Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.v. DV 3/12 AF III 14. März 2012

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Transkript:

Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.v. DV 3/12 AF III 14. März 2012 Stellungnahme des Deutschen Vereins zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens, zur Stärkung der Gläubigerrechte und zur Insolvenzfestigkeit von Lizenzen 1 Der Deutsche Verein sieht in den geplanten Neuregelungen, die eine Stärkung der außergerichtlichen Einigung zwischen Schuldner und Gläubigern beinhalten, einen richtigen Weg, um den Zugang zur Restschuldbefreiung effektiver zu gestalten. Er empfiehlt, die im Referentenentwurf noch vorgesehene Bindung der vorgezogenen Zustimmungsersetzung an einen Insolvenzantrag aufzugeben. Die Allgemeinverbindlichkeit einer erfolgreichen außergerichtlichen Einigung sollte sichergestellt werden. Anstatt einer nach Befriedigungsquoten gestaffelten Restschuldbefreiung wird eine moderate Verkürzung der Restschuldbefreiung für alle Schuldner auf vier Jahre vorgeschlagen. I. Vorbemerkung Im Jahr 2001 wurde mit der Einführung der Möglichkeit zur Verfahrenskostenstundung auch masselosen Schuldnern, die über keine Mittel für eine Bestreitung von Verfahrenskosten verfügen, der Zugang zum Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet. In der Folge hat sich die Zahl der Verbraucherinsolvenzen in Deutschland deutlich erhöht. Seit dem 1 Bearbeitungsstand des Referentenentwurfs: 18. Januar 2012, 10:30 Uhr. Verantwortlicher Referent im Deutschen Verein: Andreas Krampe. Die Empfehlungen wurden im Arbeitskreis Grundsicherung und Sozialhilfe sowie im Fachausschuss Sozialpolitik, soziale Sicherung, Sozialhilfe beraten und am 14. März 2012 vom Präsidium des Deutschen Vereins verabschiedet. Deutscher Verein Michaelkirchstraße 17/18 D-10179 Berlin-Mitte Seite 1 von 7 www.deutscher-verein.de

Jahr 2006 nehmen jährlich zwischen 100.009 (im Jahr 2006) und 111.524 (im Jahr 2010) überschuldete Personen das Verbraucherinsolvenzverfahren in Anspruch. 2 Im Vergleich zu den 6,41 Millionen überschuldeten Bürgerinnen und Bürgern und den 3,14 Millionen überschuldeten Haushalten, die der Schuldneratlas Deutschland für das Jahr 2011 ausweist, ist der Anteil derjenigen, die das im Jahr 1999 eingeführte Verbraucherinsolvenzverfahren nutzen, jedoch nach wie vor gering. 3 Vor dem Hintergrund der hohen Anzahl der Verfahren stand die Modifikation des Insolvenz- und Restschuldverfahrens mit Blick auf die masselosen Schuldner in den vergangenen Jahren im Mittelpunkt der Diskussion. Der nunmehr vorgelegte Referentenentwurf sieht u.a. Regelungen vor, um das außergerichtliche Einigungsverfahren zwischen Schuldner und Gläubigern zu stärken. Dabei wird auf den in der vorausgegangenen Legislaturperiode eingebrachten Vorschlag verzichtet, masselose Schuldner unter Einschaltung eines vorläufigen Treuhänders von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unmittelbar in das Restschuldverfahren überzuleiten (BT-Drucks. 16/7416). Stattdessen erhält die Beratung und Prüfung durch Schuldnerberatungsstellen und anwaltliche Schuldnerberatung, wie im Folgenden dargelegt, ein stärkeres Gewicht. Der Deutsche Verein sieht mit diesen Elementen den Gesetzentwurf auf dem richtigen Weg, um den Zugang zur Restschuldbefreiung für masselose Schuldner, auf die der größte Teil der Verfahren entfällt, unter Berücksichtigung der Interessen und Rechte aller Beteiligten effektiver zu gestalten. 4 Im Folgenden weist der Deutsche Verein auf einzelne Regelungen des Entwurfs hin, die aus seiner Sicht gute oder verbesserungsbedürftige Lösungen insbesondere für die Durchführung der masselosen Verfahren darstellen. 5 2 Die Angaben beziehen sich auf eröffnete Verbraucherinsolvenzverfahren (Verbraucher und ehemals selbstständig Tätige). Im Zeitraum Januar bis Oktober 2011 wurden 88.784 Verfahren eröffnet (Statistisches Bundesamt GENESIS-Online, Stand: 31. Januar 2012). 3 Verband der Vereine Creditreform e.v. (Hrsg.): Schuldneratlas Deutschland 2011, Neuss 2011. 4 Siehe hierzu bereits den Vorschlag des Deutschen Vereins zur beabsichtigten Neugestaltung des Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahrens in NDV 2006, 76, sowie die Stellungnahme eines Gesetzes zur Entschuldung völlig mittelloser Personen und zur Änderung des Verbraucherinsolvenzverfahren in NDV 2007, 195 ff. 5 Eine im Gesetzentwurf vorgesehene Möglichkeit der Versagung von Amts wegen ( 287a InsO n.f.) sowie eine Erweiterung der versagensbegründenden Straftaten um Eigentums- und Vermögensdelikte zum Nachteil eines antragstellenden Gläubigers ( 290 Abs. 1 Nr. 1a InsO n.f.) waren bereits Gegenstand des Vorgängerentwurfs (BT-Drucks. 16/7416). In einer Stellungnahme sprach sich der Deutsche Verein schon im Jahr 2007 gegen die Aufnahme solcher Bestimmungen in die Insolvenzordnung aus (NDV 2007, 196). Die Ausführungen haben aus Sicht des Deutschen Vereins weiter Bestand. Auf eine Wiederholung wird hier verzichtet. 2

II. Bewertung einzelner Regelungen 1. Verzicht auf einen außergerichtlichen Einigungsversuch bei offensichtlicher Aussichtslosigkeit ( 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO-E) Der Entwurf sieht für Fälle, bei denen eine außergerichtliche Einigung offensichtlich aussichtslos ist, den Verzicht auf eine zwingende Durchführung des außergerichtlichen Einigungsversuchs vor (in der Regel Quote unter 5 % oder mehr als 20 Gläubiger). Stattdessen kann eine geeignete Person oder Stelle auf der Grundlage persönlicher Beratung und eingehender Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Schuldners bestätigen, dass eine gerichtliche Einigung voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. Der Deutsche Verein sieht in dieser Neuregelung eine gute Lösung, von der eine Stärkung der außergerichtlichen Einigung zu erwarten ist. Zum einen werden sowohl die geeigneten Stellen bzw. Personen, als auch die Gläubiger im außergerichtlichen Verfahren von einem nicht zielführenden Arbeitsaufwand entlastet. Zum anderen stellt die zwingende Voraussetzung einer vorausgehenden persönlichen Beratung und eingehenden Prüfung klar, dass die sogenannten Aussichtslosigkeitsbescheinigungen, die die voraussichtliche Chancenlosigkeit eines außergerichtlichen Einigungsversuchs anzeigen, auf Grundlage fachlicher Standards erstellt werden müssen. Der Rekurs auf eine vorausgehende persönliche Beratung und eingehende Prüfung auch bei voraussichtlich aussichtslosen Fällen schiebt unseriösen Praktiken kommerzieller Schuldenregulierer wie auch möglichen bloß schematischen Fallbearbeitungen durch Schuldnerberatungsstellen oder Anwälten einen Riegel vor. Hiervon sind eine verbesserte Akzeptanz der Aussichtslosigkeitsbescheinigung bei den Verfahrensbeteiligten und eine Entlastung der Insolvenzgerichte von unzureichend vorbereiteten Insolvenzanträgen zu erwarten. 3

2. Einführung einer Zustimmungsersetzungsmöglichkeit für den außergerichtlichen Einigungsversuch ( 305a InsO-E) und Abschaffung des bisherigen (gerichtlichen) Schuldenbereinigungsplanverfahrens nach 307 InsO Der Entwurf sieht vor, dass der Schuldner bereits im Zuge des außergerichtlichen Einigungsversuchs mit der Aufstellung des (außergerichtlichen) Schuldenbereinigungsplans beantragen kann, die Zustimmung der ablehnenden Gläubiger durch das Votum des Richters zu ersetzen (vorgezogenes Zustimmungsersetzungsverfahren). Wie bisher, setzt die Zustimmungsersetzung die Kopf- und Summenmehrheit der zustimmenden Gläubiger bzw. ihrer Forderungen voraus. Allerdings wird die Zustimmungsersetzung eng an das Insolvenzverfahren gebunden. Der Antrag auf Zustimmungsersetzung ist nur zulässig, wenn der Schuldner einen Insolvenzantrag gestellt hat. Mit der Annahme des Schuldenbereinigungsplans durch das Gericht entfällt das bisher gerichtliche Schuldenbereinigungsplanverfahren. Der Deutsche Verein sieht in der vorgezogenen Zustimmungsersetzung und in der Ersetzung des gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahrens geeignete Mittel, um die außergerichtliche Einigung zwischen Schuldnern und Gläubigern zu stärken. Die Erstellung des Schuldenbereinigungsplans wird in die Hände des Schuldners und der ihn unterstützenden geeigneten Personen oder Stellen gelegt. Über das Instrument der Zustimmungsersetzung können sie das Gericht für die Erzielung einer außergerichtlichen Einigung zu Hilfe ziehen. Allerdings wird der Vorteil einer Stärkung des außergerichtlichen Verfahrens durch die vorgesehene Bindung der Zustimmungsersetzung an den Insolvenzantrag geschmälert. Der Gesetzentwurf führt als Begründung hierfür die Ernsthaftigkeit des Begehrens an, die der Schuldner mit seiner Bereitschaft unter Beweis stelle, im Falle eines Scheiterns in die Insolvenz zu gehen. Außerdem führe die Zustimmungsersetzung zu einem verfassungsrechtlich erheblichen Eingriff in die Forderungsrechte der betroffenen Gläubiger (S. 29 des Entwurfs). Dem ist zu entgegnen, dass der Schuldner den Antrag auf Zustimmungsersetzung gerade deshalb stellt, um eine außergerichtliche Einigung mit den Gläubigern zu erzielen. Der den Zugang zum Insolvenzverfahren eröffnende Insolvenzgrund, nämlich die eingetretene oder drohende Zahlungsunfähigkeit ( 17, 18 InsO), wird bereits durch den Schuldenbereinigungsplan dargelegt, der ein Verzeichnis des Vermögens und 4

des Einkommens des Schuldners sowie der Gläubiger und der Forderungen umfasst. Im Interesse einer Vereinfachung und Stärkung der außergerichtlichen Einigung spricht sich der Deutsche Verein deshalb dafür aus, die im Gesetzentwurf vorgesehene Bindung der Zustimmungsersetzung an einen Insolvenzantrag aufzugeben. Weiterhin sieht der Gesetzentwurf keine Möglichkeit vor, die Aufnahme der Verhandlungen zwischen Schuldner und Gläubigern auf Basis des Schuldenbereinigungsplans amtlich zu veröffentlichen und damit auch unter Umständen vergessene Gläubiger einzubeziehen. Die daraus resultierende beschränkende Wirkung des Schuldenbereinigungsplans auf den Kreis der benannten Gläubiger stellt nach Einschätzung des Deutschen Vereins eine Schwächung der außergerichtlichen Einigung dar. Aus Sicht des Schuldners bedeutet die fehlende Allgemeinverbindlichkeit der außergerichtlichen Einigung, dass vergessene Gläubiger mit Zwangsvollstreckungsmaßnahmen das Ziel einer nachhaltigen Entschuldung und Wiedereingliederung gefährden können. Aus Sicht der Gläubiger scheint es dagegen kaum zu rechtfertigen, dass sie als benannte Gläubiger eine Entschuldung mittragen, während andere ihre Ansprüche weiter durchsetzen können. Der Deutsche Verein plädiert deshalb für die Aufnahme einer Regelung, mit der die Allgemeinverbindlichkeit einer erfolgreichen außergerichtlichen Einigung zwischen Schuldner und Gläubiger sichergestellt wird. 3. Vorzeitige Erteilung der Restschuldbefreiung nach drei Jahren bei Erfüllung einer Mindestbefriedigungsquote von 25 % und Deckung der Verfahrenskosten ( 300 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 InsO-E i.v.m. 53 InsO) Der Entwurf sieht die Möglichkeit einer vorzeitigen Restschuldbefreiung für Schuldner vor, die eine festgelegte Mindestbefriedigungsquote erfüllen und die Verfahrenskosten begleichen. Begründet wird dies insbesondere durch die Anreizstrukturen, die damit erstmals in das ansonsten auf Sanktionen setzende Verbraucherinsolvenzverfahren eingeführt werden. Der Deutsche Verein befürwortet das Ansinnen, Anreizstrukturen für Schuldner in die Verfahren der Verbraucherinsolvenz zu implementieren. Der Entwurfsbegründung wird jedoch nicht gefolgt. So ist die Aussicht auf eine Verkürzung des Restschuldverfahrens bei einer Mindestbefriedungsquote von 25 % schon allein deshalb kein adäquater Anreiz, weil aufgrund der Struktur der Verbraucherinsolvenzen nach Einschätzungen von Experten stellen masselose Schuldner 80 bis 90 % aller Verbrau- 5

cherinsolvenzverfahren 6 nur wenige Schuldner eine solche Quote durch eigene überobligatorischen Leistungen überhaupt erreichen können. Darüber hinaus wirft der Vorschlag einer nach Befriedigungsquoten gestaffelten vorzeitigen Restschuldbefreiung die Frage auf, warum eine außergerichtliche Einigung nicht möglich war, wenn der Schuldner nach drei Jahren 25 % seiner Schulden begleichen kann. Demzufolge erwartet der Deutsche Verein von einer qualifizierten Beratung und Prüfung in der außergerichtlichen Einigung, wie sie im Gesetzentwurf angelegt ist, größere Effekte als sie mit einem Anreizmodell von verkürzter Restschuldbefreiung und Mindestbefriedigungsquote erzielt werden können. Anstatt einer nach Befriedigungsquoten gestaffelten Restschuldbefreiung schlägt der Deutsche Verein vor, die Dauer der Wohlverhaltensperiode für alle Schuldner moderat auf vier Jahre zu verkürzen. Damit würde eine Annäherung an die Restschuldbefreiung in anderen europäischen Ländern auf hohem Niveau erreicht. 7 Anmerkung zu den geeigneten Stellen bzw. Personen im Insolvenz- und Restschuldverfahren Der Deutsche Verein sieht in der Stärkung der Verantwortung von Schuldner und geeigneten Stellen bzw. Personen in der Verbraucherinsolvenz, die sich aus den oben genannten Bestimmungen zur Stärkung des außergerichtlichen Einigungsverfahrens ergibt, einen richtigen Ansatz, um die Aussichten auf Restschuldbefreiung auch für masselose Schuldner unter Berücksichtigung der Interessen und Rechte der Gläubiger zu erhöhen. Empirische Untersuchungen zeigen, dass insbesondere überforderte Schuldner kompetente Hilfe benötigen und Schuldnerberatung wirksam ist in Bezug auf eine persönliche Stabilisierung, Arbeitsmarktintegration und Entschuldung von Schuldnern. 8 Zu erwarten ist allerdings, dass sich die Nachfrage nach einer Beratung durch geeignete Stellen oder Personen infolge der Neuregelungen des Gesetzentwurfes erhöhen kann. 6 Lechner, G.: Eine zweite Chance für alle gescheiterten Schuldner? Längsschnittstudie zur Evaluation des Verbraucherinsolvenzverfahrens, SCHUFA-Verbraucherbeirat 2009. 7 Zum Vergleich der Restschuldbefreiung ausgewählter europäischer Länder siehe Verbraucherzentrale Bundesverband (Hrsg.): Schuldenreport 2006, S. 343 ff., sowie Brennecke, H./Otépková, E.: Insolvenz und Restschuldbefreiung in Europa ein Vergleich der Insolvenzordnungen der Länder der EU, VMUR 2011. 8 Lechner (Fußn. 6); Hamburger, F./Kuhlemann, A./Walbrühl, U.: Wirksamkeit von Schuldnerberatung. Expertise im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2004. 6

Bereits jetzt gelten lange Wartezeiten bei den Schuldnerberatungsstellen als ein Nadelöhr für den Zugang zur Verbraucherinsolvenz. 9 Soll eine Stärkung der außergerichtlichen Einigung zur Entlastung des gerichtlichen Insolvenzverfahrens, wie im Gesetzentwurf angelegt, realisiert werden, sind demnach mindestens eine Sicherung des Bestandes der geeigneten Stellen und Personen, wenn nicht flankierende Regelungen für eine Weiterentwicklung erforderlich. Um die Wirkungen der einzelnen Regelungen des neuen Verfahrens besser prognostizieren und werten zu können, schlägt der Deutsche Verein deshalb vor, gewollte Auswirkungen und ungewollte Nebenwirkungen des Gesetzentwurfs im Rahmen einer Gesetzesfolgenabschätzung ( 44 GGO der Bundesministerien) zu erfassen. Dies könnte beispielsweise in Form eines Planspiels erfolgen, in dessen Rahmen typische Fallgestaltungen in ihren Auswirkungen auf die einzelnen Akteure überprüft werden. Darüber hinaus regt der Deutsche Verein an, im Hinblick auf die Folgen der Neugestaltung der Verfahren in das Gesetz eine Evaluierungsklausel aufzunehmen, die bestimmt, dass nach einer angemessenen Zeit die Auswirkungen des Gesetzes auf die geeigneten Stellen und Personen, die Insolvenzgerichte sowie auf die überschuldeten Personen untersucht werden müssen. 9 Busch, D.: Die Entwicklung der Verbraucherinsolvenz seit ihrer Einführung im Jahr 1999, in: Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit, Nr. 4/2011, S. 48 59. 7