigkeit, Alter, Geschlecht oder Aussehen. Eine Häufung der Fälle wird jedoch für die Altersstufe 5 bis 14 Jahre angenommen. 1 Sexualisierte Gewalt kommt in verschiedenen Formen vor und hat Vorstufen, die oft als grenzverletzendes oder grenzüberschreitenden Verhalten bezeichnet werden. Hierzu zählen z. B. anzügliche Sprüche, herabwürdigende Kommentare, aufdringliche Blicke. Bei sexualisierter Gewalt ist nicht immer ein Körperkontakt gegeben. Der Zwang, sich auszuziehen, sich Pornografie ansehen zu müssen etc. kann aufgrund eines bestehenden Machtverhältnisses auch psychisch durchgesetzt werden. Beispiele für sexualisierte Gewalt mit Körperkontakt sind erzwungene Zungenküsse, Berührungen an der Brust oder im Genitalbereich, bis hin zur Vergewaltigung. Immer wieder taucht die Frage auf, ob sexualisierte Gewalt und Grenzverletzungen nicht auch aus Versehen geschehen können oder ob es nicht auch zu Missverständnissen kommen kann. So wird z.b. die Hilfestellung im Sportunterricht angeführt, bei der unabsichtliche Berüh- 1 Siehe Studienzusammenfassung von Anette Engfer (2005): Formen der Misshandlung von Kindern - Definitionen, Häufigkeiten, Erklärungsansätze. In: Egle, Ulrich u.a. (Hrsg.): Sexueller Missbrauch, Misshandlung, Vernachlässigung. Erkennung, Therapie und Prävention der Folgen früher Stresserfahrungen. Stuttgart, S. 3-19 Kinder und Körperlichkeit Kinder haben ein natürliches Bedürfnis nach Liebe, Geborgenheit und Schutz, nach Nähe, Zuwendung und Körperkontakt. Die Erfüllung dieser Bedürfnisse durch enge und geliebte Bezugspersonen wie Eltern, Verwandte, Erzieher/innen etc. sollte selbstverständlich sein und ist für die gelingende Entwicklung von Kindern eine zentrale Voraussetzung. Das körperliche Erkunden des eigenen Körpers und der Körper anderer Kinder, oft bekannt unter der Bezeichnung Doktorspiele, ist eine ebenso natürliche Erfahrung von Kindern, die ebenfalls für die kindliche Entwicklung wichtig ist. Findet dieses neugierige Entdecken unter Kindern mit ähnlichem Entwicklungsstand und im gegenseitigen Einverständnis aller Kinder statt, ermöglicht es, einen freien, selbstverständlichen und vor allem selbstbestimmter Umgang mit Körperlichkeit zu erlernen. Sowohl die selbstbestimmte körperliche Hinwendung zu erwachsenen Bezugspersonen wie auch zu sich selbst und zu anderen Kindern hat nichts mit der Sexualität Erwachsener zu tun und darf niemals für die sexuelle Erregung oder Befriedigung von Erwachsenen missbraucht werden. Missbrauch verhindert die gesunde Entwicklung des Kindes und beschädigt Seele, Geist und Körper oft für ein ganzes Leben. 2 Umgang mit sexualisierter Gewalt in der DLRG-Jugend

rungen vorkommen können. Tatsächlich spüren sowohl die betroffenen Kinder/Jugendlichen als auch die Erwachsenen sehr genau, ob hier ein Vorsatz oder ein Versehen vorliegt. Niemand kann ein Mädchen oder einen Jungen aus Versehen missbrauchen. 2 Täter/innenstrategien Täter/innen 3 gehen zielgerichtet nach einem Plan vor. Sie suchen sich gezielt ihre Opfer aus, oft die emotional bedürftigen Kinder. Sie bauen ein Vertrauensverhältnis zum Kind, zu den Eltern, zum sozialen Umfeld auf. Sie schaffen sich ein Image, aufgrund dessen ihnen niemand eine derartige Tat zutrauen würde. Sie schenken ihrem potenziellen Opfer besondere Aufmerksamkeit und Zuwendung und versuchen, es in ein emotionales Abhängigkeitsverhältnis zu bringen. Sie planen ihre Übergriffe gezielt und bereiten sie ausführlich vor. Sie testen langsam, wie weit der/ die Heranwachsende mitmacht und verschieben langsam die Grenzen. Sie schaffen Situationen, in denen sie mit ihrem Opfer alleine sind. Die 2 Braun, Gisela: Gegen sexuellen Missbrauch an Mädchen und Jungen. 8. Auflage 2004 3 Heute wird davon ausgegangen, dass 85-90 % der Täter männlich sind, 10-15 % weiblich. Täter und Täterinnen kommen aus allen sozialen Schichten. Täter/innen nutzen ihre Überlegenheit als Erwachsene. Sie sorgen dafür, dass ihr Opfer über die Erlebnisse Schweigen bewahrt, indem sie ihm das Gefühl geben, dass es selber die Schuld am Geschehen trägt, indem sie ihm einreden, dass ihm niemand glauben würde oder indem sie es emotional erpressen und/oder bedrohen. Leider erweist sich das Umfeld der Heranwachsenden sehr oft als tatunterstützend, indem es die Hilfesignale der Opfer nicht wahrnimmt oder sogar bewusst ignoriert. Betroffene Kinder und Jugendliche müssen sich in der Regel mehreren Personen anvertrauen, bevor sie erstmals Hilfe erhalten. Respektvoller Umgang als erste Präventionsmaßnahme Die Grundlage jeden zwischenmenschlichen Kontakts sollte ein respektvoller Umgang miteinander sein. In vielen Lebensbereichen müssen jedoch vor allem Kinder aber auch Jugendliche immer wieder erleben, dass ihre Meinung nicht ernst genommen wird, ihre Bedürfnisse unbeachtet bleiben oder ihre Wünsche übergangen werden. In einem Kinder- und Jugendverband, in dem die Anliegen und Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen die zentrale Stellung einnehmen, sollte der respektvolle Umgang selbstverständlich sein. Ein achtsames Miteinander schließt dabei immer auch die Wahrung der Grenzen von Kindern und Jugendlichen mit ein, genauso wie die Achtung der Privatsphäre, die zweifellos jedem Kind und jedem Jugendlichen zusteht. Hierzu gehört auch, dass das Schamgefühl von Kindern und Jugendlichen, welches individuell unterschiedlich sein kann, von jedem Erwachsenen zu akzeptieren und zu respektieren ist. Wie auch bei Erwachsenen ist ein grenzverletzendes Verhalten gegenüber Kindern und Jugendlichen tabu. 3 Hilfestellung für ehrenamtliche Mitarbeiter/innen

Kinder- und Jugendverbände als Tatorte Jugendverbände bieten sich gut als Tatorte an. Täter/innen haben hier die Gelegenheit, viele verschiedene Kinder und Jugendliche kennen zu lernen und zu denen langfristige Beziehungen aufzubauen, die ihnen für ihre Taten geeignet erscheinen. Im Verband können sie Vertrauensverhältnisse zum sozialen Umfeld des Kindes herstellen und sich ein Image erarbeiten, das sie vor Verdächtigungen schützt. Insbesondere Schwimmbäder bieten zudem vielfältige Gelegenheiten für unauffällige Blicke, da Badebekleidung, Duschen und Umkleidekabinen ganz selbstverständlich zum Verbandsalltag in der DLRG-Jugend und der DLRG dazu gehören. Prävention sexualisierter Gewalt im Jugendverband Allgemeine Umgangsformen Ein respektvoller Umgang, die Erziehung und Ermutigung zu selbstbewussten Kindern und Jugendlichen, die Wahrnehmung und Achtung von persönlichen Grenzen (sowohl die Grenzen anderer als auch die eigenen) sind eine gute Basisprävention. Kinder sollen lernen, dass sie ihren Gefühlen vertrauen können, dass ihr Nein Gehör findet, dass sie Hilfe erhalten, wenn sie sich anderen anvertrauen. Wenn diese Grundsätze im Umgang mit den anvertrauten Kindern und Jugendlichen gelebt werden, ist dies bereits eine erste Form von Prävention. Unterstützende Übungen Gezielte Übungen können unterstützend eingesetzt werden, um zu lernen: Mein Körper gehört mir. Ich kann meinen Wahrnehmungen und Gefühlen trauen. Es gibt angenehme, unangenehme und komische Berührungen. Ich darf Nein sagen. Es gibt gute und schlechte Geheimnisse. Ich darf mir Hilfe holen. Obwohl es sinnvoll ist, durch die allgemeinen Umgangsformen und durch spezielle Übungen Kinder und Jugendliche zu stärken, reicht dieser Präventionsansatz nicht aus. Kinder und Jugendliche sind nicht für ihren Schutz verantwortlich. Die Erwachsenen sind in der Pflicht, die Kinder und Jugendlichen zu schützen. Wer vorbeugen will, muss daher auch an den Strukturen arbeiten, um dauerhaft und personenunabhängig einen geschützten Raum für Kinder und Jugendliche zu schaffen. 4 Umgang mit sexualisierter Gewalt in der DLRG-Jugend

Schaffung eines täterfeindlichen Umfeldes Durch die Thematisierung von sexualisierter Gewalt und Präventionsmaßnahmen, durch die Fortbildung von ehrenamtlichen und hauptberuflichen Mitarbeiter/innen, durch die Erarbeitung von Strategien zur Verhinderung sexualisierter Gewalt und durch deren Veröffentlichung kann sich ein Kinder- und Jugendverband ein täterfeindliches Umfeld erarbeiten. Folgende Maßnahmen tragen zu einer strukturellen Prävention bei: Benennung und Veröffentlichung von Ansprechpersonen zum Thema Transparente und klare Verhaltensregeln für den Umgang mit Kindern und Jugendlichen Zusammenarbeit mit Beratungsstellen Verankerung von Sensibilisierung und Wissensvermittlung in der Ausbildung (z. B. bei der Erlangung der JuLeiCa) Zusätzliche regelmäßige Fortbildungen für Vorstände und seine Mitarbeiter/innen Veröffentlichung von Informationsmaterial für Erwachsene und für Heranwachsende Veröffentlichung von Hilfestellungen, was zu tun ist, wenn ein Fall von sexualisierter Gewalt auftritt Intervention: Umgang mit Fällen von sexualisierter Gewalt Grundsätzlich gilt, dass Anzeichen für oder Berichte über Grenzverletzungen und sexualisierte Gewalt immer ernst genommen werden müssen. Da wir alle keine Expert/innen in diesem Bereich sind, ist es wichtig, mit der Situation nicht alleine zu bleiben und sich Hilfe, Beratung und Unterstützung bei Fachkräften in einer der vielen Beratungsstellen zu holen. Sollte Verdacht gegen Mitglieder erhoben werden, ist sicher zu stellen, dass diese bis zur Klärung des Sachverhaltes keine weiteren Kontaktmöglichkeiten zu Kindern und Jugendlichen erhalten. Leider kann es keinen festen Fahrplan geben, der im Falle eines Verdachtes sexualisierter Gewalt gilt. Dafür ist die Thematik zu komplex und zu sensibel und die Situationen sowie die Menschen sind zu unterschiedlich. Folgende Anregungen sollen jedoch erste Orientierung bieten: Gedächtnisprotokoll Ein Gedächtnisprotokoll hat den Zweck, Situationen, Begebenheiten, Gespräche, Eindrücke etc. zeitnah festzuhalten. Denn das Erinnerungsvermögen lässt im Laufe der Zeit nach und es entstehen schnell Erinnerungslücken und Unsicherheiten bezüglich des Geschehenen. Ein Gedächtnisprotokoll beinhaltet alle möglicherweise relevanten Situationen und Begebenheiten. Dabei hält es nicht nur die Fakten, sondern auch die Emotionen sowie das eigene Bauchgefühl fest. Wichtige Fragen sind: Wann, Wer, Was, Wo und Wie? Inhalte von Gedächtnisprotokollen können sein: Datum, Uhrzeit Was ist vorgefallen? Wer hat was gemacht? Wer hat was gesehen? Wer hat sich wie verhalten? Welche Gefühle traten auf? Was habe ich gedacht? Sowie alle Aspekte, die wichtig, besonders, ungewöhnlich erscheinen. 5 Hilfestellung für ehrenamtliche Mitarbeiter/innen

Was tun, wenn ich so ein komisches Gefühl habe? Es gibt keine eindeutigen Signale bei sexualisierter Gewalt. Daher gilt es, aufmerksam zu sein und auf das eigene Gefühl zu vertrauen. Bewahre Ruhe! Überlege, woher das komische Gefühl kommt. Halte deine Überlegungen schriftlich fest. Fertige ein Gedächtnisprotokoll an: Was hat wann zu welcher Vermutung geführt? Was hat welche Gefühle verursacht? Tausch dich über dein komisches Gefühl aus. Vertrauenspersonen aus deinem Umfeld oder falls vorhanden eine Ansprechperson im Verband helfen dir, über dein komisches Gefühl zu reflektieren und mehr Klarheit zu erlangen. Hole dir Hilfe bei einer Beratungsstelle. Manchmal genügt ein Anruf, um das weitere Vorgehen zu klären. Hier sollte auch die Frage erörtert werden, was für den Umgang mit den betroffenen Kindern oder Jugendlichen beachtet werden sollte und inwieweit deren Eltern zu informieren sind. Informiere nicht den Täter/die Täterin.* Was tun, wenn ein Verdachtsfall in meinem Verband auftritt? Bewahre Ruhe! Überlege, was ist passiert. Halte deine Überlegungen schriftlich fest. Fertige Gedächtnisprotokolle an. Hole dir Unterstützung, tausche dich mit einer Vertrauensperson aus. Wenn du selber Hilfe benötigst, hole sie dir bei einer Beratungsstelle. Hier sind professionelle Fachleute für deine Unterstützung da. Informiere den Vorstand. Der Vorstand sollte sich im Verdachtsfall unbedingt an eine Beratungsstelle wenden und hier unter anderem den Umgang mit den betroffenen Kindern/Jugendlichen sowie mit den Eltern klären. Der Vorstand muss sicherstellen, dass der mögliche Täter/ die mögliche Täterin keine weiteren Gelegenheiten zum Kontakt mit Kindern oder Jugendlichen erhält. Informiere nicht den Täter/die Täterin*. * Wann, wie, durch wen der/die Täter/in konfrontiert wird, sollte in jedem indiduellen Fall mit einer Beratungsstelle geklärt werden. Sobald ein/e Täter/in erfährt, dass ein Opfer sein Schweigen gebrochen hat, hat er/sie die Möglichkeit, das Opfer unter Druck zu setzen und an der Verschleierung der Taten zu arbeiten. 6 Umgang mit sexualisierter Gewalt in der DLRG-Jugend

Was tun, wenn sich mir eine betroffene Person anvertraut? Bewahre Ruhe! Höre zu und nehme dein Gegenüber ernst. Versprich nichts, was du nicht halten kannst Handle nicht überstürzt. Behandle das, was du erfahren hast vertraulich aber fertige ein Gedächtnisprotokoll an und hole dir Hilfe bei einer Person deines Vertrauens und einer Beratungsstelle. Kläre mit Unterstützung der Beratungsstelle, was beim weiteren Umgang mit dem Kind beachtet werden muss und wie die Eltern einzubinden sind. Informiere nicht den Täter/die Täterin. Handle nicht über den Kopf der betroffenen Person hinweg. Beratungsstellen Oftmals werden aus Unsicherheit und Unwissenheit Schritte und Maßnahmen unternommen oder auch unterlassen, die der betroffenen Person eher schaden als nutzen, die den Täter/die Täterin schützen und dem Verband nicht zuträglich sind. Daher sollte im Verdachtsfall eine Beratungsstelle hinzu gezogen werden. Sie bietet Hilfestellung, die Vorfälle einzuschätzen, die nächsten Schritte zu entwickeln und sie unterstützt bei Unsicherheiten bezüglich der Rechtslage. Sie berät beim Umgang mit Betroffenen und Eltern, mit Täter/innen und Öffentlichkeit. Sie bringt nötige Fachlichkeit und Erfahrung ein und ist damit zentrale Unterstützungsinstanz in einer schwierigen, in der Regel überfordernden Situation. Wie finde ich eine Beratungsstelle in meiner Nähe? N.I.N.A. (Nationale Infoline Netzwerk und Anlaufstelle zu sexueller Gewalt an Mädchen und Jungen) bietet eine bundesweite Übersicht über Beratungsstellen. Wer hier anfragt, erhält Auskunft, welche Beratungsstellen in seiner Nähe existieren, auf Wunsch auch anonym. Tel: 01805 123465 (Mo. 09.00-13.00 Uhr, Do. 13.00 bis 17.00 Uhr) oder Email: mail@nina-info.de Eine große Datenbank zu Beratungsstellen in Deutschland bietet http://www.missbrauch-opfer.info Auch das örtliche Jugendamt informiert über Beratungsstellen in der Umgebung Telefonische Beratung bietet die Nummer gegen Kummer des Deutschen Kinderschutzbundes für Kinder und Jugendliche unter 0800 1110-333, für Erwachsene unter 0800 1110-550 Es ist auch möglich, sich an die Telefonseelsorge zu wenden, die rund um die Uhr, anonym und gebührenfrei erreichbar ist unter: 0800 1110-111 oder 0800 1110-222. Weitere bekannte Beratungsstellen sind: AllerleiRauh (Karlsruhe) Allerleirauh (Hamburg) Ausweg (Dresden) Dunkelziffer (Hamburg) Violetta (Hannover) Wildwasser (Berlin, Chemnitz, Gießen, Halle, Ludwigshafen, Nürnberg, Stuttgart) Zartbitter (Köln) 7 Hilfestellung für ehrenamtliche Mitarbeiter/innen

LiteraturTipps Print: Braun, Gisela: Gegen sexuellen Missbrauch an Mädchen und Jungen, 8. Auflage 2004 Deutsche Wanderjugend: Fair. Stark. Miteinander. Gemeinsam Grenzen achten! Enders, Ursula (Hrsg.): Grenzen achten. Schutz vor sexuellem Missbrauch in Institutionen. Ein Handbuch für die Praxis. Kiepenheuer & Witsch 2012. Johanniter Jugend: Achtung. Eine Arbeitshilfe gegen Sexuellen Missbrauch im Jugendverband, 2005 Landesjugendkammer der Ev. Jugend in Bayern, Amt für Jugendarbeit der Ev. Lutherischen Kirche in Bayern: Bei uns nicht! (Bezug über afj@ejb.de) VCP (Verband Christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder: AKTIV! Gegen sexualisierte Gewalt. Eine Handreichung für Verantwortungsträgerinnen und träger im VCP. 2010 Online: www.praetect.de: Speziell für Jugendverbände, bietet Hintergrundinformationen und Leitfäden www.nummergegenkummer.de: Hilfe für Kinder und Jugendliche in allen schwierigen Lebenslagen Bildnachweis Titel DLRG-Jugend Seite 3 Liv Stephan www.jugendfotos.de CC-Lizenz (by-nc-nd) Seite 4 Mariesol Fumy www.jugendfotos.de CC-Lizenz (by-nc-nd) Seite 6 Katharina Bernahrdt www.jugendfotos.de CC-Lizenz (by-nc-nd) IMPRESSUM HERAUSGEBER & BESTELLUNGEN DLRG-Jugend, Bundesvorstand Im Niedernfeld 2 31542 Bad Nenndorf Tel.: 05723-955 300 E-Mail: info@dlrg-jugend.de Internet: www.dlrg-jugend.de AUTORIN Stefanie Lüthje DLRG-Jugend Tel.: 05723-955 335 E-Mail: stefanie.luethje@dlrg-jugend.de LAYOUT Antje Heilmann I DLRG-Jugend ONLINE DRUCK www.dlrg-jugend.de/service/ arbeitsmaterialien.html Stand: 18.02.2013 Gefördert vom 8 Umgang mit sexualisierter Gewalt in der DLRG-Jugend