Michael Decker Behavioral Finance Anlegerverhalten erfolgreich nutzen Diplomica Verlag
Michael Decker Behavioral Finance: Anlegerverhalten erfolgreich nutzen ISBN: 978-3-8366-2925-6 Herstellung: Diplomica Verlag GmbH, Hamburg, 2009 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Die Informationen in diesem Werk wurden mit Sorgfalt erarbeitet. Dennoch können Fehler nicht vollständig ausgeschlossen werden und der Verlag, die Autoren oder Übersetzer übernehmen keine juristische Verantwortung oder irgendeine Haftung für evtl. verbliebene fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diplomica Verlag GmbH http://www.diplomica-verlag.de, Hamburg 2009
Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung... 3 2 Behavioral Finance... 6 2.1 Angst und Gier... 8 2.2 Kontrollbedürfnis... 10 2.2.1 Formen der internen Kontrolle... 11 2.2.2 Einflüsse auf das Kontrollbedürfnis von Anlegern... 13 2.2.3 Folgen des Kontrollbedürfnisses... 15 2.3 Harmoniebedürfnis... 17 2.3.1 Harmonieverlust aufgrund kognitiver Dissonanzen... 17 2.3.2 Ursachen erhöhter Dissonanzen... 18 2.3.3 Folgen aufgrund bestehender Dissonanzen... 20 2.4 Angewandte Methoden bei schwierigen Sachverhalten... 22 2.4.1 Komplexitätsreduzierungen durch Heuristiken... 23 2.4.1.1 Mental Accounting... 24 2.4.1.2 Vereinfachungsheuristik... 25 2.4.1.3 Verfügbarkeitsheuristik... 26 2.4.2 Heuristiken zur raschen Urteilsfindung... 29 2.4.2.1 Repräsentativitätsheuristik... 29 2.4.2.2 Verankerungsheuristik... 31 2.5 Relative Bewertung von Gewinnen und Verlusten... 32 2.5.1 Die Wertefunktion der Prospect Theory... 32 2.5.2 Auswirkungen der Prospect Theory... 34 2.6 Überblick über die wichtigsten irrationalen Verhaltensweisen... 37 3 Sentimentanalysen in der Praxis... 40 3.1 Grundlagen der Sentimentanalyse... 40 3.2 Anwendung der Sentimentanalyse... 42 1
3.3 Ausgewählte Institute der klassischen Sentimentanalyse... 43 3.3.1 sentix... 43 3.3.2 animusx... 45 3.3.3 Cognitrend... 47 3.4 Die Put/Call Ratio... 47 4 Verknüpfung von Behavioral Finance Forschung und Sentimentanalyse... 49 4.1 Allgemeine Datenbeschreibung... 49 4.2 Datenaufbereitung... 50 4.3 Ableiten einer Hypothese... 54 4.4 Überprüfung der Hypothese... 56 4.4.1 Gültigkeit der Hypothese für das kurzfristige animusx- Sentiment... 58 4.4.2 Gültigkeit der Hypothese für die Put/Call Ratio... 65 4.5 Anwendbarkeit der abgeleiteten Handelsstrategien... 70 5 Kritische Betrachtung... 71 6 Fazit... 73 Anhang... 75 Literaturverzeichnis... 78 Internetverzeichnis... 82 2
1 Einleitung Ich kann zwar die Bahn der Gestirne auf Zentimeter und Sekunden berechnen, aber nicht, wohin eine verrückte Menge einen Börsenkurs treiben kann. 1 In diesem Zitat von Sir Isaac Newton steckt die Erkenntnis, dass es an den Börsen nicht immer rational zugeht. Die starken Volatilitäten an den Aktienmärkten, die meist nicht fundamentalanalytisch erklärbar sind, deuten ebenfalls auf ein an den Börsen vorhandenes irrationales Verhalten der Marktteilnehmer hin. 2 Dieses irrationale Verhalten auf Finanz- und Kapitalmärkten versucht die Wissenschaft im Rahmen der Behavioral Finance (= Verhaltenswissenschaftliche Finanzmarktforschung), unter Einbeziehung psychologischer Faktoren, zu erklären. 3 Bisher finden die theoretischen Erkenntnisse der Behavioral Finance Forschung und das damit verbesserte Verständnis über Verhalten von Marktteilnehmer in der Praxis noch wenig Berücksichtigung. 4 Die vorliegende Untersuchung soll einen Beitrag dazu leisten, die wesentlichen Determinanten und Besonderheiten eines Entscheidungsprozesses auf Grundlagen der Behavioral Finance Forschung zu identifizieren und in einen strukturierten Rahmen einzuordnen. Dabei gewonnene Erkenntnisse sollen es Anlegern ermöglichen, bestimmte Verhaltensanomalien zu erkennen, um ihr Verhalten im Interesse besserer Anlageentscheidungen zu ändern oder zu revidieren. Ebenso soll dabei die enge Verknüpfung der einzelnen Teilbereiche der Behavioral Finance Forschung verdeutlicht werden. Aufbauend auf dieser Zielsetzung wird im Weiteren eine Auswahl dieser Erkenntnisse mit ausgewählten Sentimentindikatoren verknüpft, um Ziel des Buches 1 Sir Isaac Newton,(1643-1727), englischer Mathematiker, Physiker und Astronom. 2 Vgl. Henschel 2004, URL: http://www.gaip.de/news/20040303pres.pdf, 04.07.2008. 3 Vgl. Bergold / Mayer 2005, S. 14. 4 Vgl. Goldberg / Nitzsch 2004, S. 28. 3
die bisher meist theoretische Behavioral Finance Forschung in der Praxis nutzbarer zu machen. Für die dafür durchgeführte Untersuchung stehen unter anderem historische Daten zur Verfügung, die in dieser Art nicht veröffentlicht wurden. Dabei handelt es sich um die Rohdaten des animusx-sentiments die, von dessen Entwickler Herrn Thomas Theuerzeit, für meine Untersuchung zur Verfügung gestellt wurden. Bei der Verknüpfung wird untersucht, ob ein Zusammenhang der Sentimentanalyse mit der Behavioral Finance Forschung besteht und sich dadurch eine anwendbare Handelsstrategie ableiten lässt. Abgrenzung des Themas Die Forschungsgebiete der Behavioral Finance sind sehr umfangreich. Im Rahmen der Aufgabenstellung wird sich diese Studie deshalb auf die Bedürfnisse und Motive von Anlegern, sowie auf angewandte Heuristiken bei schwierigen Sachverhalten konzentrieren. Eine vollständige Abdeckung aller bisher bekannten Effekte wird in diesem Buch nicht angestrebt. Ebenso wird auf die spezifische Forschung in den Bereichen der Hirnforschung, die sich mit der weiteren Unterteilung der Akteure in Verhaltensgruppen befasst, nicht weiter eingegangen. Für die Verknüpfung mit der Sentimentanalyse wird ebenfalls auf eine Datenbasis zurückgegriffen, die eine Gesamtheit von Anlegern abbildet und damit auch keine Differenzierung der einzelnen Individuen notwendig macht. Im Rahmen der Sentimentanalyse werden die Unterschiede zwischen den klassischen Indikatoren aufgezeigt sowie die Put/Call Ratio erläutert. Die Verknüpfung wird anhand der Daten des animusx- Sentiment, das zu den klassischen Sentimentindikatoren zählt, und der Put/Call Ratio durchgeführt. Als Basiswert der Indikatoren wird in der gesamten Untersuchung der DAX verwendet. Relevanz für die Praxis Insbesondere die bei der Verknüpfung des animusx-sentiment und der Put/Call Ratio mit der auf Grundlagen der Behavioral Finance Forschung aufgestellten anwendbaren Handelsstrategie soll zu einer sichereren Anlegerrendite beitragen. Ebenso sollen die prägnant zusammengefassten Erkenntnisse aus der Behavioral Finance Forschung zu einer Optimierung der Verhaltensweisen an den Märkten beitragen 4
indem Wechselspiele von Unter- oder Überreaktionen besser einschätzbar gemacht werden. Dabei sollten nicht nur institutionelle Anleger wie Analysten oder Fondsmanager, sondern auch Bankberater oder Privatanleger sich mit dieser Thematik auseinandersetzen um Schwächen im eigenen Verhalten aufzudecken. In Kapitel 1 wurde zunächst die Zielsetzung des Buches beschrieben, sowie eine kurze Abgrenzung des Themas vorgenommen. Danach wurde die Relevanz dieses Buches für die Praxis aufgezeigt. Im Anschluss sollen in Kapitel 2 die wesentlichen Erkenntnisse der Behavioral Finance Forschung skizziert, und am Ende des Kapitels einen für die vorliegende Aufgabenstellung erforderlichen Überblick über die wichtigen Kernaussagen gegeben werden. Kapitel 3 beschreibt Grundlagen der Sentimentanalyse und die für die spätere Untersuchung notwendigen Sentimentindikatoren. In diesem Zusammenhang werden auch bekannte Institute vorgestellt, die zur Ermittlung verschiedener Sentimentindikatoren Stimmungsumfragen erheben. Die Entwicklung einer in der Praxis anwendbaren Hypothese aufgrund der zur Verfügung stehenden Daten erfolgt in Kapitel 4. Darauf aufbauend werden diese Erkenntnisse in Kapitel 5 kritisch betrachtet, bevor das Buch in Kapitel 6 durch ein Fazit abgeschlossen wird. Aufbau der Untersuchung Michael Decker, August 2008 5
2 Behavioral Finance Vorgehen In diesem Kapitel soll zuerst eine Abgrenzung der klassischen Wirtschaftstheorie zur Behavioral Finance Forschung hergestellt werden. Dabei wird die Grundidee von Behavioral Finance und deren Entstehung aufgezeigt. In den folgenden Unterpunkten werden die durch die Begründer der Theorie und ihre Nachfolger erarbeiteten wesentlichen Erkenntnisse erläutert. Dazu werden von Kapitel 2.1 bis 2.3 die häufigsten finanzmarktrelevanten menschlichen Bedürfnisse und Emotionen und deren Folgen aufgezeigt. In Kapitel 2.4 werden die in schwierigen Situationen angewandten Verhaltensweisen, die sogenannten Heuristiken, erklärt. Kapitel 2.5 zeigt die Verhaltensweisen bei der Bewertung von Gewinn und Verlust, bevor in Kapitel 2.6 noch einmal ein zusammenfassender Überblick über die beschriebenen Verhaltensweisen gegeben wird. Ziel dieses Kapitel ist es, ein möglichst umfassendes Verständnis für die Behavioral Finance Forschung zu vermitteln, damit in den nachfolgenden Kapiteln eine Verknüpfung herstellen werden kann. homo oeconomicus" Der Mensch wird in der vorherrschenden neoklassischen Wirtschaftswissenschaft oft als homo oeconomicus dargestellt. Darunter wird der Idealtyp eines ausschließlich unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten denkenden und handelnden Individuums verstanden. Eine wichtige Bedingung dafür ist, dass sich das Individuum rational verhält. 5 Von einem rational handelnden Anleger gehen wir im ökonomischen Kontext aus, sobald dieser die Maximierung des Erwartungsnutzens anstrebt. 6 Grundsätzlich gilt dabei, dass ein Anleger, der eine Entscheidung zwischen zwei Handlungsalternativen treffen muss, die Alternative wählt, die einen größeren zu erwartenden Nutzen bietet. 7 5 Vgl. o.v., Das Lexikon der Wirtschaft unter URL: http://www.bpb.de/popup/popup_lemmata.html?guid=rkfu7q, 28.06.2008. 6 Vgl. Goldberg / Nitzsch 2004, S. 38. 7 Vgl. Oehler 1995, S. 14. 6
Die Prämisse der klassischen Wirtschaftstheorie des sich stets rational verhaltenden homo oeconomicus scheinen Beobachtungen des historischen Marktgeschehens nicht zu unterstützen. 8 Die Behavioral Finance Forschung als relativ junger Zweig der Finanzierungstheorie grenzt sich durch das Aufgeben der Hypothese des homo oeconomicus von den Annahmen der klassischen Wirtschaftstheorie ab. 9 Entscheidungsanomalien der Marktteilnehmer werden hierbei vornehmlich durch Unsicherheit und Unwissenheit begründet. Behavioral Finance zielt durch Analyse der Verhaltensweise von Marktteilnehmern darauf ab, diese Rationalitätsfallen zu identifizieren und dadurch emotionale Fehler zu reduzieren. 10 Die bisherige Wirtschaftstheorie soll keinesfalls aufgegeben werden. Diese sollte allerdings für ihre Modelle nicht immer von einem vollständig rationalen Marktteilnehmer ausgehen, dadurch könnten bisher nicht zu erklärende Finanzmarktphänomene besser nachvollzogen werden. 11 Abgrenzung zur klassischen Wirtschaftstheorie Ihren Ursprung hat die Behavioral Finance Forschung in der neuen Erwartungstheorie ( Prospect Theory ) von Daniel Kahneman und Amos Tversky, sowie in der Theorie der eingeschränkten Rationalität ( bounded rationality ) von Herbert Simon. In deren Modellen wurde erstmals die neoklassische Finanzierungstheorie um die psychologische Komponente erweitert. 12 Diese nicht außer Acht zu lassenden psychologischen Komponenten werden in den folgenden Ausführungen verdeutlicht. Entstehung 8 Der Psychologe Daniel Kahneman erhielt für den wissenschaftlichen Nachweis dafür den Nobelpreis für Wirtschaft 2002. 9 Vgl. Braun 2007, S. 70. 10 Vgl. Bergold / Mayer 2005, S. 38. 11 Vgl. Thaler 2005, S. 1. 12 Vgl. Braun 2007, S. 71; Vgl. Shefrin 2000, S. 8f. 7