Epidemiologie - Ansätze. Anke Huss, PhD Institute for Risk Assessment Sciences Utrecht University

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Transkript:

Epidemiologie - Ansätze Anke Huss, PhD Institute for Risk Assessment Sciences Utrecht University

Epidemiologie Epidemiology is the study of the distribution of health and disease in the population, and of the determinants of this distribution. (Nieuwenhuijsen 2008, environmental epidemiology)

Studiendesigns Deskriptive Studien Beschreibung von Krankheitsvorkommen in einer Population, oft erster Schritt Analytische Studien Analysiert den Zusammenhang zwischen Krankheit/ Gesundheit und anderen Faktoren

Studiendesigns Analytische Studien Experimentelle Studien Gezielte Veränderung von Exposition, Verhalten oder Krankheitsverlauf Ethische Grenzen, Machbarkeit Beobachtende Studien Abschätzung von Risiken für den Menschen Quantifizierung der Höhe des Risikos

Studiendesigns Epidemiologische Studien Beobachtende Studien Experimentelle Studien RCT/ human laboratory studies Individual-Daten Aggregierte Daten Ökologische Studie Querschnittsstudie Fall-Kontroll Studie Kohorten Studie

Studiendesigns Epidemiologische Studien Beobachtende Studien Experimentelle Studien RCT/ human laboratory Studies Individual-Daten Aggregierte Daten Ökologische Studie Querschnittsstudie Fall-Kontroll Studie Kohorten Studie

Querschnittsstudien Auch Prävalenzstudie oder Survey Exposition und Krankheit/ Gesundheitsfrage zur gleichen Zeit erfasst Schnelle Antwort auf die Frage wie gross Problem ist Effektiv für Faktoren, die sich mit Krankheitsstatus nicht verändern (ethnische Zugehörigkeit, genetische Faktoren, ) Muss gewährleistet sein, dass Exposition nicht durch Krankheitsstatus beeinflusst wird Kausale Aussagen nicht möglich, da Exposition und Endpunkt gleichzeitig erfasst werden

Querschnittsstudien Potentielle Probleme Selektionsbias (Unterschiede zwischen Studienteilnehmer und nicht-teilnehmern, durch Einschluss/ Teilnahme) Informationsbias (Man misst nicht, was man messen möchte), auch: observer bias (vom Wissenschaftler) reporting/ responder bias (vom Studienteilnehmer) oder von den eingesetzten Instrumenten

Querschnittsstudie - Beispiel Sudan et al Open Pediatric Medicine Journal 2012 Eingebettet in Kohortenstudie (DNBC) Eltern haben Fragebogen zu Kopfschmerzen, Migräne und Handygebrauch ausgefüllt, Kinder waren 7 J Leicht erhöhtes Risiko für Kopfschmerzen/ Migräne beobachtet in Kindern in Zusammenhang mit: pränataler Exposition (= Handygebrauch Mutter während Schwangerschaft), postnataler Exposition (= Handygebrauch Kind) Potentielle Probleme Selektionsbias? (66% Teilnahme), Bias Richtung kein Effekt Reporting bias? (Falls Eltern von Migränekindern mehr Handygebrauch berichten) Umgekehrte Kausalität? (Falls Kinder mit Kopfschmerzen häufiger Telefonieren)

Fall-Kontroll Studien Potentielle Ursache (Exposition, z.b. Handygebrauch) wird verglichen in Individuen mit Krankheit mit Individuen ohne Longitudinale Studie

Fall-Kontroll Studien Source: Beaglehole et al 2006_WHO

Fall-Kontroll Studien für seltene Erkrankungen (e.g. Hirntumore) Mehrere Expositionen gleichzeitig Häufig günstiger als Kohortenstudie Potentielle Probleme Die Kontrollen müssen aus der selben Grundpopulation stammen wie die Fälle Selektionsbias (Unterschiede zwischen Studienteilnehmer und nicht-teilnehmern, durch Einschluss/ Teilnahme) Informationsbias : Recall bias (vom Studienteilnehmer) observer bias (vom Wissenschaftler)

Fall-Kontroll Studie - Beispiel Hardell 2013 Int Journal of Cancer Fall-Kontrollstudie zu Hirntumoren und Handygebrauch Fälle aus Krebsregister Kontrollen aus Populationsregister Fälle und Kontrollen füllten Fragebogen aus, plus strukturiertes Interview am Telefon Interviewer weiss nicht ob Fall oder Kontroll-Interview Exposition wird verglichen

Fall-Kontroll Studie - Beispiel Hardell 2013 Int Journal of Onc (malignant brain tumour) Selektionsbias nicht sehr wahrscheinlich (85% Teilnahme) Recall bias wahrscheinlich Blinding unwahrscheinlich (observer bias?)

Kohortenstudien Gesunde Personen mit exponierten und nicht Expositionen wird beobachtet über Zeit wie häufig tritt Krankheit in den Gruppen auf Longitudinale Studie für seltene Expositionen Mehrere Erkrankungen gleichzeitig Weil Exposition vor Erkrankung definiert wird, sollte Einfluss ausgeschlossen sein Zeitliche Reihenfolge ist determiniert (erst Exposition, dann Krankheit)

Kohortenstudien Source: Beaglehole et al 2006_WHO

Kohortenstudien Potentielle Probleme Häufig sehr teuer Weniger geeignet für seltene Erkrankungen (zum Beispiel Hirntumore braucht riesige Kohorten) Erkrankungen die sich über langen Zeitraum entwickeln schwierig

Kohortenstudien - Beispiel Benson et al Int J Epidemiology 2013 Eingebettet in Millon Women Study (~800 000) Zwischen 1999-2005, Survey mit Fragen: «Wie häufig benutzen Sie ein Handy» (nie, weniger als täglich, täglich) «Seit wann benutzen Sie ein Handy» Erfassung von Hirntumoren (Gliom, Meningeom, Vestibularis Schwannom (Akustikusneurinom), )

Kohortenstudien - Beispiel Benson et al Int J Epidemiology 2013 Kein erhöhtes Risiko für Hirntumore beobachtet Leicht erhöhtes Risiko für Akustikusneurinom in späterem Follow-up nicht mehr beobachtet Probleme: Sehr grobes Expositionsmass

Inzidenz (Trend) Studien Ökologische Studie auf aggregierten Daten Müssten eigentlich am Anfang stehen Handygebrauch Hirntumore: grosses Revival, da: Extrem starke Zunahme Exposition Wenig umweltbezogene Risikofaktoren bekannt Registrierung der Hirntumore in vielen Ländern schon lange quasi komplett ist «Realitätscheck» - ist ein 80% höheres Risiko nach 1-5 Jahren Telefonieren plausibel? Falls ein Risiko besteht, müsste es also um plausibel zu sein Irgendwann sichtbar werden Anstieg nach Einführung Handytechnologie Unklar, wann

Inzidenz Studien Source: Deltour et al 2012 Glioma Trends in Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden, 1979-2008

Inzidenz Studien Source: Little et al, BMJ 2012 Observed and projected rates of glioma (US), in non-hispanic white people, by latency period and various assumed level of relative risk

Fragen zur Interpretation Systematische Fehler? Einschluss Studienteilnehmer, Erfassung von Exposition oder Endpunkt? Verzerrung (Confounding)? Anderer Faktor der sowohl mit Endpunkt als auch mit Exposition assoziiert ist und nicht in der Analyse in Betracht gezogen wurde? Zufall? -> Ist die beobachtete Assoziation eventuell kausal? Hill Kriterien