Älter werdende Migranten kehren nicht zurück sondern bleiben! Ergebnisse einer nicht-repräsentativen Erhebung (September 2009) In den Monaten März bis Juli 2009 wurde von der AWO Westliches Westfalen eine nichtrepräsentative Erhebung unter älter werdenden insbesondere aus der Türkei stammenden Migrantinnen und Migranten durchgeführt. Zielsetzung war zu erfahren, inwieweit sich älter werdende Migrantinnen und Migranten auf ein dauerhaftes Leben in Deutschland eingerichtet oder sie ihre frühere Rückkehroption auch weiterhin als Lebensplanung aufrecht erhalten. Als Fazit ist festzustellen, dass sie ihr Leben auf ein dauerhaftes Hierbleiben eingestellt und ihre früheren Rückkehrabsichten aufgegeben haben. Auch das noch bis vor wenigen Jahren oftmals praktizierte Pendelverhalten zwischen der Türkei und Deutschland ist weitgehend aufgegeben worden! Somit werden älter werdende Migrantinnen und Migranten in NRW eine wichtige Zielgruppe für Pflege und Versorgung bei Krankheit und Pflegebedürftigkeit darstellen. In Zusammenarbeit mit den Fachdiensten für Migration und Integration der AWO im Bezirk westliches Westfalen wurde eine Gruppe von 560 türkischstämmigen und 62 tunesischstämmigen älteren Migranten zu ihren Rückkehrabsichten und zum Pendelverhalten befragt. In die Auswertung sind zusätzlich noch 42 Antworten von Migranten ohne Herkunftsangabe eingeflossen. Somit liegen den Ergebnissen 664 Aussagen zu Grunde. Mit 73 % stammte eine große Menrheit der Befragten aus ländlichen Regionen der Türkei bzw. Tunesiens; 15% gaben an, aus kleinstädtischen und städtischen Regionen zu stammen, nur 12% gaben Großstädte als Heimatorte an. Auswertung Bei einem Dreiviertel der Befragten handelte es sich um männliche Personen Die Altersgruppe von 60 bis 65 Jahren war mit 61% die am stärksten vertretene Gruppe; die Altersgruppen bis 60 Jahre sowie über 65 und über 70 Jahre waren mit 11 und 14 % annähernd gleich vertreten. Bei der Aufenthaltsdauer fiel auf, dass die Gruppe derjenigen, die angaben bereits bis zu 40 Jahren in Deutschland zu leben, mit 45% am größten war. 29% gaben aber auch an, sich noch länger als 40 Jahre in Deutschland aufzuhalten. Bei den Angaben zu Familiengrößen bestätigte sich das angenomme Bild von eher großen und kinder- und enkelreichen Familien mit 2 bis 4 Kindern und 2 bis 3 Enkeln. Erfreulicherweise ist es gelungen, von den Befragten auch Angaben zu ihrem Rentenbezug zu erhalten, wobei die Gruppe derjenigen mit Altersrenten mit 62% am größten war. Empfänger von Erwerbsunfähigkeitsrenten (12%) und Witwen- bzw. Witwerrenten (9%) waren deutlich unterrepräsentiert. Die Angaben zur Höhe der Renten korrespondiert mit Ergebnissen anderer Untersuchungen und ergab, dass 71% der Befragten Renten bis 1.300 bezogen. Diese relativ geringe Renten haben sicher einen Einfluß auf die ermittelten Ergebnisse hinsichtlich der Rückkehr in die Herkunftsländer, zumal die Kosten für Flüge und Lebenshaltungskosten z. B. in der Türkei in
den letzten Jahren erheblich gestiegen sind. Im Zusammenhang wurden in der Vergangenheit die Rückkehrabsichten von Migrantinnen und Migranten auch immer wieder mit Wohneigentum in den Herkunftsländern begründet. Auch danach wurde gefragt und es kam heraus, dass in der befragten Gruppe nicht viele mit Wohneigentum in den Herkunftsländern (6%) zu finden waren. Mehr Personen haben dagegen Sparguthaben angegeben, wobei man davon ausgehen kann, dass diese Sparguthaben hier in Deutschland angelegt sind. Dazu passen die Angaben von 92% der Befragten, die Wohneigentum im Ausland angaben, dass sie nicht beabsichtigten, dieses zu behalten. Auch Sparguthaben sind soweit überhaupt vorhanden nach Auskunft der Befragten überwiegend im Inland und wendiger im Ausland vorhanden. Und wenn im Ausland so gibt auch eine breite Mehrheit mit 81% an, dieses nicht so beibehalten zu wollen. Die zuletzt gestellten Fragen zu Rückkehrabsichten entsprechen dem bereits gezeichneten Bild: Nur 7 % gaben an, sich noch mit Rückkehrabsichten zu tragen Dagegen stimmten 79% der Aussage zu, ihre Rückkehroption definitiv aufgegeben zu haben. Diese Aussage ist insofern interessant und aufschlussreich, als daraus doch zu entnehmen ist, dass man sich mit der das Gastarbeiterleben prägenden Lebensperspektive und Lebensplanung beschäftigt hat und zu neuen Entscheidungen gekommen ist. Als maßgebliche und gut nachvollziehbare Gründe wurden mit 86% und 89% hier lebende Kinder und Enkel genannt. Die Aussagen zum früher häufig praktizierten Pendelverhalten passen zu diesen Angaben: 81% gaben an, früher gependelt zu sein; aber nur noch 42% sagten, dass sie auch zur Zeit noch pendeln und gar 73% gaben an, zukünftig nicht mehr pendeln zu wollen. Interessanterweise äußerten sich 87% der Befragten dahingehend, dass sie sich gefühlsmäßig nicht von ihrem Heimatland entfernt hätten. Anderes anzunehmen wäre m. E. auch nicht zu erwarten gewesen. Dies scheint also kein Grund für die Entscheidungen zu sein, auf Dauer hier in Deutschland bleiben zu wollen. Andere Gründe für den Verbleib wie Streitigkeiten mit in der Heimat lebenden Familienangehörigen oder verstorbenen Verwandten und Freunden sind aus den angefügten Tabellen genauer abzulesen. Auf Grund dieser Ergebnisse wird man davon ausgehen können, dass älter werdende Migrantinnen und Migranten Nachfrager, Nutzer und Kunden von Versorgungssystem der Altenhilfe und insbesondere des Gesundheitswesens bleiben werden. Es wird also unumgänglich werden, sich stärker als bisher auf die Bedürfnisse dieser Menschen einzurichten und ihren zumindest teilweise spezifischen Unterstützungsbedarf zu berücksichtigen. AWO Bezirk Westliches Westfalen, Demenzservicezentrum für Menschen mit Zuwanderungsgeschichte, Reinhard Streibel Dortmund, den 5.Oktober 2009
Anlagen Tabelle 1: Geschlechterverteilung Männlich weiblich 73% 27 % Tabelle 2: Altersverteilung Bis 60 Jahre 14 % Bis 65 Jahre 61 % Bis 70 Jahre 14 % Über 70 Jahre 11 % Tabelle 3: Aufenthaltsdauer in Deutschland Bis 20 Jahre 8 % Bis 25 Jahre 7 % Bis 30 Jahre 11 % Bis 40 Jahre 45 % Über 40 Jahre 29 % Tabelle 4: Familienangehörige 1 2 3 4 über 4 keine Anzahl Kinder 47 91 301 189 63 13 Davon in D lebend 40 76 285 160 56 75 Anzahl Enkel --- 159 307 14 7 138 Davon in D lebend --- 160 304 13 6 ------- Tabelle 5: Rentenbezug 1 % Seit.. Jahren In..Jahren Altersrente 62 12 3 Erwerbsunfähig keitsrente Witwen-/Witwer- Rente Keine Angaben 17 12 11 9 5
Tabelle 6: Rentenbezug 2 Höhe der Renten/erwartete Höhe Bis 1.000 23 % Bis 1.300 48 % Bis 1.500 4 % Über 2000 1 % Keine Angabe 24 % Tabelle 7: Eigentum In % Ja Nein k.a. Ja Nein k.a. Wohneigentum im Ausland 6 88 6 Soll beibehalten bleiben 4 92 4 Wohneigentum in D 4 86 10 36 52 12 Sparguthaben im Ausland 8 81 11 14 81 5 Sparguthaben in D 19 71 10 48 22 30 Tabelle 8: Herkunftsregionen Großstädtische Regionen 12% städtische/kleinstädtische Regionen 15% Ländliche Regionen 73% Tabelle 9: Rückkehrabsichten und Pendelverhalten (Mehrfachantworten möglich): In % Ja Nein k.a./weiß nicht Ist eine dauerhafte Rückkehr geplant? 7 81 12 Wurde die Option aufgegeben ins Herkunftsland zurückzukehren? 79 6 15 Warum: Kinder leben hier 86 10 4 Warum: Enkel leben hier 89 6 5 Warum: Entfremdung von der Heimat 4 87 9 Warum: Freunde/Verwandte sind verstorben 43 38 19 Warum: Streitigkeiten mit Familienangehörigen im Ausland 14 13 73
Sind Sie in den letzten Jahren zwischen D und dem Herkunftsland gependelt? 81 16 4 Pendeln Sie weiterhin? 42 7 51 Werden Sie zukünftig pendeln? 9 73 18 N = 664